Als junger Mensch habe ich häufig die politischen Debatten in Bonn verfolgt und war immer wieder überrascht über die Namen, die für bestimmte politische Ämter gehandelt wurden.
Unter der CDU-Regierung unter Helmut Kohl wurde oft der Name des damaligen BMW-Vorstandsvorsitzenden Eberhard von Kuehnheim als Wirtschaftminister gehandelt.
Gerhard Schröder trat mit dem Unternehmer Jost Stollmann als zukünftigem Wirtschaftsminister an und Merkel scheiterte als Kandidatin mit dem Kandidaten für das Amt des Finanzministers, mit Paul Kirchhof, der von Gerhard Schröder immer nur lapidar als „der Professor aus Heidelberg“ abgekanzelt wurde.
Michael Buback war auch so ein Beispiel, wenngleich er „nur“ als Minister in der Landesregierung von Christian Wulff vorgesehen war.
Es gibt noch viel mehr Beispiele davon, wie Nicht-Politiker, die über eine fachlich hohe Reputation verfügten, als mögliche Minister vor den Wahlen gehandelt wurden, nach den Wahlen allerdings war stets alles anders. Da wollten dann die Parteigänger diesen Menschen keinen Platz lassen, Parteizugehörigkeit und eifriges Plakate kleben gingen über fachliche Kompetenz und der Abstieg Deutschlands von der wirtschaftlichen Großmacht zu dem, was davon heute noch davon geblieben ist, hängt auch mit derart unglücklichen Entscheidungen zusammen.
Gabor Steingard, Mit-Begründer der Grünen und heute Chefredakteur des Handelsblattes, hat diesen Abstieg Deutschlands in prägnanter Weise in seinem Buch: „Deutschland – Der Abstieg eines Superstars“ dokumentiert und analysiert.
Diese Nicht-Politiker wurden stets von der Politik missbraucht, erst als Köder für die Wähler und dann als Verhandlungsmasse bei der Besetzung der Ministerämter – zum Zuge kamen sie nie. Zur Belohnung wurden sie jedoch teilweise in einer Form kritisiert, die unerträglich war. Es ist kein Wunder, dass so kaum noch normale angesehene Bürger für die Politik und die Parteien eintreten und schon gar nicht für die Politik und die Parteien bereit stehen.
Aus dieser Reihe von Enttäuschungen trat dann ein Situation heraus. Ein echter Finanz-Fachmann, nahezu kein Politiker, sollte Staatspräsident werden. Horst Köhler, der von 1993 bis 1998 als Präsident den Deutschen Sparkassen- und Giroverband geführt hatte und danach für zwei Jahre der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) vorgesessen hatte, wurde im Jahr 2000 auf Vorschlag des Bundeskanzlers Gerhard Schröder zum Geschäftsführenden Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) bestellt, zudem wurde er Mitglieder der Trilateralen Kommission.
Im Herbst 2003 wurde Köhler von der Universität Tübingen zum Honorarprofessor ernannt.
Und dieser Horst Köhler sollte nun Bundespräsident werden, welch mutige Entscheidung!
Ich war froh, dass endlich die Gesellschaft Mut gezeigt hat und so eine Entscheidung getroffen hat.
Und die Entscheidung war gut. Wir alle erinnern uns an die 75% Zustimmung, die dieser Präsident bei der Bevölkerung genossen hat. Wir erinnern uns, dass er Gesetze nicht unterschreiben wollte und damit die Politik immer wieder in Schwierigkeiten gebracht hat. Auch die CDU/CSU hat während der ersten Amtszeit des Bundespräsidenten Köhler damit gedroht, ihn nicht wiederzuwählen, weil er eben seinen eigenen Kopf hatte.
Als „Nick-Onkel“, der brav das tut, was die Polit-Granden von ihm wollten, stand Horst Köhler nicht zur Verfügung. Spätestens dadurch wurde aus mir ein echter „Köhler-Fan“.
Wenn Horst Köhler sich heute entschieden hat, mit sofortiger Wirkung vom Amt des Bundespräsidenten zurückzutreten, dann ist das eine Ohrfeige an alle Polit-Granden. An Jürgen Trittin, der ihn als „rhetorische Dreckskanone“ bezeichnet hat, der die „Kanonenboot-Politik“ wieder haben wolle. Trittin verdächtigte Köhler sogar, „nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes“ zu stehen.
Es ist aber auch eine Ohrfeige für Angela Merkel und Guido Westerwelle, die es beide versäumt haben, sich in der hitzig geführten Diskussion um Köhler’s Worte um die Sicherung von Handelslinien für das Staatsoberhaupt einzubringen und vor Horst Köhler zu stellen. Nicht nur das, Angela Merkel ließ sogar verlauten, sie habe „dazu nichts zu sagen“.
Es ist auch eine Ohrfeige für die keifende Presse. Eine überregionale Zeitung nannte ihn respektlos „Schwadroneur“, eine Berliner Zeitung war sich nicht zu schade, so zu titeln: „Köhler erklärt den Krieg“. Andere Medien sprachen von einer „medialen Luftnummer“ und manche beschuldigten ihn sogar der Wiederaufnahme einer historischen Schande – der Kanonenbootpolitik.
Zuletzt aber ist es auch eine Ohrfeige für die gesamte Gesellschaft. Wir alle lassen es zu, dass hohe und höchste Ämter durch Medien, politische Hinterbänkler und durch uns selbst an den Stammtischen dieses Landes in einer Art und Weise kritisiert und beschädigt werden, die nicht erträglich ist. Dafür schäme ich mich.
Wenn Horst Köhler nun mit Tränen in den Augen so spektakulär zurücktritt, dann schulden wir es ihm, für die Zukunft unseren Umgang mit Funktionären, Politikern, mit Unternehmensführern und mit anderen in der Öffentlichkeit stehenden Personen zu überdenken. Kritik an diesen Menschen muss erlaubt sein, sie ist wichtig und für demokratische Gebilde notwendig. Aber sie muss sachorientiert sein und darf nicht den Menschen, dessen Entscheidung diskutiert wird, demontieren.
Heute Abend werde ich für zehn Minuten der knapp sechs Jahre gedenken, in denen Horst Köhler unser Bundespräsident war. Und ich werde ihm im Geiste danken. Für mich war Host Köhler stets ein Vorbild.
Danke, Herr Köhler, dass Sie so geradlinig waren!
PS: der oben schon erwähnte Gabor Steingart ist heute ein bekennender Nichtwähler. Und diesen Glauben teilt er sich mit mehr als 50% der Deutschen, ein wenig abhängig von der „Bedeutung“ der Wahl. Er dokumentiert das so schön in seinem Buch: „Die Machtfrage – Ansichten eines Nichtwählers“. Niemals habe ich damit so sehr sympathisiert wie heute.