Tag 11:
Drei Mal eins ist eins
Manche Tage beginnen mit einem Schock. So wie der Tag heute.
Es war gegen 6.20 Uhr am frühen Morgen. Die ganze Nacht über machte der Wind Lärm in unserem Zelt, aber dann begann sich unser Zelt zu heben. Und zwar deutlich.
Ich drückte mich auf die Stelle, die am weitesten in der Luft hing, bat Burak, mich in meinem Tun zu unterstützen, aber er lag, in seinen Schlafsack eingemummelt, da und konnte nichts tun.
Doofer Wind, dachte ich und gleichzeitig dachte ich, dass der Wind sich nur langsam reduzieren sollte, ansonsten könnte der Aufprall hart sein.
Der Blick nach draußen offenbarte ein Chaos, wie ich es live und real noch nie erlebt hatte. Zelte standen um 90 Grad nach oben gedreht, Zelte wurden in den nahe liegenden Bach geweht, Zelte waren demoliert, es sah teilweise aus wie in manchen Bürgerkriegsgegenden dieser Welt.
Burak und ich beschlossen, noch vor dem Frühstück ins untere Basecamp abzusteigen.
Ich wollte auch „Mann sein“ und beschloss, meine Sachen selbst zu tragen, so trat ich die 210-minütige Reise an mit dem kleinen Rucksack vor die Brust geschnallt, dem Beckengurt um die Hüfte geschlungen und dem großen Rucksack auf den Rücken geschnallt, zusammen um die 20 Kilogramm!
Als wir im unteren Camp waren und ich mich von den Gewichten befreien konnte, fühlte ich mich, als könne ich fliegen.
Und dann gönnte ich mir eine Dusche, zwar mit kaltem Wasser, aber mit Seife und Shampoo. Und danach in frische und schöne Klamotten, es war herrlich! Ich fühlte mich wie neu geboren.
Um 17.00 Uhr folgte dann die Siegerehrung.
Zuerst realisierte ich, dass es doch 22 Starter waren und ich freute mich, nicht der Letzte auf der Liste zu sein. Von den beiden hinter mir hatte einer, der Franzose Jean-Michel, die Freundlichkeit, ca. 100 Höhenmeter vor dem nächsten Check-Point aufzugeben. Und so wurde er hinter mir gewertet.
Merci ami, j’aime la France!
Dann realisierte ich, dass es nur vier Starter zum Finish am Summit gebracht hatten, darunter auch der Deutsche Basti Haag, der als Vierter noch immer schneller war als der Sieger des Premierenjahres.
Na ja, so etwas muss natürlich gefeiert werden und so bekam ich, der sonst nie Alkohol trinkt, einen, wirklich „nur einen“ Wodka eingeschenkt, weil man „mit grünem Tee nicht anstoßen“ kann. Und noch einen, wirklich den Letzten, weil … ich weiß gar nicht mehr, warum und ich weiß auch nicht mehr, warum es noch einen dritten Wodka zum Feiern gab.
Das Abendessen erlöste mich, der Abend aber war lustig.
Beim Abendessen saß ich neben Chris, dessen Agentur auch weltweit Touren organisiert, neben zwei Polen, beziehungsweise neben einem Polen und einer Polin, neben Burak und neben vier Spaniern, wovon mich einer vom Ultra Tramuntana auf Mallorca kannte, die Welt ist doch winzig klein!
Wir hatten mächtig Spaß, genossen das letzte Zusammensein und gingen alle irgendwo zwischen angeheitert und betrunken in unsere Zelte.
Morgen fahre ich mit Evgeny, dem Racedirector, nach Osh und schaue mal, wie ich die restlichen Tage bis zum Rückflug ausfülle.
Dir danke ich für das Lesen und die Begleitung und ich schließe dieses Reisetagebuch hiermit ab.
Eine tolle Zeit ist vorbei und wer denkt, dass ich mit dem Ausgang unzufrieden bin, der irrt.
Pik Lenin, AK-SAI, Russian Skyrace Foundation, Kirgistan … ich komme wieder, irgendwann.
Dann aber besser vorbereitet!
Tag 10 (Raceday):
Vorvorletzter und zufrieden damit
Zuerst will ich ein paar Worte für die Leistung des AK-SAI Teams finden. Wenn man Fremden tagtäglich in einer in einem Baucontainer eingerichteten „Küche“ – und selbst über Monate im kalten Zelt schlafend – um 8 Uhr Frühstück, um 13 Uhr Mittagessen und um 19 Uhr Abendessen zubereitet, wenn man denjenigen, die schon um 4.00 Uhr aufbrechen wollen, zudem um 3.30 Uhr ein frühes Frühstück, manchen Gästen auch ein „late breakfast“ oder ein spätes Abendessen serviert, dabei immer freundlich ist, auch wenn das nicht jeder Gast erwidert, wenn man zudem den Sonderwünschen Einzelner, in diesem Falle von mir und ein, zwei anderen Vegetariern, so entspricht, dass man nicht nur einfach das Fleisch weg lässt, sondern meist etwas ganz Eigenes kocht, das ist schon stark, definitiv ein „mehr als erwartet“.
Und dass der Hang ständig mit einem Fernrohr überwacht wird, wenn man auf Wunsch ein Walkie-Talkie mit auf die Reise bekommt und man alle drei Stunden nachfragt, wo nan ist, wie es einem geht und wie die weitere Planung sei, dann gibt einem das ein gutes, ein sicheres Gefühl. An dieser Stelle muss ich einfach „Danke AK-SAI und Mitarbeiter“ sagen und mich vor dieser Leistung verbeugen.
Der Tag begann hektisch. Ich schlief extrem schlecht und hatte ich Alpträume. In diesen brach privat alles bei uns in sich zusammen und am Ende war ich ganz alleine auf dieser Welt. Danach war kein Schlaf mehr möglich.
Ich stand also etwas früher auf als gestern, aber die Anderen waren alle schon fertig und saßen beim Frühstück. Als ich diese „voll ausgestatteten“ jungen Leute sah, ich, der mit der vollkommen zerrissenen Stoffhose, der mit der Skijacke statt der obligatorischen Daunenjacke, der Mann ohne Hüftgurt und ohne …, da wollte ich erst kneifen.
Dann aber entschied ich kurzfristig und spontan, doch mit dem großen Rucksack zu laufen, also auch die Skihose mitzunehmen, die ich dann aber nicht benötigte und dickere Handschuhe, die ich aber erst brauchte, als ich nicht mehr lief.
Die Skijacke aber, die ich nur Evgeny zuliebe angezogen habe, erwies sich als goldrichtig. Da war ein Wind oben, unglaublich. Schon hier unten blies der Wind stark in der Nacht, oben aber dachte ich manchmal, dass es so viel Wind nicht gibt, nicht geben kann.
Mein Problem jedoch war, dass ich gestern schon den großen Rucksack für die Abreise gepackt hatte, oben rein die sauberen Sachen, die ich in diesem Camp nicht mehr brauchen würde und unten rein die Schmutzwäsche.
Also schnell alles raus auf zwei Häufchen getürmt und den Rucksack neu gepackt. Draußen hörte ich schon: „Der TOM fehlt noch!“ Das kam von Robert (einem anderen Robert als bisher), dem stets gut gelaunten Guide einer deutschen Bergsteigergruppe. Versteck spielen ging also nicht, also rannte ich mit frisch gezurrtem Rucksack noch schnell zur Startlinie und stellte mich hinten an. Noch zwei Minuten bis zum Start.
„Du musst Dich noch registrieren,“ hieß es dann. Gesagt, getan und da ging es auch schon los.
Wie da manche über die Moränen flogen, unfassbar!
Ich blieb mit einem alten Russen, neben mir der Einzige über 35, und einer jungen Dame hinten, aber nur soweit, dass wir die Vorderen immer noch sehen konnten.
Nach 41 Minuten waren wir dort, wo ich nach 40 Minuten sein wollte und wo ich tags uuvor nach 1 1/4 Stunden war, dort, wo der eigentliche Berg beginnt und man sich die Steigeisen anschnallt.
Steigeisen anschnallen will auch trainiert sein. Ich brauchte dafür exakt 5 Minuten lang, meine Begleiter waren da routinierter und dann, als ich endlich damit fertig war, schon weit oben im Hang.
Ich habe dann zumindest den Russen eingeholt, bin dann aber an einer der vielen Gletscherspalten gescheitert, weil ich mich nicht getraut habe, mit dem mittelschweren Rucksack drüber zu springen. Die Spalte war echt breit und vor allem tief, die einzige, vor der ich mehr als Respekt hatte. Und weil wir in der Dunkelheit zu weit links im Hang nach oben stiegen, gab es da auch weder ein Sicherungsseil noch ein Brett zur Hilfe. Der Russe hat zwar gesehen, dass ich mich da nicht drüber traute, eine Hand hat er mir aber nichtgereicht, definitiv kein Ultraläufer. Er schaute kurz und ging seines Wegs.
Ich bin dann vielleicht fünfzig Meter noch weiter nach links gegangen, bis die Spaltenbreite bezwingbar schien und dann traute ich mich rüber.
Und wieder musste ich Gas geben, ganz hinten sein wollte ich ja nicht. Ich passierte zwei Läufer und kam einer kleinen Gruppe Läufer immer näher. Nach 3 Stunden und 8 Minuten kam ich an Burak’s Zelt vorbei, das noch immer an der gleichen Stelle stand wie vor einigen Tagen, als ich daraus geflüchtet bin. Ob Burak wohl da ist, dachte ich?
Ich rief nach ihm, einfach, um zu sehen, ob er im Zelt war, dann rief er zurück, schaute raus und sagte mir, dass er am Vorabend auf dem Gipfel war und nachher runter gehen würde.
Ich hatte wenig Spaß am eigentlichen Rennen, sprach in diesen gut drei Stunden nur vielleicht 10 bis 12 Wörter.
Und ich fand in diesem Moment, dass ich mit der bisher erzielten Zeit zufrieden sein kann, dass ich nicht Letzter war und überhaupt insgesamt zufrieden war.

Dass ich danach noch einen Platz an Ernakova Nadezda „verloren“ habe, lag daran, dass sie noch bis zum Camp 3 weiter lief. Dort aber war dann auch Schluss für sie. Es ist müssig, darüber zu streiten, ob ich noch bis dahin hätte weiter gehen sollen, für mich war das Gespräch mit Burak wichtiger und lohnenswerter …
Ich überlegte kurz und sagte ihm dann, dass ich in zehn Minuten bei ihm sein würde. Ich ging noch hoch bis zum Checkpoint, bekam einen warmen Tee gereicht, ein Foto wurde gemacht und ich verabschiedete mich aus dem Rennen. Die Mädels und Jungs des Checkpoint wollten nicht glauben, was sie gerade gehört hatten („This is it here for me!“), wiesen mich aber darauf hin, dass ich keinesfalls alleine nach unten gehen sollte.
Wollte ich ja auch nicht, ich wollte bei Burak sein und den Tag mit ihm verbringen. Nach einer Weile reden, einer Weile Pause und einer Weile Sonne tanken haben wir dann Burak’s Zelt abgebaut und sind dann gemütlich nach unten gegangen.
Was da aber mit den Cracks los war, ist unglaublich. Der Streckenrekord wurde wohl um mehr als zwei Stunden verbessert und auch die Folgenden waren zu dieser Zeit, kurz vor der 6-Stunden-Marke, schon auf 6.400 Metern.
Es ist halt doch eine ganz andere Disziplin als der Ultralauf.
Durchaus interessant, aber wohl nicht meine Welt.
Und dennoch bin ich froh, das mal probiert zu haben und es irgendwann erneut zu probieren. Am Pik Lenin oder anderswo oder am Pik Lenin und anderswo, wer weiß das jetzt schon.
6,61 Kilometer mit 1.000 Höhenmetern nominell, durch die Passage am Anfang, raus auf die Moräne, runter zum Fluß, summierten sich die Höhenmeter auf 1.124 bei 96 Metern im Abstieg, ganz, ganz harte Arbeit.
Ein kleines Beispiel noch, dass auch 3 Stunden und 15 Minuten für diesen Teilabschnitt für gewöhnliche Bergsteiger unglaublich schnell sind:
Die Gruppe wirklich schlanker Amerikaner aus Colorado startete schon eine halbe Stunde vor uns. Ich passierte die sechs Hiker, nachdem ich die Steigeisen montiert hatte. Als ich dann oben am Basecamp 2 war, mit Burak pausiert hatte, das Zelt abgebaut und verstaut war und wir langsam runter gingen, kamen sie uns müde und entkräftet entgegen und hatten mindestens noch ein Drittel der Strecke zu gehen. 6 bis 8 Stunden veranschlagt man offiziell dafür, die Spitzenläufer haben es wohl in zwei Stunden gemacht.
Aber ich bin froh, wenn ich in Osh mal wieder richtig laufen kann, flach und zügig, gerne auch etwas länger. Der starke Schnupfen, den ich mir heute im Wind geholt habe und der mich kaum zwei Zeilen schreiben lässt, ohne dass ich wieder ein Taschentuch brauche, darf aber bis dahin verschwunden sein.
Tag 9:
The day before
Die Generalprobe für den morgigen Raceday ging ziemlich in die Hose.
Dabei begann alles so gut. Ich hatte alles, was ich anziehen oder mitnehmen wollte, sauber geordnet, damt ich nichts vergessen konnte.
Den Wecker hatte ich mir auf 3.20 Uhr gestellt, ich hatte mich angezogen, gepackt, den Toilettengang erledigt, alles war prima, es war 3.35 Uhr. Frühstück sollte es um 3.30 Uhr geben, wir warteten aber bis 3.50 Uhr, kein Drama, es ist ja schon bemerkenswert, dass da ein Teil der Belegschaft nur für uns, heute waren es fünf Bergsteiger, so früh aufsteht.
Statt um 4.00 Uhr wie geplant lief ich also erst um 4.10 Uhr los. Es war eine besondere Nacht, sehr dunkel, nichts war zu erkennen, vor allem nicht der Berg, auf den ich zulaufen wollte. Wir müssen ja vom Camp aus erst mal lange über Schutthaufen, Moränen und die flachen Ausläufer des Gletschers gehen, bis wir bei eigentlichen, steilen Weg auf der strahlenden Weiß des Gletschertrails sind. Obwohl ich den Weg schon drei Mal gelaufen bin, auch in der Nacht, war ich heute nicht in der Lage, mich zu orientieren. Kein Mensch war vor mir, kein Kopflicht zur Orientierung war zu sehen, wahrscheinlich wollten sich die Runner für mirgenschonen, also wartete ich auf den nächsten Bergsteiger.
Es war ein Franzose, mit dem ich schon viel geredet hatte, aber auch zu zweit fanden wir den Weg auch und so schlossen uns dann zwei Russen an, die wir etwas entfernt an den Stirnlichtern ausmachten und von denen wir dachten, sie würden den Weg rauf und runter über die Moränen kennen. Das war jedoch richtig verkehrt und so bliebrn die Russen stehen, um zu diskutieren, wie sie weiter verfahren sollten.
Ich löste mich von den drei, den Russen und dem Franzosen und lief hinter zwei Polen her, die aber auch nicht schlauer waren wie ich. Wir standen vor einem Gletschersee und mussten wieder zurück.
Am Ende brauchten wir 1 1/4 Stunden, bis es richtig hoch ging, morgen dürfen es jedoch nur 40 Minuten sein.
Ich zog noch die Steigeisen an, ging noch ein halbes Stündchen den Berg rauf und trat dann frustriert und depressiv den Heimweg an.
Gelernt aber habe ich für morgen, dass ich nur mit den dünnen Handschuhen gehen werde, die Regenjacke im Zelt lassen werde und mit einer Schicht weniger starten werde. Der Salomon Rucksack, den ich dabei hatte und morgen dabei haben werde, ist mit der Aufnahme der Handschuhe, eines Vliespullis und der dünnen Regenjacke überfordert gewesen. Und mit dem großen Bergrucksack will ich nicht auf Zeit laufen, insofern hat die missglückte Simulation doch etwas gebracht.
Ich weiß noch nicht, was das Vorziehen des Racedays bewirkt. Bleibe ich wie geplant bis zum 31. Juli hier oben auf 4.400 Metern, gibt es statt einer nun zwei Nächte im Camp drunten auf 3.600 Metern oder verbringen wir nun zwei Nächte im Hotel in Osh, was mir natürlich am liebsten wäre, selbst, wenn das Extrakosten verursachen würde.
Ich jedenfalls bin froh, wenn ich von hier weg komme.
Kein Internet, keine Telefonverbindung und morgen, am Raceday, fliegt meine Tochter mit ihrer Freundin nach Afrika. Ich kann ihr nicht einmal eine SMS mit auf den Weg geben …
In Gedanken bin ich bei Dir, liebe Milena und ich wische mir ein paar Tränen aus den Augen.
Ich liege jetzt schon seit Stunden im Zelt herum. Ich will niemanden sehen. Hier vermisse ich Bulak und Robert, ein Camp tiefer stände wenigstens Hector als Gesprächspartner zur Verfügung. Und ich vermisse meine Familie, meine gewohnte Umgebung, die Möglichkeit, mal das Radio anzuschalten, ja, sogar den Volksverdummer, das Fernsehgerät.
Und ich grüble, wie ich das erste Cut-Off schaffen kann. 4 Stunden und 50 Minuten hatte ich schon, mit Gepäck, mit langsamem Angehen bis zum Berg. Da sind sicher 10 bis 15 Minuten Zeitersparnis drin , wenn ich mich nicht so blöd verlaufe wie heute früh. Aber es werden ja Läufer vor mir sein, hoffentlich sind nicht alle so schnell, dass ich da nicht dran bleiben kann. Und ganz vielleicht ist auch die Sicht besser, das könnte helfen.
Dann blieb ich mit Bulak im ersten Drittel auch langsam, auch da sind 10 bis 15 Minuten Zeitersparnis drin, aber sonst?
Den Rucksack spürst Du irgendwann nicht mehr, ich glaube nicht, dass ich auf dem Teil, auf dem ich dann alleine war, deutlich schneller sein kann.
Ich denke an die 4-Stunden-Marke und mir fällt Franz Kafka „Vor dem Gesetz“ ein, der arme Mann, der sein Leben lang vor dem Türwächter sitzt und überlegt, mit welcher List er da eintreten könne. Und auch wenn die Türwächter danach noch grausamer und Furcht erregender sein sollten, in meinem Fall die nächsten Cut-Offs, ich will da rein, Türwächter!
Probleme mit frühen Cut-Off Zeiten kannte ich bisher nicht, ich beginne aber zu begreifen, was manche Laufkollegen denken und leiden müssen, für die das Cut-Off häufiger ein dominantes Thema ist.
Wie motiviert man sich selbst, wenn man im Vorhinein der Ansicht ist, wahrscheinlich schon am ersten von drei Cut-Offs, spätestens aber am zweiten zu scheitern? Kann man, soll man, muss man dennoch alles geben, um es wenigstens zu versuchen?
Ich spinne mal: wenn ich die erste Marke doch erreichen könnte, dann blieben zwei Stunden für 700 oder 800 Höhenmeter, fast ohne Strecke (2 Kilometer), kein Konteranstieg, Normalzeit 2,5 bis 3 Stunden. Es wäre die Zeit zwischen 8 und 10 Uhr, die Hitze, die mich meist so fertig macht, wäre eine Stunde lang noch gar nicht da und eine Stunde lang erträglich. Das scheint machbar. Dann blieben drei Stunden für 150 Höhenmeter runter und 450 Höhenmeter rauf, etwas mehr Strecke, der dauernde starke Wind auf dem Grat, der auch die Grenze zu Russland bildet, die Höhenlage, an die ich mich nicht richtig akklimatisieren konnte und die ich bislang nur auf dem Chimborazo kurz erlebt habe, ganz bestimmt ein sehr strenger Türwächter. Aber wenn ich soweit kommen würde, dann wäre ich schon sehr, sehr glücklich und zufrieden.
Und wenn nicht? Wenn ich an der 4-Stunden-Marke scheitern sollte, dann will ich einfach als gewöhnlicher Bergwanderer zum nächsten Camp hinauf, das ja fast auf der Höhe des Chimborazo liegt. Dann aber wäre Schluss für mich. Kein persönlicher Höhenrekord, aber dennoch ganz weit oben.
Und ohne den Wettkampf noch drei, vier Stunden bis zum nächsten Camp, um eine Bestmarke zu erreichen? Ich wäre vielleicht kurz vor 16 Uhr dort, ein Absteigen in dss Camp auf 4.400 Metern wäre nicht mehr möglich. Und nur zum Camp 3 oder Camp 2 absteigen und dort oben schlafen, das wäre es mir nicht wert.
Cool, bei der Einschreibung sagt mir Evgeny, als ich ihn auf die 16 Punkte der auf russisch verfassten Equipment-Liste ansprach, dass ein Hüftgurt Pflichtausrüstung sei, zudem „Medizin“, was immer genau damit gemeint ist. Sogar die ganz dicken Handschuhe, die ich schon zu den Sachen gepackt habe, die ich nicht oder nicht mehr brauche, müsste ich mitnehmen. In jedem Falle müsste ich mit dem großen Rucksack laufen, weil die Daunenjacke vorgeschrieben ist, die ich in der Hitze des Tages aber nicht in den kleinen Rucksack bringen könnte.
Sicher haben die ganz warmen Sachen ihre Berechtigung, aber erst nach dem Camp 4, bestenfalls nach dem Camp 3. Und so weit, so hoch will ich ja gar nicht mehr …
Bisher haben sich vier Russen, Geburtsjahre 75, 87 und 2x 90 eingeschrieben, ein Pole, Jahrgang 1990 und mit Peter Grivas ein Österreicher, Jahrgang 1979.
Anna schrieb mir optimistisch, dass es „um die 30 Teilnehmer“ geben wird, darunter drei berühmte russische Bergsteiger. Mal sehen. Bei der ersten Austragung waren es 6 Teilnehmer (5m, 1w), bei der zweiten und bisher letzten Austragung waren es 15 Teilnehmer, von denen 8 die Finish-Linie erreichten.
45 Minuten sind nun vorbei, niemand kam inzwischen dazu. Zumindest Basti und Basti aus München fehlen noch, ich bin gespannt.
Sind die alle jung! Was mache ich nun?
Doch als einfacher Bergsteiger zum Camp 3 gehen und das war es dann? Das ist irgendwie unbefriedigend. Peter, der Österreicher, hat Evgeny nach den Sachen gefragt, die man unbedingt dabei haben muss. Evgeny’s Antwort war so, dass klar war, dass er die Frage nicht verstanden hat. Also in dicker Jacke antreten mit großem Rucksack und hoffen, dass nicht kontrolliert wird?
16.38 Uhr: Inzwischen sind 10 Teilnehmer eingetragen, davon 3 Frauen. Und der 11. Teilnehmer bin ich, Startnummer 18. Ich habe aber erklärt, dass ich nur bis zum Camp 3 gehen werde, das Erreichen der Cut-Offs vorausgesetzt. Und mit dieser Erklärung bin ich nicht alleine, auch ein Sergej hat das Gleiche gesagt. Der Vorteil ist, dass ich so um das Mitführen der ganz dicken Handschuhe und um den Hüftgurt herum komme. Ein wenig schade ist es dennoch.
Jetzt ist also meine Entscheidung gefallen, ich bin auf der Liste, jetzt sollte ich ruhiger werden. Und ich muss beim Abendbrot nicht jedem erklären, warum ich nicht auf der Teilnehmerliste stehe …
Ich denke, dass ich beide Rucksäcke packen werde und wenn keiner „meckert“, werde ich mit dem Salomon laufen, aber die dicke Jacke dennoch anziehen. Mit nur einem Shirt drunter und ohne Armlinge, dann ist es auch nicht zu warm, wenn ich den Reißverschluss öffne.
Gerade habe ich noch einmal mit Evgeny über das weitere Procedere gesprochen. Wenn es bei dem bleibt, was er gesabt har, dann würden wir am 29. Juli ins Basecamp auf 3.600 Meter hinunter gehen, dort ist dann die Siegerehrung und danach würden wir vielleicht noch nach Osh zurück fahren, spätestens aber am darauf folgenden Tag. Juhu!
17.45 Uhr: Basti und Basti sind noch nicht eingetragen, dafür aber ein Spanier und zwei Franzosen, einer davon mit dem Vornamen Serge. Ob das der Serge ist, mit dem ich vorgestern abgestiegen bin?
18.25 Uhr: Basti und Basti aus München sind jetzt die Starter 15 und 16. Ob es das jetzt war? Russen, Kasachen, Kirgisen, Usbeken, Spanier, Franzosen, Österreicher, Polen und Deutsche, 9 Nationalitäten bei 16 Startern, recht international.
19.45 Uhr: Jetzt sind es 21 Starter, wer hätte das gedacht. Einige, vor allem Russen, sind tatsächlich erst heute angereist, um morgen zu starten, zuletzt zwei Brüder, ganz jung, Jahrgänge 88 und 93. Hector aber wäre ein noch jüngerer Starter gewesen.
Tag 8:
Meeting Markus and Evgeny
Ich fühle mich hilf- und nutzlos. Ich hatte wirre Träume und weiß nicht, was ich heute mit mir anfangen soll, also habe ich erst einmal aufgeräumt, sortiert und die Sachen in unterschiedliche Behältnisse gepackt. Ich überlege, runter zu gehen, sehe darin aber keinen Sinn, außer die Zeit totzuschlagen.
Soll ich morgen ganz früh wieder nach oben gehen? Dann aber nur mit dem Ziel, am Abend wieder hier unter zu sein.
Meinem Körper geht es schlecht. Das erste Mal, dass ein Toilettengang nicht reicht. Das sieht nicht gut aus. Und ich befürchte, es wird auch nicht mein letzter Toilettengang heute bleiben. Doch gut, dass ich auf 4.400 Metern unten bin.
Es ist wahrscheinlich immer das Wasser. Als Mitteleuropäer sind wir ja Wasser aus dem Hahn als best kontrolliertes Lebensmittel gewöhnt, hier aber nimmst Du Wasser aus dem Bach, Du schmilzt Schnee und die Purifier-Tabletten würden zu lange brauchen, um das Wasser für das Essen, den Tee oder das normale Trinken zu reinigen.
Schön war bei Frühstück aber, dass Serge, mit dem ich gestern noch downhill gelaufen bin, ein PTL-Finisher des Jahres 2012 ist. Er hat viel darüber erzählt.
Erzählt hat auch Robert von seinem gestrigen Tag. Er ging wie geplant zum Camp 3 und dann wieder runter zum Camp 2. Er sah mich noch dort aufbrechen und nutzte die Gelegenheit, dort zu nächtigen. Ich schreibe bewußt nicht „schlafen“, weil bis 0.30 Uhr einige lautstark ihren Gipfelsturm feierten und um 1.00 Uhr begann der Lärm derer, die früh nach oben aufbrechen wollten.
Schließlich ist Robert heute früh zu einem „late breakfast“ hier unten aufgebrochen, er hat dann seine Sachen gepackt und ist noch ein Basecamp tiefer gegangen, um frühzeitig Richtung Tadschikistan zu reisen. Dass Robert schon Bücher geschrieben hat und gerade eines über seine Reise, die dann in Tadschikistan noch lange nicht enden wird, schreibt, erfuhr ich erst heute.
Was für ein Tag!
Während der Verabschiedung von Robert habe ich Markus kennen gelernt. Der Facebook-Freund Frank „Franky“ Joerg hatte mir schon geschrieben, dass er auch am Berg sein würde. Es war dennoch ein kleiner Zufall, dass wir Kontakt fanden, vielleicht wegen meinen „Andorra Ultra Trail Vallnord“ Shirts. Aber alles, was Frank mir außer dem Vornamen geschrieben hat, war in diesem Moment weg, komplett vergessen. Und das war auch gut so.
Wir hatten erst ein nettes Gespräch unter Läufern über den APU, den K-UT, den CCC, TDS, UTMB und den PTL und wir verabredeten uns, nach dem Lunch gemeinsam die 320 Höhenmeter des „Telecom-Bergs“ anzugehen.
Dort erst kam mir in Erinnerung, welcher Markus dieser Markus ist.
Dr. Markus Merk, vormals Zahnarzt, Profi-Schiedsrichter im Fußball, dort immerhin drei Mal „Welt-Schiedsrichter“, heute tätig für einen türkischen privaten Fernsehsender (Titel der Sendung „Maraton“) und auch für Sky. Dort wiederum ist er bald in seiner neuen Sendung „Aus der alten Apotheke“ zu sehen. Nebenbei ist Markus noch Bierbrauer mit Brau- und Lagerlizenz und Gastronom mit einem echten „Herzblut-Projekt“ in der Nähe von Kaiserslautern, wo er als Chef mit einem liebevollen Team seit gut einem Jahr im ältesten Ständerbauwerk von Rheinland-Pfalz einen gastronomischen Betrieb der ganz besonderen Art betreibt.
In diesem urigen und aufwendig restaurierten Gebäude gibt es ein „Historisches Klassenzimmer“, einen „Barocksaal“, man kann dort seine privaten oder geschäftlichen Feiern zelebrieren, es gibt einen Abend in der Woche mit Zither- und Hackbrettmusik, das findest Du selbst in Bayern nur noch selten. Und ganz nebenbei kann man dort auch regulär aus einer kleinen Speisekarte wählen.
Es gäbe noch mehr darüber zu erzählen, aber das würde den Rahmen hier sprengen. Irgendwann werde ich einen Artikel ausschließlich über dieses, sein „Herzblut-Projekt“, schreiben. Und ganz vielleicht trinke ich dann dort, obwohl ich sonst auf Alkohol verzichte, ein kleines bayrisches Bier bei und möglicherweise mit ihm, seine allgäuer Lieblingsmarke, die er stets anrollen lässt. Ein anderes Bier außer diesem – und natürlich seinem in kleinen Mengen selbst gebrauten – gibt es dort nämlich nicht.
Nur noch ein Tipp für die Sky-Abonnenten: Sky wird bald samstags aus diesem Bauwerk senden.
Oben auf dem „Telecom-Berg“ trafen wir auch wieder Hector, den jungen Spanier, der am Morgen in unser Camp aufgestiegen ist, den Rücktransport seines Gepäcks organisiert hat und zum Frustabbau wenigstens ein bisschen höher kommen wollte als er bisher war.
Ein wirklich netter Kerl, der von dieser Reise wohl sehr enttäuscht sein muss. Alles Gute, Hector!
Seit heute morgen habe ich mich doch entschieden, beim SkyRace zu starten, ich schulde das Anna, Evgeny und AK-SAI, denke ich. Der Termin, der Raceday, wurde wegen voraussichtlich schlechten Wetters um einen Tag auf den 28. Juli vorverlegt. Ich kalkulierte meine Chancen und gab mir selbst ein Zeitlimit von 19.00 Uhr, also von 15 Laufstunden uphill. Spätestens dann wollte ich umkehren, so mein Plan.
Ich rätselte aber noch darüber, wie ich auf der Strecke zu Wasser kommen würde und wie ich in der Nacht wieder runter kommen könnte.
Und dann traf ich endlich Evgeny, den RaceDirector, den ich neben seiner bezaubernden Kollegin Anna bisher nur von Facebook her kannte. Er aber hat meine Welt schnell wieder gerade gerückt.
Positiv war, dass ich jetzt weiß, dass uns beim Runtergehen nicht nur die Zelte der Camps 2 und 3 zur Verfügung stehen, wir bekommen auch einen Schlafsack und eine Iso-Matte, könnten also dort schlafen.
Auch positiv war, dass er gesagt hat, dass wir in allen Camps und im Ziel Wasser bekommen. Perfekt, das muss den Organisatoren sehr viel Arbeit machen.
Negativ aber war, dass ich jetzt weiß, dass ich es zeitlich gar nicht schaffen kann.
Die Cut-Off Zeiten, die er mir genannt hat, machen das wohl unmöglich.
Start wird um 4.00 Uhr sein, der erste Cut-Off ist im 8.00 Uhr im Camp 2 auf 5.400 Metern. Bei meinen beiden bisherigen Begehungen brauchten wir erst 5,5 Stunden, wobei ich lange auf Burak warten musste und vorgestern 5,0 Stunden, auch da erst langsam mit Burak, dem ich dann später zwei Stunden abnehmen konnte, zudem hatte ich volles Gepäck auf dem Rücken. Wie groß isr die Chance, das in unter 4,0 Stunden zu schaffen?
Der zweite Cut-Off ist um 10.00 Uhr im Camp 3 auf 6.100 Metern. Die kürzeste Strecke, nur zwei Kilometer, aber mit elend harten 700 Höhenmetern. Bislang sagte mir jeder, dass man dafür 2,5 bis 3,0 Stunden benötigen würde.
Der dritte Cut-Off ist um 13.00 Uhr im Camp 4 aus 6.600 Metern, das ja eigentlich gar kein Camp ist. Hier ist aber dazu zu sagen, dass es nach Camp 3 erst mal 150 Höhenmeter runter geht, die also auch noch gestemmt werden müssen.
Danach aber gibt es, richtigerweise muss ich sagen gäbe es, keine Cut-Off Zeit mehr. Wenn ich aber angesichts der bisherigen Sollzeiten schätzen sollte, dann nehme ich an, dass der letzte, der die Cut-Off Zeit am Camp 4 packt, spätestens um 15.30 Uhr im Ziel sein wird, also 11,5 Stunden nach dem Start.
Bedenkt man, dass der Streckenrekord bei den Männern bei 8 Stunden und 10 Minuten und bei den Frauen bei 8 Stunden und 40 Minuten liegt, ist das alles für mich vollkommen illusorisch.
Egal, ich probiere, wenigstens erst am Camp 3 aus der Wertung genommen zu werden, mehr ist nicht drin. Dafür müsste ich in vier Stunden am Camp 2 sein. Ob das überhaupt denkbar ist für einen Nicht-Alpinisten wie mich, das prüfe ich morgen mit ganz leichtem Gepäck.
Eigentlich hatte ich ja vor, morgen in normalem Tempo bis zum Camp 3 zu gehen, aber die Terminverlegung macht das unsinnig. Ich würde erst gegen 19.00 Uhr wieder auf 4.400 Metern unten sein, keine gute Idee, wenn dann um 4.00 Uhr der offizielle Start ist, oder?
Nun versuche ich, „in schnell“ zum Camp 2 zu kommen. Ich sollte also idealerweise vor 8 Uhr, nach den bisherigen Erfahrungen vor 9 Uhr, dort sein. Kurz im Camp verweilen und in zwei Stunden zurück, so lange hatte ich gestern auch nur gebraucht. Dann sollte ich spätestens um 11.30 Uhr wieder unten sein und ich werde dann wissen, ob ich am Camp 2 oder vielleicht erst am Camp 3 enden muss.
Mein Tipp: unter 4,5 Stunden wird es für mich nicht gehen, Burak brauchte gestern mit schwerem Rucksack immerhin fast 7 1/4 Stunden.
Basti hat mir gerade gesagt, dass er bis Camp 3 in Sportschuhen mit einer Art Yak-Tracks laufen wird.
Bis zum Camp 3 sollte es in 5 bis 5.5 Stunden möglich sein,
sagte er. Nun, ich bin dafür gar nicht ausgerüstet, muss also in meinen schweren Bergschuhen mit den Steigeisen laufen.
Was aber wäre, wenn ich bis zum Beginn des Gletschers in den HOKAs laufen würde, laufen könnte? Die Bergschuhe um den Hals oder morgen dort irgendwie deponieren? Es dauert in Bergschuhen immerhin 40 Minuten, um dort hin zu kommen, Basti spricht von 20 Minuten. Das wiederum könnte die Zeitersparnis sein, die mich unter die 4-Stunden-Marke zum Camp 2 und somit eine Stufe weiter bringen könnte. Wie aber kann ich das realisieren?
Bis Camp 3 macht es Spaß, danach ist der Wind so eklig, dass Du dort auch nichts verpassen würdest,
so Basti weiter.
Dieses hin und her, das auf und ab der Gefühle, dieses ja und nein, es macht mich ganz kribbelig, nervös, unruhig!
Morgen um 15.00 Uhr ist die offizielle Einschreibung, um 20.00 Uhr wird das Briefing sein. Ich bin gespannt!
Tag 7:
Die Luft ist raus
Wir sind also alle drei um 4.00 Uhr gestartet, Robert mit kleinem Rucksack und wir mit schwerem Gerät. Robert ging voraus, ich blieb lange bei Burak, aber dann wurde er mir einfach zu langsam. Ich war schon um 9.00 Uhr im Camp und musste beim Hochwandern nur 15 Minuten der Hitze ertragen. Zwar geht die Sonne früh auf, aber die Hitze kommt erst später. Burak kam kurz nach 11 Uhr und litt sehr unter der Hitze da oben, deshalb blieben wir wegen der brutalen Sonne ab dann im Zelt.
Während ich da lag, stundenlang, fragte ich mich andauernd: Was will ich hier?
Beim Race will ich sowieso nicht mehr teilnehmen, für den Gipfel feht mir die Akklimatisation, zudem wird übermorgen auch noch das Wetter schlecht.
Und dann kam Burak mit der neuen Idee, am nächsten Tag doch nicht nach unten zu gehen, sondern am Folgetag weiter Richtung Summit zu pilgern, um so dem angekündigten Sturm zuvor zu kommen. Dafür aber waren rein essenstechnisch gar nicht vorbereitet, ein Gutteil der Vorräte verblieb ja auf 4.400 Metern!
Ich habe dann überlegt, dass Buraks Chancen größer wären, wenn ich nicht „mitessen“ würde. Und dann, nach wilden Gedankensprüngen und für einen Abstieg wirklich sehr spät, kurz nach 16 Uhr, habe ich Burak erklärt, dass ich nun doch nicht oben schlafen will. Dann noch schnell gepackt, was alleine wegen des Schlafsacks lange dauerte – und wieder runter.
Damit ich die schwierige Strecke und die Gletscherspalten nicht alleine überwinden muss, habe ich mich dem Franzosen Serge angeschlossen. Der Schnee war extrem weich von der Sonneneinstrahlung des Tages. Oft bin ich knietief eingesunken, einmal sogar komplett bis zur Hüfte. Und unten war das gar kein Schneefeld mehr, der ganze Hang war quasi flüssig und am fließen. Beeindruckend, aber das Laufen erforderte auch höchste Konzentration.
Also bin ich jetzt wieder auf 4.400 Metern und will eigentlich gar nichts mehr tun. Und so soll es dann auch sein.
Robert wiederum hat seinen Plan auch geändert und schläft jetzt ein Basislager höher. Ob er meine Zelthälfte übernommen hat oder ob er sich ein eigenes Zelt gemietet hat, weiß ich aber noch nicht. Auch weiß ich nicht, ob er seinen Plan, auf 6.300 Meter zu gehen, erreicht oder sogar übertroffen hat. Zutrauen würde ich es ihm schon, er hat viel mehr „Biss“ und Motivation als ich.
Tag 6:
Hoch oder nicht hoch?
In der Nacht hat es gestürmt. Mächtiger Wind, leichter Regen.
Beim Frühstück kam Robert mit der überraschenden Idee, auf den Akklimatisationsberg zu verzichten und doch schon nach oben zu gehen, um dort zu schlafen. Ich hasse spontane Strategieänderungen, will mich aber in jedem Fall den beiden anschließen. Also Sachen gepackt (Mannomann, ist der Rucksack schwer, dabei ist es wirklich nur das Nötigste: die warme Hose, die warme Jacke, ein Vliespulli, ein Ersatzshirt, mittlere Handschuhe, die ganz dicken Handschuhe, die man wahrscheinlich nicht braucht, aber Sicherheit geht vor, dünne Strümpfe für die Nacht, die dicken habe ich schon an, lange Unterhose und langes Unterhemd für die Nacht, etwas Medizin, etwas zu essen, die Stirnlampe, Ersatzbatterien, 2 Liter Wasser, den Schlafsack, die Steigeisen – und trotzdem fühle ich mich nackt, weil ich den Hüftgurt nicht dabei habe) und dann kam der Regen wieder.
Jetzt sitze ich im Verpflegungszelt und schreibe vielleicht ein letztes Mal, bevor ich wieder auf 4.400 Meter runter komme. Das Tab bleibt nämlich, wie einige andere Sachen, hier unten.
Gerade scheint die Sonne wieder, die Berge aber hängen schon unterhalb des nächsten Basecamps in Wolken.
Mal sehen, wie das weiter geht. Die „Wunschliste“ ist klar: Robert will rauf, Burak ist eher unentschlossen und ich würde den herrlichen Komfort hier gerne noch einen weiteren Tag nutzen.
Richtig ist, dass wir rauf müssen zum Schlafen, am nächsten Tag, wenn keiner Kopfschmerzen hat, weiter rauf auf 6.300 Meter, wieder runter auf 5.300 Meter, dort schlafen, dann wieder runter auf 4.400 Meter, dort schlafen, um Kraft zu tanken. Dann rauf auf 6.300 Meter, dort schlafen, vielleicht noch eine zweite Nacht, dann auf den Gipfel.
Ein 6-7 Nächte-Programm, je nachdem, ob man sich zwei Nächte in der Höhe „gönnt“ oder nicht.
Heute ist der 24. Juli, wenn wir also heute noch hoch gehen, dann würde das 6 Nächte Programm funktionieren, wenn wir am Tag nach dem Race auf dem Gipfel wären, wir müssten aber am Nachmittag wieder unten sein, weil dann die Rückfahrt nach Osh ansteht. Geht also so nicht mehr. Improvisation ist nötig.
Sicherlich hast Du bemerkt, dass der Start am Raceday nicht mehr in unseren Überlegungen ist. Dafür müssten wir nämlich am Tag zuvor auf 4.400 Meter absteigen, um am Briefing und der Startnummernausgabe teilzunehmen.
Es blieben uns also nur noch heute, morgen, übermorgen und überübermorgen für die Akklimatisation, 4 Nächte oben. Und nach zwei, spätestens drei Nächten bist Du so platt und geschwächt, dass Du runter musst.
Worauf habe ich mich nur eingelassen? Langsam begreife ich, warum die normalen Touren doppelt so lange angesetzt sind. Selbst, wenn uns die Akklimatisation gelänge, wir hätten keinen Alternativtermin für den Gipfelsturm. Wetter doof an dem Tag – alles doof. Und wer will schon bei Windgeschwindigkeiten um die 100 km/h auf den Gipfel?
Zumindest keiner, der zu Hause versprochen hat, das Weihnachtsfest lebend zu feiern …
Wir gehen jetzt also hoch, so unser Beschluss. Die restlichen Sachen gepackt, das Essen fair auf die Rucksäcke verteilt, dann begann der Regen. Im Moment ist es wieder trocken, mäßiger Wind, aber aus der Richtung, aus der der Wind kommt, ziehen sehr dunkle Wolken heran.
Robert hat sein Ziel auf 6.300 Meter reduziert und auch ich kann gut damit leben. Diese Zielreduzierung würde den Rucksack sicherlich mindestens fünf Kilo leichter machen. Aber heute geht außer ein paar Höhenmeter auf den „Telecom-Berg“, er hat seinen Namen, weil es dort oben Handyempfang gibt, nichts mehr. Was sind wir für eine Truppe!
Basti und Basti aus München habe ich heute vormittag kennen gelernt. Von den beiden habe ich viel erfahren über Materialverarbeitung bei Laufklamotten. Und über eine interessante asiatische Marke für Outdoor (Black Yak) und über eine zukünftige Marke, die es nächstes Jahr in Deutschland und Europa geben wird (UVU Racing, dabei steht das UVU für „you versus you“, endlich mal jemand, der uns nicht gegeneinander aufhetzt, sondern der sagt, dass unser einiger Gegner wir selbst sind, sehr, sehr spannend).
Wir haben viel über Berge geredet, über Ultramarathonveranstaltungen und über, natürlich, gemeinsame Bekannte. Das Gespräch haben wir dann am Mittagstisch fortgesetzt, ein kleiner Trost dafür, dass wir heute nicht nach oben gegangen sind, außer auf den Hausberg auf der einen und den „Telecom-Berg“ auf der anderen Seite.
Nur eines habe ich heute getan: Ich habe mich entschlossen, beim Race nicht zu starten.
Jetzt geht es mir besser.
Und wir haben noch eine Entscheidung getroffen: wir werden uns trennen. Robert wird morgen um 4.00 Uhr mit nur leichtem Gepäck, also dem Tagesrucksack, direkt und zügig zum nächsten und dann zum übernächsten Basecamp gehen, dann umdrehen und wieder auf 4.400 Metern schlafen.
Burak und ich werden morgen, ebenfalls um 4.00 Uhr, mit vollem Gepäck ein Basecamp höher gehen und dort schlafen, um dann am nächsten Tag zum nächsten und letzten Camp zu gehen, vielleicht auch noch ein paar Meter höher. Dann geht es auf 4.400 Meter zurück und wir entscheiden über den weiteren Gang der Dinge.
Vermutlich werde ich dann unten bleiben und das SkyRace journalistisch begleiten – vom Zelt aus. So umgehe ich das mutmaßlich schlechte Wetter, weil eine Sturmfront in drei bis vier Tagen angekündigt ist.
So hätte ich zwar den Gipfel nicht gesehen, aber wenn es mir gelingen würde, ein paar Meter höher zu kommen als ich in Equador war, dann wäre ich auch vollends zufrieden. Und selbst wenn nicht, dann war ich zumindest auf der Höhe des Mt. Everest Basecamps. Und höher als dort war ich ja sowieso nur vier Mal gewesen (2× Kilimandscharo, Cotopaxi, Chimborazo). Alles ist gut.
Tag 5:
Das süße Nichtstun
Auch beim Nichtstun akklimatisiert sich der Körper. Nach dem harten Tag gestern wollten wir heute nur essen, relaxen, wir wollen uns am Fluß waschen, das ist auch dringend nötig. „Easy going“ also.
Auch hier blieb es beim Plan. Burak musste seinen Pass abgeben, weil da noch ein Stempel rein sollte, der Pass verblieb aber mit einigen anderen Sachen im unteren Basecamp. Da fiel mir meine Iso-Matte ein, die ich unsinnigerweise auch dort gelassen hatte, da sagte ich ihm, wenn er runter ginge, dann würde ich ihn begleiten. Also sind wir zwei erst runter und dann gleich wieder rauf. Kein Training für die Akklimatisation, es war ja die falsche Richtung, aber sicherlich eines für die Beine.
Natürlich mussten wir wieder zwei Mal über den Fluß, den Fluß, den wir liebevoll den „5-Dollar-River“ genannt haben. Es war jedoch ziemlich einfach am Morgen, so einfach, dass wir uns fragten, wie wir diese beiden Steine, die einen Übergang bildeten, zwei Tage vorher übersehen konnten.
Das Überqueren des Flusses war aber dann am späten Nachmittag fast unmöglich. Der Fluß trug bestimmt die doppelte Menge an Wasser wie am Vormittag. Klar, in der Nacht friert es, die Gletscher geben nicht viel Wasser ab, dann kommt die Hitze des Tages …
Meine Lieblings-Berghose wurde wieder pitschenass, riss dabei auch deutlich und auffällig über dem rechten Knie ein, sie wird Deutschland nie mehr sehen, mir aber war, in Ermangelung einer Hosen-Alternative, mein Auftritt fortan peinlich. ich watete in Schuhen, aber ohne Strümpfe durch das reißende, eiskalte Wasser, die Höchststrafe für meine HOKAs, die dürfen morgen endgültig trocknen.
Beim runter gehen trafen wir übrigens fast alle, die mit uns im Bus ankamen und deren Weg sie jetzt nach oben führte, im Camp unten trafen wir den jungen Spanier Hector, es geht ihm wieder gut, er sah auch wieder frisch und erholt aus. Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Bei Aufstieg trafen wir einige, die wir bisher schon irgendwo am Berg getroffen hatten, wieder. Der Berg ist halt auch „ein Dorf“.
Auf jeden Fall fiel uns der Aufstieg vom Basecamp zum Basecamp 1 deutlich leichter als zwei Tage zuvor, ein Zeichen guter Akklimatisation?
Das Thema des Abends war, ob wir denn nun tatsächlich beim SkyRace starten sollen oder nicht. Hector wird es definitiv nicht tun und auch ich habe gehörig Angst davor, die schweren und teils gefährlichen Passagen alleine und mit einer tickenden Uhr im Hintergrung zu versuchen. Dazu kommt das Wissen um die vielen Toten der letzten Tage.
Robert will auch nicht alleine sein, so haben wir beschlossen, morgen noch einen Akklimatisationsberg anzugehen und dann ab übermorgen gemeinsam in die Höhe zu starten, erst zum Basecamp auf 5.400 Meter, dann zum höchsten Basecamp auf 6.300 Meter, ob wir dort jeweils eine oder zwei Nächte verbringen werden, das ist aber noch nicht entschieden.
Vielleicht erreichen wir dann sogar den Gipfel, möglicherweise sogar schon am Tag vor dem SkyRace. Oder eben am Raceday. Ersparen tun wir uns durch diese Strategie den erneuten Abstieg zu dem Basecamp hier auf 4.400 Metern, das uns wohl vier Nächte lang Freund war.
Alleine jedenfalls werde ich dieses Experiment Raceday nicht angehen. Und wenn weder die neu diskutierte Lösung klappt, noch der Start, mit oder ohne Finish, beim SkyRace, dann gräme ich mich nicht. Ich habe, wir haben, tolle Tage in den Bergen gemeinsam verbracht.
Einschub: Was Du brauchst, wenn Du höher schlafen willst als im Basecamp 1 ist ausreichend zu essen, da es ja keine Bewirtschaftung dort gibt, einen Gaskocher mit Gaskartuschen zum Kochen und Schnee schmelzen, ein Zelt, das aber gemietet werden kann, eine gute Iso-Matte und einen guten Schlafsack. Recht viel Gewicht also, das nach oben zu schleppen ist.
Die Alternative ist das hoch und runter rennen an einem Tag, also ohne die Sachen für die oberen Camps auf dem Rücken hoch zu schleppen.
Akklimatisation findet aber durch Präsenz, durch lange Präsenz, idealerweise über die Nacht hinweg, statt.
Ohne Schlaf in der Höhe sind 7.000 Meter kaum zu erreichen, eine lange Präsenz auf 6.300 Metern, ohne dort zu schlafen, ist aber deshalb nicht möglich, weil man sonst nicht mehr rechtzeitig unten im Camp 1 wäre.
Tag 4:
Ein Tag der Wahrheit
Wir wurden auf 3.600 Meter gebracht, jetzt sind wir auf 4.400 Meter und wir wollen heute rauf auf 5.400 Meter. Für Burak, der bisher nur auf dem Ararat war, knapp über 5.100 Meter hoch, das dafür bisher gleich 8 Mal, wäre es ein Rekord, aber auch für mich wäre es eine Leistung. Nach zwei Tagen so weit oben sein … es wäre die Höhe des Mt. Everest Basecamps und dorthin haben wir uns letztes Jahr mindestens 7 Tage lang akklimatisiert. Aber wenn das ohne Probleme klappen sollte, dann wird die Rückkehr auf 4.400 Meter Entspannung pur bringen.
So weit zur Theorie. Der „Tag der Wahrheit“ begann schon denkbar schlecht. Hector verließ im Morgengrauen das Zelt, um wieder abzusteigen. Sein Kopfweh wurde immer schlimmer. Da waren wir also nur noch drei, die zum nächsten Basecamp aufbrachen. Um kurz vor 10 Uhr, man sollte um 4 Uhr schon los. Und so bekamen wir so viel Sonne ab, nur ich habe keinen Sonnenbrand, weil ich mich mit Handschuhen, Armlingen und Buffs verhüllte. Das war zwar warm, aber sinnvoll.
Bulak hat es am Schlimmsten erwischt, die Arme brennen, das Gesicht gleicht einer roten Feuerkugel, der Ärmste brennt …
Und was war das für eine Strecke! Steil bis zum Anschlag, teils nur mit Fixseilen zu besteigen und Gletscherspalten ohne Ende. Schmale, breite, über die man einen beherzten Sprung brauchte, noch breitere, über die ebenfalls ein Sicherungsseil gespannt war und ganz breite Spalten, über die Holzbalken gelegt wurden. Manchmal wurde mir ganz anders, so tief waren manche …
Der lange Tag in der glühenden Sonne mit körperlichen Anstrengungen, wie Robert sie noch nie erfahren hat, lies vor allem Robert wie ein Häufchen Elend am verspäteten Abendtisch sitzen. Er bekam nichts runter, Ibu und Aspirin wurden zu seinen besten Freunden. Sein Ziel, das SkyRace auf 7.000 Metern zu beschließen, korrigierte er auf die Marke von 6.330 Meter über N.N.
Ob Bulak seine Ziele änderte, weiß ich aktuell nicht. Aber ich zweifle, dass es dieser Bär von einem Mann ganz nach oben schaffen kann. Und ich? Ich habe, zugegebenerweise, Angst vor der oder den Nächtigungen auf 6.300 Metern, die aber unabdingbar für den Gipfelerfolg wären. Selbst die Nächte auf 5.400 Metern auf Eis und Schnee in dem Camp, das wir heute besucht und wo wir schon mal ein Zelt aufgeschlagen haben, immerhin auf der Höhe des Mt. Everest Basecamps, bereiten mir mindestens Unbehagen. Ich bin froh, dass wir uns für weitere Nächte auf 4.400 Metern entschieden haben.
Tag 3:
Das Basecamp auf 3.600 Metern
Was für luxuriöse Zelte! Das Essenszelt ist riesig und hoch wie eine Kathedrale, es gibt mehr Plätze als Bergsteiger und auch für das Auge ist etwas geboten.
Robert, mit dem ich vor der Abreise schon Mailkontakt hatte, ist doch noch gekommen und wir diskutierten gestern Abend noch lange über die richtige Akklimatisationsstrategie. Dabei waren auch Hector, der 20jährige Spanier, der im August noch des TDS laufen will, einer der favorisierten Russen und Bulak, mein türkischer Zeltpartner. Für heute und morgen haben wir uns nun festgelegt, es kann los gehen.
Die Schlafzelte sind auch toll, so hoch, dass man darin stehen kann, geräumig und mit einem ebenen Holzboden versehen. Ein Lämpchen ist drin und sogar eine Steckdose und der Strom ist zeitlich nicht limitiert.
So muss es wohl im Paradies gewesen sein. Hier hebt sich AK-SAI, der Veranstalter, deutlich von den Mitbewerbern ab, auch in der Toilettenfrage. Ich bin hier gut aufgehoben!
Ich habe mich entschlossen, 15 Kilogramm meines Gepäcks, also den Hauptrucksack, von Mulis zum nächsten Basecamp tragen zu lassen. Es ist die längste Strecke zwischen den Camps, ich bin noch nicht richtig akklimatisiert – was soll also der Geiz, wenn ich mir für 30 EUR (2 EUR pro Kilo) helfen lassen kann?
Ab dem nächsten Basecamp wäre es doppelt so teuer, weil Träger statt Mulis eingesetzt würden. Da aber denke ich, dass mein Zeug sowieso während der Akklimatisierungs-Wanderungen im Basecamp 1 bleibt.
Wir diskutieren ja stets die Frage, ob wir immer auf 4.400 Metern schlafen wollen oder auch ein paar Nächte höher schlafen wollen. Ohne eine Nacht auf 6.000 Metern werden wir voraussichtlich bei 6.500 Metern scheitern, sagt man. Höher schlafen aber bedeutet, dass wir so viel Gepäck mit nach oben nehmen müssten, den Schlafsack, die Matte, richtig viel warme Kleidung. Mal sehen, wie wir uns entscheiden werden, ich bin für alles offen.
Einschub: Ein paar Erklärungen zu den einzelnen Camps am Pik Lenin. Es gibt das Basecamp auf 3.600 Metern, das mit Autos anfahrbar ist, recht luxuriös für Bergverhältnisse, aber es ist eigentlich nur eine Anlaufstation für die erste und die letzte Nacht.
Das Basecamp 1 liegt auf 4.400 Metern, die Hauptbasis für alle. Es gibt feste Zelte, gelegentlich Strom im Verpflegungszelt, man bekommt drei Mahlzeiten, alles inklusive im Reisepreis.
Das Basecamp 2 liegt offiziell auf 5.300 Metern, real sind es aber 5.400 Meter. Zelte kann man sich für 60 EUR pro Tag leihen oder man trägt sein eigenes Zelt nach oben, genau wie das Essen und den Gaskocher. Es gibt kein Wasser, keine Bewirtschaftung, die Zelte stehen direkt auf Eis, eine gute Iso-Matte ist dringend notwendig, weil die Kälte und die Nässe nach oben kriecht und den Schlafsack nass und kalt machen würde.
Das Basecamp 3 liegf auf 6.300 Metern und entspricht dem Basecamp 2, nur mit noch mehr Wind.
Am Raceday stehen uns die Zelte dieser beiden Basecamps kostenlos zur Verfügung. Ohne Iso-Matte und Schlafsack scheint dieses Angebot jedoch nur sehr begrenzten Charme zu haben.
Das Basecamp 4 auf 6.700 Metern ist nur ein Rastplatz. Zelte der Organisation gibt es nicht.
Das Ziel des Rennens lag bis letztes Jahr auf einem Hochplateau auf 7.000 Metern.
Der Gipfel des Pik Lenin liegt 134 Meter höher, seit 2014 ist er und der darauf befindliche Lenin-Kopf das Ziel.
Mein türkischer Zeltpartner Burak, der andere Deutsche, Robert, der junge Spanier Hector und ich beschlossen, zumindest für den Anfang zusammen zu bleiben und gemeinsam zum nächsten Basecamp zu wandern, langsam, um unseren Körpern die Gelegenheit zu geben, den Akklimatisationsprozess durchzuführen.
4,5 Stunden für ca. 9 Kilometer und 800 Höhenmeter nominell. Durch zwei recht heftige Abstiege waren es wohl tatsächlich mindestens 1.200 Höhenmeter. Und da war ein Fluß. Aber keine Brücke. Wir mussten springen, aber das geht nicht, zu weit, zu tief, zu reißend. Und pro Person 5.00 USD ausgeben, um uns auf Eselsrücken durch den Fluß bringen zu lassen, geht auch nicht.
Also sind wir den Fluß ein wenig nach oben gelaufen, bis wir eine Stelle fanden, an der wir barfuß und mit hochgekrempelten Hosen rüber konnten. Mann, war das Wasser eisekalt! Aber auch schön: dann die Schuhe und Strümpfe wieder an und Du hast sofort wieder wohlig warme Füße.
Lunch im Camp, quatschen, entspannen, Dinner im Camp. Aber auch allgemeine Betroffenheit über 3 Tote in den letzten fünf Tagen. Ein Lungenödem, mutmaßlich, einer, der mit dem Snowboard runter wollte und die Kurve nicht bekommen hat und einer, der kurz vor dem nächsthöheren Camp einfach tot im Schnee lag.
Warum nur tun wir uns so etwas an? Ich habe versprochen, umzukehren, wenn es zu gefährlich ist oder wenn ich Husten oder Kopfschmerzen bekomme.
Schlechte Nachrichten auch vom Gipfel. Bis auf zwei sind alle, die uns heute entgegen kamen, gescheitert. Es muss ein unglaublich starker Wind ab dem obersten Camp wehen. Während die Wettervorhersagen ganz gut klingen, sei die Realität deutlich anders. Unsere Aussichten auf ein Finish sinken weiter. Nur die halbe Akklimatisationszeit wie die normalen Hiker, das stürmische Wetter, wir alle korrigieren unsere Ziele nach unten.
Drei Probleme habe ich mittlerweile. Zuerst habe ich meine Thermoskanne vergessen, ich hoffe, mit einer Wasserflasche in der Jacke zum Gipfelsturm zu kommen. Dann habe ich mein Seilschaften-Geschirr, meinen Hüftgurt, nicht dabei. Mir wurde gesagt, ich bräuchte ihn nicht. Und zuletzt haben die Zelte in diesem und im vorherigen Camp Matten liegen gehabt, deshalb habe ich heute morgen auf dieses Gewicht verzichtet. In den beiden nächsten Camps gibt es diesen Luxus aber nicht mehr, eben erfahren. Und so überlege ich, morgen oder übermorgen vielleicht noch einmal auf 3.600 Meter abzusteigen.
Für morgen haben wir nur einen Besuch im nächsthöheren Camp geplant, aber mit einem sofortigen Wiederabstieg auf 4.400 Meter. So brauchen wir morgen nur das zu tragen, was wir für den Tag benötigen, der Rest verbleibt hier im Zelt.
Ich werde sicher heute gut schlafen können, trotz der Kälte. Gute Nacht.
Tag 2:
Chaos nicht nur in Laos
Wir landeten fast pünktlich um 3.30 Uhr lokale Zeit (23.30 Uhr deutsche Zeit) und schon der Anflug auf Osh zeigte eine wirklich große Stadt. Es war angenehm warm, als wir aus dem Flugzeug heraus kamen. Ein deutscher Cobus brachte uns zur Passkontrolle und ich fragte mich, warum weltweit Flughafenbusse fast immer aus Deutschland stammen und Cobus heißen.
Die Passkontrolle war unkompliziert und schnell, dann aber wusste ich nicht weiter. Schilder zum „Baggage Claim“ gab es nicht.
Ich folgte einer Dame, die aussah, als kenne sie sich hier aus, dann nahm sich ein junger Mann meiner an, der in Bulgarien arbeitet, jetzt aber seine Familie besucht, die in einem kleinen Dorf vier bis fünf Autostunden von Osh entfernt lebt. Was der mich in gebrochenem Englisch alles fragt!
Wir kamen in eine Halle, eine breite Tür zum Hof stand offen. Dort sollten die Koffer, Rucksäcke und Megapakete, mit denen hier gereist wird, ankommen.
Eine Viertelstunde lang passierte nichts, dann kam ein LKW, mit unserem Gepäck beladen und parkte in angemessener Entfernung. Und dann geschah erneut eine Ewigkeit lang gar nichts. Mittagspause vielleicht, so um 4 Uhr am Morgen?
Dann ging es aber doch voran, man hatte auf die beiden anderen LKWs gewartet. Per Hand wurden die Gepäckstücke von der Pritsche in die Halle getragen, unter tätiger Mithilfe einiger Reisender.
Die Halle wurde immer voller mit Menschen und das üppige Gepäck von Hunderten von Fluggästen führte dazu, dass man sich kaum mehr bewegen konnte. Mein großer Rucksack war auf dem ersten LKW, der kleine Koffer auf dem dritten.
Jetzt begann das eigentliche Chaos. Eine schmale Türe, davor einer, der die Kontrollabschnitte auf den Bordkarten einzusammeln versuchte und direkt nach einer 90 Grad Kurve ein Scanner, durch den alles durch musste.
Es war weit nach halb sechs, als ich endlich draußen war, drei Stunden nach dem „touch down“.
Frühstück, eine Dusche, ein großes Einzelzimmer, etwas Schlaf in einem Hotel in Osh, dann ging es um 11 Uhr weiter.
Nach einem Abstecher in einen lokalen Supermarkt (Hat irgendjemand die lokale Währung dabei? OK, niemand!) mit EUR und Dollar-Umtausch hatte ich nun buntes, lokales Geld. 45 einheimische Einheiten (Com) für einen Dollar, 55 für einen Euro.
Jetzt aber wirklich, es ging raus aus der Stadt und rauf in die Berge. Immer wieder standen Kühe oder Pferde auf der Straße, das bremst die ohnehin nicht allzu schnelle Fahrt und wir folgten später dem Gulcha River. Das Tal, durch das wir fuhren, ist eng und lang. Kaum Häuser. Und wer hier wohnt, der hat wohl den aktuellsten Blockbuster im Kino noch nicht gesehen. Die Hänge sind grau-braun, der Talboden aber ist satt grün. Wasser gibt es genügend. Die Berge türmen sich rechts, links und vor uns immer höher auf. Noch finde ich alles faszinierend.
Es ging nun richtig nach oben. Eine coole Location. Und auf dem Taldyk Pass auf 3.650 Metern machten wir eine kurze Pause. Kinder waren da und freuten sich über ein paar Sweeties von uns. Zum Glück waren wir ja im Supermarkt.
Dann ging es eine schier endlos lange und ungeheuer breite Hochebene entlang. Rechts sind ziemlich nah Berge mit ca. 4.500 Metern Höhe und links, am seitlichen Ende der Hochebene, thront das Pamir-Gebirge mit viel Schnee und Eis, eine Spitze schöner als die vorherige. Und dann begannen 33 km Offroad-Strecke, links rüber zu den hohen Bergen. Holprig, grausam, laufen wäre schneller und angenehmer gewesen.
Empfang im Camp, Dinner, heute passiert wohl nichts mehr …
Tag 1:
Da flieg‘ ich nun, ich armer Tor und bin nicht schlauer als zuvor …
Mein Reisetagebuch beginne ich mit dem Ende des heutigen Tages. Es ist Freitagabend und ich stehe in der „Gruppe B“ beim Boarding des Turkish Airlines Fluges von Istanbul nach Osh. Die Einteilung in Gruppen, die bereits auf der Bordkarte vorgenommen wurde, ist keine schlechte Idee. Man reduziert das Gedränge enorm.
Bisher dachte ich, dass kaum ein Reisender nach Osh will und den Pik Lenin kannte ich auch so lange nicht, bis ich von diesem SkyRace von AK-SAI auf diesen zweithöchsten Berg des Pamir-Gebirges erfahren habe. Ab dann aber realisierte ich, dass auch DIAMIR fast zeitgleich eine Besteigung des Pik Lenin anbietet, eine Besteigung, an der mit Michaela Kammermaier sogar eine Freundin teilnimmt, mit der ich vor zwei Jahren auf meinem mit 6.320 Metern Höhe bisher höchsten Berg, dem Chimborazo in Equador, auf dem Gipfel stand.
Iris Enzian mit ihrer Elbrus Expeditionsfirma kommt, wenn ich gehe und auch Prominente wie der ehemalige Fußballschiedsrichter Dr. Markus Merk sind um unseren SkyRace-Termin herum auch am, im und auf dem Berg.
Man will ja immer alles wissen und dabei weiß man doch eigentlich gar nichts.
Dass aber der Flug nach Osh in einer fast vollständig gefüllten großen Maschine des Typs Airbus 319-100 durchgeführt wird, das konnte ich mir gar nicht vorstellen und die Erkenntnis, wie viele Menschen nach Osh wollen, traf mich wie ein Blitz.
Unter den Reisenden war auch eine kleine Bergsteigertruppe aus Bayern, die mich mit dem Hinweis schockierten, eine Akklimatisationszeit am Berg zu haben, die mehr als eine Woche länger ist als die unsere. Es muss also alles schneller gehen bei uns, nicht nur am eigentlichen Raceday. Nett sind sie nicht, diese Deutschen, dafür aber sehr stolz auf sich, weil sie sich von den Touristen abheben und den Pik Lenin besteigen. Ich sage: „Toll,“ sage ich, sonst sage ich nichts dazu.
Interessant finde ich, dass der Flug, mit fast fünf Stunden deutlich länger als der Flug von Frankfurt nach Istanbul, weniger Komfort hat wie jener zuvor. Kein Bordprogramm, während das auf der Reise nach Istanbul regelrecht üppig war. Europäische Routen bringen wohl mehr Deckungsbeitrag, die europäischen Kunden aber müssen offensichtlich bei Laune gehalten werden. Gut, dass es gleich dunkel ist, dann kann ich nach dem Abendessen gleich versuchen, zu schlafen. Wenn wir landen, wird es in Deutschland 23.30 Uhr sein, 0.30 Uhr wird es in Istanbul sein und 3.30 Uhr in Osh. Eine Nacht mit wenig Schlaf deutet sich an. Vielleicht träume ich in der kurzen Schlafphase dann sogar von dem frisch gepressten Orangensaft, den es an Bord gab, ein herausragender Artikel zwischen all den üblichen Industrieprodukten.
Gute Nacht.
– Steigeisenfähige Bergsteiger-Schuhe … habe ich.
– Steigeisen … habe ich.
– Helm … habe ich.
– Schlafsack … den aus Equador habe ich wahrscheinlich in Nepal im Hotel liegen lassen. Ein teurer Fehler, hier muss ich noch einen neuen Schlafsack bestellen.
– Stöcke … habe ich.
– Isomatte … da könnte ich auch eine neue gebrauchen, die sollte ich auch neu bestellen.Interessante Fakten rund um dieses Rennen:
– der Streckenrekord für Männer beträgt 8.10 Stunden
– der Streckenrekord für Frauen beträgt 8.40 Stunden
– es werden voraussichtlich um die 30 Personen am Rennen teilnehmen, darunter berühmte russische Bergläufer/Bersteiger wie
– Nikolay Totmyanin
– Semen Dvornichenko
– Sergey Seliverstov
– eventuell nimmt auch Marco Facchinelli teil, das ist aber noch nicht sicher.Viele Athleten werden sich erst kurz vor der Veranstaltung einschreiben, mal sehen, wie viele Teilnehmer es am Ende sein werden.
Aber vor allem die asiatischen Athleten werden stärker und stärker und sie suchen nach immer neuen und immer extremeren Herausforderungen.
Insofern hat das „Lenin Race“ gute Chancen, ein populäres SkyRunning-Event zu werden. Noch ist die Veranstaltung sehr, sehr jung. Dieses Jahr wird das Rennen erst zum dritten Mal ausgetragen.
Ich bin ja so stolz, da dabei sein zu dürfen …!Ich kann den Veranstaltern nur die Daumen drücken, dass dieses Rennen auch in Deutschland bekannt wird und von Spitzenathleten auch gerne gebucht werden wird.
Wenn ich es schaffe, dort zu finishen (mehr als ein Finish innerhalb der gesetzten Maximalzeit von 20 Stunden ist wohl nicht für mich drin), dann schaffen das auch die meisten Ultraläufer Deutschlands. Ein paar sehr Versierte, die schon „Speedhiking“ par excellence gezeigt haben, sehe ich schon auf diesem Event in den nächsten Jahren.- 6 Teilnehmer bei der ersten Austragung 2012 (5 Männer, 1 Frau)
– 15 Teilnehmer bei der zweiten Austragung 2013 (wegen eines Wettersturzes erreichten nur 8 davon das Ziel!)
– ca. 30 Teilnehmer bei der jetzigen, dritten Austragung 2014. Soweit zur Statistik. Ich berichte wieder, wenn es Neuigkeiten gibt!
Das Ticket nach Osh ist gebucht, am 18. Juli 2014 geht es los und am 03. August 2014 ist das Abenteuer auch schon wieder vorbei:
Stories That We Could Have Told …
Es war am 07. Mai 2013 in der Bielefelder Universität bei einem Poetry Slam, einem Hörsaal Slam, wie er sich nannte.
Neben vielen anderen Slammern trat auch Julia Engelmann auf, die Schauspielerin, Poetry-Slammerin, die durch ihre Auftritte in der Soap „Alles was zählt“ nationale Bekannheit erreichte. Mit diesem Auftritt als Slammerin aber hat sie einen Meilenstein gesetzt, eine Art „Bibel für uns Normalbürger“ aufgestellt und gerade wir Ultraläufer, die wir gewöhnt sind, spektakulärere Dinge zu tun als viele andere Menschen unseres Alters, fühlen uns bei diesem Beitrag gut aufgehoben.
Wahrscheinlich hast Du das YouTube-Video, in dem ihr Slam-Beitrag dokumentiert wurde, schon gesehen, der Link wurde ja im Internet rasend schnell und tausendfach geteilt.
In ihrem Slam-Beitrag ruft Julia Engelmann zu einem bewussten Nutzen der Zeit auf, die wir auf diesem Planeten haben. Ihr Text bezieht sich dabei auf das Lied „One Day / Reckoning Song“ des israelischen Folk-Rock-Musikers Asaf Avidan.
Julia Engelmann beginnt mit:
„Eines Tages, Baby, werden wir alt sein und an all die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können. …“
(Original: „Oh baby, we’ll be old and think of all the stories that we could have told. …“) und sie fährt später fort mit:
„Einmal bin ich fast einen Marathon gelaufen,und hätte fast die Buddenbrooks gelesen und einmal wär ich beinahe bis die Wolken wieder lila waren noch wach gewesen, und fast, fast hätten wir uns mal demaskiert und gesehn, wir sind die Gleichen, und dann hätten wir uns fast gesagt, wie viel wir uns bedeuten.“
Zuletzt will ich sie noch aus ihrem Beitrag hiermit zitieren:
„Lass uns doch Geschichten schreiben, die wir später gern erzählen, lass uns nachts lange wach bleiben, aufs höchste Hausdach der Stadt steigen, lachend und vom Takt frei die allertollsten Lieder singen, lass uns Feste wie Konfetti schmeißen, sehn, wie sie zu Boden reisen und die gefallenen Feste feiern, bis die Wolken wieder lila sind und lass mal an uns selber glauben, ist mir egal, ob das verrückt ist, und wer genau guckt sieht, dass Mut auch bloß ein Anagramm von Glück ist.“
Den ganzen Beitrag siehst Du hier, er ist es wert, öfters angesehen zu werden, finde ich:
Als ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war ich tief bewegt. Und ich begann, nachzudenken.
Ich will am Ende meines Lebens glauben, ein guter Vater gewesen zu sein.
Und ein guter Vater ist für mich nicht zwangsläufig der, der immer zu Hause ist, sondern auch der, der seinen Kindern Vorbild sein will und sein kann und der etwas zu erzählen hat von seinem Leben.
Wir können keine Helden werden, aber wir können unser Leben so gestalten, dass wir etwas zu erzählen haben. Wir haben es in unserer eigenen Hand, Gestalter unseres eigenen Lebens zu sein. Wenn nicht wir selbst, wer dann?
Wir können einen Marathon laufen, wir dürfen die Buddenbrooks lesen und wir wollen wenigstens einmal so lange wach bleiben, bis die Wolken wieder lila werden, am liebsten beim Durchlaufen einer oder sogar mehrerer Nächte, wir dürfen und sollen uns demaskieren und zeigen, wer wir wirklich sind und dann erkennen, dass wir alle irgendwie gleich sind. Und nicht zuletzt sollten wir uns gegenseitig sagen, dass wir uns viel bedeuten, bevor es zu spät ist und das nicht mehr gesagt werden kann. Kennen wir das nicht alle, dass wir einem verstorbenen Verwandten, einer Oma beispielsweise, noch gerne etwas gesagt hätten, warum haben wir es nicht rechtzeitig getan?
Gute Väter haben mehr Gehirnzellen im Kopf als Zylinder im Auto, davon bin ich überzeugt. Und gute Väter versuchen, ihren Kindern mitzugeben, dass sie selbst auch, so sie einmal eigene Kinder haben werden, diesen wiederum gute Väter und Mütter sind und diesen Kindern auch Geschichten erzählen können, die sie erlebt haben. Und eben nicht die Geschichten, die sie fast erlebt hätten.
Ich will ab August meinen Kindern, Dir und Euch, den Lesern dieses kleinen Blogs und auch der Welt um mich herum eine weitere Geschichte erzählen können. Eine Geschichte, die aus meiner heutigen Sicht total verrückt ist.
Ich war zwei Mal auf dem Kilimanjaro/Tansania, ich war in Equador auf dem Cotopaxi und dem Chimborazo, immerhin auf 6.320 Metern über N.N., ich war auf dem Rinjani/Lombok, Indonesien und auf dem Auyan Tepui, wo der Angel Fall ist, der mit rund 1.000 Metern höchste Wasserfall der Welt, mitten im Venezuelanischen Regenwald.
Und jetzt will ich auf den Lenin Peak, auf 7.000 Meter über N.N.
Dabei will ich das erste Mal nicht auf den Berg wandern, hiken, bergsteigen, sondern ich will da hoch rennen, so weit das möglich ist. Es ist ein Rennen der russischen SkyRace-Serie, es findet am 29. Juli statt, startet auf 4.400 Metern über N.N. und endet kurz unter dem Gipfel auf einem Plateau auf exakt 7.000 Metern, endlich eine „7“ vorne … !
Dass ich dafür auf den wunderschönen Lauf im Pitztal verzichten muss, nehme ich dabei gerne in Kauf. Dass ich dafür lange Zeit weg sein werde, um mich vernünftig zu akklimatisieren, auch das nehme ich gerne an.
Julia Engelmann sagt in dem Slam-Beitrag:
„Lass uns jetzt schon Gutes säen, damit wir später Gutes ernten, … also los, schreiben wir Geschichten, die wir später gern erzählen.“
Wie wahr, finde ich. Sie spricht mir da aus dem Herzen, wie ich es selten erlebt habe.
Der Lenin Peak ist ist der höchste Berg der Transalai-Kette im nördlichen Teil des Pamir (Zentralasien). Mit 7.134 Metern über N.N. ist er hinter dem Pik Ismoil Somoni (früher: „Pik Stalin“ oder „Pik Kommunismus“, 7.495 Meter) der zweithöchste Gipfel des Pamir.
Und auf diesen Berg führt ein Schnelllaufrennen, das von AK-SAI Travel, Sovetskayastr. 65, 720005 Bischkek, Kirgisische Republik, http://www.ak-sai.com/ds/actions/
52, durchgeführt wird.
AK-SAI Travel präsentiert sich vom 05.-09. März auf dem Stand 304 in der Halle 7.2A auf der ITB in Berlin. Wenn Du also Lust hast, da mehr Informationen zu erhalten, dann bist Du dort sicher sehr willkommen.
Auf der Webseite http://www.ak-sai.com/en/mountaineering/run-up kannst Du die Details des Rennens nachlesen. Ich bin dort mit dem „2 – Program Osh – Osh full package“ dabei, ich fliege also nach Osh und nicht nach Bishkek, um die Reise ein wenig zu verkürzen.
Dort siehst Du auch die Voraussetzungen, die Leistungen und nahezu alles, was wichtig ist, zu wissen. Den Startzeitpunkt am 29. Juli allerdings habe ich noch nicht finden können, wohl aber die Schlusszeit. Um 15 Uhr am darauf folgenden Tag müssen die Teilnehmer wieder im Camp sein.Ein guter Vater sein, das ist wirklich eine schwere Aufgabe. Geschichten zu erleben, die es wert sind, erzählt zu werden, ist auch nicht allzu leicht. Aber auch in diesem Punkt hat Julia Engelmann recht:
„… unsere Zeit, die geht vorbei, das wird sowieso passieren und bis dahin sind wir frei und es gibt nichts zu verlieren.“
Wem habe ich wegen dieser Reise zu danken? Natürlich in erster Linie meiner Frau Gabi, die für mich in Deutschland die Stellung hält, meinen Kindern, die wieder einmal eine längere Zeit auf mich verzichten müssen, aber auch Thomas Schmidtkonz, ohne dessen Unterstützung diese Reise nicht möglich gewesen wäre.
Alles über dieses Rennen findest Du dann im August auf auf Laufspass.com, natürlich.
Also los, schreiben wir diese Geschichte.
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Ich frage mich schon seit Wochen, ob das nicht jahrelange Erfahrung auf dieser Höhe voraussetzt. Wenn ich mir vorstelle, dass ich da auf 7000m rumkraxeln würde (Kondition hin oder her) … das ist doch gesundheitsgefährdend, oder? Ich meine da vor allem den „Wettkampfgedanken“. Immer schneller ..
Ich finde dieses Event total faszinierend, aber irgendwie auch schon grenzwertig. 🙂
Ein wenig Erfahrung in großer Höhe hilft sicher.
Wichtig ist vor allem, dass man die Zeit zur Akklimatisation hat, deshalb fliege ich schon am 18. Juli zu dem Event, das am 29. Juli stattfindet.
Ich habe neben dem Rinjani auf Lombok/Indonesien (ca. 4.000 HM) zwei Mal den Kilimanjaro bestiegen (ca. 5.920 HM), den Cototaxi (ca. 5.980 HM) und den Chimnorazo (ca. 6.320 HM):
Insofern kann ich Dinge wie Höhenkrankheit schon einschätzen. Ich weiß auch, wie mein Körper auf große Höhen reagiert.
Der Wettkampfgedanke zeigt doch nur, dass es ein anderes Rennen ist. Die einen wollen hoch hinaus, die anderen tief hinunter. Manche wollen weit kommen, manche lange im Kreis laufen.
Kondition ist natürlich auch wichtig, weniger wegen der körperlichen Herausforderung, mehr wegen der Fähigkeit, Sauerstoff wirksam zu verarbeiten.
Für mich ist dabei klar, dass ich den Aufstieg abbrechen werde, wenn ich an mir Zeichen der Höhenkrankheit feststellen sollte, zudem werde ich regelmäßig den Sauerstoffanteil im Blut messen. Nur zur Sicherheit. Es soll ja nicht mein letztes Rennen werden …
Gut, dass du das so siehst. Und mit den besagten Gipfeln hast du ja dann auch schon entsprechende Erfahrung gesammelt (bin ein bisschen neidisch :-)).
Ich bin ja auch ein bisserl älter als Du.
Bergwandern und Bergsteigen hat mich schon immer fasziniert.
Im Februar 2015 werde ich ja, dann zum dritten Mal, wieder auf den Kilimanjaro, den Uhuru Peak, die Kaiser Wilhelm-Spitze gehen, dann auf der schwierigsten Route, der Umbwe-Route.
Ich will den Bergen also treu bleiben und alle wenigstens ein, zwei Jahre einen hohen Berg besteigen. Mein Traum aber bleibt ein Achttausender, den ich gerne mit Nicole Kresse gemeinsam wagen würde.
Mal sehen …
Da wünsche ich dir das nötige Bisschen Glück, dann klappt das auch noch. 🙂
Eure kleinen zeltschweirigkeiten mit einem Bürgergrieg zu vergleichen, ist einfach nur eine Schande. Ihr seid doch alle Luxusläufer, die alles machen, was sie sich wünschen. Was habt ihr für eine Ahnung von Kriegen?
Bei allem Respekt, Hajo, aber nur wer richtig liest, versteht einen Text.
Ich habe geschrieben: „es sah teilweise aus wie in manchen Bürgerkriegsgegenden dieser Welt“, damit sollte nicht angedeutet werden, dass es sich um einen Bürgerkrieg gehandelt haben könnte.
Es war schlichtweg ein Wetterphänomen, ein Sturm. Aber am Ende des Sturms waren die Zelte weggeweht, standen teilweise auf dem Kopf etc.
Also, mach Dich locker, OK?