„I want to hold your hand!“ Zum Tode von Robert Enke

Es ist 4:15 Uhr, Mittwoch morgen und ich bin noch immer bewegt von dieser Nacht. Nur eine Nacht, nachdem wir Deutschen den 20. Jahrestag des Mauerfalls feiern durften, trauert eine ganze Nation um einen großen Sportler, um den Nationaltorhüter Robert Enke.
Und als wäre der Verlust eines so sensiblen und vorbildlichen Sportlers nicht schon genug, so wiegt noch schwerer, dass Robert Enke nicht durch einen grausamen Unfall oder eine schreckliche Krankheit von uns gegangen ist, sondern, dass ein so erfolgreicher Sportler, der scheinbar alles erreicht hat, was sich jugendliche Sportler wünschen, durch die eigene Entscheidung für den Freitod und gegen das Leben eine große Lücke und eine große Frage hinterlässt.

Robert Enke

Die Lücke spüren wir alle, vor allem natürlich die hinterbliebene Ehefrau und die junge, eben erst adoptierte Tochter, die Eltern, denen nicht vergönnt war, von ihrem Kind beerdigt zu werden, sondern die unnatürliche, für alle Eltern besonders schmerzhafte Reihenfolge des Ablebens erfahren zu müssen, diesen Hinterbliebenen gehört unser Mitgefühl. Die Lücke spüren aber auch die Menschen im Verein Hannover 96, die Millionen Fußball-Fans, der DFB, die ganze Gesellschaft, jeder einzelne von uns.

Die große Frage aber, die Robert Enke hinterlässt, ist die: hätten wir, hätte diese Gesellschaft, es nicht geschafft, diesen jungen Mann im Leben zu halten, wenn wir ihm rechtzeitig unsere Hand gereicht hätten? Hätten wir nicht sehen können, welche Trauer dieser Mensch immer auf seinem Gesicht trug, eine Trauer, die wir offensichtlich stets als innere Ruhe und Bescheidenheit missdeutet haben? Wäre, wenn diese Gesellschaft nicht nur Menschen fordern würde, die immer „funktionieren“, Robert Enke noch am Leben?

Was passiert einem Sportler, wenn er durch die temporäre Schwäche des Körpers merkt, dass sein offensichtlich einziger Lebensinhalt, der sportliche Erfolg, gefährdet ist? Wären dann nicht wir, die Gesellschaft, dafür da, diesen Menschen zu stützen und ihm klar zu machen, dass jeder Mensch von den Mitmenschen gebraucht wird? Wie fragwürdig ist eine Gesellschaft, wenn sie die Leistung eines Menschen zum einzig Ausschlag gebenden Kriterium für den Wert eines Individuums für die Gemeinschaft definiert? Warum ist es so schwer, nur Zweiter zu sein? So viele Fragen, so wenige Antworten.

„I want to hold your hand!“ Robert Enke ist tot und wir trauern um ihn.