Wer verkauft Leitungswasser?

Michael Frenz (Neues vom Hexer) fragte über Facebook an, ob ich Zeit hätte, mit ihm die Erkundung eines Teils der Strecke seines Barbarossa-Etappenlaufs durchzuführen.
Es ist ja nicht so, dass ich vor lauter Langeweile nie weiß, was ich mit mir anfangen soll, aber so ein Scouting ist es allemal wert, ein paar weniger wichtige Aufgaben vorzuziehen oder auf später zu verschieben. Zudem sollte es mit dem Mittwoch und dem Vatertag am Donnerstag sowieso nur ein Bürotag und ein Feiertag sein, das schien machbar.
Bei der Überprüfung des Bollerwagens stellte ich sowieso fest, dass die Vatertagstour mangels Bollerwagen und mangels alkoholischer Getränke hätte ausfallen müssen, also beschlossen Michael und ich, gemeinsam 140 Kilometer an zwei Tagen zu laufen. So weit, so gut und leicht.

Schwieriger aber wurde es dann, als es in die Detailplanung ging.
Sollten wir erst nach Sondershausen fahren und dort den Zug nach Rotenburg an der Fulda nehmen oder sollten wir nach Rotenburg an der Fulda fahren und nach den Läufen von Sondershausen mit dem Zug zurück?
Gegen die erste Variante sprach, dass wir nach der langen Autofahrt und der langen Zugfahrt kaum noch Zeit zum Laufen gehabt hätten, gegen die zweite Variante sprach, dass der letzte Zug von Sondershausen am Vater-Feiertag um 19 Uhr ging. Und 80 K auf dem Trail bis 19 Uhr? Da tickt dann irgend etwas in Deinem Läuferhirn – und das meist nicht mehr richtig.

Wir entschieden uns dann für die Variante drei, die Michael kurzfristig entwickelt hatte. Wir fuhren nach Eschwege, ganz früh am Morgen. Aufstehen um 4 Uhr, quasi mitten in der Nacht! So aber konnten wir früh in Eschwege starten, um die 80 K, die wir bis Sondershausen vor uns hatten, einigermaßen entspannt laufen zu können.
Rechtzeitig aufgestanden ist aber noch nicht rechtzeitig losgefahren und schon gar nicht rechtzeitig losgelaufen! Statt um 6 Uhr wie erhofft starteten wir tatsächlich erst um 7.45 Uhr, quasi kurz vor Mittag. Und weil der letzte Zug aus Sondershausen nach Eschwege sogar schon um 18 Uhr gefahren wäre, hatten wir rund 10 Stunden Zeit für diese 80 K, 7 1/2 Minuten pro Kilometer Trail, Gespräche über das Ausrichten von VPs, Essenspausen und sonstige Ruhezeiten inklusive.

Wir irrten uns gewaltig mit der benötigten Zeit und beschlossen nach einem guten Marathon in Mühlhausen/Thüringen, dass wir jetzt müde wären und dass Micha, der sowieso noch die letzten beiden Etappen zu erkunden hatte, auch noch die zweite Hälfte der Königsetappe mit erkunden könnte, auch deshalb, weil das schöne, wellige, waldreiche Gebiet nun durch platte Landschaft ersetzt würde.
Bei EschbornEschwege ist tatsächlich eine schöne Stadt mit tollen und riesigen Häusern, meist noch aus der Gründerzeit und die Laufstrecke Richtung Thüringen, die sich erst 10 Kilometer lang relativ flach durch ein Tal zieht, ist auch schön. Und dann kommt Wanfried.
Gleich am Ortseingang gibt es ein Restaurant, das von einer netten blonden Niederländerin geführt wird, die zudem „Frau Holland“ heißt. Kein Scherz, Tatsache.
Sie macht das noch nicht sehr lange, aber dafür ist es dort wunderschön. Ein Kanal liegt vor der Haustüre, ein Segelschiff liegt dort vor Anker. Planwägen hübschen die Terrasse vor der Restauranttüre auf und Holzfässer stehen dort herum. Bei einem Wetter wie der Hitze des Mittwoch vergangene Woche ist das ein unwirkliches, aber wunderschönes Bild.
Und danach ging es nach oben in die Berge, bis hin zu einem hohen Aussichtsturm aus Holz, von dem aus Du die gesamte Landschaft überblicken kannst.

Wenn bei Michael irgendwo Trail drauf steht, dann ist auch Trail drin, ganz sicher. Und so trailten wir Kilometer für Kilometer, erst gegen die Uhr und dann in dem Bewusstsein, dass es eben noch eine andere Lösung geben muss. Und die gab es dann ja auch, glücklicherweise.
Mir blieb in besonders guter Erinnerung der VP kurz vor Mülhausen/Thüringen. Es ist ein Demeter Laden, in dem es allerlei gesunde Sachen rund ums Essen gab. Und es gab dort auch besonders nette Leute. Der Chef dort war so nett, dass es nun dort einen VP geben wird, der auch mit gesundem Demeter Obst aufwarten wird.
Alle Barbarossa-Läufer vom Juli dürfen sich schon ab jetzt auf gesunde Vitamine freuen.

Weil wir also „nur“ einen guten Marathon gelaufen sind, waren wir auch sehr früh wieder in Eschwege. Wir blieben dann in der Jugendherberge, in der auch die Läufer untergebracht sein werden. Und auch wir standen sehr früh auf. Aber die langsameren Läufer des Etappenlaufs werden an dieser Stelle angesichts der anstehenden Königsetappe sogar noch früher aufstehen müssen als wir es taten.
Dann fuhren wir nach Rotenburg an der Fulda, um dort früh starten zu können. Je früher wir starten, dachten wir, desto früher sind wir wieder zu Hause, desto früher dürfen sich unsere Frauen wieder an uns und wegen uns freuen. Oder für uns, wer weiß das schon so genau?

Das Wetter am Donnerstag war schon deutlich kühler und in der Ausprägung ab Nachmittag auch eher feucht. Und wir glätteten die Etappe ein wenig, sodass aus den geplanten 60 K effektiv gute 50 oder 52 K wurden.
An diesem Tag trafen wir eine überforderte Bäckerin, deren Auffassungsgabe wir ein paar Mal strapazieren mussten, aber am Ende stand eine gute Bestellung für einen VP mit leckeren ISO Getränken und Kuchenstücken, die ich am liebsten alle testgegessen hätte.
Ferner trafen wir eine engangierte Klostermitarbeiterin, die sich sofort und engagiert für unsere Belange einsetzte, dem Motto des Klosters, Bedürftige aufzunehmen und zu bewirten, folgend.

Und wir trafen nach einem sehr, sehr steilen Berg ganz oben an der Burgruine auf ein unglaublich frequentiertes Fest, in dem das Bier in Strömen floss, die Menschen wie in einer Prozession in Massen hinpilgerten und das nahezu niemanden nüchtern hinterließ, außer uns Läufer und außer den Kindern, die sich eher an Fanta oder Cola hielten, ihre Bibelfestigkeit aber durch den massiven Gebrauch von Kinderwaffen (Pistolen und Maschinengewehre) bewiesen.
Wenn diese Waffen wie die „My first rifle“-Waffen für Vierjährige in den USA echt gewesen wären, dann hätten wohl am Ende ein paar Leichen verscharrt werden müssen, so aber erlebte jeder der vielen Festbesucher, wie ein starker Platzregen mutmaßlich das Festgelände innerhalb von Minuten menschenleer gemacht hat. Wir aber erlebten es nicht, weil wir zu diesem Zeitpunkt schon ein gutes Stück weiter waren.

Bevor aber das Burgruinen-Fest kam, gab es eine wirklich skurrile Szene. Wir waren schon nahezu „trocken“ und entschlossen uns, einen im Garten sitzenden Herren zu bitten, uns mit Wasser zu versorgen oder uns den Zugang zum Wasserhahn zu gewähren.
Er hörte sich das eifrig an, dachte intensiv nach und antwortete laut und deutlich, langsam und bestimmt: „Nein, brauche ich nicht …!“
Wir wiederholten unsere Bitte und er dachte noch länger nach als vorher. Aber er antwortete fast gleich wie zuvor: „Nein, brauche ich nicht …!“

Wer verkauft denn Trinkwasser in 0,75 Liter Plastikflaschen? Nein, wir wollten nichts verkaufen, wir wollten nehmen. Und das durften wir dann endlich auch irgendwann:
Anschließend schüttelten wir erst den Kopf und dann die Wasserflaschen.
Kurz vor dem Ziel in Eschwege kamen wir auch in diesen enormen Platzregen und wir genossen es danach, die letzten Kilometer bis zum Eschweger Bahnhof in sehr gemäßigtem Tempo zurück zu legen.

Wir quatschten viel in diesen beiden Tagen und ich habe auch sehr viel von und über Michael gelernt.
Aber was das war, darüber erzähle ich in einer anderen Geschichte …

Ein Kommentar zu “Wer verkauft Leitungswasser?

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