6.000 Meter über N.N.

In der „guten alten Zeit“, als in Deutschland noch der gezwirbelte Bart etwas galt, wir noch nicht von bürgerlichen Politikern, sondern von Kaiser Wilhelm II. regiert wurden, da war die Welt noch in Ordnung. Man wusste, was der Kaiser wollte und man besorgte es ihm.
Und da jedes Land seinen Hausberg hat, hatte Deutschland auch einen. Die Kaiser-Wilhelm-Spitze war der Hausberg der Deutschen – und er war mächtig hoch. Ein 6.000er mitten in Deutschland!
Damals hatten wir noch was, damals waren wir noch wer.

Mitten in Deutschland? Genau in der Mitte Deutschland befand sich der Berg nun nicht, eher im süd-östlichen Teil des Kaiserreichs, in einer der beiden Kolonien Deutschlands in Afrika, eben in Deutsch-Ostafrika.

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Und weil der dortige Berg, eben die Kaiser-Wilhelm-Spitze, „nur“ 5.895 Meter hoch war haben sich die Männer dort doch glatt so lange vermessen, bis „offizielle“ 6.000 Meter daraus wurden. Heutzutage würde kein Mann mehr auf die Idee kommen sich zu „vermessen“, nicht einmal der kleine Peter aus dem Song von „Möhre“ (Mirja Boes), aber damals war sich kein preussischer Beamter zu schade, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist.

Erst mit dem Ende des 1. Weltkriegs und dem „Verlust“ der Kolonien für die Spitzhelm-Nation schrumpfte die Kaiser-Wilhelm-Spitze auf den heutigen Wert herunter, zudem verlor sie ihren Namen und wurde wieder zum Kibo mit dem Uhuru (Swahili für „Freiheit“) Peak, mit den Schwesterbergen Mawenzi und Shira bildet der Kibo das Kilimanjaro-Massiv (Swahili für „Berg des bösen Geistes“).

v.l.n.r.: Shira, Kibo, Mawenzi

Der Kilimanjaro wurde oft beschrieben, besungen, spielt in Hunderten von Filmen über Afrika eine Hauptrolle und bewegt nicht nur deutsche Wandertouristen in der ganzen Welt. Stellvertretend ist der „Kili“ auch weltweit das bekannteste Symbol für die Klimaveränderung und Klimaerwärmung. So schrumpfte die Eiskappe des weißen Bergs zwischen 1912 und 2009 von 12 km² auf 1,85 km², was einem Verlust von 85 % entspricht. Irgendwann um das Jahr 2030 herum wird das Buch von Ernest Hemingway „Schnee auf dem Kilimanjaro“ nicht mehr die Realität beschreiben.

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Am 12. Februar 2005 war ich ganz oben auf dem Uhuru Peak und noch immer finde ich, dass das einer der beeindruckendsten Momente meines Lebens war. Wenn ich Mitte Oktober 2010, also nach knapp über 68 Monaten, wieder aufbreche, um diesen Berg ein zweites Mal zu besteigen, dann tue ich das in einem anderen Bewusstsein, ich tue das mit einer anderen Truppe und ich tue das über eine andere Route.

Das andere Bewusstsein

2005 ging es mir darum, zu beweisen, dass ich in der Lage bin, so eine Tour zu schaffen, diese Höhe zu bewältigen und mich der Strapazen dieser Reise zu stellen. Ich habe nicht allzu viele Gedanken an die Landschaft verschwendet, ich war total „gipfelfixiert“ damals.
2010 will ich die atemberaubende Schönheit der Strecke bewusster genießen, immerhin führt der Marsch auf den Gipfel durch nahezu alle Vegetationsstufen dieser Erde hindurch. Ich werde langsamer sein und viel mehr Fotos von der Tour mitbringen als vor gut fünfeinhalb Jahren.

Die andere Truppe

2005 hatte ich mich in eine schweizer Expedition eingebucht und lief daher mit mir zu Anfang unbekannten Schweizern und Deutschen, die zufällig die gleiche Tour gebucht hatten. Ich entschied mich damals für das schweizer Unternehmen „Aktivreisen“ von Hans-Peter Rüedi, weil mein Lauffreund von TV Altendorf-Ersdorf, Andreas Klotz, ebenfalls mit diesem Unternehmen den Kilimanjaro bestiegen hatte. Es war eine großartige Reise, die auch zwei beeindruckende Safaris beinhaltete und mit ein paar Badetagen in Kenia abschloß.
2010 laufe ich mit deutschen Freunden, die alle der Natur- und Landschaftsfotografie zugewandt sind. Und ich laufe mit Andreas Klotz, eben dem, dessen Erzählungen über den Kilimanjaro mich damals spontan dazu bewegt hatten, diesen Gipfel in meinen Laufplan einzuarbeiten.
2006, also ein Jahr später, sind meine liebe Frau Gabi und ich mit ihm in Venezuela auf den Tafelberg Auyan Teupui gegangen, eine Reise, aus der später ein Buch entstanden ist, das man bei Amazon kaufen konnte.

Dieses Buch war auch der Vorläufer, die Übung gewissermaßen, für Andreas Klotz‘ nächstes Projekt, über das ich an dieser Stelle schon einmal berichtet hatte. Es ist das Projekt „Mondberge.com“, also der Marsch auf drei Gipfel des Ruwenzori Gebirges in Uganda und zudem der Besuch bei den geschützten Berggorillas. Es wurde ein Foto- und Multimediaprojekt, das enorme Spenden zusammenbrachte eben für die bedrohten Berggorillas, die Tiere, die uns so nahe sind, dass es manchmal schon unheimlich ist.
Das Ruwenzori Gebirge befindet sich rund 900 Kilometer nördlich des Kilimanjaro-Massivs und ich bin froh und stolz, erneut mit Andreas einen Berg besteigen zu dürfen. Aktuell plant Andreas mit dem Mondberge.com – Team ein paar großartige neue Sachen. Ich bin sicher, bald darüber berichten zu können.

Die andere Route

Normalerweise besteigen europäische Wandertouristen den Kibo über die „Coca-Cola-Route“, die Marangu-Route. Sie ist die leichteste der insgesamt 10 Routen auf das „Dach Afrikas“, außerdem ist es die einzige Route, bei der Du in festen Hütten schläfst und eben nicht nur in Zelten.


Andererseits ist sie auch eine Art Autobahn und Du bist dort eigentlich nie alleine. Rund 100 Menschen gehen diese Route täglich nach oben und weil alle nahezu zur gleichen Zeit frühmorgens aufbrechen, ist der Weg oft sehr voll. Das reduziert das Gefühl, etwas „Besonderes“ zu leisten, doch gewaltig.

Die alternativen Routen sind die:

  • Barafu-Route – steile Teilroute von der bzw. über die Barafu Hut (4.600 m) auf den Kibo
  • Lemosho-Route – Ausgangspunkt Londorossi (2.250 m)
  • Machame-Route – Ausgangspunkt Machame (1.800 m)
  • Mweka-Route – Ausgangspunkt Mweka (1.700 m)
  • Rongai- oder Kikelewa-Route – Ausgangspunkt Nalemoru (2.020 m)
  • Shira-Route – Ausgangspunkt Londorossi (2.250 m)
  • Umbwe-Route – Ausgangspunkt Umbwe (1.700 m)
  • Western-Breach-Route – steile Teilroute vom bzw. vorbei am Lava Tower (4.600 m) auf den Kibo
  • Thomas-Glacier-Route – Route führt über den Gletscher des Nördlichen Eisfelds – Erstbegehung 28./29. Oktober 2009

Wir werden die Machame-Route nach oben gehen, nach unten aber werden wir die Rongai- oder Kikelewa-Route auswählen. So sehen wir viel mehr von der Landschaft und natürlich auch vom Vulkankrater, ein Ausblick, der Dir bei der Marangu-Route leider verwehrt bleibt.

Am 12. Oktober geht es los, von Düsseldorf über Amsterdam direkt auf den Kilimanjaro Airport und wenn wir alle am 22. Oktober wieder deutschen Boden unter den Füßen haben werden, dann werden wir viele Fotos im Gepäck haben, als Team eng verbunden sein und wir werden uns gewiss sein, vielleicht eine der letzten Chancen ergriffen zu haben, den „Schnee auf dem Kilimanjaro“ noch zu erleben.

Und für mich schließt sich dann auch ein privater Kreis. Unsere Tochter Milena ist im Sommer noch mit einem Schulprojekt in Tansania gewesen. Sie hat dort 14 Tage mit tansanischen Schülerinnen und Schülern zusammen gelernt und gelebt. FairTrade war damals einer der Lehrpunkte, der Umgang der tansanischen Bevölkerung mit der gemeinsamen Geschichte war ein anderer.
Und wenn die Tansanier die Deutschen „fast perfekte Menschen“ (Übersetzung aus Swahili) nennen, dann vergessen sie die unglaublich vielen Toten, die Deutschland in dieser ehemaligen Kolonie zu verantworten hat.

Die tansanischen Schülerinnen und Schüler wussten selbstverständlich davon, aber sie lobten vor allem, dass Deutschland ihnen ja die Eisenbahn gebracht hätte …

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AFRIKA – der schönste Kontinent …

Ich bin ein Afrika-Fan!

Es begann vielleicht mit den ersten Worten von Karen Blixen (geboren als Karen Christenze Dinesen, in  Deutschland unter dem Pseudonym „Tania Blixen“, in den angelsächsischen Ländern als „Isak Dinesen“ bekannt) in „Jenseits von Afrika“:

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„Ich hatte eine Farm in Afrika, am Fuße der Ngong Berge …“

Sehnsuchtsvolle Worte, gesprochen zu wunderschönen ruhigen Bildern und elegischer Musik in einem Film, der noch immer zu meinem Lieblingsfilmen zählt, auch wegen des großartigen Robert Redford und der bezaubernden Meryll Streep.

Aber richtig fasziniert hat mich Afrika bei meinem Trip auf den 5.895 Meter hohen Kilimanjaro (Kilimandscharo-Massiv), den Kili, die ehemalige „Kaiser Wilhelm Spitze“, das „Dach Afrikas“.
Wir fuhren durch Kenia und durch Tanzania, wir besuchten Krankenstationen, in denen AIDS das Thema schlechthin war und wo Kinder regelmäßig mit Verbrühungen lagen, weil häufig noch immer traditionell die Töpfe auf einem Feuer in der Rundhütte auf drei Steinen steht und die Kinder den Topf dann beim Spielen umwerfen. Und wir besuchten afrikanische Kirchen, wir erlebten eine christliche Messe dort wurden anschließend von den Frauen eines Dorfes zu unserem Auto getragen, einem offenen Pick-Up, auf dessen Ladefläche wir alle standen. Ein tolles Festbankett wurde für uns veranstaltet, bei dem eine Ziege über dem offenen Feuer gegrillt wurde und die dann als ganze Einheit mit Kopf und Gemächt vor uns auf dem Tisch stand. Ein wenig anders wurde mir bei dem Anblick schon und ich war noch nie so froh, kein Fleisch zu essen. Aber die Begeisterung, der Lebenswille und die Hilfsbereitschaft dort war in echtes Erlebnis und das, obwohl wir wirklich in Problemregionen unterwegs waren.

Wir sahen unglaublich reiche Afrikaner, hektische und florierende Städte, Verkehrsstockungen wie in Asien und gleich neben all dem stand ein Massai, der, in traditionelle Tracht gekleidet, das Treiben der Menschen skeptisch beobachtete. Und wir gingen auf Fotosafari in zwei unglaublich schöne Nationalparks, in den „Ngorongoro Krater“ (Ngorongoro Conservation Area)  und in den „Tarangire Nationalpark“ (Tarangire National Park). Diese Eindrücke haben mich sehr bewegt, vor allem, als ein nur wenige Tage altes Löwenbaby schnurstracks auf unseren Safari-Wagen zugelaufen kam. Leider darf man da nicht aus dem Wagen raus und das Streicheln des Babies hätte die Löwin wohl auch nicht so toll gefunden, aber ich stellte mir vor, wie weich und knuddelig dieses Löwenbündel doch sein müsse. Dort habe ich auch gelernt, dass das Bild von Afrika, das uns „Westlern“ von Kindesbeinen auf eingetrichtert wurde, nur sehr bedingt stimmt. Ein kleines Beispiel: da lagen die Löwen faul in der Sonne, obwohl die Zebras nur wenige Meter weit weg waren und es war Frieden. Kein Löwe jagt, wenn es nicht unbedingt sein muss. Und kein Löwe hat ein Konto, auf das er seine Beute, die er nicht verspeisen kann oder will, einzahlt, um für später vorzusorgen. Nur das „HEUTE“ zählt.

Im vergangenen Jahr haben wir uns dann Namibia angesehen und sind dort von Süd nach Nord, von der Mitte nach Osten, nach Westen und wieder zurück gefahren. Wir sind in die Vorstädte gefahren, auch dorthin, wo gemeinhin kein Tourist sich blicken lässt. Überall haben wir nette, freundliche und aufgeschlossene Menschen kennen gelernt und wir fühlten uns stets sicher und behütet.

Warum schreibe ich all das?

Eigentlich nur, um klar zu machen, dass Afrika ein Kontinent ist, kein Land. Eine Sammlung verschiedenster Menschen, Reiche und Arme, Stadt und Land, Intellektuelle und Native, alle Vegetationsstufen von der Wüste bis zu den Tropen, hohe Berge, endlose Weiten. Und doch denken wir in Europa häufig in Klischees über Afrika. Wir denken an Armut, an korrupte Politiker, an AIDS, Malaria und andere Krankheiten. Um diese Vorurteile weiter zu pflegen, hat Binyavanga Wainaina, ein kenianischer Schriftsteller, der in Nairobi lebt, eine entsprechende Anleitung für uns Europäer verfasst, nicht ohne Süffisanz, wie ich ergänze. Binyavanga Wainaina ist der Gründer und Leiter der Literaturzeitschrift „Kwani“ in Nairobi. Der Artikel wurde in der Süddeutschen Zeitung abgedruckt, ich finde ihn lesenswert, interessant und absolut zutreffend:

Schreiben Sie so über Afrika! Stöhnen ist gut: Eine Anleitung!

Verwenden Sie im Titel die Worte „Afrika“, „Finsternis“ oder „Safari“, im Untertitel können außerdem Begriffe wie „Sansibar“, „Nil“, „Groß“, „Himmel“, „Schatten“, „Trommel“ oder „Sonne“ auftauchen. Immer hilfreich sind Wörter wie „Guerillas“, „zeitlos“, „ursprünglich“ oder „Stamm“.

Zeigen Sie niemals das Bild eines modernen Afrikaners auf dem Buchumschlag, es sei denn, er hätte den Nobelpreis gewonnen. Verwenden Sie stattdessen: eine Kalaschnikow, hervortretende Rippen, nackte Brüste. Falls Sie tatsächlich einen Afrikaner abbilden müssen, nehmen Sie einen Massai, Zulu oder Dogon.

In Ihrem Text sollten Sie Afrika als ein einziges Land behandeln. Es sollte heiß und staubig sein mit wogenden Weiden, riesigen Tierherden und großen, dürren Menschen, die Hunger leiden. Oder heiß und schwül mit sehr kleinen Menschen, die Affen essen. Verzetteln Sie sich nicht in detaillierten Beschreibungen. Afrika ist groß: 54 Länder und 900 Millionen Menschen, die viel zu sehr damit beschäftig sind, zu hungern, zu sterben, zu kämpfen und auszuwandern, als dass sie Zeit hätten, Ihr Buch zu lesen. Der Kontinent ist randvoll mit Wüsten, Regenwald, Savanne und vielem anderem, aber Ihrem Leser ist das egal, deshalb beschränken Sie sich am besten auf romantische, raunende und eher unspezifische Darstellungen.

Betonen Sie, wie tief Musik und Rhythmus in der afrikanischen Seele verwurzelt sind, und bemerken Sie, dass Afrikaner Dinge essen, die niemand sonst runterbringt. Kein Wort über Reis, Rindfleisch oder Weizen. Zur afrikanischen Cuisine gehört Affenhirn, außerdem Ziege, Schlange, Würmer, Larven und jede Sorte Wild. Lassen Sie den Leser wissen, wie Sie gelernt haben, alles dies zu essen und sogar zu genießen. Weil Ihnen daran liegt.

Enden Sie mit Mandela

Tabu-Themen sind Alltag, Liebe (es sei denn, es ginge auch um Tod), afrikanische Schriftsteller oder Intellektuelle, Schulkinder, die nicht unter Ebola oder anderen schlimmen Krankheiten leiden. Der Ton Ihres Buches sollte gedämpft sein und eine gewisse Komplizenschaft mit dem Leser zum Ausdruck bringen. Ihre Haltung ist ein betrübtes „Ich-hatte-so-viel-erwartet“. Erwecken Sie früh den Eindruck einer zutiefst liberalen Grundeinstellung, und kommen Sie rasch auf Ihre unerschütterliche Liebe zu Afrika zu sprechen. Afrika ist der einzige Kontinent, den Sie lieben dürfen – machen Sie was draus! Wenn Sie ein Mann sind, werfen Sie sich dem jungfräulichen Regenwald in die Arme. Sind Sie eine Frau, betrachten Sie Afrika als Mann mit Buschjacke auf dem Weg in den Sonnenuntergang. Afrika muss man bemitleiden, ihm huldigen oder es beherrschen. Aber ganz egal, wofür Sie sich entscheiden – ohne Ihr Engagement und Ihr Buch würde Afrika vor die Hunde gehen. Lassen Sie daran keinen Zweifel.

Zu den afrikanischen Figuren Ihres Buches könnten nackte Krieger, treue Diener, Wahrsager und Seher gehören, weise alte Männer in phantastischer Einsamkeit. Außerdem korrupte Politiker, polygame Reiseleiter und Prostituierte, mit denen Sie geschlafen haben. Der Treue Diener benimmt sich in der Regel wie ein Siebenjähriger und braucht eine strenge Hand. Er fürchtet sich vor Schlangen, ist kinderlieb und verwickelt Sie ständig in seine häuslichen Streitereien. Der Weise Alte Mann gehört immer zu einem edlen Stamm (nicht zu den geldgierigen Gikuju, Igbo oder Shona). Er hat triefende Augen und ist innig mit der Erde verbunden.

Der Moderne Afrikaner ist ein raffgieriger Fettsack, der in einem Visabüro arbeitet und sich weigert, qualifizierte Mitarbeiter aus dem Westen einreisen zu lassen, obwohl ihnen wirklich an Afrika liegt. Er ist ein Feind jeder Entwicklung und nutzt sein Regierungsamt, um pragmatische und gutherzige Ausländer daran zu hindern, eine Nicht-Regierungs-Organisation aufzuziehen. Vielleicht ist er aber auch ein ehemaliger Oxford-Absolvent, der in der Politik zum Serienkiller wurde und feine Anzüge trägt. Ein Kannibale mit einer Vorliebe für eine bestimmte Champagner-Marke und einer Hexe als Mutter, die in Wahrheit das Land regiert.

Auf keinen Fall darf die Hungernde Afrikanerin fehlen, die sich halbnackt von Lager zu Lager schleppt. Ihre Kinder haben Fliegen in den Augenwinkeln und Hungerbäuche, ihre Brüste sind leer. Sie hat keine Geschichte, keine Vergangenheit, das würde nur die Dramatik des Augenblickes stören. Stöhnen ist gut.

Bringen Sie außerdem irgendwie eine warmherzige, mütterliche Frau mit tiefem Lachen unter. Sie nennen sie Mama. Ihre Kinder sind Kriminelle. Gruppieren Sie diese Figuren um Ihren Helden. Der Held sind Sie selbst (Reportage) oder eine gut aussehende tragische Berühmtheit, die sich im Tierschutz engagiert (Roman). Zu den Bösewichtern aus dem Westen könnten die Kinder konservativer Abgeordneter gehören oder Afrikaner, die für die Weltbank arbeiten. Falls Sie die Ausbeutung durch ausländische Investoren erwähnen möchten, denken Sie an Chinesen und Inder. Geben Sie dem Westen die Schuld an der Misere in Afrika. Aber bleiben Sie vage.

Vermeiden Sie es, lachende Afrikaner zu beschreiben oder Menschen, die einfach nur ihre Kinder erziehen oder irgendetwas Banales tun. Die Afrikaner in Ihrem Buch sollten bunt, exotisch, überlebensgroß sein – aber hohl, ohne Entwicklungen und Tiefe. Das würde die Sache nur verkomplizieren.

Beschreiben Sie detailliert nackte Brüste (junge, alte, vor kurzem vergewaltigte, große, kleine), verstümmelte Genitalien oder geschmückte Genitalien. Jede Art von Genitalien. Und Leichen. Nein, noch besser: nackte Leichen. Am besten: nackte verwesende Leichen. Denken Sie daran, dass schmutzige, unglückliche Menschen als das „wahre Afrika“ gelten. Sie müssen sich deshalb nicht schlecht fühlen. Sie versuchen ja nur, Hilfe aus dem Westen zu mobilisieren. Keinesfalls sollten Sie allerdings jemals tote oder leidende Weiße zeigen.

Tiere wiederum beschreiben Sie als hochkomplexe Charaktere. Tiere sprechen oder grunzen, sie haben Namen, Ziele und Sehnsüchte. Und sie legen Wert auf ihre Familien: Haben Sie bemerkt, wie schön die Löwen mit ihren Jungen spielen? Elefanten sind liebevoll, sie sind gute Feministinnen oder eindrucksvolle Patriarchen. Gorillas ebenfalls. Sagen Sie nie, nie, nie etwas Schlechtes über einen Elefanten oder einen Gorilla. Selbst wenn ein Elefant Häuser niedertrampelt und vielleicht Menschen tötet.

Neben Prominenten und Helfern sind Umweltschützer die wichtigsten Menschen in Afrika. Legen Sie sich nicht mit ihnen an, schließlich wollen Sie sie mal auf ihrer riesigen Ranch interviewen. Jeder sonnengebräunte Weiße in Khaki-Shorts, der mal eine Hausantilope hatte, ist ein Tierschützer, der um Afrikas reiches Erbe ringt. Fragen Sie nie, wie viel Geld er wirklich für Afrika ausgibt. Fragen Sie nie, wie viel er mit seiner Safari-Ranch verdient. Fragen Sie nie, was er seinen Angestellten zahlt.

Vergessen Sie nicht, das Licht in Afrika zu erwähnen, Ihre Leser wären enttäuscht. Den großen, roten Sonnenuntergang. Den weiten Himmel. Weite leere Räume und wilde Tiere sind unverzichtbar. Afrika ist geradezu das Land weiter leerer Räume. Sollten Sie allerdings über die Vielfalt von Pflanzen und Tieren schreiben, erwähnen Sie die Überbevölkerung. Sollte sich Ihr Held in der Wüste oder im Dschungel bei irgendeinem indigenen Volk befinden (Hauptsache, es ist klein), dürfen Sie erwähnen, dass Aids und Kriege Afrika entvölkern.

Beenden Sie Ihr Buch mit einem Nelson-Mandela-Zitat, am besten mit irgendetwas über Regenbögen oder Wiedergeburt. Weil Ihnen daran liegt.

113 Träger … und dennoch gescheitert!

Kilimanjaro
Zum Glück gehören wir nicht zu den Menschen, die alles mit Geld zu lösen versuchen. Der Milliardär Roman Abramovic dachte wohl, dass es sehr leicht sein muss, ganz oben auf dem Uhuru Peak zu stehen, dabei weiß die Wissenschaft, dass etwa 5% der Menschen biologisch gar nicht in der Lage sind, in dieser Höhe zu atmen. Und diese Gruppe von Menschen könnte dieses Manko auch nicht durch fleißiges trainieren ausgleichen. Ob aber Roman Abramovic fleißig trainiert hat? Ich bezweifle das sehr. Ich aber freue mich darüber, dass ich ihm wenigstens hierin etwas voraus habe. Die Ankunft auf dem Gipfel des einstmals „höchsten Berges Deutschlands“, der ehemaligen „Kaiser Wilhelm Spitze“, bei der man sich absichtlich in der Höhe vermessen hat, damit Deutschland auch einen echten 6.000-er Berg hat, diese Ankunft war schon etwas ganz Besonderes damals. Dieses Foto vom 12. Februar 2005 belegt das:

UhuruPeak

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Was lernen wir daraus? Ein Träger genügt!

Прости(те) пожалуйста [prasstiti pashalussta] Herr Abramovic!