55 Namen – ein Ziel

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55 Namen …

(Markus Flick, Rainer König, Bernd Rohrmann, Susanne Alexi, Gunter Rothe, Hajo Palm, Hauke König, Oliver Arndt, Alissa Draper, Steffen Kohler, Tom Kuschel, Torsten Riemer, Günther Bergs, Peter Kaminsky, Dirk Vinzelberg, Helmut Hanner, Achim Knacksterdt, Oliver Schoiber, Thomas Eller, Eckhard Rump, Michael Hechler, Günther Bruhn, Frank Schacht, Ulrich Meininger, Roland Riedel, Andre Lange, Herbert Weingärtner, Jens Hilpert, Hans-Christoph Weiß, Jörg Kupfer, Michael Geske, Rolf Kaufmann, Lutz Schweizer, Bettina Mecking, Werner Hölscher, Stefan Beckmann, Mark Becker, Martin Ottersbach, Norbert Fasel, Michael Frenz, Peter Ludden, Jörg Eberling, Chris Wolfe, Ricarda Bethke, Jürgen Baumann, Raimund Slabon, Thomas Strohmeyer, Peter Neumann, Alois Wimmer, Christian Pflügler, Dietmar Rosenau, Harald Retzlaff, Said Kahla, Marco Cych, Tanja Höschele)

… dazu 13 weitere Namen über die 100 Meilen (161 Kilometer) und 5 weitere Namen über diese Distanz in einer Sonderwertung und auch noch 20 weitere Namen über die „Bambinidistanz“ von 100 Kilometern …

… alle hin zu einem Ziel: der Steele Rheinorange in Duisburg, dort, wo die Ruhr in den Rhein fließt, die „orangene Steele der Begierde“.

Selten war ich vor einem Lauf so aufgeregt, selten habe ich die Läufer-Kollegen so aufgeregt erlebt. Jeder kruschtelt, kramt und packt. Jeder postet, schreibt und kommentiert. Jeder zweifelt an, hadert mit und jammert über sich.

Und am Ende, ganz am Ende, wenn die Füße wund sind, der Wille gebrochen ist und ein dümmlich vergeistigtes, seliges Lächeln auf jedem Gesicht liegt, wenn die „orangene Steele der Begierde“ in Duisburg geküsst ist, wenn das erste kalte Belohnungsbierchen getrunken wurde, alkoholfrei, natürlich, und wenn jeder Umstehende im Ziel, bekannt oder unbekannt, Läufer, Organisator oder Zuschauer, Mann, Frau, Kind, Hund oder Kaninchen gedrückt und geherzt ist, dann ist die TorTOUR vorbei.

Oh Schicksal, lass mich einer derjenigen sein, der dieses dümmliche Lächeln haben wird, lass mich küssen, drücken und herzen. Lass mich gesund und einigermaßen gut gelaunt in Duisburg einlaufen. Dieses Finish wird mir dann mehr bedeuten als das vor zwei Jahren.
Damals war ich motiviert bis in die Haarspitzen, ein Scheitern war keine Option, ich war fit und voller Euphorie und nicht so zweifelnd wie im Moment.
Aber ich weiß mich mit meinen Zweifeln nicht alleine und so werde ich auch nicht der Einzige sein, der den letzten Willen aufbringen muss, um dieses Ziel, diese „orangene Steele der Begierde“ zu erreichen.

Auf, Mädels und Jungs, wir packen das! Jeder für sich und alle für Jens Vieler!
Danke Jens, für diesen Lauf!

Die gefährlichste Erfindung der Welt: Das Auto

Gefährlicher Wahnsinn Auto

Es war vergangene Woche im schönen Wien in einem typischen Wiener Kaffeehaus, direkt im Stadtzentrum. Bei einem Schnittlauchbrot und einem Pfefferminztee las ich zufällig eine Ausgabe des österreichischen Magazins PROFIL. Ein Artikel darin faszinierte mich, immerhin traf sich die Botschaft daraus mit dem, was ich selbst schon lange denke.
Stellen wir uns doch einfach einmal vor, heute würde das Auto erfunden. Oder damals wäre klar gewesen, wie viele Tote diese Erfindung für die Menschheit wirklich bedeuten wird. In einer Zeit, in der man sich gerade erst von der Vorstellung verabschiedet hat, dass Geschwindigkeiten jenseits der 30 km/h, die auf der ersten Zugstrecke zwischen Nürnberg und Fürth erreicht wurden (der Zug „Adler“ startete seinen Betrieb 1835), dem Menschen zweifellos das Hirn aus dem Kopf drücken würden, in dieser Zeit wurde das Auto erfunden. Gut, es lagen vielleicht sechzig, siebzig Jahre dazwischen, aber das ist ja eigentlich nicht wirklich viel Zeit.
Was für Massendemonstrationen hätte es gegeben, wenn man den Menschen damals gesagt hätte, dass in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts bis zu 20.000 Menschen allein im kleinen Deutschland jährlich an Autounfällen sterben würden? Wenn klar gewesen wäre, dass auch noch nach 100 Jahren Ingenieursleistungen noch immer rund 7.000 Menschen pro Jahr auf deutschen Straßen sterben würden?
Wenn wir die Verkehrstoten der letzten 100 Jahre allein in Deutschland zusammenrechnen würden, dann würde jede andere Erfindung – und wenn sie noch so grausam wäre – in der Totenstatistik einen Platz hinter dem Autoverkehr einnehmen. Traurig, aber wahr.

In Andreas Eschbachs Thriller „Ausgebrannt“, den ich neulich erst gelesen habe, erzählt eine Geschichte im Buch etwas aus dem Jahr 1903, irgendwo in der Gluthitze der nordmesopotamischen Wüste. Friedrich Westermann, als leitender Ingenieur dafür verantwortlich, die Schienenstrecke von Berlin nach Bagdad durch die Wüste zu planen, liest dort, dass ein amerikanischer Industrieller namens Henry Ford ein Automobil auf den Markt zu bringen gedachte, das weniger als eintausend Dollar kosten sollte.
„Das wird sich trotzdem nie durchsetzen“, prophezeite er misslaunig. „Was denkt dieser Ford sich? Dass jeder sein eigener Chauffeur und Maschinist sein will? Wo er sich einfach nur in die Eisenbahn zu setzen bräuchte?“
Und einen Einwand zum Thema Automobil beantwortete er danach mit diesem Satz: „Haben Sie eine Vorstellung, wie viele neue Straßen man dafür bauen müsste? Unvorstellbar. Allein die Kosten!“

Heute haben wir die Kosten für die Straßen bezahlt und die Welt für das Automobil neu geschaffen. Was einerseits ein riesiger Gewinn für die Menschheit ist, führt andererseits auch zu Trägheit, zu mangelnder Bewegung, zu immensen Umweltschäden und zu einem Materialverbrauch, der uns deutlich macht, dass wir mit den Ressourcen dieses Planeten so nicht mehr lange auskommen werden.

Und genau dann lese ich in diesem Magazin PROFIL, dass in Österreich mehr als die Hälfte der Autofahrten kürzer ist als fünf (!) Kilometer. Durchaus zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu machen, oder? Ich lese dort, dass allein in Wien der Landschaftsverbrauch durch die Autos so groß ist, dass die parkenden Autos nebeneinander gestellt, vier Wiener Stadtbezirke komplett zudecken würden. Besonders bemerkenswert aber finde ich, dass der Trend in den letzten drei Jahren zum SUV geht – und weg vom Kleinwagen, horrenden Treibstoffpreisen und allgemeiner Neiddebatte zum Trotz.
Es ist halt des Mannes liebstes Spielzeug, das Auto. Und auch der Frauen liebstes Statussymbol. Nur in einem unterscheiden sich Männer und Frauen. Während die Männer auf PS und Hubraum starren, auf breite Reifen und auf ein tiefer gelegtes Fahrwerk, ist der Frauen erste Frage: „Welche Farbe hat denn der Wagen?“

Der Artikel im PROFIL bezieht sich im Wesentlichen auf die schöne Alpenrepublik Österreich und auch wenn Deutschland hier als ein weniger schlimmes Autofahrerland beschrieben wird, so gelten die meisten Überlegungen zum Auto, zum Fahren, Stauen und Parken auch für uns. Und auch die Argumentationen der Autolobbyisten sind ähnlich – weltweit. Ein neuer Grund, über uns und unser Verhalten nachzudenken und eine Weile lang vielleicht doch lieber das Fahrrad für manche Strecken zu verwenden.
Wir alle dürfen aber auch darüber nachdenken, dass sich hier Systeme gegenseitig stützen. Einkaufsmöglichkeiten werden auf die „grüne Wiese“ verlagert und das wiederum ist ein Argument dafür, dass Autos zwangsläufig gebraucht werden. Der ÖPNV wird eingeschränkt oder gar abgeschafft, ein weiteres Argument für den Besitz von Autos, auch wenn diese an 23 von 24 Stunden am Tag irgendwo herum stehen.

Hier findest Du den interessanten, zweifellos einseitigen Artikel des Magazins PROFIL:

Das Auto – es ist laut, stinkt, frisst Platz und zerstört Leben. Jedes Jahr sterben weltweit über drei Millionen Menschen am Verkehr. Autofahren ist kein Grundrecht, sondern oft einfach nur verrückt. Dennoch ist die Debatte darüber schrill und hysterisch. Besonders in Österreich.

Er sah aus wie ein „Otto“, klein und weiß, so wie es sich für einen braven, deutschen VW Golf geziemte. Maria Vassilakou war 19, als sie die „Freiheit“ am Lenkrad spürte und sich „so richtig erwachsen“ fühlte. Wenn sie an ihr erstes Auto zurückdenken, können selbst grüne Spitzenpolitikerinnen sentimental werden.

Jeder fünfte Autobesitzer gibt seinem Fahrzeug einen Namen. Laut Autofahrerclub ÖAMTC rangieren aufgeladene Titulierungen wie „Rakete“, „Silberpfeil“ und „Baby“ in der Beliebtheitsskala ganz oben – gefolgt von prosaischen wie „Ferdl“ oder „Krax’n“.

Inzwischen steht Vassilakou dem Auto recht nüchtern gegenüber. Das hat auch damit zu tun, dass ihr die Emotionen um die Ohren rauschen, seit sie als Verkehrsstadträtin in Wien mit dem Thema befasst ist: „Für viele Menschen hat das Auto den Status eines Familienmitglieds, das sie gegen Angriffe von außen bis zum Äußersten verteidigen müssen.“

Die Erfahrung, dass die Waffen der Vernunft im Straßenkampf stumpf sind, teilt die grüne Vizebürgermeisterin mit Generationen von Verkehrspolitikern vor ihr. Im Moment wird gleich auf mehreren Verkehrsbaustellen erbittert gefochten: Pendlerpauschale, Gratis­parken in Wiener Bezirken, Benzinpreis. „Freie Fahrt für freie Bürger“ – der Slogan der siebziger Jahre schwingt in fast allen Debatten mit, so als gäbe es nicht bloß ein grundsätzliches Recht auf ­Mobilität, sondern ein Menschenrecht auf Fahren mit dem Auto.

Österreich ist ein Autoland.
530 Pkws kommen auf 1000 Einwohner, gerechnet vom Baby bis zum Greis. Mit diesem Motorisierungsgrad übertrifft Österreich selbst die klassischen Autoländer Deutschland oder Frankreich. 1995 lag das Land noch hinter Deutschland, seither stieg die Zahl der Autos viermal so stark wie die Bevölkerung. Höher ist die Pkw-Dichte innerhalb der EU nur in Zypern und Malta, wo es keine Eisenbahn gibt, und in Luxemburg und Italien. Sogar die USA weisen eine geringere Autodichte als Österreich auf.

Im Getöse der Auspuffe verhallen Argumente ungehört. Autos fressen enorm Platz: In Wien etwa 80 Prozent des Straßenraums. Auf der restlichen Fläche drängeln sich Straßenbahnen, Busse, Radfahrer, Fußgänger. Autofahren wird hoch subventioniert. Parken ist im internationalen Vergleich spottbillig: Um 179 Euro kann man in Amsterdam ein Monat lang parken, in Wien hingegen ein ganzes Jahr. Die Öko-Bilanz ist fatal: Autos sind laut, stinken und tragen zu einem erklecklichen Anteil dazu bei, dass Feinstaub- und andere Schadstoffwerte in der Luft bedrohlich klettern.

Der Verkehr ist weltweit einer der größten Klimakiller. Rund 23 Millionen Tonnen stieß der Verkehr im Vorjahr an Treibhausgasen allein im kleinen Österreich aus. Das entspricht einem Anteil von 30 Prozent an den CO2-Emissionen. Fatal daran: Während die Industrie von Jahr zu Jahr weniger Schadstoffe in die Luft pustet, stieg der Beitrag des Verkehrs zur Klimakatastrophe seit 1990 um erschreckende 54 Prozent. Die Blechlawine auf den heimischen Straßen ist einer der Hauptgründe dafür, dass Österreich die ­Kioto-Ziele meilenweit verfehlt.

Die politischen Prioritäten liegen woanders. „Neue Radwege bitte erst dann, wenn wir das Problem der Parkplätze gelöst haben“, fordert Ursula Stenzel, ÖVP-Politikerin und Bezirksvorsteherin der Wiener Innenstadt. Auto-Populismus hat Geschichte: Jahrzehntelang wurden Milliardensummen verbaut, um dem motorisierten Individualverkehr ein schnelles Durchkommen bis in die letzten Winkel der Republik zu ­ermöglichen. Für die Schiene blieb wenig übrig: 70 Prozent des Eisenbahnnetzes stammen noch aus der ­Monarchie. „Wir haben dem Autoverkehr über Jahrzehnte zu viel Augenmerk geschenkt“, seufzt Anton Heinzl, Verkehrssprecher der SPÖ im Parlament.

Das klingt nach resignativer Selbstkritik. Dass mehr Straßen mehr Autos nach sich ziehen ist eine Binsenweisheit. Dennoch werden Nebenbahnen der ÖBB seit Jahren gekappt. „In Österreich herrscht eine weitreichende, kaum hinterfragte Durchdringung des Alltags durch das Auto vor“, moniert Raumplaner Reinhard Seiß. Die Folge: Die Zahl der mit Pkws gefahrenen Kilometer stieg in den vergangenen zehn Jahren um zehn Prozent auf 51 Milliarden. Niemals fuhren, parkten und stauten in Österreich mehr Autos als heute: 4.513.421 waren es Ende des Vorjahrs. Nur in Wien verlieren Mercedes und Co ihre Aura als Statussymbol. Seit 2005 geht der Autobesitz leicht zurück.

Österreichweit werden 58 Prozent der täglichen Wege mit dem Auto zurückgelegt. Die meisten Fahrten wären vermeidbar: Jede zweite ist kürzer als fünf Kilometer – eine Distanz, die selbst für mäßig Sportliche locker mit dem Fahrrad zu bewältigen und für Elektroradler überhaupt ein Klacks wäre.

Das Rad hat in Österreich seine besten Zeiten noch vor sich: In Linz liegt der Radfahreranteil bei kümmerlichen fünf Prozent, in Wien bei sechs Prozent, und selbst Graz, wo 16 Prozent der Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, kommt an europäische Spitzenreiter wie Kopenhagen, das deutsche Münster oder das niederländische Groningen nicht heran, die alle bereits an der 40-Prozent-Marke kratzen.
Dabei radeln die Österreicher jährlich 2,2 Milliarden Kilometer und damit bereits doppelt so viel wie noch im Jahr 2000. Die mitunter nicht mehr als handtuchbreiten Fahrradwege quellen über, Konflikte mit Fußgängern häufen sich. Verkehrspolitiker drängen seit Jahren, Fahrräder endlich auf die normalen Fahrbahnen zu lassen. Dazu müsste die Benützungspflicht für Radwege abgeschafft werden. Doch die Änderung der Straßenverkehrsordnung scheiterte bisher am Einspruch der Bundes-ÖVP, die sich nicht damit anfreunden kann, dass Autofahrer die Straßen teilen sollen. Als die Wiener Grünen im Vorjahr eine halbe Stunde lang mit 2800 Radlern und Skatern über die Wiener Nordbrücke strampelten, veranstalteten Autofahrer ein wütendes Hupkonzert, und die „Kronen Zeitung“ wetterte: „Blockieren und provozieren“.

A la longue lässt sich der Herrschaftsanspruch des Autos nicht aufrechterhalten, sagen Verkehrsplaner. Schon jetzt leben 5,4 Millionen Menschen in den neun Ballungsräumen Österreichs, Tendenz stark steigend. Bis zum Jahr 2030 wird das Umland Wiens um ein Fünftel mehr Bewohner zählen.

Ohne Verkehrssteuerung droht eine Autolawine.
Gerd Sammer vom Institut für Verkehrsplanung an der Boku Wien rechnet vor, dass die Summe der zurückgelegten Pkw-Kilometer in 20 Jahren um bis zu 90 Prozent steigen könnte. Schon in den vergangenen 20 Jahren verdoppelte sich der Verkehr auf der meistbefahrenen Straße Österreichs, der Südosttangente. Täglich pendeln 417.000 Pkws nach Wien hinein und zurück – eine Blechschlange so lange wie die Strecke London–Wien. Morgens und abends.

Nun rächen sich die Sündenfälle vergangener Jahrzehnte. An den Stadträndern entstanden nicht nur Fliesen- oder Baumärkte, auch klassische Nahversorger wie Super- und Drogeriemärkte rückten an die Peripherie. 51 Prozent der Einzelhandelsflächen liegen in Gegenden, die nur mit dem Auto zu erreichen sind, analysiert Raumplaner Seiß: „In Deutschland sind es nur 17 Prozent. Das heißt, unsere Raumordnungspolitik fördert den Autoverkehr.“ Allein die Shopping City Süd nahe Wien verursacht jährlich 300 Millionen Pkw-Kilometer.

Damit nicht genug: Im Gegensatz zur hartnäckigen Mär, Autofahrer seien die „Melkkühe der Nation“, wird der Autoverkehr massiv subventioniert. Etwa durch die Pendlerpauschale, von der nicht Fabriksarbeiter, sondern vor allem Gutverdiener profitieren, die in den Speckgürteln der Städte ihren Traum vom (wohnbaugeförderten) Eigenheim im Grünen ausleben: 174 Millionen Euro, immerhin ein Fünftel der Pendlerpauschale, fließt an Menschen mit einem Jahreseinkommen von über 50.000 Euro. Öffi-Nutzer haben das Nachsehen. Als Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner laut darüber nachdachte, die Steuervorteile für Pendler sozialer und ökologischer zu gestalten, ging ein Aufschrei durch das Land.

„Beim Thema Auto setzt die Vernunft aus“, konstatiert Markus Gansterer. Der Verkehrspolitik-Experte beim ökologiebewussten Verkehrsclub VCÖ würde die Steuerzuckerln für Autos gerne hinterfragen: Firmenwagen etwa sind steuerbegünstigt und werden daher oft als Gehaltsbestandteil vergeben. Kein Wunder, dass inzwischen zwei Drittel der neu angemeldeten Autos in Wien Firmenwagen sind. Gansterer: „Das ist eine Verschwendung von Steuermitteln, die sich jährlich auf 600 Millionen Euro summiert.“ Auch Parken ist wohlfeil: Während in London eine Stunde Parken sechs Euro kostet, verlangt Wien ein Drittel.

Alles in allem ist der Autoverkehr für die Steuerzahler ein Defizitgeschäft: Pkws und Lkws zahlen laut VCÖ jährlich 6,5 Milliarden Euro Steuern, Abgaben und Maut. Dem stehen verursachte Kosten von 16,6 Milliarden Euro gegenüber. Laut VCÖ ist der Pkw-Verkehr nur zu 44 Prozent durch Steuern gedeckt, der Lkw-Verkehr zu 36 Prozent, wenn man etwa die Folgen für Klima und Gesundheit mit einkalkuliert.

Dabei herrscht in Österreich mehr als dicke Luft – und nichts passiert dagegen. Die CO2-Emissionen des Lkw-Verkehrs verdoppelten sich seit dem Jahr 1990 auf rund sieben Millionen Tonnen. Der Grenzwert für Feinstaub wurde im vergangenen Winter in allen Städten überschritten – 53-mal etwa in Graz, 41-mal in Wien, 45-mal in Linz. Von Frankreich bis Deutschland werden die Zen­tren längst mit Umweltzonen geschützt.

Österreich hinkt hinterher, obwohl die EU mehrfach aufforderte, gegen die Gesundheitsgefahr vorzugehen. Der Grazer ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl kämpft wacker für die Errichtung von Umweltzonen in der steirischen Landeshauptstadt. SPÖ, KPÖ, BZÖ, FPÖ, Wirtschaftstreibende, Kammern und Autoclubs boykottieren das Vorhaben, mit dem die schwarz-grüne Stadtregierung alte Diesel-Autos aus dem Zentrum verbannen will. Und das obwohl Erhebungen belegen, dass die Reduktion von Feinstaub die Lebenserwartung der Bewohner um ein Jahr erhöht.

Beim Lärm sieht es nicht viel besser aus. Laut Statistik Austria fühlen sich 40 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher in ihrer Wohnung durch Lärm belästigt. Ärgernis Nummer eins ist der Verkehr. „Lärm ist ein gesellschaftliches Problem, das man nicht den Technikern überlassen darf“, sagt Peter Androsch, musikalischer Leiter von Linz 09 und Mitinitiator des Kulturhauptstadtprojekts „Hörstadt“. Er fordert, Verbrennungsmotoren nicht mehr in Ballungsräume ­hineinzulassen: „Das ist langfristig die einzige wirksame Maßnahme, um die Belastung zu reduzieren.“

An den Hauptverkehrsrouten wohnen die Einkommensschwächeren. Sie schlucken den Gestank und den Lärm jener, die es sich leisten können, in grüne Ruhelagen zu übersiedeln. Androsch bemüht sich seit Jahren, diese soziale Schieflage aufs Tapet zu bringen: „Wer arm ist, wohnt im Lärm.“ Ruhe und Stille avancierten am Immobilienmarkt zu begehrten Gütern, zumal Studien zeigen, dass selbst „leiser Lärm“ (unter 80 Dezibel) die Gesundheit schädigt, wenn man ihm ständig ausgesetzt ist. Kinder, die im Dauerlärm aufwachsen, können sich weniger gut konzentrieren, zeigen eine verzögerte Sprachentwicklung, schneiden in der Schule schlechter ab.

Weltweit sterben laut WHO jedes Jahr über drei Millionen Menschen an den direkten und indirekten Folgen des Verkehrs. Auf den heimischen Straßen werden jeden Tag – statistisch betrachtet – bei 96 Unfällen 125 Menschen verletzt und 1,4 Menschen getötet. In den vergangenen zehn Jahren sank die Zahl der Unfälle und Verletzten um ein Fünftel, die Zahl der Toten wurde beinahe halbiert. Das ist eine der raren guten Nachrichten von der Verkehrsfront und trotzdem kein Grund zum Frohlocken: Im Laufe des Vorjahres zählte die Statistik immerhin 45.025 Verletzte und 523 Tote. Und: Die Zahl der Unfälle mit Kindern unter 14 Jahren steigt.

Die Sicherheit auf den Straßen nimmt zu. Zentrale, aktuelle Probleme – Platz und Umwelt – bleiben ungelöst. Die Erfolge beim Biosprit hellen die Umweltbilanz nicht auf. Treibstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen machen zwar unabhängig vom Öl. Derzeit werden weltweit täglich 14 Milliarden Liter verbraucht, 60 Prozent davon säuft der Verkehr.

Doch es sei eine der „großen verkehrspolitischen Illusionen in Europa und den USA“ zu glauben, Autos würden „nachhaltig“, wenn man sie bloß mit Ethanol und Co befüllt, mahnt Professor Helmut Haberl, Leiter des Instituts für Sozialökologie der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt: „Die globalen Bioenergiepotenziale reichen bei Weitem nicht aus, um den gegenwärtigen Energiebedarf des Verkehrssektors zu decken, geschweige denn den künftigen.“ Die Hoffnungen auf eine Verringerung der CO2-Emissionen erfüllten sich ebenfalls nicht: „Man kann es drehen und wenden, wie man will: Es muss uns etwas anderes einfallen als Biosprit.“ Da sind wir nun nicht viel weiter als im Mittelalter: Schon damals mussten sich die Menschen entscheiden, ob sie die vorhandene Biomasse an die Pferde verfüttern oder selbst satt werden wollten.

Das war lange bevor Pferdestärken zu jedermanns Konsumgut wurden. Historisch betrachtet wurden Straßen weder für den Massenverkehr noch für die Mobilitätsbedürfnisse der Einheimischen errichtet. Ab den 1930er-Jahren trieb Österreich ein Straßenbauprogramm voran, das vor allem die Förderung des Fremdenverkehrs im Auge hatte, wie Christian Klösch, Verkehrshistoriker im Technischen Museum, zu berichten weiß: „Man schielte damals auf den finanzkräftigen deutschen Automobilisten als Tourist. Darum wurden stets schöne Routen gewählt, vorbei an Seen oder auf den Großglockner. Auch in der Nazi-Zeit baute Deutschland Autobahnen und Österreich Aussichtsstraßen.“

Autos galten lange Zeit als Privileg der Wohlhabenden: Der Steyr 50, ab 1936 als österreichischer Volkswagen beworben, kostete 4500 Schilling. Das entsprach dem Jahresgehalt eines Universitätsprofessors. Erst ab Anfang der 1950er-Jahre wurden VW Käfer oder Puch 500 auch für Normalverbraucher erschwinglich. Damit explodierte auch der Verkehr. Auf der Wiener Ringstraße verzeichnete man zwischen 1949 und 1954 eine Steigerung an Autos um 176 Prozent. Die Stadtpolitiker gerieten in Panik und begannen, Fußgänger und öffentlichen Verkehr unter die Erde zu verbannen. Bei der Oper, beim Karlsplatz und beim Schottentor wurden großräumige Unterführungen gegraben. „Alles war dem Ziel untergeordnet, mehr Platz für Autos zu schaffen“, erzählt Andreas Weigl vom Wiener Stadtarchiv.

Man kann von Glück reden, dass nicht alle damaligen Pläne verwirklicht wurden: Der Donaukanal am Rand des ersten Bezirks etwa hätte der Mittelstreifen einer Stadtautobahn werden sollen. Damit wäre ein zentraler Stadtraum zuasphaltiert worden, der heute zur urbanen Sandkiste mit Wasserblick mutiert ist. Im Sommer reihen sich dort Liegestühle an Strandbars und Bade- und Partyschiffe. Die Straßenbahn hingegen musste weichen. Bis Mitte des vorigen Jahrhunderts war Wien die Bim-Hauptstadt der Welt. 318 ­Kilometer erreichte das Schienennetz im Jahr 1930. Heute sind es nur mehr 172 Kilometer, weil ab den fünfziger Jahren viele Straßenbahnschienen weggerissen wurden, selbst mit mittlerweile 75 U-Bahn-Kilometern kann die Bundeshauptstadt nicht mehr an die glorreichen Zeiten der Schiene anschließen.

Grün-Politikerin Maria Vassilakou ist, frei nach Bruno Kreisky, wild entschlossen, „lieber einige 1000 vorübergehend vergrämte Autofreunde in Kauf zu nehmen als einige 1000 asthmakranke Kinder“. Das heißt: Vorrang für Öffis, Radfahrer, Fußgänger.

Bisher beißt sie fast überall auf Granit.
Beispiel Stellplatzpflicht: Seit der Nazi-Zeit ist es gesetzlich vorgeschrieben, zu neuen Wohnungen auch Parkplätze zu bauen. In Wien sind inzwischen 8,4 Quadratkilometer zugeparkt – das entspricht der Fläche der Bezirke 4 bis 8. „Das fehlt uns natürlich für Spielplätze, Schanigärten oder Radwege“, sagt Vassilakou. Dass die Neuverteilung des öffentlichen Raums mit „Schmerzen“ verbunden ist, wie sie sagt, ist milde formuliert. Die Wiener ÖVP hält das Gratisparken in Außenbezirken hoch, als gelte es, das Abendland zu retten. „Autofahrer werden gebrandmarkt“, wettert Manfred Juraczka, Obmann der Stadt-VP.

Was Autobesitzer dafür zahlen, 23 von 24 Stunden am Tag eine Tonne Blech und Stahl abzustellen, ist von den wahren Kosten freilich weit entfernt. Der streitbare Verkehrsplaner Hermann Knoflacher würde die Platzversteller gar mit 800 Euro zur Kasse bitten. Im Monat, wohlgemerkt. Sein Kalkül: „Ein Quadratmeter in einem vierstöckigen Wohnhaus in der Stadt kostet zehn Euro Miete. Kalkuliert man einen Parkplatz wie ein einstöckiges Haus, kommt man auf 40 Euro pro Quadratmeter, die ein Parkplatz kosten müsste.“

Die Autohersteller leisteten zur Bewältigung der urbanen Platznot bisher eher fragwürdige Beiträge. Fast alle gängigen Modelle wurden im Laufe der Jahrzehnte größer, breiter und länger. „Als der erste Golf in den siebziger Jahren herauskam, war er so klein wie heute ein Polo. Autos werden immer größer, das zieht sich durch alle Automarken, und die Gründe dafür sind eigentlich unerfindlich“, erzählt Peter Pisecker, Autojournalist und Chefredakteur des ÖAMTC-Magazins „Auto Touring“. Die paar Zentimeter mehr bei jedem Nachfolgemodell führten dazu, dass es auf den Normparkplätzen in Wohnanlagen und Garagenhäusern inzwischen recht beengt zugeht.

Während die Autos schneller wurden, wandelte sich die Einstellung dazu im Zeitlupentempo. Oliver Schmerhold, seit Anfang 2011 Generalsekretär des Automobilclubs ÖAMTC, hat sich eine „behutsame Öffnung für alle Mobilitätsformen“ vorgenommen, sprich: Den rund 1,8 Millionen ÖAMTC-Mitgliedern soll sanft nahegebracht werden, dass es neben dem eigenen Wagen noch andere Möglichkeiten der Fortbewegung gibt. Er selbst zählt zur Gruppe der „situativen Entscheider“ – so bezeichnet eine ÖAMTC-Online-Erhebung (3000 Befragte über 15 Jahren) jene urbanen Autobesitzer, die auch mal das Rad oder die U-Bahn nehmen. Mit 20 Prozent rangieren sie im Ranking der Mobilitäts­typen hinter den „Traditionalisten“ (26 Prozent), die am Land leben und das Gefühl haben: „Ohne Auto bleibe ich über.“ Nur mehr jeder Zehnte gilt laut ÖAMTC-Studie als „Autofan“.

Der Befund ist mit Vorsicht zu genießen. Bei direkten Befragungen betrachtet das Gros der Autobesitzer ihren fahrbaren Untersatz als schnödes Mittel, um von A nach B zu gelangen. Die Ausgaben für Wunschkennzeichen, Ledersprays, Heckspoiler und Alufelgen sprechen eine andere Sprache.

Auch der Boom an Sport Utility Vehicles im dicht bebauten Stadtgebiet entspricht eher Statusgelüsten als praktischen Überlegungen. Begonnen hat es mit „echten“ Geländewagen für Jäger und Pferdezüchter. Als Städter in Safarihosen und Militärhemden anfingen, Range Rover cool zu finden, kamen Modelle auf den Markt, die zwar aussahen, als könnte man damit durch die Landschaft pflügen, aber so bequem waren wie Stadtlimousinen. Sie hießen Sport Utility Vehicles, weil man Surfbretter und Golfschläger mit einer lässigen Handbewegung hineinwerfen konnte.

Der Immobilienmakler Felix K. ist stolz auf seinen Kia Sportage. Wuchtig und breiträdrig steht der schwarze Geländewagen in der Josefstädter Straße im achten Wiener Gemeindebezirk, einen Steinwurf vom Büro des braun gebrannten 44-Jährigen entfernt. Dass das Auto gut und gerne zwölf Liter auf hundert Kilometer schluckt, stört Felix K. nicht – trotz steigender Benzinpreise: „Auf alles will man auch nicht verzichten.“ Etwas verlegen wischt er über die Staubschicht, die sich auf den Lack gelegt hat, bevor er für ein Foto mit seinem Prunkstück posiert. Felix K. ist nicht der einzige Geländewagenfahrer in dem wohlhabenden Innenstadt-Bezirk: Jedes fünfte der 2011 in der Josefstadt neuzugelassenen Autos ist ein so ­genanntes Sport Utility Vehicle (SUV), mehr als in allen anderen Stadtteilen. Dabei gibt es im flächenmäßig kleinsten Stadtteil Wiens verkehrstechnisch alles – U-Bahn, Bus, Straßenbahn, Gratis-Leihräder – außer Parkplätze: Mit insgesamt zwei Hektar verfügt die Josefstadt über die kleinsten Parkflächen der Stadt. Bezirksvorsteher Heinz Vettermann (SPÖ), selbst ein autoloser Öffi-Nutzer, erklärt sich die absurd vielen SUV-Fahrer so: „Zum einen ist das Auto sicher ein Statussymbol, zum anderen haben viele Anwohner Zweithäuser am Land, womit sie ihren Geländewagen rechtfertigen.“

In der Innenstadt der kolumbianischen Metropole Bogotá wäre K.s urbanes Accessoire inzwischen fehl am Platz. Dort wurde die 24 Kilometer lange, von Baum­alleen gesäumte Stadtautobahn zur Flaniermeile für Fußgänger und Radfahrer. Zu verdanken ist der Anblick, bei dem sich Auswärtige zunächst einmal die Augen reiben, Ex-Bürgermeister Enrique Penalosa. Er nützte seine Amtszeit zwischen 1997 bis 2000 dafür, autofreie Zonen, Gehsteige, Radwege und Busspuren zu errichten, wo früher Autos parkten.
Vielleicht sollte die Grüne Vassilakou in Bogotá ein wenig Kühnheit tanken.

32 x SM

 … oder warum ich so gerne nach Schmiedefeld laufe

„32x SM“ stand auf einem Schild, das sich ein älterer Läufer vor mir auf den Rücken geheftet hat. 32x SM? Was macht denn der Herr an einsamen Samstagabenden denn so?

Dieses SM aber steht nicht, wir Läufer wissen das alle, für ungewöhnliche Partnerspiele, die in Leder und Nieten gepackt, oft gespielt werden, sondern es steht für einen ausgeprägten Hang zu Unkonventionellem, für einen oft schmerzhaften Hang zum Ultralaufen, für den „Supermarathon“ auf dem Rennsteig von Eisenach nach Schmiedefeld.
Und wo kann man das seit nunmehr 40 Jahren lustvoller tun als auf der ultimativen Kultveranstaltung in Thüringen, dem Rennsteiglauf?

Bevor ich aber vom Rennsteiglauf erzähle, muss ich erst eine Geschichte erzählen, die etwas älter ist:
Verena G. ist die Sandkastenfreundin meiner Gabi. Sie hat auch zwei mittlerweile fast erwachsene Kinder, wohnt noch immer am Niederrhein und ist seit vielen Jahren mit ihrem Rainer verheiratet.
Und mit Rainer verbinden mich zwei Dinge.

Zum Ersten ist da die gemeinsame, leidenschaftliche Ablehnung des Fußballtrainers Dietmar Schacht. Für mich war Schacht der Grund, meine Arbeit als Vereinsvorstand beim bundesligaerfahrenen Frauenfußballvereins SC07 Bad Neuenahr aufzugeben. Im offenen Kampf „Mann gegen Mann“ habe ich mir so viele Stichverletzungen eingefangen, bis der Verein sich zwischen den Rivalen entscheiden musste. Ich wagte damals den Machtkampf und verlor. Haushoch.
Aber das gab mir dafür viel mehr Zeit zum Laufen.

Für Rainer war Schacht der Grund, mit den aktiven Fußball aufzuhören. Schachts bewundernswert unnachahmliche Art, Zwietracht zu säen führte innerhalb nur eines Jahres als Trainer in Moers zur Selbstauflösung von Rainer’s damaligem Fußballverein.
Andererseits, wenn ich es recht bedenke, dann könnte „Didi“ Schacht in Tullius Destructivus aus dem Asterix-Heft „Streit um Asterix“ seinen Meister finden. Er schafft es sogar noch besser, Menschen gegeneinander aufzubringen, aber im Gegensatz zu Schacht ist Destructivus Fiktion. Rainer und ich jedenfalls waren viel zu harmoniebedürftig, um gegen solche Menschen bestehen zu können.
Schade ist nur, dass Rainer und ich erst über das gemeinsame Erleben redeten, als die entsprechende Lebensphase für beide schon vorbei war.

Zum Anderen verbindet uns das Laufen. Aber auch darüber haben wir bei den seltenen Grillabenden in Moers leider nicht geredet. Ich für meinen Teil war ja damals auch noch ein Laufanfänger, Rainer aber war schon damals Laufleiter bei der sympathischen Laufgruppe „Die Stolperer“ aus Moers.

Beide Verbindungen zueinander kamen dann 2007 zusammen, als ich nach 8:31:30 Stunden meinen ersten Rennsteiglauf beendet hatte und im Ziel überraschend Rainer und seine Verena traf.
Ohne die beiden hätten meine Gabi und ich vielleicht nie erfahren, dass es im Ziel von Schmiedefeld jährlich eine kultige Party gibt, bei der schnell auf den Bänken getanzt wird. Wir mussten damals also unsere Planung ändern und seither freuen wir uns alljährlich erneut auf den Rennsteig und auf die Party im Zelt. Mehr noch als für mich gilt das für Gabi.
Suche mal auf YouTube nach „Party“ und „Schmiedefeld“ und Du weißt, was ich meine.

Dass diese Veranstaltung traditionell mit dem „Rennsteiglied“ beginnt, ist klar. Spätestens aber wenn die Band am Abend mit ihrem Programm anfängt, stehen die Zeltgäste auf den Tischen, es wird geschunkelt, getanzt und mitgesungen. Oft wird aber auch nur noch mitgelallt.
Viele der Zeltgäste sind keine Läufer. Begleiter eben oder Thüringer, die die Gunst der Stunde nutzen, an einem der für Schmiedefeld herausragenden Tag das eigene Jammertal zu verlassen und so richtig abzufeiern.
„Wie weit bist Du denn gerannt?“ lallte mich ein enorm angetrunkener junger Mann gegen 23 Uhr von der Seite an, um anschließend seine Bewunderung ob der kaum menschenmöglich erscheinenden 72,7K in mehreren Schlucken Bier zu ertränken.

Saufen, rauchen und feiern sind aber nicht die Dinge, die ich am Rennsteiglauf liebe. Es ist eher die Versorgung und da vor allem der legendäre Haferschleim, natürlich – oder mit Heidelbeer-Geschmack. Andere bekommen glasige Auge beim Gedanken an die Ebertswiese, ziemlich exakt in der Mitte der Gesamtstrecke gelegen, weil die Thüringer Bratwürste dort ein echtes Alleinstellungsmerkmal darstellen.
Wenn dort gegrillte oder gebratene vegetarische Tofu-Würstchen angeboten würden, dann würde ich mich da wohl auch anstellen.

Der Rennsteig ist für mich aber auch der fantastische Blick schon nach wenigen Kilometern auf die über Eisenach thronende Wartburg, der stramme Anstieg auf den Inselsberg und unzählige großartige Aussichten über die Täler und Städte Thüringens.

Das allerwichtigste aber sind die vielen anderen Läufer. Du kommst vor dem Start kaum aus dem Hände schütteln und dem Freunde begrüßen heraus. Allein der vielfach definierte Treffpunkt „kurz vor 6 Uhr am Brunnen“ sorgt dafür, dass Du keine Chance hast, um den Brunnen herum zu gehen, um all die vielen Gesichter zu scannen, so voll ist es da.
Meistens warte ich dann mit Rolf Mahlburg’sLaufend helfen“ Truppe auf den Startschuss, auch dieses Jahr. Also triffst Du viele von denen, die Du auch „kurz vor 6 Uhr am Brunnen“ zu treffen gehofft hast, dann noch auf der Laufstrecke. Das klappt recht gut, weil ich meist weit hinten und stets verhalten in die Läufe starte.
Dieses Jahr waren das beispielsweise Karin Walder aus der schönen Schweiz, Steffen Kohler, dersich spontan entschlossen hat, Didi Beiderbeck zu führen, nachdem Didis Guide nicht beim Start erschienen ist, Günter Bruhn, Gerhard Börner, Thorsten Stelter und dem Suhler Mirco Leffler, mit dem ich ganz am Ende ein paar Kilometerchen gelaufen bin.

Gestartet aber bin ich mit Michi Raab von X-BIONIC, auch aus der schönen Schweiz und seinem Münchner Sandkastenfreund, dem Sport-Allrounder Bernhard Seidl. Ein Golf Handicap von 8 in seiner besten Zeit spricht da Bände.
Michi hatte sein X-BIONIC Shirt und Hose in weiß gewählt, ich war wie fast immer in dezentem Schwarz gekleidet. War es nicht Henry Ford, der sagte: „Egal welche Farbe – Hauptsache schwarz“?
Bis zur Hälfte konnte und wollte ich mit Michi und Bernhard mithalten. Danach ließ ich mich etwas zurück fallen, um am Ende knapp 9 Minuten nach Michi zu finishen. Die beiden schafften also das Finish unter 8 Stunden, ich brauchte 7 1/2 Minuten länger. Aber eine Zeit von 7 Stunden und 67 Minuten ist auch nicht so schlecht, für mich immerhin mein bisher zweitbestes Ergebnis.

Im Ziel erwartete mich wie fast jedes Mal meine Gabi. Sie ist mal wieder den Halbmarathon gelaufen, hatte schon geduscht und ihr zauberhaftes Lächeln aufgesetzt. Und ich traf auch Verena’s Rainer dort. Er ist allerdings dieses Jahr den normalen Marathon gelaufen. Die Sonne schien warm vom Himmel, alle bekamen eine Medaille umgehängt, alle waren glücklich, alles passte also für die Party im Zelt von Schmiedefeld am Abend.

Und so wird es auch 2012 auf YouTube wieder Filmchen zu sehen geben. Ich werde mal danach suchen und „Party“, „Schmiedefeld“ und „2012“ eingeben …
Und 2013 geschieht das alles dann zum 41. Mal und zum 6. Mal für mich …

Als Mainzelmännchen unterwegs …

Auf manche Marathonundlänger bereitet man sich lange vor, teilweise sogar sehr lange.
So steht meine Teilnahme an der TorTOUR de Ruhr (TTdR) schon seit Anfang 2011 fest, mehr als ein Jahr vor dem eigentlichen Event.
Aber manchmal geht es auch sehr schnell. Ohne große Vorbereitung, ohne großes Recherchieren, ohne große Vorfreude auf das, was da kommen wird. Und bei diesen Läufen finde ich dann besonders spannend, eben nichts über die Strecke zu wissen und über die Teilnehmer, die dort wohl laufen werden.

So eine Überraschungstüte war der Mainz Marathon am vergangenen Sonntag. An den Startplatz gekommen bin ich erst eine Woche zuvor, als Jan Mihrmeister, auch ein Bewohner des wunderbaren Facebook-Landes, dort gepostet hat, dass er seinen Startplatz vergeben will. In einem Punkt erfüllte ich seine Vorgabe nicht, aber sonst offensichlich schon. Und da hat es mich schon gefreut, dass Jan geschrieben hat, dass er so den Startplatz in guten Händen weiß. Oder in guten Füßen?
Vom Mainz Marathon habe ich schon oft und viel gehört. Es war nicht immer das Beste, zugegeben. Aber es war auch viel Gutes dabei.
Beim Projekt „Von Null auf 42“ vor einigen Jahren, damals, 2004, in dem Jahr, in dem ich auch das Laufen begonnen und meinen ersten Marathon hinter mich gebracht habe, bei dem Projekt des SWR, an dem auch ein Moderator von SWR3 teilgenommen hat (Michael Reufsteck), war der Mainz Marathon eine Etappe auf dem Weg zum angestrebten NewYork Marathon. Die etwas kräftig gebaute Läuferin in der Truppe, Anna Pal-Singh aus Hamburg, die damals immerhin 90 Kilogramm auf die Waage gebracht hatte und die zum Abschluss mit ihrem indischen Ehemann Hand in Hand nach rund 7 Stunden den NewYork Marathon finishen konnte, erlitt in der Hitze von Mainz nach dem Finish des Halbmarathons einen Kreislaufkollaps.

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Später scheiterte dann ein Versuch von mir, beim Mainz Marathon zu starten, schlichtweg daran, dass der Lauf mal wieder sehr schnell ausgebucht war. Das ist er eigentlich immer und das wiederum ist ein Zeichen dafür, dass es nicht so schlecht sein kann im Land der Mainzelmännchen.
Mein RBW-Mitorganisator Achim Knacksterdt wiederum erzählte mir mal, dass Mainz gut beraten wäre, statt des Marathons nur den Halbmarathon anzubieten, weil die zweite Laufrunde, die übrigens nicht exakt wie die erste Runde ist, nur sehr wenig genutzt wird. Fast ausnahmslos meldet man sich in Mainz zum Halbmarathon an, nicht zum Marathon. Und so erlebt man ungerne, dass Stände schon abgebaut werden, während Du noch in der zweiten Runde bist.
Dass die Zielverpflegung fast nur noch aus Bier bestand, zwar alkoholfrei, aber dennoch flüssig, das durfte ich live in Mainz erleben. In dieser Situation kam ich mir vor, als wäre ich derjenige, der, vom Besenwagen getrieben, als Letzter über die Ziellinie getrabt sei. Aber ganz ehrlich, ein oder zwei Läufer müssen doch noch hinter mir gewesen sein …

Mit so einer Startkarte auf falschem Namen ist das so eine Sache. Die Frist für die Ummeldung im Internet war schon längst abgelaufen, so blieb nur die Ummeldung am Samstag vor dem Lauf in Mainz in der Rheingold-Halle. Und dies musste noch vor 18 Uhr geschehen. Nun hatte ich um 14 Uhr noch ein Medenspiel meines Tennisvereins und da ist es so, dass Du auf hoher See und auf Außenplätzen beim Tennis einfach in Gottes Hand bist. Regenpausen können alles immens verschieben, so war mir das Risiko zu groß, nicht rechtzeitig vor dem Schluss der Anmeldung in Mainz sein zu können. Also entschied ich, zuerst am Morgen des Samstags nach Mainz zu fahren, die Ummeldung vorzunehmen, danach nach Rübenach, einem Stadtteil von Koblenz, zu fahren, dort Tennis zu spielen und danach der Einladung der Runningfreaks Melanie und Steffen Kohler Folge zu leisten, den Abend und die Nacht bei den beiden im schönen Ingelheim zu verbringen. Birger Jüchter und Raimund Slabon waren auch für den Abend angesagt, es versprach also, ein interessanter Läuferabend zu werden.

Wenn Du aber so etwas planst und postest, dann hast Du Dich schon verrechnet. Mit Steffen ist so etwas nicht zu machen. „Ökologischer Blödsinn“ und „Zeitverschwendung“ nannte er meine Überlegungen und er schlug vor, dass ich das Anmeldeschreiben einscannen sollte, eine Vollmacht dazu schreiben sollte und dann ging beides per Mail nach Ingelheim. Melanie und Steffen übernahmen dann die Anmeldung für mich. Was für eine tolle Lösung, ich hätte mich nie getraut, danach zu fragen!
Aber so sind sie halt, die Runningfreaks. Immer in Gedanken, wie sie Dir helfen können. Einfach gute Menschen. Gut, wie auch Steffens aktuelles Projekt, seine 230 Kilometer der TTdR zu Gunsten der Ingelheimer Platte in Kilometerhäppchen zu verkaufen.
Laufe und tue Gutes. Körperlich und psychisch für Dich und finanziell für Andere, die es nötig haben.
Danke Melanie, danke Steffen, das ist alles vorbildlich!

Es war ein wunderbarer Abend bei den Ingelheimern, auch wenn Birger und Raimund erst sehr spät dazu kamen. Wir genossen kannenweise Tee, aßen hervorragend, wobei es wie immer bei den Kohlers von Steffen gekocht wurde. Und wir redeten viel. Über die Ernährung und über das, was im Leben wichtig ist. Und dieses Wichtige entdeckten wir immer deutlicher in uns selbst und nicht mehr im alten Traum der Menschheit von Luxus, teuren Autos und Stehrümchen, dem Traum, der so viele Jahre meine Ersatzmotivation war. Das Buch, das ich als nächstes lesen werde, ist dabei auch ein Tipp von Steffen, aber dazu irgendwann einmal hier an dieser Stelle …

Der Mainz Marathon an sich war eigentlich ganz nett. Der Wettergott hat es richtig gut mit uns gemeint. Der Regen, den ich für den ganzen Lauf befürchtet hatte, endete fast direkt mit dem Startschuss und ganz am Ende kam sogar noch die Sonne heraus. Es war ideal kühl, nicht kalt, wirklich ein Wetter, das für das Laufen wie geschaffen war.
Ich lief die ersten Kilometer mit Melanie, Birger und mit Steffen. Wir begannen verhalten, aber das war auch der Enge auf der Laufstrecke geschuldet. Trotzdem liefen wir eine schlechte 6er Zeit, die sich dann in eine gute 6er Zeit gesteigert hatte.
Eigentlich waren Birger und ich vollkommen unmotiviert und nur in Trainingslaune, aber während so eines Laufs ändert sich dann doch manches. Birger vergass seine Rippenprellung und wir beide vergaßen unsere Zielzeitvorstellung von „um die 4:30 Stunden“. Irgendwann fielen die Runningfreaks etwas zurück, aber nur sehr wenig. Und ich bekam ein schlechtes Gewissen, weil ich ja seit Mitte 2005 keinen City-Marathon mehr über vier Stunden abgeschlossen hatte. Sollte das nun in Mainz anders sein?
Aber ich hatte ja Ausreden genug. Ich lief ja nicht für mich, sondern in Begleitung. Und dann kannst Du schon manches auf diesen Umstand schieben.

Als Birger und ich die Halbmarathon-Zwischenzeit aber mit 2:00:30 Stunden erreichten – und das mit so einem langsamen Start, so lässig und locker – da klickte es bei mir im Oberstübchen und ich wusste, dass ich diesen Lauf nicht über vier Stunden absolvieren wollte. Und so schaffte ich es wahrscheinlich zum allerersten Mal, in der zweiten Hälfte schneller zu sein wie in der ersten. Aber am Ende musste ich dann doch ein wenig beißen. Birger ließ mich dann alleine laufen, allerdings ohne mehr als eine Minute auf mich zu verlieren. Und ich endete ganz kontrolliert deutlich unter der 4 Stunden – Marke. Alles war gut.

Da ich aber nach dem Marathon noch ein Tennis-Doppel in meiner Grafschafter Heimat zu bestreiten hatte, blieb keine Zeit zum Warten, keine Zeit zum Feiern. Es ging gleich zum Auto und sofort nach Hause. Beim Tennis angekommen konnte ich mich gerade noch umziehen, zum Duschen blieb keine Zeit mehr, es ging direkt auf den Platz. Die Einzel waren gerade alle durch, ich kam perfekt zum Start der Doppel. Dass ich mein Doppel mit einem meiner beiden Lieblingspartner nach einer 1:6 Klatsche im ersten Satz dann doch noch mit 6:2 im zweiten Satz und mit 10:7 im darauf folgenden Champions-Tiebreak gewinnen konnte, rundete den Tag positiv ab.

Nur mit einem bin ich ein wenig unzufrieden. Ich vergaß, in das Ingelheimer Gästebuch zu schreiben.
Und das will ich nun auf diesem Weg nachholen:

Liebe Melanie, lieber Steffen,

Wärme durchströmt Euer schönes Haus. Aber es ist nicht nur die Wärme der Heizung und der Sonnenstrahlen, die durch die Fenster scheinen, es ist auch die Wärme Eurer Herzen. Es ist für jeden Gast so angenehm, bei Euch zu sein, so angenehm, diese Wärme zu spüren. Und zu wissen, dass es diesen warmen Herd guter Gedanken in dieser Welt gibt. Danke, dass Ihr Euch so sehr um mich gekümmert habt. Danke, dass ich bei Euch sein durfte.

Laufend helfen …

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Für alle, die Ende Juni und Anfang Juli läuferisch noch nichts vorhaben und die gleichzeitig etwas Gutes tun wollen, empfehle ich zwei Läufe, die ich fest in meiner Planung eingebaut habe.
Da ist zum Einen der 24 Stunden Lauf in Forbach (den PDF-Flyer dazu gibt es hier) vom 30. Juni auf den 01. Juli, ein Lauf, bei dem ich allerdings nicht vorhabe, gewaltige Strecken zu laufen, sondern nur dabei zu sein und die Atmosphäre dort zu genießen.
Dabei hast Du dort die Möglichkeit, als Einzelstarter zu laufen oder als 10-Mann oder 10-Frau Staffel gemeinsamen Spaß zu haben.
Nicht die Erzielung von Höchstleistungen ist dabei das Ziel der Veranstaltung, sondern es stehen das gemeinsame Erleben und das Bewusstsein für die gute Sache im Vordergrund.

Und da ist zum Anderen der Lauf von Renchen-Ulm nach Rheinau-Linx (den PDF-Flyer dazu gibt es hier) am 7. Juli, eine Großveranstaltung, die auf einer schönen Strecke die Chance kombiniert, zu Laufen, Menschen kennen zu lernen und behinderten Kindern zu helfen.
Dieser Lauf ist eine Initiative von WeberHaus und der Familienbrauerei Bauhöfer mit laufendhelfen.de e.V. und die niedrige Teilnahmegebühr von 15 EUR wird ohne Abzug komplett zur Unterstützung der drei Sozialpartner des Freundschaftslaufes verwendet (Aktion Benni & Co. e.V., Förderverein für krebskranke Kinder e.V. Freiburg und Lebenshilfe der Region Baden-Baden/Bühl/Achern e.V.). Und so ganz nebenbei gibt es neben einem Shirt noch eine Laufmütze, warme Duschen und einfach ein gutes Gefühl für alle Läufer.

Veranstaltet werden beide Läufe wie auch etliche andere von Brigitte und R(ud)olf Mahlburg und ihrer Spendensammel-Organisation www.laufen-helfen.de, die seit Jahren viele meist Gruppenläufe organisieren, immer mit dem Ziel, uns Läufer zu verbinden und meist der Aktion Benni & Co., die sich um kranke Kinder mit Duchenne Muskeldystrophie kümmert, zu helfen.

Sehen wir uns dort vielleicht?

Wie schreibt Rolf Mahlburg so schön:

„Viele kleine Leute,
die viele kleine Schritte tun,
können die Welt verändern.“

(Chinesisches Sprichwort)