Treppenlauf 2009

Um es gleich vorauszuschicken: ich bin beim “Mt. Everest Treppenmarathon” im sächsischen Radebeul nach gut 14 Stunden und nach 61 Runden ausgestiegen – warum habe ich das getan?

Schon die nackten Zahlen dieses verrückten Laufs fand ich beeindruckend:

84.390: Laufstrecke in Metern (Doppelmarathon)
39.700 : Anzahl der Treppenstufen
8.848: Höhenmeter im Aufstieg
8.848: Höhenmeter im Abstieg
24: Stunden Zeitlimit

Damit führt der “Mt. Everest Treppenmarathon” unangefochten und mit großem Abstand die Tabelle der 105 Rennen umfassenden Liste der weltweiten Treppenläufe an. Mit 11.674 Treppenstufen folgt dann ein Treppenlauf in Dänemark, was für ein Abstand …

Ich wusste natürlich, dass es sehr schwer werden würde, immerhin scheitern mehr als 50% der Läufer an den entsprechenden Vorgaben. Aber ich wollte es versuchen – und ich wollte die geforderten 100 Runden packen.

Einer meiner liebsten Lauffreunde, der diesen Lauf im Vorjahr erfolgreich absolviert hat (Bernie Conradt) schrieb damals in seinem Bericht etwas wirklich Interessantes über diese Herausforderung:
(“Erstens Willenstärke, zweitens Willenstärke, drittens Willenstärke …………… und viele, viele Salamibrötchen …”).

Um es wirklich zu schaffen, habe ich, das weiß ich jetzt, zu wenig trainiert. Und ich habe falsch trainiert. Fit war ich wirklich, die vielen langen Läufe vor dem Event haben dafür gesorgt, dass mein Körper wollte. Aber konnte er auch?

Meine Trainingseinheiten für den Treppenlauf waren sicherlich zu kurz und ich bin zu schnell gelaufen. Anstatt in 90 oder 120 Minuten so viele Treppen wie möglich zu laufen, hätte ich lieber langsam laufen sollen, das aber einen ganzen Tag lang.
Eine Herzkurve aus dem Training, auf die ich so stolz war, siehst Du hier:

Sind das nicht wunderschöne, fast perfekte Kurven?

Trotz aller Fitness und trotz des Trainings habe ich aber irgendwann aufgehört. War es die fehlende Kraft, waren es schlechte Gedanken im Kopf? Ich weiß es nicht, aber vielleicht verstehst Du meine Überlegungen, wenn Du das Folgende liest, was ich einem Freund geschrieben habe:

“Richtig ist auf jeden Fall, dass der „Mt. Everest Treppenmarathon“ eine „harte Nuss“ ist, härter noch, als ich das sowieso schon erwartet habe.
Rein rechnerisch hast Du 14 Minuten und 24 Sekunden Zeit pro Runde, keine Essenspausen und Umkleidezeiten eingerechnet, kein „sich hinlegen“ abgezogen. Wenn Du für 4 Pausen 100 Minuten einplanst, dann sinken die Soll-Rundenzeiten auf 13 Minuten und 24 Sekunden, wahrlich nicht viel …

So wie ich meine Runden anfangs angelegt hatte (die Treppe locker runterjoggen, aber eben nicht springen, auf der 150 Meter Straße bergab locker joggen, keinen Druck aufbauen und den Puls unten halten, nach der unteren Wende bergauf zügig gehen, die Treppen gehen, das 50 Meter Stück Straße oben bergauf gehen, nach der oberen Wende ein paar Snacks und zwei, drei Becher Wasser / Iso / Tee nehmen und während des Gehens der 50 Meter Straße bergab die Sachen zu mir nehmen, dann wieder die Treppe locker runterjoggen) kam ich Anfangs auf knapp über 11 Minuten pro Runde, ursprünglich hatte ich 12 Minuten eingeplant und deshalb habe ich bei den ersten 20 Runden stets ein wenig eingebremst, weil ich eben bei einer Stunde pro Paket liegen  wollte.
Und ich bin ein Kontroll-Freak, immer am Rechnen, am Hochrechnen …

Ich habe für meine Zeitplanung „5er Pakete“ gemacht, jeweils 5 Runden, nach denen ich immer eine Zwischenzeit genommen habe.

Meine „5er Paket-Zeiten“ waren:
55:31 Minuten – 11:06 Minuten pro Runde
54:52 Minuten – 10:58 Minuten pro Runde
56:56 Minuten – 11:23 Minuten pro Runde
57:56 Minuten – 11:35 Minuten pro Runde
59:03 Minuten – 11:49 Minuten pro Runde
64:10 Minuten – 12:50 Minuten pro Runde
(Pause nach 30 Runden: 09:12 Minuten)
66:11 Minuten – 13:14 Minuten pro Runde
67:40 Minuten – 13:32 Minuten pro Runde
68:43 Minuten – 13:45 Minuten pro Runde
71:26 Minuten – 14:17 Minuten pro Runde
(Pause nach 50 Runden: 24:40 Minuten)
77:59 Minuten – 15:36 Minuten pro Runde
80:48 Minuten – 16:10 Minuten pro Runde

Jetzt waren 60 Runden vorbei und ich hatte bei Rundenzeiten über 16 Minuten noch 40 Runden zu machen, das heißt: ich brauche mindestens noch 10 Stunden 40 Minuten bei gleich bleibenden Rundenzeiten!
Es war 5 Uhr 36 Minuten und 28 Sekunden am Sonntag morgen und ich hatte nur noch 10 Stunden 23 Minuten und 32 Sekunden Zeit bis zum „Schlusspfiff“.
Da habe ich realisiert, dass ich es nicht schaffen würde.

Schlimmer noch: Die Rundenzeiten würden nicht konstant bleiben, sondern schlechter werden. Ich hätte mindestens nach den Runden 70 und 90 noch zwei Essens- und Umkleidepausen einlegen müssen, das hätte wohl eine weitere Dreiviertelstunde in Anspruch genommen. Also wäre ich irgendwo zwischen Runde 88 und 95 geendet.

Und das wollte ich nicht. Mich dafür noch 10 ½ Stunden quälen …

Also entschied ich nach 60 Runden, aufzuhören, wenn Gabi aus ihrem Hotelzimmer vor ihrem Frühstück an die Strecke kommen würde. Nun hatte ich es auch nicht mehr eilig. Ich habe dann noch einmal ein paar Nüdelchen gegessen und habe mir eine Wadenmassage geben lassen.
Gabi war aber immer noch nicht da. Also ging ich wieder auf die Strecke. Als ich dann in der nächsten, der 61. Runde am unteren Wendepunkt war, sah ich Gabis Auto und ein Helfer vom THW hat mir gesagt, dass sie mit dem Shuttle oben sei.
Also wieder rauf, so kam es zu meiner 61. Runde und ich habe dann meinen Transponder abgegeben. Durch das Essen, die Massage und die Runde war mittlerweile eine weitere Dreiviertelstunde vergangen, so endete ich nach 14:22 Stunden bei 61 Runden.

Gabi war erstaunt und konnte es gar nicht fassen, dass ich aufhören wollte, weil ich so entspannt und fit aussah. Aber ich hatte ja in den letzten 45 Minuten nur eine letzte Runde gelaufen …

Ich denke, es war richtig, auszusteigen und noch ein wenig von dem schönen Sonntag zu genießen. Wir waren dann um 13.30 Uhr wieder in der Grafschaft und ich konnte noch einen schönen Nachmittag mit den Kids haben.
Geschafft hätte ich es sowieso nicht, natürlich hätte ich mich im Ranking von Platz 33, auf dem ich endete, noch auf Platz 21 (bei 88 Runden) oder Platz 20 (bei 95 Runden) verbessern können. Das war es mir aber nicht wert, zumindest nicht an diesem Sonntag Morgen.

Heute ärgere ich mich schon ein wenig, weil ich erst in der Resultatsliste gesehen habe, wie vergleichsweise gut ich lag. Ich lag gut am Ende des vorderen Drittels, aber meine Mission war „Gipfelkreuz“ und eben nicht „88 Runden“. Kannst Du diese Überlegungen nachvollziehen?”

Aber so, wie man sich im Leben stets mindestens zwei Mal sieht, so habe ich auch hier eine zweite Chance. 2010 werde ich erneut dabei sein – und dann werde ich es packen.
Ganz, ganz sicher!

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