What a Beautiful Noise!

Lyrics: Beautiful Noise von Neil Diamond

What a beautiful noise
Comin‘ up from the street
Got a beautiful sound
It’s got a beautiful beat

It’s a beautiful noise
Goin‘ on everywhere
Like the clickety-clack
Of a train on a track
It’s got rhythm to spare

It’s a beautiful noise
And it’s the sound that I love
And it fits me as well
As a hand in a glove
Yes it does
Yes it does

What a beautiful noise
Comin‘ up from the park
It’s the song of the kids
And it plays until dark

It’s the song of the cars
On their furious flights
But there’s even romance
In the way that they dance
To the beat of the lights

It’s a beautiful noise
And it’s the sound that I love
And it makes me feel good
Like a hand in a glove
Yes it does
Yes it does

What a beautiful noise
It’s a beautiful noise…

https://www.youtube.com/watch?v=UVLv1El1vh4

Hey Trailers, what a beautiful noise!
Endlich mal wieder einmal die Geräusche der Trailpiste genießen, endlich mal wieder das Gefühl, eine Startnummer durch die Landschaft tragen, endlich mal wieder die vertrauten Geräusche der guten und langjährigen Läuferfreund*innen erleben und endlich mal wieder einer Begleitung zuhören, neben der die Stunden wie im Flug vergehen und wirklich keine Langeweile aufkommt!

Betty und der Rest der Trailwelt

Eigentlich gelang mir läuferisch ja nichts mehr seit dem genialen Lauf im Oman, an den ich so gerne zurück denke. Es war Ende November auf Anfang Dezember 2018, kurz nachdem meine kleine Welt zusammengebrochen war und ich ins tiefe Tal der Tränen absteigen musste, ein Tal, dass ich jetzt endlich auf der anderen Talseite wieder verlassen konnte.

Ein Start beim MaXi Race in Annecy, das ich ebenso wenig beenden konnte wie manch andere Rennen in 2019 und einige DNS in der Schweiz, in Italien und in Frankreich, das war „nix“, das war „gar nix“.

Und dann fehlten Training, Höhenmeter, Zeit und Motivation. Und es folgten Umzüge und Corona. Und dann kam der Bärenfels-Trail.
Gemeldet hatten sich Anna und ich ambitioniert für die 54 km Strecke, obwohl ich schon lange nicht mehr so weit gelaufen bin. Aber es war ja unser erster gemeinsamer Auftritt in der beschaulichen Trailrunner-Welt, außerdem hatte ich überhaupt nicht realisiert, dass man sich auch für kürzere Distanzen hätte anmelden können.
Für kürzere Distanzen anmelden? Kennst Du das, dass da die Augen beim Lesen versagen, die Finger die entsprechende Maustaste nicht finden und Dein Doktor dann stets eine akute und vor allem ansteckenden Langdistanzitis diagnostiziert?

Aber wenn man schon zwei Lieben hat, eine Liebe neben sich, eine Liebe unter den Laufschuhen, dann sollte man schon wagen, so lange zu laufen, bis beiden Lieben gerecht wurde.

Also raus aus den Federn um 3.15 Uhr, Schlaf wird ja stets überbewertet, das wissen wir alle und rein ins Auto um 4.00 Uhr und aus Viersen über Düsselstadt Richtung Idar-Oberstein gefahren.
Es war eine kleine Gemeinde von Läufer*innen, die sich dort für die 21, 42 oder 54 Kilometer versammelten, aber es war ein Gutteil bester Freund*innen da, sodass die Wiedersehensfreude groß war und sich manche Münder vor lauter Redeschwall nicht mehr schließen wollten.
Auch in Zeiten von Corona konnten wir Fotos voneinander machen, lachen, scherzen und Spaß haben. Dann ging es mit einer kleinen Verspätung auf die Piste.

10,8 km sollte jede Runde lang sein und die ersten beiden Runden waren tatsächlich fast exakt so lange. Erst die dritte Runde wurde etwas länger und die vierte Runde fühlte sich dann noch länger an, so lange, dass Anna und ich beschlossen, dass ein Marathon zum Wiedereinstieg mindestens genauso wichtig und richtig wäre wie ein Ultra. Nach vier Runden und gut 44 km raus, als Marathoni gewertet werden – alles war gut.
Vier Mal am Seil durch den Fluß geführt – vom Brückenbau versteht man glücklicherweise dort nicht viel, das macht den Trail spannender, die Füße nasser und die Blasen wahrscheinlicher.
Dazu hatte der Kurs etliche Höhenmeter gehabt, das sei auch erwähnt, insbesondere folgten nach dem ersten VP (Verpflegungspunkt) eineinhalb Kilometer, die Dich ständig nach oben führten. Trainingsdefizite wurden dort mehr als offensichtlich. Und von diesen Defiziten hatten Anna und ich reichlich.

Apropos Verpflegungspunkte: es gab zwei Stück davon, aber leider waren sie recht spartanisch ausgestattet, es gab Wasser, etwas Cola, es gab zum Glück Bananen und Zuckerzeug en masse. Und die Menschen, die uns dort betreuten, die taten mir leid, vor allem nach den zwei Runden, als die Halbmarathonis weg waren und die Wartezeiten lang wurden.
Stelle Dir einfach vor, Du stehst in der Mitte von Nirgendwo und wartest minutenlang auf Deinen nächsten Läufergast … aber bei all dem blieb die Laune gut und die Ladies waren überaus freundlich, wenn Du brav die Corona-Regeln eingehalten hast:
– Tuch vor Mund und Nase schon Meter vor dem VP
– Desinfektion der Hände am VP
– dann Essen und Trinken.
Es ist halt vieles anders geworden in der neuen schönen Coronawelt, in der neuen Normalität.
Aber was schreibe ich, Hauptsache, wir können wieder Laufen, Walken, Wandern. Hauptsache, wir können wieder unsere Läuferfreund*innen treffen, wieder Spaß haben, wieder scherzen und wieder etliche der gemeinsamen Erinnerungen austauschen.
Hauptsache, wir können immer wieder die schönen Geräusche der Trailpiste genießen!

#fuckcorona – so wie dieses Jahr hat uns noch nie ein Jahr durchgewirbelt. Aber jetzt heißt es für mich wieder:
Back on Trail!
Wir sehen uns!

A Chacun son Everest !

„A Chacun son Everest !“
„Jedem seinen Everest !“ Das ist das inspirierende Motto der sozialen Organisation „A Chacun son Everest !“, die krebskranken Kindern und krebskranken Frauen beistehen, helfen und Orientierung geben will.
Aus dem Text auf der Webseite der Organisation:

„Nach der Krankheit… ein Ort zum Leben!
Der Verein „A Chacun son Everest !“ begleitet Kinder mit Krebs oder Leukämie und Frauen bei der Remission von Brustkrebs, um Ihnen zu helfen, mit der heiklen Phase der Zeit nach dem Krebs (postkrebs) umzugehen, damit Vertrauen, Lebensfreude und wieder neue Impulse des Lebens gewonnen werden.“

Es war der Sonntagmorgen des UTMB in Chamonix. Ich saß mit Sarah Schreiber in einem Café an der Fußgängerzone und wir warteten auf die Finisher des UTMB, vor allem natürlich auf Tobi Schreiber, der aber erst gegen Mittag kommen sollte. Weiterlesen

UTMB – mehr als nur ein Lauf

Der UTMB, ausgeschrieben Ultra Trail du Mont Blanc, Webseite: www.utmbmontblanc.com, nennt sich selbst „Weltgipfel des Trailrunning“. Es ist DER Traillauf schlechthin, Maßstab für alle anderen entsprechenden Großereignisse, Vordenker neuer Ideen und für die rund 10.000 Teilnehmer, die für die Bewerbe des UTMB in einem komplizierten Mix aus Qualifikationen und einer Lotterie ausgewählt werden, das spektakuläre Jahreshighlight.
Dort zwischen Chamonix, Courmayeur, Champex-Lac, Trient und Bourg St. Maurice werden Läuferträume wahr und Läufer*innen zu Held*innen. Weiterlesen

MyMAI …

MyMAI

Er hätte so schön werden können, der Mai, MyMAI. Geplant mit einem „Doppelpack“ aus der TorTOUR de Ruhr (TTdR) und dem Grand Union Canal Race (GUCR), aber wenn die Planung am warmen Schreibtisch zu Hause gemacht wird, dann besteht immer die Gefahr, dass da etwas dazwischen kommt, was sich „Realität“ nennt …

Und so stehen am Ende von MyMAI nur drei Läufe in meinem Lauf-Lebenslauf:
U 254 – Rengsdorfer Westerwaldlauf, 50 km, 10. Mai, 6:19:30
U 255 – 44 km Veedels Verzäll dreij, Köln, 13. Mai, GL
U 256 – TorTOUR de Ruhr 230,  Winterberg-Duisburg, 19./20. Mai, 34:21:00
Wie gut hätten sich da noch die 145 Meilen des GUCR gemacht?

Aber es war wohl das Wetter, das mir einen Strich durch mein ehrgeiziges Ziel gemacht hat und ein wenig auch die kurze Abfolge der ultralangen Kanten.

Beim „Westerwaldlauf“ um Rengsdorf herum war Badetag. Es schüttete, wir froren und wir zitterten. Und ich war am Ende der 50 Kilometer auch ziemlich fertig. Dennoch war es ein kleines Highlight, mit dem Erfinder der „Clean your trail“ Aktion, Sascha Rupp, und mit Christoph Mintgen gelaufen zu sein.

Einen Samstag später kümmerte ich mich um den Versorgungpunkt beim „25km Kölnpfadwandern im 4/4 Takt“, kein Wandern für mich, auch kein Laufen – und das alles bei bestem Frühsommerwetter.
Und dann, einen einzigen Tag später, als ich mit der großen Familie der KÖLNPFAD UltraläuferInnen beim „Veedels Verzäll dreij“ unterwegs war, war es wieder nass. Von oben, von unten, von der Seite. Und solch ein Wetter trübt natürlich auch immer ein wenig die Stimmung, bei allen. Und jeder ist, pitschnass bis auf die Haut, dann froh, in sein Auto zu kommen, um nach Hause fahren zu können.
Neben den Mitte 20 LäuferInnen, die mich da auf dem „Veedels Verzäll dreij“ begleitet haben, verdiente sich Patric Wurmbach Bestnoten, weil er im Regen unter einer Bushaltestelle die Stellung hielt und den Verpflegungspunkt auch für die Langsameren unter uns offen hielt.
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Und dann kam die TorTOUR.
Selten fühlte ich mich besser vorbereitet, mein Laufpensum der letzten Monate war ordentlich und ich hatte endlich mal keine Schmerzen mehr. Nicht an den Füßen, vor allem nicht an den Zehen, nicht in den Knien und auch nicht in den Waden.
Das muss an der Kombination der neuen HOKA-Schuhe gelegen haben, die ich, weil HOKA „meine“ Schuhgröße US 13,5 nicht mehr liefert, in US 14 geholt hatte.
Zudem hatte ich die Einlagen in die Schuhe eingebracht, ein Unterfangen, dass mich bei der Schuhgröße US 13 oder US 13,5 immer in Not bei den Zehen brachte.
Durch die Einlagen wird der Fußraum verkleinert, der gesamte Fuß angehoben und damit verkleinert sich auch der Spielraum der Zehen.
Mit den neuen, noch etwas größeren, Schuhen und den Einlagen scheine ich eine gute Lösung gefunden zu haben.

Meine Gabi war meine Supporterin und wir nächtigten in einem Ortsteil von Winterberg. Nach dem großen „Hallo“ und „Juhu“, nach unendlich vielen gedrückten Leibern und nach so viel Wiedersehensfreude ob der vielen bekannten Gesichter bei diesem wohl einmalig familiären Lauf, nach dem Briefing im neuen TTdR-Shirt, langärmlig und im Sublimationsdruck hergestellt und somit mit besten Voraussetzungen, in die Gruppe meiner Lieblingsshirts aufzusteigen, und nach einer kleinen Wartezeit ging es dann endlich los.

TTdR – ein Schauspiel in fünf Akten für mich.
2010 konnte ich das Ding finishen. Dabei war das mein erster wirklich langer Lauf, nonstop war ich zuvor nur ein Mal über 100 Kilometer gekrochen, das war bei der nur ein einziges Mal durchgeführten DLV-Challenge in Delmenhorst, 177,4 km in 24 Stunden, immerhin. Und dann gleich 230 K!
Aber ich erreichte die Stele in Duisburg erst in der Nacht und ich hatte, ehrlich gestanden, gar nicht bemerkt, dass da überhaupt eine Stele stand.
Aber schon am Tag danach, als ich die Fotos der anderen Finisher sah, war ich gierig darauf, auch mein ein Foto im Hellen an der Stele machen zu können.
2012 startete ich und scheiterte an meiner Übermotivation. Ich wollte zu viel und ich gab zu wenig. Und so ging ich nach 100 Kilometern aus dem Rennen.
2014 war ich angemeldet und heiß auf den Lauf. Heiß war aber auch das Wetter damals, extrem heiß sogar. Aber ich war sowieso nicht in Winterberg, sondern in Italien, weil ich einer Einladung des Chefs des Stöcke-Produzenten FIZAN zu einem Symposion über perfekte Laufstöcke folgte. Und am Tag danach, am zweiten TorTOUR-Tag also, liefen Michi Raab und ich auf einem alten Schmugglertrail in Italien eine Kurzstrecke von knapp 40 Kilometern und ich war danach vollkommen fertig.
2016 sollte es dann eigentlich endlich soweit sein: Die geniale Gürtelschnalle, die es ja 2010 noch nicht gab, wartete auf mich in Duisburg. Gabi, meine Supporterin, musste am Samstag noch arbeiten, also lief ich mit Christoph Mintgen, bis er nicht mehr konnte oder wollte und dann noch ein Stück weiter.
Als Gabi dann in der Nähe war und mich fragte, wo ich denn sei, da „tervauschte“ ich zwei der Ruhrseen und lotste sie prompt zu einem falschen Ziel. Von dort aus musste sie dann mich erst mal richtig finden, ich wartete im VP, die Zeit lief und der Cut-Off kam immer näher. Aber dann, kurz vor vier Uhr am Sonntagmorgen, startete ich, fast zeitgleich wie die 100 km „Bambini-Läufer“, die mich dann auch gleich einholten. Und ich war sooooo müde. Ich wankte und lief gerade in einen Gartenzaun hinein, als die beiden Letzten der 100 km Starter gerade bei mir waren. Es war die Familie Hanner, die mir dann zwei RedBull Dosen eintrichterten. Danach ging es aber kaum besser, die lange Pause im VP war einfach kontraproduktiv gewesen.
Als dann Frank Nicklisch auf mich auflief und mich immer wieder führte, weil ich immer wieder wegnickte, da war es um mich geschehen. Er wollte sich ein wenig in seinem Auto, dass dann zufällig am Weg stand, ausruhen und so verschliefen wir beide das Rennen. Als wir wieder aufwachten war uns beiden klar, dass es schon so spät war, dass ein Weiterlaufen nicht mehr sinnvoll gewesen wäre.
Die Gürtelschnalle musste also weiterhin in Duisburg auf mich warten.
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Ich war schnell unterwegs dieses Jahr, etwas schneller als sonst. Und ich hatte meiner Gabi gesagt, dass sie ruhig wieder ins Hotelbettchen steigen könne, die ersten 50 km bräuchte ich keinen Support. Dachte ich, das war aber weit gefehlt.
Gefehlt, weil ich zwei entscheidende Fehler noch im Hotel machte. So vergaß ich, das Melkfett bzw. den Hirschtalg zwischen die Beine zu schmieren und ich klebte meine Brustwarzen „blind“ ab. Und so verrutschte ich mit dem Pflaster links und dieses Pflaster thronte dann somit direkt neben der Brustwarze.

Aus der Verlegenheit der beginnenden Schmerzen im Schritt half mir mein KÖLNPFAD-Partner Thorsten Klenke und das Pflaster ersetzte ich dann, als Gabi dann irgendwann in den Support eingriff. Da war die Stelle aber schon blutig gewesen.

Das Wetter war fantastisch am Samstag, nicht zu heiß, kaum direkte Sonnneeinstrahlung und ich fand relativ schnell in Georg Hilden einen Laufpartner, mit dem ich sehr lange zusammen blieb und mit dem ich die Nacht verbrachte.
Gemeinsame Nächte unter Männern sind immer etwas sehr Verbindendes, etwas, das bleibt. Finde ich zumindest.
Wir trennten uns immer nur, wenn unsere Supporter getrennt voneinander parkten, damit wir nicht zwei Mal warten mussten. Nach dem Support aber fanden wir uns schnell wieder und kämpften wieder gemeinsam.
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Ganz besonders schön war, dass wir ganz kurz vor 16 Uhr am Startpunkt der 100 Meilen – LäuferInnen ankamen, die in einer Horde zusammenstanden und auf den Startschuss warteten. Ich gönnte mir den Abstecher nach rechts in die Menge der Wartenden, drückte und herzte viele, gerade die KÖLNPFAD UltraläuferInnen hatten es mir besonders angetan, dann gingen wir erst mal ein paar Meter zurück zum Verpflegungspunkt, um uns mit einem Nudelgericht zu stärken.

Kohlenhydrate, Salz, Flüssigkeit … das Regenerieren und Auftanken des Körpers kann so einfach sein!

Die Nacht war kalt und feucht. Die Ruhrauen zeigten kühlen Tau, wir froren und ich ärgerte mich, keine Handschuhe mitgenommen zu haben. Aber da meine Gedanke in solchen Situationen langsam sind und die Nacht kurz war, erledigte sich das Frieren schon mit den ersten Sonnenstrahlen.
Und von da an begann die Hitze. Keine Wolke am Himmel, viel direkte Sonneneinstrahlung und die Gewissheit, von jetzt ab gar nicht mehr so viel trinken zu können, wie der Körper es eigentlich verlangt hätte.

Und so wurden wir langsamer und langsamer und mein Wille, mich zu quälen, sank stündlich weiter. Längst war klar, dass wir im Hellen ankommen würden und während Georg noch das Ziel formulierte, eine „35“ vorne haben zu wollen, war mir alles egal und so trennten sich unsere Wege einen Halbmarathon vor dem Zielschluss und so lief er rund 23 Minuten vor mir ins Ziel ein, natürlich mit seiner „35“ vorne.

Ich aber verzweifelte an den letzten Kilometern, bei denen Du denkst, ganz bestimmt ganz gleich da zu sein, ganz gleich die orangene Stele zu sehen und ganz gleich erlöst zu sein von den Schmerzen in den Oberschenkeln und dem Ziehen im ganzen Körper.
Aber wenn die ersten 224 Kilometer noch einigermaßen kurz waren, die letzten 6 Kilometer zogen sich und mein Verstand drohte zu streiken.

Ich weiß nicht, wie ich diese letzten 6 Kilometer hinter mich gebracht habe, es war alles langsam. Ich hatte aber auch keine Lust mehr, ich wollte da dann nur noch drin sein. Für einen Schlussspurt fehlte mir die Kraft und die Einstellung.
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Aber dann war sie da, die Stele. Noch ganz weit hinten, aber so viele Menschen wünschten Glück, staunten über die Zahl 230 auf meiner Startnummer und schon deshalb ging es irgendwie weiter.
Aber dann an der Stele entlud sich die Anspannung mal wieder in sanftem Geheul. Wenig Wasser war noch im Körper verblieben, es reichte aber noch für viele Tränen.
Die Gürtelschnalle musste 2018 also nicht weiter auf mich warten, ich behüte und verehre sie jetzt in meinem Büro.

Meine Füße allerdings waren nach der Hitze und den vielen Kilometern elefantenmäßig aufgequollen und ich konnte vier Tage lang nicht richtig gehen.

Und dieser vierte Tag, der Donnerstag, war dann auch der Tag, an dem ich entschied, zwar nach England zu fliegen, aber am GUCR nicht teilzunehmen. Gabis und meine Flüge waren bezahlt, die Hotels weitgehend auch, wir gönnten uns etwas Liebe und etwas London, schrecklichen Dauerregen in Birmingham und wohlig warme Sonne in der englischen Hauptstadt.
Hätte ich die Entscheidung einen Tag später treffen müssen oder können, dann wäre ich wohl mit meinen Laufsachen nach England geflogen. Wer weiß, wofür die Pause gut war. Schlecht allerdings war sie für meinen Lauf-Lebenslauf. Und für meine Psyche.
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Dass Katrin Grieger als erst zweite Deutsche die Frauenwertung des GUCR gewinnen konnte, war jedoch mehr als ein Trost für mich und die gemeinsame Zeit mit Matthias, Katrin, Gabi und mir versöhnte mich mit der Traurigkeit, die uns Ultraläufer immer überkommt, wenn wir bei einem Laufevent vor Ort sind, aber dort nicht mitlaufen können oder dürfen.

MyMAI … kein perfekter Monat also, aber vielleicht ein guter Wegweiser für den Juni?
Zwei Marathons stehen da auf der Laufagenda und der DOLOMITI EXTREME mit 103 km und 7.150 HM.
Die 185 km auf dem GR-20 auf Korsika aber habe ich heute von meiner Agenda genommen, mir fehlt halt leider die Zeit für eine ganze Woche Laufspass, leider.
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Devam: „Gülü seven dikenine katlanır.“

Es wurde also heruntergezählt: „On, dokuz, sekiz, yedi, alti, beş, dört, üç, iki, bir … sifir!“ Und die Meute setzte sich in Bewegung, Ruby und ich sicherten das Feld nach hinten ab.
Und das Anfangstempo war ungeheuer schnell, viel zu schnell für mich.
Einerseits wollte ich im Dunklen möglichst nicht den Anschluss verlieren, um nicht selbst den Weg suchen zu müssen. Zwar war dieser wirklich gut markiert, dennoch, man weiß ja nie …
Andererseits waren Zeiten von runter bis 5:35 min/K für solch ein Unterfangen einfach zu schnell. Nicht mein Tempo, nicht meine Strategie.

Ich hampelte also hinter der Meute her in einem sicheren Abstand, mal größer, mal kleiner. Ruby wiederum war zehn, zwanzig Dutzend Meter vor mir. „Lass sie laufen,“ dachte ich mir, immerhin weiß ich von ihr, dass sie auf Kurzstrecken recht schnell sein kann.

Es ging durch eines der vielen KAPI, durch ein altes Stadttor, dann eine Metalltreppe hinunter und hinein in eine riesige ehemalige Halle. In Iznik lebt noch die alte Kultur, der Reichtum, die riesige Stadt- und Wehrmauer von früher, alles aber ist deutlich heruntergekommen, aber nicht weniger imposant. Aus der Halle raus, über die bestens gesicherte Straße, rechts und links waren jeweils ein Polizist, die uns „über die Straße halfen“, vielleicht ein Vorgeschmack auf mein irgendwann kommendes Rentnerdasein?

Und dann kamen rund 20 Kilometer Felder und Olivenhaine. Und damit kamen auch der Matsch, die fetten Spurrillen der Traktoren, die das Laufen schwer machten, die Pfützen, die Bachdurchquerungen an Stellen, an denen vor zwei Jahren definitiv keine Bäche waren und alles war „wet and wild“, nass, rutschig und wild.
Die Strecke war mit orangenen Bändchen wirklich bestens markiert. Diese Bändchen hatten unten zusätzlich reflektierende Enden angetackert. Besser geht es kaum, aber einfach hinterher rennen entlastet den Kopf.

Nach drei Kilometern war ich endlich nicht mehr Letzter. Das Tempo hatte sich auf 6.15 min/K reduziert, ich begann, mich wohler zu fühlen.
Zwar gab es immer wieder festere, teilweise sogar asphaltierte, Abschnitte auf diesen ersten 20 Kilometern, aber das ist die Passage, über die Stephan Vogel schrieb:

Für mich war der IZNIK ULTRA einer der schlimmsten „Mud Trails“. In den Olivenhainen waren die Wege von den Traktoren aufgerissen. Einem Läufer vor mir ist tatsächlich der Schuh im Schlamm stecken geblieben.
Da stand er dann auf einem Bein, den anderen Fuß nur noch mit dem Strumpf bewaffnet und suchte mit seinen Händen laut schimpfend nach dem anderen Schuh.“
Stephan Vogel

Olivenhaine sind tückisch, auch wenn es trocken ist. Nach einem langen Regentag aber sind sie und die Wege dazwischen oft ein echtes Erlebnis.

Nach fünf Kilometern, es ging das erste Mal ein paar Höhenmeter hinauf, lief ich wieder auf Ruby auf, ab dann blieb ich bei ihr – oder sie bei mir.
Der erste Verpflegungspunkt, an dem es aber nur Wasser gab, kam nach knapp 9 Kilometern. Er war sensationell schön gelegen, in einem alten Gemäuer drin, hell erleuchtet, aber wir ließen nur die Zeit nehmen und liefen gleich weiter.
Ab dem zweiten Verpflegungspunkt gab es auch Cola und etwas zu essen, wobei ich mich fast immer an einem leckeren Brot festhielt, das ich mit einigen Käsescheiben garnierte. Einen veganen Brotaufstrich gab es leider nicht.
Iznik
Irgendwann kam dann die erste richtige Steigung, rauf auf 465 Meter über N.N., erst leicht, dann recht steil, einfach gerade den Berg hinauf. Ziehweg? Geh weg damit.
Die schönste Verbindung zwischen unten und oben ist nunmal die Gerade, leider aber auch die anstrengendste.
Das war der Zeitpunkt, wo wir sukzessive Läufer für Läufer überholten. Schon jetzt zollten Manche dem Anfangstempo Tribut.
Du bleibst dann auf der Höhe, es geht steil runter und wieder rauf, wieder steil runter, wieder steil rauf, immer wieder bis zum finalen Abstieg Richtung Tiefebene, der Iznik Gölü liegt auf 85 Metern über N.N., und dann bleibt es lange flach.

Ruby blieb immer deutlich hinter mir und ich wurde das Gefühl nicht los, dass es ihr zunehmend schwerer fiel, mir zu folgen. Ich frage immer wieder und wies auch darauf hin, dass ich alleine sei, dass es egal wäre, wann ich im Hotelbettchen wäre und dass wir von nun an noch 12 min./K Zeit hätten und dennoch innerhalb des Zeitlimits bleiben würden.
Dieses Tempo (12 min./K) ist mein „worst case Szenario“, außer natürlich in echtem Gebirge. Sonst sage ich mir, dass ich dieses Tempo in jedem Fall hinbekomme, gehend, kriechend, humpelnd, wie auch immer.
Zu wissen, dass ich von nun an mir noch dieses Schneckentempo leisten kann und immer noch im Zeitlimit oder unterhalb meines Ziels bleibe, beruhigt mich ungemein.

Ich erinnere mich an den Berliner Mauerweglauf 2015. Mein erklärtes Ziel war es, diese 100 Meilen (161 Kilometer) in „unter 24 Stunden“ zu Laufen. Das Zeitlimit beträgt dort zwar 32 Stunden, aber nur die, die „unter 24 Stunden“ bleiben, bekommen die wunderbare Gürtelschnalle, für die ich nach Berlin fuhr.
Bei dem „worst case Szenario“ Tempo bräuchte man 32 Stunden und 12 Minuten, aber als ich so weit war, dass ich wusste, dass ich die restlichen Kilometer in diesem Tempo machen dürfte und dennoch unter der 24 Stunden-Grenze bleiben würde, war ich entspannter.
Natürlich will ich dann dennoch ein paar Sekunden, ein paar Minuten, pro Kilometer in mein „geistiges Zeitsparbüchslein“ reintun, das hält mich dann Kilometer für Kilometer in Spannung. Am Ende konnte ich Berlin in 22 Stunden und 35 Minuten finishen. Schnelle Läufer bleiben natürlich unter 20 Stunden, teilweise sogar deutlich unterhalb dieser Marke. Ich aber muss mich dort abholen, wo ich stehe und ich muss mir Ziele setzen, die für mich realistisch und realisierbar sind.

Kurz vor der DropBag Station bei Kilometer 56 hatten wir eine errechnete Finishzeit von kurz vor Mitternacht, also von knapp unter 24 Stunden, gerechnet mit dem „worst case Szenario“ Tempo. Aber Ruby wollte nicht mehr weiterlaufen, Ihr Mann stand da, das Auto auch, die Knie taten weh und schnelle Kurzstreckenläufer*innen sind nicht zwangsläufig auch gute Ultraläufer*innen, was mal wieder zu beweisen war.
„Quod erat demonstrandum“ wie die Lateiner sagen.
Von nun an war ich also alleine.

Hatte ich mich bis dahin nur rudimentär an die Passagen in den Olivenhainen erinnert, vielleicht, weil es 2016 nicht so rutschig gewesen war, glaubte ich noch, mich deutlich an die folgenden gut 10 Kilometer erinnern zu können. Immer am See entlang, immer auf einer sandigen Naturpromenade.
Stimmt aber alles gar nicht. Die Naturpromenade ist nur zwei, drei Kilometer lang, danach wechseln sich Trails neben der Straße und auch Partien auf der Straße ab. Keine schöne Situation, aber eine, in der Du, wenn Du noch Laufen kannst, viel Zeit und auch einige Plätze gutmachen kannst.

Aber Du läufst mit „gebremstem Schaum“, immerhin weißt Du ja, dass Du noch zwei Mal auf 760 Meter über N.N. hinauf musst. Also Körner sparen, Kräfte schonen und locker traben. Und immer viereinhalb Minuten hinein ins „geistige Zeitsparbüchslein“.
Bevor es aber rauf geht, geht es erst mal wieder lange durch …. Olivenhaine. Und damit durch Schlamm, Dreck, Wasser, in Traktorfurchen, die so schmal sind, dass Läufer*innen mit Schuhgrößen unter 40 keine Probleme damit haben, wir Breitfuß-Läufer aber, mit Schuhgrößen US 13.5 oder 14, wir stoßen permanent rechts und links an die Wände dieser Traktorfurchen.

Der erste dieser beiden Berge, die beide schon auf der gegenüberliegenden Seeseite liegen, ist leicht. Da gibt es tatsächlich einen Ziehweg und Du schiebst Dich nach oben, in meinem Fall meist mit Zeiten um die 11 Minuten pro Kilometer.
Dann beginnt eine Hochebene, auf der es ständig rauf und runter geht – und schließlich final wieder runter an den See zu einem 11 Verpflegungspunkte (plus dem letzten Verpflegungspunkt im Ziel).

Und gleich danach geht es rechts weg, steil nach oben, kein richtiger Weg. Mittlerweile war es sonnig und es wurde zunehmend wärmer. Ich finde, man müsste dringend über die Platzierung dieser beiden Berge reden. Ein einfacher Austausch der beiden würde der Läuferschar immense Vorteile bringen. Den schweren Berg am kühleren Morgen und den leichteren Berg am heißen Nachmittag.
Könnten wir uns darauf einigen?

Aber Ultralaufen ist halt weder „Kindergeburtstag“ noch „Wunschkonzert“ und letztlich ging es zwar steil hinauf, dafür gewinnst Du auch schnell an Höhe. Ruckzuck war ich auf 290 Metern über N.N.
„Keine 500 Höhenmeter mehr,“ dachte ich.
140k-egim
Und da waren sie, die Dornen.
Und die Wahrheit über den Satz „Die Erinnerung ist gnädig, die Realität ist grausam.“
Ganz ehrlich, das, was nun kam, hatte ich in meiner Erinnerung total ausgeblendet. Nichts davon war mehr präsent. Aber ich hätte buchstäblich „kotzen können“, als ich sah, dass es jetzt erstmal wieder runter ging, wieder auf das Level der Tiefebene.
Aber es ging nicht einfach wieder runter. „Sakrisch steil“ wäre noch eine Untertreibung gewesen. Da war kein Weg, da war nur rutschige steile Erde. Und manches Mal war da zum Glück auch ein Seil. Es war erbärmlich, wie ich mich runter quälte. Und durch die Büsche wieder steil rauf. Und den ganzen Mist nochmal. Und nochmal. Und nochmal.

Plötzlich waren sie dann doch wieder da, die Erinnerungen.
Ich hätte meinen eigenen Bericht auf Laufspass.com lesen sollen (http://www.laufspass.com/laufberichte/2016/iznik-ultra-2016.htm)
Da schrieb ich 2016: „Was dann kam, nannte ich in meiner ersten Reaktion nach dem Finish „krasse, geile Kacke“. Sechs und einen halben Kilometer, für die ich zwei Stunden und 19 Minuten brauchte!“
Immer wieder denkst Du, dass Du schon die Hälfte der Höhenmeter hast. Und gleich darauf ist alles wieder Makulatur. Und das so eklig steil, so Angst einflößend.
Aber ich muss dennoch zugeben, dass das die Passage war, wo mich die ersten vier Läufer und die erste Läuferin des 90 Kilometer Bewerbs überholten.
Wie die diese Hänge bewältigten, das zu sehen war schon umwerfen.
Wie geht das, fragte ich mich? Was machen die anders als Du?

Aber „wer die Rose liebt, der erträgt auf ihren Dorn“ und irgendwann war diese Passage Geschichte, das „geistige Zeitsparbüchslein“ aber war nicht nur leer, sondern es war wie meine Bankkonten hoffnungslos überzogen.
Aber dort oben auf dem zweiten Berg beginnt die wohl schönste Passage des Laufs. Du schaust rechts hinunter auf das Land Richtung Istanbul. Du siehst einen kleinen See, viel Landschaft und Du erlebst eine Ruhe, die süchtig macht.
Und wenn Du nach links runter schaust, dann siehst Du den riesigen Iznik Gölü, Du erkennst die Hügel der gegenüberliegenden Seite, erinnerst Dich daran, welchen Weg Du da gegangen bist, welchen Hügel Du hinauf gegangen sein musst und Du beginnst, Dich wirklich gut zu fühlen. Knapp über 100 Kilometer hast Du hinter Dir, nicht schlecht für einen alten Mann.
Iznik3Es bleibt da oben wellig, es geht rauf und runter, aber die Wege sind gut laufbar und Du kannst Deine Schulden beim „geistigen Zeitsparbüchslein“ abbauen, ausgleichen und irgendwann dieses „geistige Zeitsparbüchslein“ auch wieder mit gesparten Minuten füllen. Und ich rechnete und ich rechnete und ich rechnete mir Chancen aus, sogar unter 22 Stunden zu bleiben. Wenn ich im Schnitt der restlichen 40 Kilometer unter 10 min./K bliebe.
Ich sammelte Stück für Stück die anderen Läufer ein, wobei sich ein „Überholvorgang“ oft über mehrere Kilometer hinzog. Ein „Elefantenrennen“ von LKWs auf der Autobahn, das Dich immer ins Lenkrad beißen lässt, ist nichts dagegen.

Aber irgendwann bist Du an dem anderen Läufer dran, redest ein paar Worte mit ihm, in einem einzigen Fall mit ihr, schaust, ob Dich Englisch da weiter bringt. In den meisten Fällen jedoch bleibt nur die Symbolsprache übrig. Und dann ist dieser Läufer irgendwann hinter Dir nicht mehr sichtbar.

Zum vorletzten Verpflegungspunkt geht es noch einmal 200 Höhenmeter runter. Natürlich geht es die danach wieder rauf. Es sollten jetzt noch 31 Kilometer sein, 15 bis zum nächsten Verpflegungspunkt und dann noch den Rest.
Jetzt begriff ich, dass ich sogar noch die Chance hätte, an mein Ergebnis von 2016 heran zu kommen: 21 Stunden, vier Minuten, zehn Sekunden. Aber es würde eng werden.
Ich schaltete den Turbo ein, fokussierte mich auf dieses Ziel und lief auf Kurs 9 1/2 Minuten pro Kilometer, schneller, wenn es eben war oder runter ging, etwas langsamer, wenn es rauf ging.

Nach 14,5 Kilometern überquerte ich eine Straße und der Herr, der die Straßenquerung absicherte rief mir zu, dass der Verpflegungspunkt „in 500 Metern“ kommen würde.
Rechnen kann ich auch!
Aber aus dem 500 Metern wurden 1.500 Meter, bis ein Fotograf an der Strecke stand und mir sagte, dass jetzt noch ein Kilometer weit sei bis zum Verpflegungspunkt.
Möge die Reststrecke entsprechend kürzer sein, sonst klappt das nicht mehr mit meiner 2016er Zeit, dachte ich.

Ich erinnerte mich, dass es nach diesem letzten Verpflegungspunkt nur noch bergab gehen würde. Ich wollte nur kurz etwas trinken und gleich weiter.
Aber wie Kirke (oder Circe, Zirze) becircten mich die Ladies dort mit einer Linsensuppe, einer Champignonsuppe, mit etwas Reis und mit einer Portion Ayran.
OK, genehmigt, die Zeit muss einfach noch drin sein!

„I’m a bit in a hurry,“ sagte ich dann und ging weiter. Noch 15 Kilometer sollten es sein.
Aber es ging wahrlich nicht nur runter, ganz im Gegenteil. Es ging höher hinauf als beim Verpflegungspunkt und das gleich mehrmals. Und es war kein leichter Weg mehr, sondern ein Trail mitten durch den engen Wald, Kurve rechts, Kurve links, rauf, runter, durch einen Bach. Und immer dachte ich mir, dass jeder Meter rauf und jeder Meter weiter den Abstieg in den Höhenmetern vergrößern, in der Länge aber verkleinern würde. Es würde also steil werden.
Und irgendwann wurde es das dann auch, sehr steil sogar.

Das beste Zeichen für mich war jedoch, dass dort, wo es begann, richtig runter zu gehen, noch niemand stand. 2016 stand da ein Herr, der uns ermahnte, die Sicherheitswesten anzulegen und die Stirnlampen aufzusetzen. Ich musste also früher an diesem Punkt gewesen sein als 2016, das beflügelte mich weiter.
Ich rannte den Berg hinunter, vorbei an Massen von Läufern, die den 50 K Bewerb liefen, aber vollkommen am Ende waren.
Viele winkten mir, machten mir motivierende Zeichen – oder klatschten sogar.
Ich wusste aber noch aus 2016, dass am Ende einige Kilometer flach anstehen. Flach und Straße. Aber flach wirkt nach ein einigen Kilometern runter wie bergauf und ich überlegte, ob ich dann noch würde laufen können oder ob ich auf „Wandertag“ umschalten müsste.

Aber ich lief durch, sammelte Läufer ein, die meisten natürlich vom 50 K Bewerb und ich rechnete. Ich erhöhte mein Zeitziel auf „unter 21 Stunden“, also ein klein wenig besser als 2016, trotz, wie ich finde, schwierigerer Bedingungen.
Die letzten Kilometer lief ich dann mit gelegentlichen Gehpausen mit um die 7 min./K und die Zielzeit schmolz von Kilometer zu Kilometer.

Am Ende geht der Weg auf der Straße entlang der antiken Stadt- und Wehrmauer. Hatte ich erwähnt, dass diese riesig ist, riesig und lang? Du läufst und läufst, Du überholst und irgendwann darfst Du nach links wieder durch die riesige ehemalige Halle hindurch, die Metalltreppenstufen hinauf und dann die Hauptstaße entlang.
Jetzt war es schon deutlich am Dämmern, aber anhalten und die Stirnlampe aufsetzen war nicht mehr nötig.
Weiter vorne, hell erleuchtet, sah ich das Ziel. Und ich rannte. Drei Querstraßen waren zu passieren, ein Auto hatte gefälligst für mich zu halten.
Von links kommende Läufer haben eben grundsätzlich Vorrang!

2016 war ich Vierter meiner Altersklasse, Vierzehnter von allen, damals startete ich noch in der Altersklasse M45+ (http://racetecresults.com/results.aspx?CId=16389&RId=108).
2018, nun in der Altersklasse M55+, mit 30 Minuten weniger, was würde da rauskommen?
Altersklassen sind ja sehr zufällig. Wie viele Läufer starten? Welche Leistungen erbringen diese Läufer? Und ist es überhaupt wichtig, einen bestimmten Platz zu erreichen?
Spaß haben, seine eigenen Ziele erfüllen, sich und seinem Körper etwas Gutes tun, neue Menschen mit dem gleichen Hobby kennenlernen, eine schöne Gegend sehen, Brücken zu anderen Menschengruppen und Ländern bauen, eine schöne Medaille bekommen, das sind doch die Dinge, die wirklich zählen, oder?Iznik4Ich lief also ein genau dann, als die Uhr von 21:03:59 auf 21:04:00 umschlug. Ein klitzekleines Bisschen mehr als 30 Minuten gegenüber 2016 gespart.
Ganz ehrlich, noch vierzig Kilometer vorher hätte ich das nicht glauben können.

Im Ziel gab es eine der schönsten Medaillen, die ich je bekommen habe, noch schöner als die Medaille an gleicher Stelle zwei Jahre zuvor. Und es gab Reis mit Linsen, Ayran und Cola, was ich mir alles gönnte.
Und dann betrat ich den MIGROS, gleich neben der Ziellinie. Und ich gönnte mir noch eine Cola, aber eiskalt.

Heute weiß ich, dass ich insgesamt den 11. Platz belegt habe. Und ich habe meine Altersklasse M55+ gewonnen.
Die Sieger-Medaille für die Alterskategorie wird mir zugeschickt werden, also warte ich geduldig.
Und ich freue mich.
Das war ein furioses Finale, ein großartiger Lauf, eine fordernde Strecke.
Und wenn ich zwischenzeitlich geflucht habe und die Passage mit der „krassen Kacke“ nie, wirklich nie wieder machen wollte – ich bitte um Vergebung und behaupte das Gegenteil.Iznik2
Schön wäre es jedoch, wenn ich dann nicht wieder alleine wäre.
Dieser Lauf hat mehr ausländische Läufer verdient, Deutsche sowieso.

Am nächsten Tag ging es wieder nach Hause, nicht jedoch, ohne dass ich mir noch einen großen handgemalten Teller aus Iznik gekauft hätte – mal wieder.
Der wird mich immer vor allem an diese letzten 30 Kilometer erinnern.
Und daran, dass der IZNIK ULTRA eine Rose ist, deren Dornen man ertragen muss.
Ich sage: „Teşekkürler!“ Richtung Iznik, ihr habt da ein echt geiles Teil.2018-04-23 17.17.18
Ein letzter Gedanke noch …
Wie weit sind eigentlich 140 Kilometer?2018-04-22 13.01.46