Zurück zu meinen Wurzeln …

Cappadocia1Ahmed Lütfi Duman, später dann Ahmed Lütfi Hakan, war der Name meines Erzeugers. Ich weiß von ihm, seit ich dreizehn Jahre alt bin, aber dann ging dieses Wissen verschollen, weil es ja eines der vielen „Familiengeheimnisse“ war. Etwas, über das man nicht spricht, ungefähr so wie man auch nicht über die Rolle des Großvaters im Dritten Reich spricht und auch nicht über den Suizid meines ältesten Onkels.
Aber dann, am 6. März 1992, als unsere Tochter Milena geboren wurde, war die Erinnerung wieder da.
Milena wurde mit einem Mongolenfleck, auch Asiaten- oder Hunnenfleck genannt, am Rücken geboren und die Hebamme sagte: „Oh, ein Asiate in der Familie?“
Ach ja, da war doch was …

Im gleichen Jahr, 1992, brannte das Haus türkischer Mitbürger  in Mölln, es kam zwischen dem 22. und 26. August 1992 in Rostock-Lichtenhagen zu rechtsradikalen Ausschreitungen gegen die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein gegen Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter im sogenannten „Sonnenblumenhaus“ und nicht viel später, 1993, brannte es in Solingen, wieder waren türkische Mitbürger Ziel der ewiggestrigen Verbrecher.
In welcher Republik waren wir angekommen, fragte ich mich und ich erinnerte mich an den Geschichtsunterricht, in dem uns gelehrt wurde, dass es im finstersten Kapitel deutscher Geschichte ausgereicht hat „Viertel-“ zu sein, Vierteljude in diesem Fall.

Nun ist dieses unschuldige Mädchen Vierteltürkin, ich bin Halbtürke, es gibt die Ausschreitungen, Grund genug, mich auf die Suche nach meinen Wurzeln zu machen, dachte ich damals. Das war aber leichter gedacht als getan, denn ich konnte nicht auf die Hilfe meiner Mutter zählen. Auch die Internet-Recherche brachte wenig Erhellendes und außer mit vielen vor allem türkischen Freunden zu reden, blieb mir nicht viel übrig.
Bis sich Jahre später ein türkischer Nachbar, dessen Sohn mit unserem Sohn auf der Grundschule in einer Klasse war, meiner Sache annahm. Und auch er brauchte zwei ganze Jahre, um einen Teilerfolg zu erzielen.
Er nahm Kontakt auf zu Sabuncu Sakir, einem Moderator der türkischen Sendung „DISHATLAR“, in der versucht wird, Menschen, die sich verloren haben, wieder zusammen zu bringen. Und Sakir kam – mit einem kleinen Fernsehteam. Das Resultat war eine Sendung, die sich zu einem Drittel ausschließlich um meine Suche nach meinem Erzeuger drehte, das Resultat war aber auch … nichts, nada, näischt, niente,hiç bir şey gewissermaßen. Heute weiß ich, was der Fehler war. Damals wussten wir noch nichts von der Nachmamensänderung meines leiblichen Vaters und alle Personen, die betroffen waren, hießen eben Hakan und nicht Duman. Wie auch sollten die wissen, dass sie gemeint waren?
Nach dem darauf folgenden Skiurlaub ging es dann jedoch sehr schnell. Ich bekam einen Anruf, ich solle sofort nach Aksaray kommen, der Gouverneur hätte Interesse an meiner Geschichte gefunden und er hätte mir etwas zu sagen. Also flogen Sakir und ich erst nach Istanbul, dann nach Kayseri und dann fuhren wir mit dem Auto nach Aksaray.
Dabei passierten wir die vielleicht schönste Landschaft, die ich vom Auto aus bis dahin jemals gesehen habe: Kappadokien (Cappadocia).

(klicken zum Vergrößern)

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Der Rest dieser Geschichte ist schnell erzählt. Der Gouverneur fand heraus, dass es eben diese Nachnamensänderung gab, dass noch drei Halbgeschwister existieren, die seinerzeit alle in Basel lebten und dass mein Erzeuger leider schon in Paterson / New Jersey verstorben war.
Ich war also angekommen, ich war an meinem Ziel. Mitten in Aksaray auf dem Marktplatz küsste ich in Gegenwart von zwei Fernsehteams und drei Kollegen der schreibenden Presse meinen Onkel, den Bruder meines leiblichen Vaters, mit dem er sich so gestritten hatte, dass er seinen Nachnamen ändern ließ und unter großem Applaus und vielkehligem Geschnatter begann ich, mir zu überlegen, wie es mit diesen Informationen nun weiter gehen sollte.
Cappadocia2Und nun, vom 25. Juli 2015 bis zum 02. August 2015, darf ich insgesamt 260 Kilometer lang durch diese Region laufen. Und bei jedem Schritt werde ich an meinen Erzeuger denken, an meine Halbschwester Suna, die zu sehen mir nur ein einziges Mal vergönnt war. Und an meine beiden Halbbrüder Senol und Bülent, mit dem mich eine mittlerweile jahrelange Facebook-Freundschaft verbindet.
Senol traf ich einige Male in Basel, zuletzt gingen wir in Köln zusammen in ein chinesisches Restaurant und Bülent traf ich in Basel und zuletzt live letztes Jahr im Flughafen von Istanbul. Dort besuchte er mich bei einem Stop over mit seiner ganzen Familie. Mittlerweile ist Bülent wieder in der Schweiz wohnhaft und ich drücke ihm und seiner Familie beide Daumen, dort nun endgültig angekommen zu sein.

RUNFIRE CAPPADOCIA heißt der Bewerb, die Fotos lassen mich träumen (Hoppla, sehe ich da nicht ein bekanntes Gesicht?) und die Tage bis dahin einzeln rückwärts zählen.

Aus der Beschreibung des Bewerbs:
„Der RUNFIRE CAPPADOCIA findet in der bezaubernden Landschaft von Kappadokien statt. Kappadokien ist in der UNESCO World Heritage Liste von historischen Sehenswürdigkeiten gelistet.
Der Kurs startet in Uçhisar und führt durch viele spektakuläre Täler und Gegenden wie das Pigeon Valley, Ürgüp, Göreme und Ihlara. Der Kurs verspricht ein unvergessliches Erlebnis auf diesem einzigartigen Trail hin zum Lake Tuz, einem spektakulären Salzsee.

Die Strecke misst ungefähr 260 km und wird als Selbstversorger-Lauf in 6 Etappen durchgeführt. Die Athleten schlafen jede Nacht unter den Sternen, immer in einer anderen Location, stets in traditionellen türkischen Zelten, gemeinsam, aber alleine mit der Natur.
Die Route des RUNFIRE CAPPADOCIA Ultra Marathon wird seit 2010 regelmäßig vom Ministerium für Kultur und Tourismus der Türkei unterstützt und wurde vom RaceDirector, Prof. Dr. Taner Damcı, ausgewählt, der selbst schon viele schwierige internationale Ultra-Marathons gefinishted hat.

Der Bewerb ist unter den ’25 besten Abenteuer Marathons der Welt‘ im Men’s Journal Magazine gelistet. RUNFIRE CAPPADOCIA Ultra Marathon lädt Dich ein, Dich selbst wiederzufinden und das auf einer aufregenden Route mit wüstenähnlichen Wetterbedingungen.“

Und ich kleines Läuferlicht darf da dabei sein.
Und ich werde auch dort einen „Daily Blog“ schreiben, garniert mit vielen Fotos, so ich eine Internetverbindung habe. Oder ich mache den „Daily Blog“ auch wieder zeitversetzt wie beim „Lenin Race“, falls das Internet nicht so mag wie ich …

Ich freue mich so sehr darauf ….
Zurück zu meinen Wurzeln!
Cappadocia3

3 Kommentare zu “Zurück zu meinen Wurzeln …

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