Gestern nachmittag um 16 Uhr kam ein RSS-Feed von „Welt online“ auf meinen Rechner, das mich sehr interessierte. Es muss das „selektive Sehen“ sein, das immer wieder diese Duplizität der Ereignisse hervorbringt.
Das Feed verwies auf einen Artikel von Andreas Heimann mit der Überschrift „Beim Wandern an der Elbe zeigt sich Hamburg anders“.
Wandern oder Laufen an der Elbe? Da war doch was …
Ach ja, wir starten ja am 6. August um 6.00 Uhr von Dresden aus Richtung Hamburg, um herauszufinden, ob für Susanne Alexi, Hauke König und mich 560 Kilometer (zu laufen) möglich sind. Dabei werden wir hoffentlich auch die Erfahrung machen, dass sich beim Laufen oder Wandern an der Elbe die durchlaufene Gegend anders zeigt. Und genau darauf freue ich mich am meisten, mehr noch also darauf, ob das Herausschieben meiner persönlichen Laufgrenze gelingt oder nicht.
In dem Artikel steht also:
„Hamburg-Besucher sehen die Elbe oft nur ganz flüchtig. Dabei sollte man sich unbedingt ein bisschen Zeit für sie nehmen. Am Ufer führt der Elbwanderweg entlang, vom Stadtzentrum bis nach Wedel ist er 23 Kilometer lang. An der Strecke gibt es so viel zu sehen, dass dafür mindestens zwei Tage eingeplant werden sollten.
Wer mit etwas maritimem Flair in den Wandertag starten will, geht an den Landungsbrücken an Bord der Fähre, die elbabwärts unterwegs ist. Dort, gleich neben dem Alten Elbtunnel, legen auch die Schiffe für die Hafenrundfahrten ab. Die Fähre ist eine gute Alternative dazu: Am Bug beobachtet ein alter Seebär mit grauem Vollbart die Containerschiffe mit dem Fernglas.
Viele Kinder sind an Bord, ein Papa steht mit dem Kleinsten auf dem Arm an der Reling. Und am Elbufer gegenüber ist das Musicalzelt zu sehen, in dem schon seit einer gefühlten Ewigkeit „Der König der Löwen“ gespielt wird. Bald danach kommt das „Elbe Dock 17“ der Werft Blohm + Voss in Sicht, in dem Luxusyachten genauso wieder flott gemacht werden wie Kreuzfahrtschiffe. Elbabwärts geht es vorbei an den einst „instandbesetzten“ Häusern der Hafenstraße, die in den 80er-Jahren ständig in den Schlagzeilen waren. Heute sehen sie bunt und fast schon schick aus.
Erster Haltepunkt der Fähre ist der Altonaer Fischmarkt mit seiner Fischauktionshalle. Bis Neumühlen mit dem Anleger am Museumshafen sind es von hier aus nur noch fünf Minuten. Wer dort aussteigt, ist in Övelgönne angekommen. Früher wohnten hier vor allem Lotsen und Fischer. Ein paar Häuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert stehen noch.
„Kleineleuteklassizismus“ nannte der Schriftsteller Peter Rühmkorf, der lange in Övelgönne gelebt hat, den Baustil. Es sind schnuckelige Häuschen, die gemütlich wirken und in deren Vorgärten Rosen, Flieder und Hortensien blühen oder auch mal ein Anker liegt.
Am Wochenende sind hier viele Touristen unterwegs. Wer in Övelgönne wohnt, hat zumindest aus dem ersten Stock einen guten Blick auf die rund einen halben Kilometer breite Elbe – und wer hier spazieren geht, meist auch. Am Elbufer ist an dieser Stelle schon breiter Sandstrand, und viele Hamburger zieht es im Sommer am Wochenende dorthin: zum Grillen oder Chillen, zum Picknicken oder zum Feiern. Nach mancher Samstagnacht sieht es am Elbstrand so aus wie auf den Fanmeilen nach dem Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft. Manche gehen in Övelgönne sogar ein Stück ins Wasser, das heute viel sauberer ist als noch vor 20 Jahren.
Die „Strandperle“ hat hier ihren festen Platz. Vor dem bodenständigen Café, das Studenten genauso schätzen wie Touristen, flattert die Piratenflagge am Mast. Das ist kein Grund zur Beunruhigung, sondern mehr eine Sympathiekundgebung für Hamburgs neuen Erstligaverein FC St. Pauli. Unweit der „Strandperle“ ist mitten in der Elbe ein runder Ponton zu sehen, auf dem ein Mann mit dunkler Hose und weißem Hemd den Schiffsverkehr zu beobachten scheint. Er steht dort regungslos – und das schon ziemlich lange. Kein Wunder: Er ist aus Eichenholz und eine Arbeit des Bildhauers Stephan Balkenhol, der davon gleich mehrere in Hamburg verteilt hat.
Ein Stück hinter Övelgönne liegt der „Alte Schwede“ am Strand. Der Riesenfindling kam in der Eiszeit aus Südschweden nach Hamburg und lag dann ziemlich lange in der Elbe, bis er 1999 mit einigem Aufwand geborgen wurde. Schließlich wiegt er 217 Tonnen und gilt als einer der größten Findlinge Norddeutschlands. Wer eine erste Pause einlegen möchte, kann das an der „Elbkate“, nicht weit vom „Alten Schweden“ entfernt machen. Dort stehen Tische und Bänke im Freien, und der Blick fällt auf die haushoch beladenen Containerschiffe, die auf der Elbe ganz langsam vorbeiziehen.
Entlang des Wanderwegs am büschebestandenen Ufer ist der Fluss nicht immer zu sehen. Aber selbst dann ist das Wasser zu hören, wenn es an den Strand schlägt, vor allem, wenn gerade ein Schiff auf dem Weg in den Hafen ist. Am Strand sieht es nun manchmal aus wie an der Nordseeküste: Auch Muscheln und Feuersteine gibt es in großen Mengen. Oberhalb der Elbe lohnt der Jenisch-Park einen Abstecher, der als eine der schönsten Grünanlagen Hamburgs gilt. Das Jenisch-Haus aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist heute ein Museum und lohnt ebenfalls einen Besuch.
Zurück an der Elbe, ist in Teufelsbrück plötzlich wieder deutlich mehr los als auf der Strecke davor: An der Stelle, wo früher eine Brücke über die Elbe führte, ist heute die Fähranlegestelle. An dem Ponton direkt daneben blicken Gäste des Restaurants „Engel“ auf den Schiffsverkehr. Und auf dem Vorplatz am Festland spielt ein Akkordeonspieler „My Bonnie lies over the ocean“. Spaziergänger machen Pause und sonnen sich.Elbabwärts geht es weiter in Richtung Blankenese, Hamburgs beste Adresse, die nach gut drei Kilometern erreicht ist. In Blankenese, im Mittelalter ein Fischerdorf, stehen auch heute noch Fischerhäuser mit Reetdach. Aber in der Zwischenzeit sind auch etliche Gründerzeitvillen und Jugendstilbauten hinzugekommen sowie viele jüngere, aber oft ebenfalls ganz ansehnliche Häuser mit Elbblick. Fast zwangsläufig laufen Besucher durch den Strandweg, der seinen Namen zu Recht trägt: Der Strand liegt vor der Haustür und ist sogar richtig breit. Wer hier wohnt, braucht nur ein paar Meter zu gehen, um sich wie im Urlaub zu fühlen – dafür steht das Wasser aber auch vor der Haustür, wenn die Elbe mal über die Ufer tritt. Der Strom ist hier schon 2,5 Kilometer breit. Ein rot-weiß geringelter Leuchtturm zeigt den großen Pötten, wo es langgeht.
Wer nach so vielen Kilometern eine Pause direkt am Wasser machen will, steuert den Anleger Op’n Bullen an. Dort legt die Fähre ab, die ans südliche Elbufer nach Cranz fährt, das schon fast zu Niedersachsen gehört. Auf dem Anleger wartet das „ponton op’n bullen“ auf Gäste, wo man entspannt Käsetorte essen und Latte Macchiato trinken kann – oder auch ein Pils zum Fischbrötchen, falls einem das passender erscheint. Egal, was auf dem Teller landet: Der Blick auf die Elbe lohnt sich in jedem Fall.“
Susanne, Hauke und ich werden kaum zwei Tage Zeit haben für 23 Kilometer, aber ich will mir die Elbe, den Elbestrand und die Gegend vor und um Hamburg herum genau ansehen, mit einem gequälten Lächeln im Gesicht und im Bewusstsein, dass ich, wenn ich es wirklich bis nach Hamburg schaffe, von einem meiner langjährigsten Freunde in Empfang genommen werde, einem echten „Kölschen“, der dort im Exil lebt.
Hamburg, wir kommen!