Hat Dich die Antwort auf diese Frage schon einmal bewegt:
„Was treibst Du denn so in Deinen Nächten?“
„Schlafen“ ist da sicher die klassische Antwort oder eben all die Dinge, die man im Bett so machen kann. Aber hoch im Kurs stehen auch „Party machen“, „in die Disco gehen“, einfach „feiern“. Studenten beantworten die Frage oft banal mit „lernen“, andere lassen sich von Domian inspirieren, wieder andere freuen sich über merkwürdige Clips in dubiosen Sparten-Fernsehsendern. Nachtschwestern im Krankenhaus verstehen überhaupt nicht, warum sie das gefragt werden und manche säubern den Strand vom Touristenmüll oder präparieren die Skipisten für den Schneespaß am nächsten Tag.
Auch das „Regale im Supermarkt auffüllen“ und die Arbeit in der Backstube sind beliebte Antworten und Börsenmanager sowie Computerfreaks schätzen die Nachtarbeit, weil eben genau dann auf dieser Welt das Meiste passiert, wenn es in den USA taghell ist.
„Laufen gehen“ ist jedoch selten die entsprechende Antwort, oft löse ich damit lediglich Kopfschütteln und Unverständnis aus. Die meisten Nichtläufer dieser Welt verstehen ja schon nicht, wie man am Tag Laufen gehen kann und die Mehrzahl der Läufer dieser Welt wollen beim Laufen meist etwas von der Natur sehen, die Landschaften erleben und einfach schneller unterwegs sein.
Und doch ist es wunderschön, durch die Nacht zu laufen, zumindest für mich.
Oft zwingen Dich ja die Wettkämpfe zum „durch die Nacht laufen“ und da meine ich nicht die 10 Kilometer „Nachtläufe“ von Zons oder Köln oder die „Nachtmarathons“ von Luxemburg oder Marburg, die in der Regel alle am späten Abend schon enden, sondern ich meine die Bewerbe, bei denen eben so lange Distanzen zu bewältigen sind, dass Du zwangsläufig eine, zwei oder „etcetera“ viele Nächte durchlaufen musst.
Und genau dafür habe ich vor einigen Jahren mal angefangen, das Laufen in der Nacht zu trainieren. Und bei diesen Trainingsläufen habe ich mich ins Nachtlaufen verliebt.
Einer dieser Läufe fand im September 2010 von mir zu Hause nach Ratingen-Breitscheid statt. Über diesen Lauf habe ich damals hier an dieser Stelle berichtet:
„Ein 5.000 Meter Lauf mit reichlich Anlauf …“
Es ist für mich immer wieder ein tolles Erlebnis, in der Nacht mit Menschen zu reden, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Alkohol, den ich statistisch trinken müsste, den ich aber wegen meiner Alkoholabstinenz nicht aufnehme, für mich mit zu konsumieren – und vielleicht auch noch den von anderen Menschen, die ebenfalls auf ihren statistischen Alkoholwert verzichten.
Aber das Laufen in der Nacht hat auch einen strategischen Vorteil für mich: ich kann mich voll auf mich konzentrieren, ich erlebe das Nachtdesign der Landschaft, durch die ich laufe, ich kann später dann mit meiner Familie frühstücken und trotz allem noch einen netten Tag mit meinen Lieben verleben, ich kann ohne Sorgen auch auf den Straßen laufen, wenn das sinnvoller erscheint, weil die Straßen leer sind und Autos früh wahrgenommen werden und ich rieche und schmecke die Natur deutlicher als am Tag und ich sehe Dinge, die ich am Tag nicht sehen würde.
Den Mond beispielsweise, der in er einen Stunde noch riesengroß und gelblich vor Dir steht und in der anderen Stunde weit oben klein und weißlich auf Dich scheint.
Oder auch Katzen, deren Augen im Schein Deiner Stirnlampe funkeln und Du Dich erst erschreckst und mit denen Du dann das Spiel spielst, dass der verliert, der zuerst flieht. Meist sind das die Katzen, gelegentlich aber fliehe aber auch ich …
Im letzten Jahr war ich vor dem TransGranCanaria Lauf zwei Mal durch die Nacht unterwegs, raus aus Playa del Inglés, rauf in die nächtlichen Berge. Ein Mal war es in einer kanarischen Karnevalsnacht, als ein dicker Karnevalist mit Flügeln an den Armen und einem Schwan auf dem Kopf sturzbetrunken aus einer Kneipe kam, mich mit der gesamten Laufausstattung gesehen hat und ungläubig fragte: „Wie siehst Du denn aus?“
Männer mit Schwänen auf dem Kopf sind hierbei aber nicht immer vorbildliche Fragensteller, finde ich.
Dieses Jahr aber entgeht mir eine Serie von Nachtläufen, die zu laufen für mich eine wahre Freude gewesen wäre. Aber ich will Dir diese Nachtlaufserie ans Herz legen …
Ich selbst werde mich an diesem Wochenende wieder im fairen Kampf „Läufer gegen Kanal“ versuchen, nicht übermüdet in denselben zu fallen und am Grand Union Canal vorbeilaufen, von Birmingham nach London. Und das mit zwei Handvoll anderer Deutscher, auf die ich mich schon jetzt ganz besonders freue.
Da man aber nicht gleichzeitig in England am Kanal und in Deutschland im Schwarzwald sein kann, entgeht mir also der „Black-Forest TRAIL-MANIAK 2014 – the dark edition“, leider.
Der Ausdruck „dark edition“ deutet bei Schokoprodukten ja auf besonders dunkle Schokolade hin und damit auf einen ganz besonderen Genuss, an dem ich leider kaum vorbei komme. Das eine oder andere Pölsterchen im Bauch- und im Hüftbereich legt dabei Zeugnis ab, wie gierig ich oft nach „dark edition“ bin.
Dass „dark edition“ auch anders geht, zeigt der Schwarzwald. Da läufst Du in drei Nächten 100 Meilen durch den Schwarzwald mit einem Finish auf dem höchsten Berg des Schwarzwaldes, dem Feldberg. Oder Du läufst in zwei Nächten 100 Kilometer oder in einer Nacht einen Marathon oder wenigstens einen Halbmarathon durch den Schwarzwald und, na klar, mit einem Finish auf dem Feldberg.
Ob sehr viel Spaß auf 100 Meilen, viel Spaß auf 100 Kilometern, Spaß mit einem Marathon oder wenigstens etwas Spaß mit einem ungewöhnlichen Halbmarathon, eine „dark edition“ wäre immer meine Wahl.
„Mach doch mal was Verrücktes“ heißt es da vom Veranstalter. Und das stimmt, es ist schon ziemlich abgefahren, was da probiert wird. Noch nie hat es eine solche „dark edition“ Veranstaltung gegeben. Wenn Etappen gelaufen werden, dann eben genau anders herum. Du läufst am Tag und ruhst in der Nacht.
Und auf „Abgefahrenes“ stehen wir doch alle, oder?
Unter Tage schwitzen, einen Tag auf der Treppe leiden, sich durch Wüsten schleppen oder Pulkys hinter uns her ziehen – alles sein außer „normal“.
Die ganzen Details dieser „dark edition“ Veranstaltung siehst Du hier (klicken zum Vergrößern!):
Einen kleinen Trost aber habe ich dennoch für mich. Wenn wir die 145 Meilen Richtung London laufen, dann werden wir in der einen Nacht, die wir durchlaufen werden, sicherlich auch so schöne Stirnlampen-Muster in den Nachthimmel zaubern wie hier:
Allen, die wie ich gerne durch die Nacht laufen, ob im Schwarzwald, in England oder sonstwo auf einem Trail, wünsche ich allzeit gute Sicht und unvergessliche Momente in den durchwachten Nächten.
Männer mit Schwänen auf dem Kopf würden Dich verstehen …