Es ist eisig auf der Spitze …

Der ältere Niels Larsen, sein Sohn Henk Larsen, seine Tochter Anne-Mette Larsen und der ältere Jesper Paulsen sind mir schon im einfachen Bergsteiger-Hotel „Springland“ in Moschi aufgefallen.
Nicht wegen der dänisch-typisch hellblonden Haare, sondern, weil sie zu viert das gleiche T-Shirt trugen.
Ein schlammgrünes Shirt, vorne mit dem eigenen Namen und der Ergänzung „Kilimanjaro 2010“ und hinten bedruckt mit einem dänischen Satz, den ich gerne aufgeschrieben hätte, der mir aber zu kompliziert war, um ihn mir zu merken.


Später sahen wir die Vier dann bei unserer ersten Rast auf der Machamé-Route rauf auf das übermächtige Kilimanjaro-Massiv wieder. Ich sprach die Vier an, woher sie stammen würden und bekam zur Antwort, dass sie aus dem dänischen Holstebro stammen, irgendwo in der Mitte Dänemarks an der Küste. Ich hatte das blaue Laufshirt des ECU 2008 an, des European Cups of Ultramarathons 2008, das die Rennen in Mnisek, Eisenach (Rennsteiglauf), Biel, Schwäbisch Gmünd (Schwäbische Alb Marathon) und Celje zusammenfasste. Momentan ist auch noch der Wörthersee Trail in diesem Cup vertreten.
So kamen wir schnell auf das Marathon-Laufen.

Jesper Paulsen war es, der mir stolz erzählte, dass ein Läufer aus ihrer Region auch beim Berlin-Marathon 2010 mitgelaufen sei. Keine große Sache, dachte ich, immerhin sind fast 6.000 dänische Läufer im Ziel angekommen, gestartet sind vermutlich mehr als 6.000 dänische Läufer. Damit ist der Berlin-Marathon einer der ganz großen dänischen Marathons.
Aber dieser Läufer hatte etwas Besonderes getan. Er lief von seiner Heimatstadt bis nach Berlin. Mit den läufertypischen Umwegen waren das etwas mehr als 800 Kilometer. So etwas fasziniert mich und treibt mich, in 2011 ebenfalls zu versuchen, den einen oder anderen Lauf nicht mit dem Auto oder dem Flugzeug, sondern mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu erreichen, wenn die Zeit dafür ausreicht.

Es war mein langjähriger Freund Andreas Klotz vom mehrfach ausgezeichneten Umweltprogramm „mondberge.com“, der die Vier fragte, was der dänische Spruch auf dem T-Shirt Rücken übersetzt heißt. „Es ist eisig auf der Spitze …“ war die Bedeutung des Spruchs und wer schon einmal auf dem Uhuru Peak des Kibo, des Kilimanjaro war, der weiß, dass das stimmt.
Aber dieser Satz bedeutet auch noch etwas anderes. Während wir Deutschen sagen: „An der Spitze ist es einsam!“ und damit meinen, dass der Chef eines Unternehmens seine Entscheidungen meist alleine treffen, alleine verantworten und alleine durchsetzen muss und sich damit selten Freunde macht, heißt es im dänischen: „Es ist eisig auf der Spitze …“, gemeint aber ist das Gleiche. Mich hat das Wortspiel sofort fasziniert.

Da die Vier wie wir ebenfalls die Machamé-Route ausgewählt hatten, sahen wir sie auch immer wieder beim Laufen, wenn deren Gruppe unsere überholt hat, wenn wir die dänische Gruppe überholten, auf den Camps und ganz am Ende wieder im Bergsteiger-Hotel „Springland“ in Moschi, im Bus zum Flughafen und eben dort auf dem Kilimanjaro-Flughafen, wo wir eine Weile auf unseren Flug nach Amsterdam warten mussten.

Dort fragte ich die Vier, ob sie es alle geschafft hätten. Niels Larsen, der Vater, Jesper Paulsen und die süße blonde Anne-Mette Larsen hatten es ganz nach oben geschafft, Henk Larsen, der Sohn, allerdings nicht. Er schien uns manches Mal im Camp schon geistesabwesend zu sein, eine Art Trance oder Delirium, das Resultat aus hoher Anstrengung, beginnender Höhenkrankheit und mutmaßlich zu geringer Fitness uns Vorbereitung.
Anne-Mette Larsen aber, die zierlichste der Vier, hatte es mit ihrem Vater und Jesper Paulsen geschafft. Und bis auf eine von der sengenden Sonne knallrote Knubbelnase hat sie keine Beschwerden oder Verletzungen gehabt. Und sie war stolz und glücklich.

Unsere Gruppe, Andreas Klotz von Tipp4 in Rheinbach, die Hochzeits- und Landscape-Fotografin Radmila Kerl, ihr Mann Michi Kerl, der Audio-Autoeinbauten macht, Michael Matschuck von Druckpartner in Essen, sein eben erst 18 Jahre alt gewordener Sohn Niklas, der diese Reise zu seinem 18. Geburtstag geschenkt bekommen hatte und ich, hatte eine gravierende Änderung des normalen Tourablaufs gewählt. Anstatt nach dem Abstieg noch einen Tag im Hotel zu relaxen, teilten wir die dritte Tagesetappe in zwei Teile und schoben so eine zusätzliche Übernachtung auf etwa 3.900 Metern Höhe ein.
Das hat die Akklimatisierung erleichtert und wir hatten mehr Zeit für das Fotografieren. Vor allem für Radmila, Andreas und Michael war das auch der höhere Grund der Reise.

Bis zur Abreise kannte ich nur Andreas, der im gleichen Laufverein TV Altendorf-Ersdorf läuft und der mich Ende 2004 zum ersten Aufstieg auf den Kilimanjaro motiviert hat, den ich dann im Februar 2005 erfolgreich bewältigen dufte. Radmila kannte ich einige Wochen aus Facebook, alle anderen waren mir noch unbekannt bis zu dem Zeitpunkt am Düsseldorfer Flughafen, als ich Michael und Niklas Matschuck traf. Die Reiseunterlagen von DIAMIR in der Hand dachte ich, dass sie Teil unserer Gruppe sein mussten. Andreas war mit seinem Sohn Tim schon seit einigen Tagen in Afrika. Er wollte mit dem erst 15 Jahre alten Tim bis auf die Horombo Hütte auf der Marangu-Route, der einfachen „Coca-Cola-Route“, aufsteigen. Knapp 4.000 Meter über dem Meeresspiegel sind für einen jungen Mann wie Tim schon eine echte Herausforderung.
In Amsterdam warteten dann Radmila und ihr Mann Michi auf uns und so ging es mit dem Flieger nach Afrika, nach Tanzania, auf den Kilimanjaro Airport.

Schon der Flug war ein echtes Erlebnis. Nun bin ich schon viele Hundert Male in meinem kleinen Leben geflogen, es ist mir aber noch nie passiert, dass eine Stewardess zu mir kam und mich ansprach, ob ich alleine reisen würde. Als ich das bejahte, fragte sie mich, ob ich nicht auf einen der komfortableren Sitze ganz vorne im Abteil wechseln wolle. Da wäre noch einer frei und die Beinfreiheit dort sei überwältigend.
Oh Stewardess von KLM, ich liebe Dich!

Ansonsten war der Flug unspektakulär. Das Essen bei KLM ist überdurchschnittlich gut, es gibt sogar recht hochwertiges Besteck. Es ist aus einem durchsichtigen Plastik, aber es fühlt sich richtig gut an und man kann es auch sehr gut benutzen. Leider hat unser Reiseveranstalter DIAMIR vergessen, für mich meine Lieblings-Essensvariante vorzubuchen: „ASIAN VEGETARIAN“, aber es gab im Flugzeug nur die Auswahl zwischen einem Fleischgericht und leckerer Pasta. Für Vegetarier ist also auch ohne Vorbuchung immer etwas dabei bei KLM.
Die Auswahl an Filmen ist sensationell gewesen, aber ich hatte keine Lust, auf dem Hinweg allzu viel zu sehen, ich wollte lieber etwas Schlaf nachholen, was mir dank der großen Beinfreiheit und wenig gesprächssüchtigen Nachbarn auch gut gelang.


Auf dem Flughafen in Moschi begann dann für uns das Abenteuer Afrika. Nach einem Urlaub Mitte der 1980er Jahre in Marokko, einem Land, das nur kartographisch zu Afrika gehört, nach der Kenia/Tanzania Reise beim Aufstieg 2005 und nach dem Namibia-Urlaub 2008 mit meiner Familie war es erst das vierte Mal, dass ich afrikanischen Boden betreten habe, erst das vierte Mal, wo ich afrikanische Geduld lernen durfte und erst das vierte Mal, wo ich mich mit der Mentalität der Afrikaner auseinander setzen musste.

Für das Visum mussten wir lange anstehen. Oder aber auch nicht, denn ein tanzanischer Grenzbeamter sammelte unsere Pässe ein, riet bis auf Radmila allen, schon mal zum Gepäckband zu gehen und dort zu warten, das war entspannender als in der Schlange zu stehen. Radmila machte die Visums-Formalitäten für uns alle und wurde von dem Grenzbeamten sogar noch beschleunigt bedient. Wenn Du jetzt denkst, dass dafür auch nur ein einziger tanzanischer Schilling bezahlt wurde, dann irrst Du.
Ob es die stets gute Laune von Radmila war, die den Beamten bewegt hatte,  ihre blonden Haare oder was auch sonst – wir alle waren froh, die Prozedur des Visumerhalts abkürzen zu können.
Wir nahmen dann unser Gepäck, gingen aus dem Zollbereich des Flughafens heraus und trafen unseren Fahrer, der uns zur „Meru View Lodge“ bringen sollte, wo wir dann Andreas und Tim treffen wollten. Die Fahrt war kurz, aber die Straßen teilweise in katastrophalem Zustand. Und wir hielten nicht an der „Meru View Lodge“ an, sondern passierten sie erst einmmal, um zu einer dahinter gelegenen Lodge zu fahren. In diesem Moment erfuhren wir, dass wir wegen der Überbuchung getrennt wurden. Ich war der einzige, der im Anschluss in die „Meru View Lodge“ gebracht wurde, die anderen stiegen in der wesentlich vornehmeren Lodge dahinter ab.
Ich war also alleine.

Es war schon spät an diesem Abend und ich sollte mein Dinner also alleine einnehmen. In meiner Lodge allerdings hieß es dann, man habe mir Sandwiches vorbereitet, weil die Küche schon kalt wäre. Nach längeren Verhandlungen einigten wir uns dann darauf, dass ich doch noch etwas Warmes bekommen würde. Es dauerte sehr lange, bis mein Essen fertig war, wahrscheinlich wurde die Köchin erst wieder aus ihrem Haus an die Arbeitsstätte beordert.
Dann sagte man mir, dass ich am nächsten Abend das Dinner mit der ganzen Gruppe im anderen Hotel einnehmen würde, man würde mich dann nach der Safari dorthin fahren.

Das Frühstück am nächsten Tag nahm ich dann auch alleine ein, mir wurde aber zugesichert, dass man mich danach zur anderen Lodge fahren würde und so erschien ich nach dem Frühstück drüben in der anderen Lodge. Was in der Nacht wie eine lange Reise aussah, war aber nur ein kurzes Stück von vielleicht 500 Metern, das ich durchaus auch ohne Chauffeur hätte laufen können, aber ich war froh, die anderen, Andreas, Tim, Radmila, Michi, Michael und Niklas noch beim Frühstück zu erwischen.

Die sechs erzählten mir dann eine kleine Geschichte, die typisch ist für Afrika und das dortige Leben. Während ich am Vorabend alleine im Restaurant saß und mich langweilte, warteten die sechs in der anderen Lodge auf mich. „Thomas kommt gleich!“ hieß es ständig. Die Bedienung brachte auch zwei Mal mein Abendessen an den Tisch, immer dann, wenn ich erneut als Ankommer vermutet wurde. „Thomas kommt gleich!“
Erst viel später hieß es, dass ich nun doch in der „Meru View Lodge“ hätte essen wollen, aber ich käme dann zum gemeinsamen Frühstück in die Lodge.

Und so wartete man beim Frühstück geduldig auf mich, weil „Thomas kommt gleich!“, aber dann haben sich die sechs irgendwann entschlossen, nun doch ohne mich mit dem Frühstück anzufangen. Ein Glück, wie sich heraus stellte. Es war eben Kommunikation auf höchstem afrikanischen Niveau, die uns die ersten Stunden in Afrika „unrund“ erscheinen ließen. Später dann bin ich die Strecke einfach immer dann gelaufen, wenn es notwendig war, aber ich habe mich schon ein wenig geärgert, über die schlechte Kommunikation dort, aber auch über mich, dass ich nicht selbst die Entscheidung getroffen hatte, im Dunklen zur anderen Lodge zu laufen.

Als die sechs dann mit dem Frühstück fertig waren, ging es erst einmal in den sehr nahe gelegenenen Arusha Nationalpark zur Fotosafari. Der Arusha Nationalpark war so nahe an den Lodges, dass wir auch hätten hin laufen können, die Safari aber war ganz nett. Wenn ich bedenke, dass wir auf  Grund der Warterei auf „Thomas kommt gleich!“ erst spät von der Lodge weg kamen, dass dadurch die meisten Tiere schon träge und versteckt waren, dass die Farben des Tages nicht mehr so warm und schön waren wie in den Morgenstunden, dann war der Tag dennoch ein voller Erfolg.
Nur nicht für Michi Kerl, der sich entschlossen hatte, diesen Tag im Bett zu verbringen, um seine Erkältung vollends auszukurieren.

Bilder von der Safari und die Geschichte des Tages gibt es dann beim nächsten Mal …

Niels Larsen, seinen Sohn Henk Larsen, seine Tochter Anne-Mette Larsen und den älteren Jesper Paulsen jedenfalls sahen wir in Amsterdam dann zu letzten Mal. Das war auch der Zeitpunkt, an dem sich die Wege unserer Gruppe trennten. Niels, Henk, Anne-Mette und Jesper flogen von dort aus nach Kopenhagen, Radmila und Michi nach München, Andreas nach Köln, Michael, Niklas und ich flogen nach Düsseldorf und Andreas‘ Sohn Tim hatte uns ja schon Mitte der Vorwoche verlassen, erfolgreich an seinem Ziel, der Horombo Hütte angekommen.

Und ich? Ich war natürlich oben, gleich zwei Mal. Aber auch diese Geschichte erzähle ich beim nächsten Mal, ein Foto vom Gipfel aber gibt es schon jetzt:

Foto: Radmila Kerl, Zeitpunkt: Mittwoch 20.10.2010, ca. 8 Uhr

Ach ja, noch eines: „Thomas kommt gleich!“

Das hässliche Entlein …

Es war der 02. März 2008 in Stein/NL, kurz vor dem Start zum 6-Stunden-Lauf.
Mein Lauffreund und Lauf-Urgestein Günter Meinhold kniff mir in die Seite und sagte: „Du hast gut gegessen über den Winter, TOM!“

Ein kleiner Satz und sofort spulte sich das alte Gedanken-Programm wieder ab. Und ich sah wieder den kleinen, dicken, hässlichen TOM mit seiner Hornbrille, den unvermeidlichen Knickerbocker-Lederhosen mit den Hosenträgern, die über der Brust die traditionelle bayrische Lederspange hatten, auf der ein weißer Plastik-Edelweiß befestigt war.
Und ich hörte wieder die anderen Kinder rufen: „Dicker fetter Pfannenkuchen!“
Und ich erinnerte mich an meinen schlanken blonden Bruder, der mich gegen diese Kinder verteidigt hatte.
Für einen kurzen Moment fühlte ich mich wieder jung, hässlich und ungeliebt. Dass ich direkt nach diesem 02. März 2008 mal wieder eine Diät machte, kannst Du wahrscheinlich nachvollziehen.

(klicken zum Vergrößern) - Meine Schwester, mein Bruder und ich im Wohnzimmer in den 60er Jahren. Erst mit 12 Jahren wurde ich schlanker.

Es war der 07. Februar 2010 in Herten-Bertlich, kurz vor dem Start zum Marathon der Bertlicher Straßenläufe.
Günter Meinhold war auch unter den Startern, glücklicherweise, nachdem er wegen körperlicher Probleme seinen Laufumfang eine Weile lang deutlich reduzieren musste. Günter schaute mich an und sagte: „Du bist zu dünn, TOM! Für den Ultralauf brauchst Du mehr Kraft – und die kommt aus dem Körpergewicht!“
Also war es wieder nicht richtig, wie ich war, aber ich gehe lieber als „zu dünn“ durch als dass ich mich wieder dick und hässlich fühle.

In der Tat habe ich in den letzten 12 Monaten deutlich Gewicht verloren. Das Gesicht ist länger geworden und die Laufshirts bekomme ich jetzt alle fast zwei Nummern kleiner. Aus XL wurde L und wenn die Armlänge kein Problem wäre, dann würde ich mir sogar M geben lassen. Niemals hätte ich mir so etwas träumen lassen …

Dabei war der 07. Februar 2010 ein für mich durchaus guter Tag. Denn nach 57 (!) Tagen ohne Marathon und nach einer ebenso langen Zeit ohne nennenswertes Training, ohne wirklich lange Läufe, fühlte ich mich schlapp und demotiviert und ich zweifelte sogar, ob ich auf der Marathonstrecke überhaupt noch akzeptable Zeiten hinbekommen würde. Seit dem Berlin-Marathon im September 2009 bin ich keinen Marathon mehr unter 4 Stunden gelaufen und auch beim diesem wunderschönen Lauf duckte ich mich im Stile eines Mambo-Tänzers nur äußerst knapp unter der 4-Stunden-Schwelle durch.
Die „langen Kanten“ vom Sommer 2009 haben Spuren hinterlassen, die Grundschnelligkeit schien genauso verloren wie die Motivation, relativ wenig attraktive Laufstrecken noch mit einem gewissen Druck anzugehen.

Da ist ein Lauf wie der „Unter-Tage-Marathon“ in Sondershausen natürlich anders, da motiviert Dich schon das Event und die Location an sich. Bei Bergläufen mit grandiosen Blicken ist es ähnlich. Aber drei Runden durch Bertlich und die wenig attraktive Umgebung laufen, ständig auf vom Winter stark beschädigten Nebenstraßen? Und das ohne Training, ohne rechte Lust und bei wenig attraktivem Wetter?
Aber ich wollte es wissen, ich wollte sehen, wie lange ich brauche, bis mein Körper müde wird.

Neben Günter Meinhold waren zuhauf erfahrene und bekannte Läufer am Start und außerdem waren ein paar Starter aus dem Freundeskreis dabei. Der „Ultrayogi“ Jörg Schranz zum Beispiel, mit dem ich mir am Ende der dann hoffentlich erfolgreich bestrittenen „TorTOUR de Ruhr“ ein „Erdinger Weißbier alkoholfrei“ teilen will und auch der „Extremsportler“ Gerhard Kotman, bei dem ich viele Parallelen in der läuferischen Karriere sehe. Ich erinnere mich an den Marathon in Glimmen/NL im Winter des Vorjahres, bei dem Gerhard und ich einige Zeit gemeinsam gelaufen sind und wo wir uns ausgiebig ausgetauscht haben.

Motiviert hat mich auch ein anderes Lauf-Urgestein, der mir gesagt hat, dass er jeden Marathon mit einer „3“ vorne abschließt. Großartig, dachte ich, bis er fortfuhr, dass es machmal auch eine 3:89 wäre. Welch fantastische Idee!
Sofort wusste ich in diesem Moment, dass ich diesem Lauf den Titel 3:68 Stunden gegeben hätte, wenn ich die 4-Stunden-Marke „gerissen“ hätte. Habe ich aber nicht.
3:55:23 Stunden war am Ende die Laufzeit und ich hätte durchaus besser sein können. Aber ich war nicht motiviert genug, mich anzustrengen, als mir klar war, dass ich auf jeden Fall unter 4 Stunden enden würde. 2:39:30 Stunden für die ersten 30 Kilometer und 1:15:53 Stunden für die 12,195 Kilometer danach. Aber hätte ich mich besser gefühlt, wenn ich mit 3:52:00 eingelaufen wäre? Sicher nicht. Und mehr wäre in meinem Trainingszustand und in der aktuellen mentalen Verfassung auch nicht drin gewesen.

Also freute ich mich daran, dass ich wohl nett anzusehen war. Ganz in schwarz gekleidet, sehr schlank und als Farbklecks eine orangene Laufbrille – mächtig cool. Da war nichts mehr von dem hässlichen Entlein, das ich mal war.

Und „Dicker fetter Pfannenkuchen!“ ruft mir schon seit 35 Jahren niemand mehr nach, nur manchmal, ganz manchmal, kann ich es noch hören …

Berlin: ein Marathon als Gruppenreise

Es ist schon ein paar Tage her, dass ich in Berlin den Marathon gelaufen bin. Längst hätte ich an dieser Stelle schon darüber berichten sollen, aber lieber spät als nie …

Im Vorjahr rief mich wenige Wochen vor dem Berlin-Marathon 2008 mein Lauffreund Peter Schmitz von den Rotwein-Runners aus Altenahr an und sagte, dass er in Berlin laufen wolle. Er ließ meinen Hinweis, dass Berlin schon seit Ewigkeiten ausgebucht sei, nicht gelten und meinte nur: „Du schaffst das schon!“

Der liebe Gott hat die Erde an 7 Tagen erschaffen, das scheint leichter zu sein als Startkarten für den Berlin-Marathon zu bekommen, der schon lange ausverkauft ist. Ich telefonierte und googelte, ich surfte und mailte. Keine gute Idee war es, den Versuch zu starten, mich als Journalist zu akkreditieren. Mein Presseausweis aus meiner politischen Zeit als junger Mann stammt aus dem Jahr 1983, das ist aufgefallen. „Haben Sie keinen Neuen?“
Aber am Ende hatte ich doch Glück: ich bekam die beiden letzten Startkarten vom Marathon-Reise-Service, den Olli Schmidt von der Volksbank Schlangen, einem Städtchen in der Nähe von Paderborn, betreibt – und das zu einem wirklich günstigen Preis, in dem die Busreise ab Paderborn, zwei Hotelübernachtungen und ein paar sonstige Extras wie der Transport zum Frühstückslauf und dem eigentlichen Marathon schon inbegriffen waren.
Es wurde ein wunderschönes Männer-Wochenende in Berlin, das ich nicht missen wollte.

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Die "Marathon-Reise-Service" Gruppe kurz vor dem "Frühstückslauf" am Samstag vor dem Berliner Schloß Charlottenburg

Nun wollte ich schon vor Monaten meine Frau Gabi zum Berlin-Marathon 2009 einladen. Aber selber buchen, ein Hotel suchen, die An- und Abreise zum Start und zum Ziel, selbst so weit mit dem Auto hin und, noch schlimmer, zurück fahren … und die Truppe aus dem Vorjahr war richtig nett! Also haben wir uns entschlossen, auch dieses Jahr wieder den Service vom Marathon-Reise-Service zu nutzen – und das war gut so.
Wieder waren es nette Menschen, Läufer eben, die sind ja alle nett und ein gutes Arrangement.

Am Anreisetag, am Freitag, hatte auch mein Berliner Bruder seinen 49. Geburtstag, den wir zünftig bei einem österreichischen Weißwein aus dem Kamptal im Restaurant „No Kangaroos“ in Berlin Kreuzberg feierten.

Es ist schon lustig, wenn man in Kreuzberg in einer Berghütte ist und in ausgedienten Sesselliften sitzt, Wolfgang Ambros hört und original österreichische Küche genießt. Ein echtes Erlebnis!

Am Samstag gab es zuerst den Frühstückslauf, an dessen Ende der Hauptsponsor real,- die Läufer mit vielen Ständen versorgt hat. Meiner Ansicht nach muss dieser Frühstückslauf jeden Vergleich mit dem „Continental Freedom Run“ in New York meiden. Weder sind die Teilnehmer so witzig verkleidet wie in der amerikanischen Metropole, noch hält die Organisation des Laufs, was er verspricht. Und das „Frühstück“ am Ende ist eher eine Katastrophe als ein Genuss. Schade drum, fand ich schon in 2008.

Aber der Berlin-Marathon war wieder schön. Rechtzeitig zum Start wurde es warm, nein, heiß, zu heiß für meine Begriffe. Aber ich hatte ja nur vor, locker zu traben, ohne mich anzustrengen. Vierzehn Tage vor den Deutschen Meisterschaften im 100km Straßenlauf und nur 21 Tage nach dem UTMB war ich froh, es hier mal locker angehen lassen zu können. Aber „unter 4 Stunden“ sollte die Zeit dann doch bleiben, fand ich.

Also hielt ich mich stets in Sichtweite zum gelben 4 Stunden Ballon, aber zwischen den km18 und 28 habe ich vergessen, den Ballon zu beobachten. Ich hing meinen Gedanken nach, träumte in den Tag hinein und verlor die Spur des Ballons. Ich realisierte nur, dass Haile keinen neuen Weltrekord geschafft hat, schade eigentlich.

Als es mir bewusst wurde, dass der Ballon nicht mehr zu sehen war, dachte ich, dass ich doch ein wenig Tempo zulegen sollte und bei km38 merkte ich, dass mir sogar rund 1 1/2 Minuten zum Zeitplan fehlten. Also musste ich mich doch noch anstrengen.

Mein Problem war, dass ich meinen GARMIN Forerunner 305 mit vier Sichtfeldern im Display bestückt habe: Pace/Geschwindigkeit, gelaufene Zeit, Herzfrequenz und zurückgelegte Strecke. Bei dieser Einstellung verlierst Du aber nach einer Stunde die Sekunden aus dem Blickfeld. Also wusste ich nicht, wo ich genau stand. Als ich dann durch das Brandenburger Tor lief, schlug die Uhr auf 3:59 Stunden um. Es waren schon noch ein paar Meter bis zum Ziel hinter dem Brandenburger Tor, vielleicht gute 200 Meter, vielleicht etwas mehr. Und nur noch eine Minute! Wie ärgerlich wäre es, wenn ich mit 4:00:02 Stunden finishen würde, also dachte ich mir: gib nochmal alles!
So wurde aus dem lockeren Trainingslauf am Ende doch noch eine recht anstrengende Angelegenheit, aber ich hätte noch viel Luft gehabt: mit 3:59:40 Stunden lief ich effektiv durch das Ziel, was hätte ich mit den 19 Sekunden noch alles anfangen können …
Dann gab es die wirklich schöne Medaille, ein paar Schlucke alkoholfreies Weizenbier (kann man wirklich ein ganzes Bier nach dem Lauf trinken?), der Rest wurde auf dem Rasen vor dem Reichstagsgebäude entsorgt, danach unter die viel zu warmen Duschen und dann ab in das Restaurant, in dem sich die Gruppe treffen und sammeln wollte. Weil die Dusche viel zu heiß war kühlt man nicht richtig runter und die Sonne stand heiß und steil am Himmel. Und ich schwitzte arg auf den wenigen Hundert Metern bis zum Restaurant.

Dort wartete ich sehr lange, bis meine Frau Gabi ihren 8. Marathon ebenfalls erfolgreich abgeschlossen hatte, aß mit ihr noch ein Häppchen und dann ging die Rückreise im Bus los. Gabis Zeit war erwartungsgemäß wenig spektakulär und auch die schlechteste von all ihren Marathons, aber dafür, dass sie überhaupt nicht trainiert hatte … durchgekommen, durchgekämpft, nicht aufgegeben und gefinisht – das ist alles, was zählt.

In Paderborn ging ich dann vom Busbahnhof bis zu unserem geparkten Auto. Es war 23.45 Uhr in der Nacht, keine Menschenseele war auf den Straßen zu sehen. Aber kaum hatte ich im Wagen gesessen und Richtung Busbahnhof gewendet, war eine Polizeistreife hinter mit und hatte eine rote Laufschrift auf dem Dach: BITTE FOLGEN!
Ich hatte gar keine Lust zu folgen und ich war nervös, müde und hektisch. Bei der üblichen Frage nach den Fahrzeugpapieren und dem Führerschein fand ich natürlich lange die Fahrzeugpapiere nicht. Und ich war nervös. Und ich war hektisch. Ich dachte daran, dass Gabi auf mich warten würde und sich sicher fragen würde, warum ich für die paar Meter so lange brauchen würde. Und ich war müde.

Der Polizist interpretierte das alles als „alkoholisiert“ und drängte auf einen Alkoholtest. Ich zeigte ihm die Medaille und fragte ihn, ob er tatsächlich der Ansicht wäre, dass ein Läufer sich so wenig unter Kontrolle haben würde, um sich mitten in der Nacht vor der zweistündigen Heimfahrt noch einen zu heben. Obwohl ich der Ansicht war, dass er dazu kein Recht auf eine Alkoholkontrolle hatte, weil die Verdachtsmomente fehlten, willigte ich schlussendlich ein, damit ich nicht noch mehr Zeit verlieren würde. Seine Kollegin ließ mich also pusten und das Ergebnis war klar: keinerlei Alkohol!

Das hätte ich ihm auch so sagen können. Hatte ich auch, aber er hat es mir ja nicht geglaubt.
Ich war immer noch nervös, müde und hektisch, aber ich durfte fahren. Es war kurz nach 2 Uhr, als wir dann endlich zu Hause waren.

Berlin ist immer eine Reise wert – aber Paderborn?