Grafschafter Ultraläufer Eller rennt 400 Kilometer die Themse entlang
Grafschaft – Was Thomas Eller an den meisten Wochenenden des Jahres so treibt, können Normalsterbliche kaum nachvollziehen. Selbst passionierte Hobbyläufer schütteln nur den Kopf.
Es ist dann auch eine völlige Untertreibung, wenn man den Ultraläufer aus Grafschaft-Vettelhoven als „positiv verrückt“ bezeichnet. „Besessen“ würde es eher treffen, ja, vielleicht sogar „durchgeknallt“. Der Erzählton, in dem Eller locker, unaufgeregt und wie selbstverständlich von seinen Trips zu Himalaya, Mont Blanc und Sahara erzählt, verschärft diesen ersten Eindruck.
Die jüngste Aktion des 51-Jährigen: Knapp 95 Stunden war er Anfang Juli in England unterwegs, um 400 Kilometer an der Themse entlang zu laufen. Der „Thames Ring 250“ ist der längste Ultralauf in Europa; auch wenn es nächstes Jahr einen 800-Kilometer-Lauf durch Norwegen und das ewige Eis geben soll.
Selbst für Eller, den in Sachen Laufen auf dieser Welt nicht mehr viel schrecken kann, war England eine extreme Erfahrung, die er grade so geschafft hat. Vor zwei Jahren hatte er nach 120 Kilometern aufgeben müssen. Dabei ist es weniger das Zeitlimit von 100 Stunden, das den diesmal 34 Startern im Nacken saß und dem nur vierzehnTeilnehmer entgingen. Es sind landschaftliche Ödnis und Monotonie, die Auge und Gehirn des Läufers quälen.
Denn: Der Thames-Ring-Lauf streift weder Englands malerische Grafschaften und Cottages. Er führt selten durch verträumte kleine Orte. Nein, dieser Ultralauf frustriert die Starter mit fast jedem der 400 Kilometer.
Die Hälfte der Zeit geht es stupide entlang des Kanals, meist über einen Trampelpfad, vorbei an (und manchmal auch durch) Büsche, Brennnesseln und Hecken. Ab und an lockert ein Hausboot die Szenerie ein klein wenig auf – eine wahre Wohltat für die Seele. Kaum verwunderlich, dass sich diese Plackerei fast nur Engländer antun: Unter den 34 Startern waren nur sechs Ausländer.
Einer davon war Eller, und der hatte sich diesmal ein wenig stärker unter Druck gesetzt: Mit der Aktion „Füße tragen Leben“ wollte er den Bunten Kreis Bonn-Ahr-Rhein-Sieg (Hilfe für schwerstkranke Kinder und Familien) unterstützen: Bekannte, Freunde, Fremde, Firmen konnten einen oder mehrere der 400 Kilometer für einen Spendenbetrag „kaufen“. So kamen insgesamt 1700 Euro zusammen.
Im Nachhinein sagt Eller: „Aufgeben konnte ich schlecht. Die Spendenaktion hat mich stark motiviert. Außerdem wollte ich hier auch mal ins Ziel kommen.“ 2011 war Eller mit dieser „stupiden Lauferei“ nicht klar gekommen. Zudem war er das Rennen, in dem es für die Läufer trotz der Ultradistanz um mehr als nur das Ankommen geht, viel zu schnell angegangen.
Diesmal aber hat er es nach 94 Stunden und 44 Minuten ins Ziel geschafft. Acht Kilogramm leichter als am Start. Trotz der zehn Liter Wasser, die er bei solch einem Ereignis täglich trinken muss. Was das Essen angeht, legt Eller bei seinen Ultraläufen kulinarisch niedrige Maßstäbe an – da geht’s vor allem um Kohlenhydrate: Dabei sind die Klassiker Reis und Nudeln mit Soja- oder Tomatensoße, die einschlägig bekannten Energieriegel. In England haben sie an den Verpflegungsstationen Gummibärchen angeboten, Schokolade, saure Gurken. Eller hat gerne zugegriffen: „Bei diesen Belastungen kann man ja gar nicht so viel Energie zu sich nehmen, wie man verbrennt.“
Geruht und geschlafen hat er während der vier Tage zwar auch. Aber die Dosis lag doch deutlich unter den landläufig empfohlenen acht Stunden. Die erste Nacht ist Eller komplett durch gelaufen. In der zweiten Nacht hatte er das gleiche vor, ist im Zelt am zweiten Checkpoint aber eingeschlafen; drei Stunden später war er wieder unterwegs.
Das gleiche Spiel in der dritten und vierten Nacht. Eller: „30 Minuten Schlaf pro Nacht reichen während eines solchen Rennens aus.“ Einige seiner Läuferkollegen bevorzugten es gar, drei Nächte lang gar nicht zu schlafen.
Dass man die 400 Kilometer an der Themse trotz flacher Laufstrecke nicht einfach so wegsteckt, merkte Eller noch zwei Wochen nach dem Zieleinlauf: Beim 1. Eiger Ultra Trail (101 Kilometer) musste er aufgeben. Und so konzentriert er sich jetzt voll auf die zweite Teilnahme am Ultra-Trail du Mont Blanc Ende August.
Von Chamonix aus geht es hier 166 Kilometer (9600 Höhenmeter) rund um das Mont-Blanc-Massiv. Dort braucht es schon mal einen Hubschrauber, der Verpflegung zu besonders exponierten Raststellen bringt. Bis der höchste Berg Europas ruft, will Eller noch hier und da einen Marathon laufen. Aber nach diesen 42,195 Kilometer geht das Vergnügen für Ultraläufer ja bekanntlich erst richtig los.
Von unserem Redakteur Jan Lindner
Der direkte Link zum Artikel in der Rhein-Zeitung:
http://www.rhein-zeitung.de/region/lokales/bad-neuenahr_artikel,-Grafschafter-Ultralaeufer-Eller-rennt-400-Kilometer-die-Themse-entlang-_arid,1018043.html
Hallo Thomas,
wahnsinn! 8 Kg in 4 Tagen abnehmen, das hört sich wirklich verdammt hart an.
Aber irgendwie kann es auch doch nicht so hart gewesen sein, wenn du 2 Wochen später schon wieder einen Ultra Trail gelaufen bist 😉
Grüße
Mathias
Na ja, erstmal bin ich ja keinen Ultra gelaufen, sondern habe mich auf die 42K zurückstufen lassen.
Und auch da bin ich 13.5K sehr langsam und dann etwas schneller gelaufen. Die Platzierung blieb dennoch hinter meinen Möglichkeiten zurück.
Außerdem ist es immer eine Frage, wie schnell Du läufst.
Eine weitere Woche später, beim Eiger Ultra Trail, bin ich dann nach 16K raus, beim Trail-Maniak München-Zugspitze nach 30K und beim Dodentocht nach 50K.
Bis Ende August sollte ich wieder in der Lage sein, 100 Meilen beim UTMB zu laufen, aber ein, zwei längere Einheiten sollte ich bis dahin schon noch hinter mich bringen.
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