Warum ich 514,36 Kilometer laufen werde …

Am Anfang war die Idee

„Nach etlichen Jahren in Weeze wechselt der StrongManRun seinen Veranstaltungsort und geht nach Nürnberg!“

So stand es in einer Pressemitteilung, die ich irgendwie über Twitter bekommen habe. Nürnberg? In meine Geburtsstadt? Wohin denn da genau, fragte ich mich und las weiter, dass der Nürburgring ein ideales Gelände für den 2011er StrongManRun sein würde.
Der Nürburgring bei Nürnberg?

Schon zwei Tage später tickerte die Meldung ein, dass es sich in der besagten Pressemitteilung um einen Tippfehler gehandelt hätte, gemeint war natürlich das Eifel-Städtchen Nürburg am Nürburgring. OK, dachte ich, so klingt das logisch. Nürburg ist von uns aus nur rund 30 Kilometer entfernt, ein Städtchen direkt vor meiner Haustüre also.

Mich lies der Gedanke, der mir dann kam, nicht mehr los: beide Städte haben etwas mit meinem Leben zu tun, der StrongManRun hat mich als Lauf schon immer fasziniert, ich kenne die Macher hinter dem Lauf. „Alles Dinge, die mit Dir zu tun haben,“ dachte ich weiter und dann beschloss ich, diese Dinge miteinander zu verbinden.
Die Idee war geboren.


Der Weg zum Ziel

„Trailschnittchen“ Julia Böttger hat es mit ihrem „Weg nach Chamonix“ vorgemacht, bei meinem Lauf durch die Nacht nach Ratingen („Ein 5.000 Meter-Lauf mit reichlich Anlauf“) bin ich schon einmal zu einem Event lange und weit hingelaufen.
Und jetzt mache ich das als Lauf zum StrongManRun 2011. Ich bin begeistert!

Und ich wurde hektisch. Die Idee musste vorgestellt werden, die Laufroute musste geplant werden. 514,36 Kilometer werden es sein, mehr als ich dachte. Zumindest sagt das map24.de mit der Option „Fußgänger“. Vielleicht werden es sogar noch einige Kilometer mehr, wer weiß das schon.
5 Tage habe ich dafür eingeplant, aber einen Puffertag am Ende gönne ich mir auch noch.

Bei Zurückrechnen der Tage stellt sich heraus, dass der Starttag der Montag, der 11. April sein wird.
Montag, der 11. April 2011?

Da war doch was …, dachte ich und dachte an die Afrika-Rundreise, die nicht anzutreten aus verschiedenen Gründen die erste Familien-Entscheidung in 2011 gewesen war.
An jenem 11. April wollte ich eigentlich in Tansania am N’gorongoro Krater sein, um am Abend meinen, nein unseren  … ja genau … 25. Hochzeitstag zu feiern.
Auch dieses Datum hat mit meinem Leben zu tun. Manche mögen darüber spekulieren, ob das herzlos ist, ich finde aber, dass es ein hervorragendes Datum ist, um so einen Lauf zu beginnen.

Am Freitag Abend will ich dann in Nürburg sein und bis dahin jeden Tag durchschnittlich 103 Kilometer weit gelaufen sein. Und dann gibt es einen Tag lang Entspannung und Massagen.
Oder ich muss „nachsitzen“, falls ich die Strecke innerhalb der geplanten Zeit nicht schaffen sollte.
Also besser pünktlich sein und sich nett verwöhnen lassen.
Und am Sonntag danach noch die 18 Kilometer des StrongManRuns ablaufen, ganz entspannt, ohne jeglichen Zeitdruck.
Einfach den Lauf genießen.

Die Umsetzung

Eine Weile habe ich daran gedacht, diesen Lauf sogar mit dem blinden Weltrekordler Jeffrey Norris zu machen, aber er hat nach zwei Telefonaten leider abgesagt, weil der zeitliche Abstand zu seinem nächsten Event zu gering ist. Schade, immerhin hätten wir uns dann mit dem Wohnmobil begleiten lassen können.
So aber bleiben noch viele Fragen offen.

Da ist zum Beispiel die Frage, wo ich nächtigen werde. Eine Frage, die fast automatisch zur Einschätzung der Wetterverhältnisse an diesen Tagen führt. Ich überlege hier, eventuell mit einem Single-Bivy unterwegs zu sein, aber der notwendige Schlafsack, das Bivy und die Isomatte erzeugen ein zusätzliches Gewicht, das ich eigentlich nicht tragen will.
Oder ich versuche, in Pensionen unterzukommen. Das macht manches gemütlicher, aber es hat auch Nachteile.
Wenn ich die Nächtigungen vorbuche, dann muss ich mich definitiv und verbindlich auf bestimmte Etappenlängen einstellen. Mit Grausen erinnere ich mich noch an den unglaublichen Regen, in den Hauke König, Susanne Alexi und ich beim Lauf auf dem Elberadweg von Dresden nach Hamburg gekommen sind.
Und wenn Du dann noch 30 Kilometer bis zu Deiner Herberge laufen musst, dann verflucht man schon mal den Wettergott, Frau Holle und die Kachelmänner dieser Welt, einzeln oder auch alle zusammen.
Wenn ich aber nicht vorbuche, dann muss ich vielleicht gegen oder nach Mitternacht irgendwo klingeln. Ob honorige Pensionswirtinnen einem nassgeschwitzten Läufer mitten in der Nacht aber wirklich noch ein Zimmerchen anbieten?
Immerhin sehe ich weder so gut aus wie George Clooney noch bin ich so gewinnend wie Thomas Gottschalk.
Wie man es dreht und wendet: mit einem Wohnmobil an der Seite wäre vieles einfacher.
Das aber geht nicht, also weg mit diesem Gedanken.

Weiterhin ist da auch die Frage, wie ich an Wechselwäsche und Wechselschuhe komme und wo ich ausgewechselte Wäsche und Schuhe deponieren kann. Natürlich denke ich da sofort an die vielen Läufer, Blogger, Twitterer und Förderer, die an meiner Laufstrecke wohnen. Vielleicht hilft es, hier fündig zu werden, wenn Du diesen Artikel tweetest?

Auch will ich ja fotografieren, twittern und bloggen während der Veranstaltung.
Zeit dafür habe ich aber eigentlich nicht, immerhin habe ich rund 17 Stunden pro Tag zu laufen.
Und ich will die Fotos auch irgendwie Euch zur Verfügung stellen. Der Transport der Fotos ins Internet wird aber nicht in einer Plastiktüte stattfinden können und auch Upload-Zeit ist Zeit, die mir fehlen würde.
Ein weiterer Grund für Freunde und Unterstützer rund um die Laufstrecke, mir da Arbeit abzunehmen.

Unterstütze mich, wenn Dir die Idee gefällt

52 Tage vor dem Beginn des Events bitte ich Dich, mir beim Finden von lokalen Unterstützern behilflich zu sein.

Wenn Du bei Deinen Followern und Freunden diese Idee und Bitte erwähnst und das auch andere tun, dann sollten wir alle gemeinsam doch das eine oder andere hierbei erreichen. Die Läufer-, Twitter- und Facebook-Gemeinde ist doch riesig.

Und dann heißt es hoffentlich mal wieder: „TomWingo, you never walk alone!“

Und was ist mit der Startkarte für den wunderschönen Wien-Marathon? Na ja, für diesen Lauf lasse ich die doch gerne ungenutzt …

Von Dresden nach Hamburg …

Autor: Hauke König

… Kurs Nord-Nord-West (Teil II)

… Es geht weiter – immer an der Elbe entlang. Am dritten Tag waren wir bis nach Magdeburg gekommen. Und es geht immer weiter…

Tag 4

Es ist Montag. Tom und Thomas müssen wieder nach Hause. Das ist echt schlimm für mich. Susanne hat spontan ihren Urlaub verlängert, um mich weiterhin betreuen zu können. Bis ans Ziel. Das ist der Hammer! Ich weiß nicht, wie ich ihr danken soll. Gegen 13:00 Uhr ist es dann soweit. Tom und Thomas müssen zum Bahnhof nach Stendal gebracht werden. Und weil das nicht auf der Strecke liegt, überlege hin und her und will es mir  am Ende aber nicht nehmen lassen, mitzukommen und den beiden für das, was sie für mich und mit mir gemacht haben, zu danken und sie zu verabschieden. Das ist mir jetzt wichtiger, als der ganze „Wie-weit-kannst-du-am-Stück-laufen-Kram“. Ich fahre also mit nach Stendal und tue, was ich tun muss. Ab dort übernimmt Susanne dann Lenkrad, Herd und Regiment. Weil wir viel Zeit verloren haben und ich ja irgendwann auch mal ankommen will, beschließe ich jetzt durchgehend Gas zu geben. Ich bin alleine und kann mich gut auf meinen Lauf konzentrieren. Ich treffe Susanne etwa alle 17-23 Km und komme im Gegensatz zu den letzten Tagen hervorragend voran.

Ich laufe immer auf dem Deich, durch ein Vogelparadies. Es gibt hier in den Auen und Niederungen so unglaublich viele Vögel. Außerdem ist es bis zum Anbruch der Nacht total warm. Ich laufe garantiert einen Schnitt, der mit einer 5 beginnt. Kurz vor einer Stadt/Ort (ich glaube es war Werben?) führt mich ein Schild in die falsche Richtung. Laut Karte wäre dieser Ort schon längst erreicht, aber die Kopfsteinpflasterallee führt kilometerweit ins Nichts. Also wieder einer dieser Momente von denen es so viele gab auf dieser Reise. Während eines Telefonats mit Susanne kann ich ihr leider nicht sagen, wo ich bin. Sie soll mich hier irgendwie rausholen, aber ich kann ihr nicht sagen wo. Dies ist DER Moment für mein Telefonakku. Der sagt nämlich „Tschüssikowski!“, während ich im Nirgendwo stehe. Ich laufe die Straße wieder zurück bis zum nächsten Haus und frage dort nach meinem Etappenziel. Der Mann schaut mich verwundert an, zeigt in die Richtung aus der ich NICHT kam und sagte: „Man, Junge, det ist doch gleich hier. 300 Meter.“ Ein verrückter Moment. Ich stand in der Pampa und Nichts deutete darauf hin, dass es in der Nähe eine menschliche Ansiedlung geben könnte. Und im gleichen Moment kommt mir Susanne in meinem Auto entgegen. Ich bin so froh über die Rettung und steige ein. Wir fahren durch die „Elbmetropole“.

Es ist zwar schon spät, aber hier ist in keinem Fenster noch Licht. Alles dunkel. Nix los. Völlig tote Hose. Nicht einmal eine Katze. Das gibt es doch nicht. Aber anscheinend doch. Wir fahren dahin, wo für uns der Elberadweg klar definiert erscheint: an die Elbe. Hier übernachten wir, weil meine Beine nicht mehr wollen. Ich war wohl doch zu schnell, die letzten 50-60 Kilometer. Außerdem muß der Telefonakku aufgeladen sein. Eine solche Situation wie vorhin möchte ich auf keinen Fall noch einmal erleben. In Zeiten höchster Not geht das Telefon aus. Also gründlich aufladen. Im Morgengrauen geht es im Nebel weiter, aber es verspricht ein sehr warmer und schöner Tag zu werden.

Tag 5

Mittwoch. Die Zeichen stehen auf „Hau rein, Alter und zeig was du kannst, denn das ist der Tag dafür!“ Und das tue ich dann auch. Ich genieße die Sonne und laufe schnell. Komisch, ich werde mit zunehmender Kilometerleistung immer schneller. Der Puls pendelt sich bei angenehmen 120 ein. Nicht im Schnitt, sondern beim Laufen. Ich habe das Gefühl totaler Frische und Fitness, frage mich allerdings, wo das herkommen soll. Zum Teil wird es daran liegen, dass ich mit Freude auf Niedersachsen zulaufe, wo ich aufgewachsen bin und wo ich einen Hauch von Zuhause verspüre. Und weil ich in Richtung Wendland laufe, wo ich mich eher aus anderen Gründen „Zuhause“ und mit der Bevölkerung verbunden fühle. Irgendwann ist es endlich soweit. Ich bin im Wendland und nahe der Heimat. Es bleibt ein sehr warmer und sonniger Tag und als ich um die Mittagszeit am Gartower See vorbeilaufe, kann mich nix mehr halten.
An einem Strand, der voll mit mich fragend anschauenden Menschen und Badenden ist, ziehe ich so schnell es geht die Schuhe aus, schmeiß den Tankrucksack weg, den MP3-Player samt Kopfhörer hinterher und ab ins Wasser. Wo war ich? Tag 5 ohne Dusche? Ich war im Paradies! Weiter auf dem Weg laufe ich einen für die Gegend ziemlich steilen Hügel hinauf und durch ein Dorf. Dahinter gelange ich auf eine Landstraße mit Radweg. Es ist ein typischer Sommernachmittag. Ich habe die Kopfhörer auf, Paul Anker singt Nirvana und Billy Idol Songs und plötzlich bemerke ich etwas. Ich höre etwas Merkwürdiges, obwohl ich Kopfhörer trage und Musik höre. Da ist was. Ich halte an, mache die Musik aus und nehme die Kopfhörer ab. Dann höre ich es richtig. Stille. Absolute Stille. Ich bin irgendwo kurz vor Vietze zwischen Kiefernwald und Feldern und es ist nichts zu hören. In und um Hamburg gibt es ja immer so eine Grundlautstärke. Im Schwarzwald übrigens teilweise auch. Aber hier ist so gar nichts zu hören. Kein Vogel, kein Trecker (der kam dann aber später noch mehrfach) einfach nix. Abwesenheit aller Geräusche. Das ist gut! Ich bin nicht mehr fern der Heimat, das Wetter ist gut, ich habe die Musik nicht an, genieße die absolute Stille und mich kann nichts mehr stoppen. Denke ich.

Das Wendland ist wirklich sehr schön. Zumindest macht es auf mich einen sehr guten Eindruck. Und ich bin getrieben auf einer Welle von Freude beim Durchlaufen und schlage ein Tempo an, das alles Vorherige bei diesem Lauf um vieles übertraf. Was heißt, ich schlage ein Tempo an? Ich laufe einfach und freute mich am Laufen selbst. Ich achte nicht auf Pace, oder so´n Kram. Zuerst.
Aber irgendwann kommt die Nacht. Und zeitgleich mit dem Wegbleiben des Tageslichtes wird es anstrengend. Und wie. Ich war vom Loslaufen am Morgen bis jetzt etwa 120 Km gelaufen, aber jetzt spüre ich meine Hüfte. Und zwar richtig. Ich weiß ja, dass das alles Psychokram ist, aber der ist halt da. Es geht nicht mehr.
In Hitzacker muss ich pausieren. Die Hüfte schmerzt zwar, aber sonst fühle ich mich eigentlich total gut. Aber wie soll es jetzt weitergehen? So schaffe ich es nicht, die verabredete Zeit in Hamburg einzuhalten. Ich bespreche die Situation mit Susanne und wir beschließen: Ich lege mich hin und sie fährt mich in der Zeit ein Stück weiter in Richtung Geesthacht. Leider kann ich dadurch auch nicht mehr die angepeilten 560 Kilometer laufen. Es werden weniger. Das ist mir in diesem Moment egal. Schade, aber egal.

Susanne hält zwischen Wiesen und Pferdekoppeln, ich steige aus und laufe in Richtung Hamburg. Ach ja, Tom hatte zwischendurch noch von Zuhause (Grafschaft in NRW) angerufen und gefragt, ob es für mich ok wäre, wenn er beim Zieleinlauf in der Hamburger Hafenstraße dabei wäre. Er würde dann noch mal vorbeikommen. OK? Da ist fantastisch! Total verrückt, aber extrem super! Und noch während ich mich auf Tom und Hamburg und eine Dusche freue, klingelt mein Telefon und ein Fotograf der Hamburger Morgenpost möchte mich vor dem Ziel noch sehen und fotografieren. Wir verabreden einen Treffpunkt im Südosten Hamburgs und es werden Fotos gemacht. Er ist Hamburgs rasender Reporter und sieht auch ganz genau so aus. Etwas zerknitterter Leinenanzug, teure Schuhe (ich vermute er tanzt argentinischen Tango, oder will, dass man das von ihm denkt), längere Haare und ein lustiges Gesicht, das offensichtlich schon viel gesehen, aber auch mitgemacht  hat.

Egal wie das Ergebnis wird, es macht Spaß mit dem Kerl. Dann klingelt wieder das Telefon und der NDR möchte mich auch gerne noch vor dem Ziel filmen. Wir treffen uns am Rödingsmarkt/Kajen. Ich, Susanne und Tom werden die letzten 1500m beim Laufen  gefilmt. Als ich endlich am Ziel bin, stehen dort viele Freunde, Bekannte und Kollegen. Ich bekomme erzählt, dass ich entgegen meiner Erwartung heute nicht um 14:00 arbeiten muss, sondern erst morgen. Super!

Aber vor allem freue ich mich über meine kleine Tochter. Welch eine Freude! Nach so langer Zeit mein  Kind wieder auf den Arm nehmen zu können, war der absolute Hammer. Dann waren allerdings noch Interviews dran und so´n Kram. Jana, mein V-Mann aus München, war extra gekommen, um das mit der Presse zu koordinieren. Danke, dass du da warst. Ich wäre eigentlich noch total gerne mit Jana, Tom und Susanne was Essen gegangen, aber jetzt wo die ganze Anspannung abfällt, bin ich einfach nur noch müde. Tom nimmt Susanne samt Klamotten mit und setzt sie direkt vor ihrer Haustür in Köln ab, Enna und ihre Mama fahren mich im Wohnmobil nach Hause. Pommes-Majo, Kuss und tschüß an Enna, Bett. Morgen arbeiten.
Und das Spendenergebnis? frubiase SPORT spendet für Dunkelziffer e.V. pro gelaufenen Kilometer 1€ . So konnten wir mit unserem Elbelauf insgesamt 600 Euro erlaufen. Das ist für die umfangreiche und wichtige Arbeit von Dunkelziffer zwar nicht viel, aber ich hoffe, es hilft. Vielen Dank für die Unterstützung bei meinem Elbeprojekt!

Aus erinnerungstechnischen Gründen musste ich leider viele Dinge, Situationen und Gebäude unerwähnt lassen. Auch Fähren, die nicht fuhren, weil sie kaputt waren, weil kein Wochenende mehr war oder weil es nach 19:00 Uhr war. Und somit natürlich auch die damit verbundenen Umwege. Ach ja, Umwege: Die diversen Baustellen und Umleitungen, die den Weg auf keinen Fall kürzer gemacht haben, spare ich mir auch. Letztlich ergibt sich eine Summe von 530 gelaufenen Kilometern.

Und am Ende fehlt noch die alles bedeutende Antwort auf die Frage: „Sind 560 Km am Stück machbar?“
Antwort: „Keine Ahnung. So jedenfalls nicht. Aber anders vielleicht. Ich bleibe dran!“

Susanne Alexi: Du bist 285(?) Kilometer mit mir gelaufen und hast im Anschluss noch das Wohnmobil samt meiner Betreuung übernommen und dir dafür extra noch mal Urlaub „nachbeantragt“. Was soll ich sagen…

Thomas Eller: Du hast dir die wirklich schweren Nächte mit mir um die Ohren gehauen und hast mich mitbetreut. Du warst total präsent und eine große Stütze und Freund. Was soll ich sagen…

Thomas Batteiger: Du hast immer die richtig guten Stellen gefunden, obwohl du vorher so unsicher warst. Du warst ein Fels in der Brandung und unser Mutti. Was soll ich sagen…

…ich werde euch das nie vergessen und vielen lieben Dank von ganzem Herzen!

Bis zum nächsten mal Love & Peace!

Ein 5.000 Meter Lauf mit reichlich Anlauf…

Ich neige dazu, Geschichten von hinten nach vorne zu erzählen, also mit dem Finish zu beginnen. Das stimmt. Und nicht immer ist das richtig, aber bei meinem Wochenendlauf ist das ein „MUSS“.

Wenn Du um 8.20 Uhr nach einer kühlen und nebligen langen Nacht im Ziel einläufst und Dir ein großes Bettlaken entgegen gehalten wird, auf dem steht: „TOM WINGO, YOU NEVER WALK ALONE!“ und Du in diesem Moment vor Glück zu zerspringen drohst, dankbar, aber auch ein wenig verschämt wegen dieses Empfangs bist, wenn Du Dich umsiehst und viele Menschen entdeckst, die alle es wert sind, Freunde genannt zu werden, dann weißt Du, dass es diese Situation zweifellos verdient hat, als erstes genannt zu werden.

Oft habe ich mich schon gefragt, ob es die einzig denkbare Art ist, Hunderte von Kilometern durch die Gegend zu fahren oder sogar zu fliegen, um dann 42 Kilometer und 195 Meter weit zu laufen. Und ich habe manchmal spöttisch festgestellt, dass die Rolltreppe, die zum Fitness-Studio im ersten Stock führt, eigentlich nicht notwendig wäre.
In einem Buch eines amerikanischen Autors über die Merkwürdigkeiten des amerikanischen Lebens habe ich von einer Frau gelesen, die die nur rund 400 Meter von zu Hause bis ins Fitness-Studio mit dem Auto zurücklegt, um dann dort im Studio aufs Laufband zu steigen und zu laufen. Als der Autor sie fragte, warum sie das Auto nehmen würde, da antwortete die agile Lady souverän: “Weil sonst der Kilometer, den ich laufen würde, umsonst wäre. Ich kann den ja dann nicht in mein Trainigs-Tagebuch eintragen!“ Stimmt doch, irgendwie.
Andererseits gibt es auch beeindruckende Beispiele wie der unbekannte Läufer beim „Mt. Everest Treppenmarathon“ in Radebeul, der mit dem Fahrrad zum Wettkampf gekommen ist, um dann, nach 24 Stunden Treppen auf- und ab gehen, damit auch wieder nach Hause zu radeln.
Oder „Trailschnittchen“ Julia Böttger. Sie wollte am UTMB in Chamonix teilnehmen und beschloss, die rund 814 Kilometer vom oberbayrischen Hinterriss ins französische Chamonix über die Alpen zu laufen und dabei rund 42.400 Höhenmeter zu bewältigen.


Es waren diese Beispiele, die mir durch den Kopf gegangen sind, als ich überlegt habe, was ich in Ratingen-Breitscheid denn laufe. Durch ein paar DNFs wäre Breitscheid mein „Marathon und länger“ (MuL) Nummer 99 gewesen, der Münster-Marathon meine Nummer 100, aber das motivierte mich nicht ausreichend. Der 24-h Lauf in Breitscheid ist eine Benefiz-Veranstaltung und da sieht man vieles eher locker. Nichts für Bestwerte, nichts für Bestzeiten. Aber eben etwas von Freunden für Freunde.

Mir kam dann ganz plötzlich die Idee, dort hin zu laufen. Bis Köln kenne ich die Strecke gut, in Köln denke ich an den KÖLNPFAD, wo ich mich an den Kölner Ford-Werken in der Nacht verlaufen habe, zwischen Köln und Ratingen aber gibt es nur die Autobahn für mich. Das sollte sich ändern, dachte ich und druckte mir den Reiseweg von map24.de aus. Die gewählte Option war „Fußgänger“ und ich kam auf erst auf rund 93 Kilometer (Ratingen) und dann auf rund 99 Kilometer (Breitscheid, Mintarder Weg). Perfekt, dachte ich.

Mit den Nachtläufen hatte ich ja so meine Probleme in der letzten Zeit. Beim Elbelauf von Dresden nach Hamburg war ich in der ersten Nacht indisponiert und in den nächsten Nächten „schwächelte“ Hauke König ein wenig, einmal wegen des Verlaufens im Stoppelfeld und einmal, weil es einfach nicht gepasst hatte.
Beim PTL war die erste Nacht ja nach dem Spätstart um 22 Uhr relativ kurz, das ist ja noch verhältnismäßig einfach, und in den beiden nächsten Nächten hatte ich ja 3 Stunden bzw. 2 ¼ Stunden geschlafen. Ich wollte aber mal wieder die Nacht durchlaufen.

Als ich die Idee bei FACEBOOK gepostet habe, ärgerte ich mich schon schnell darüber, weil es nicht unbemerkt blieb. Und wenn es bemerkt wird, dann entsteht ein gewisser Druck und das ist gut und schlecht zugleich. Gut, weil es mich zwingt, ein wenig das Weichei-Dasein zu verlassen und aus der Wohlfühlzone zu fliehen, schlecht, weil ich dann unter Zugzwang bin. Also laufen, schön parallel mit den Breitscheidern, Start war also am Freitag um 18.00 Uhr, pünktlich.

Mein GARMIN-Ührchen aber wollte 14 Minuten lang nicht mit mir spielen und weigerte sich, die Satelliten zu finden. Ich lief also vielleicht zweieinhalb Kilometer, bis GARMIN-Ührchen sich erbarmte und für mich da war.
Ich hatte mich seit langem wieder einmal für ein ERIMA Outfit entschieden, auch, weil ich in der kurzen X-BIONIC-Hose bei der TorTOUR de Ruhr und beim PTL das hübsche Spiel „TOM und der böse Wolf“ gespielt hatte. Das führte bei der TTdR230 dazu, dass zwei ältere Herren, mutmaßlich Menschen mit einem erhöhten Maß an Schamgefühl, mich verbal attackierten, weil ich die Hose dann so weit nach unten gezogen hatte, dass zwar die Schmerzen weg waren, dafür war aber der obere Teil meines Hinterns zu sehen. Um es kurz zu machen: die beiden Herren fanden das sehr anstößig.
Also ERIMA und einen kleinen Camelback mit 2 Litern Wasser, ein paar Riegel, wenige Salztabletten und etwas Magnesium. Und natürlich meine geliebte Petzl-Stirnlampe mit drei Ersatzbatterien, Größe AA, man weiß ja nie, wie lange die alten noch halten.
Aber leider ist meine Petzl seit dem PTL verschwunden. Trotz intensiver Suche ist sie nicht mehr aufzufinden und ich frage mich, ob ich sie im letzten Nachtlager habe liegen lassen. Ich erinnere mich nicht mehr, ich weiß nur noch, dass ich sie dort abgenommen und zu meinen Sachen gelegt hatte. Von da an war alles hell, nur in meinem Oberstübchen bleibt es diesbezüglich eher dunkel.
Also habe ich schnell umdisponiert und eine andere Stirnlampe eingepackt. Die Nacht wird ja lang und dunkel.

Meine Motivation war schon kurz hinter Wesseling am Boden und ich fragte mich, was mich wohl getrieben hat, eine so doofe Idee zu verfolgen. Menschen bewegen sich seit Jahrtausenden vernünftigerweise in Autos, warum tue ich das nicht? Dabei war die Strecke wirklich schön, immer den Rhein entlang, hübsche Häuser auf der linken Seite, ein ziemlich voller Rhein auf der rechten Seite. Für die, die mitdenken, sei gesagt: Ja, ich lief auf der „richtigen“ Rheinseite!
Bei Köln-Sürth und Köln-Rodenkirchen wurde es noch schlimmer, die Nacht brach herein, die Ersatz-Stirnlampe funzelte vor sich hin und die Muskeln schmerzten. Und ich fragte mich, wie ich jemals in meinem Leben wieder einen Marathon bestreiten könne, wenn ich jetzt hier, bei diesem niedrigen Lauftempo, schon Muskelprobleme hätte. Zudem schmerzte das linke Knie, leider laboriere ich schon ein paar Monate mit diesem Problem.
In Köln wurde ich dann von einem schnellen Läufer überholt, der aber ein paar Minuten später japsend und hechelnd am Wegesrand stand. Ich sprach mit ihm und nahm ihn mit. Es war ein nettes Gespräch mit einem, der auf seinen 2. Marathon hin trainiert und der – natürlich – den Köln-Marathon vor Augen hat.
Und wir liefen gemeinsam durch Köln-Mitte an den Kranhäusern vorbei, wir passierten das ehemalige Stollwerck Schokoladenmuseum, das jetzt aber das Lindt Schokoladenmuseum ist.
Nach dem Verlust der Köln-Arena geht mit dem Stollwerck Museum wieder ein Stück Heimat weg. Eine Schande ist das …


Und wir sahen die Absperrungen für den KÖLN 226 Triathlon am nächsten Tag und Dutzende von Motorhomes, in denen die Triathleten nächtigten. Ganz bestimmt wäre es schön gewesen, einfach zu bleiben und am nächsten Tag dort zuzuschauen.
Mich aber hat dieser gemeinsame Laufabschnitt wieder richtig motiviert. Wenn Du das Gefühl hast, etwas weitergeben zu können, jungen Läufern eine Ahnung geben zu können, was es heißt, etwas anderes zu laufen als flache Straßen, wie es schmeckt, gesunde Bergluft zu atmen, wie viel Spaß es macht, Kühe wegzuscheuchen und auf hohen Gipfeln zu schwitzen, dann fühlst Du Dich schnell wieder besser.


Als ich wieder alleine war, beschloss ich, an der Mülheimer Brücke auf die „schäl Sick“ zu wechseln, um den Wegen bei den Ford-Werken zu entgehen. Es war ein Fehler, obwohl ich bis kurz vor Leverkusen dort fantastische neue Luxuswohnungen gesehen habe und edle gediegene Alt-Villen.
Ich sah immer seltener das Fahrradweg-Zeichen und landete in einem Teil, das eigentlich für „nicht Befugte“ verboten war. Irgendetwas von Wasserbehörde stand da, aber ich hatte einfach keine Lust, zurück zu gehen und den richtigen Weg zu suchen. Am Ende traf ich dann doch noch auf den normalen Weg, aber ich hatte viel Zeit verloren.

Kurz bevor ich auf dem Damm wieder den richtigen Radweg betreten konnte, wurde es gefährlich. Da stand ein Schild, das darauf hinwies, dass es keinen Winterdienst gäbe und dass das Begehen des Dammes auf eigene Verantwortung stattfinden würde. Auf eigene Verantwortung? Das hatte ich ja noch nie gemacht. Immer ist doch irgendjemand für mich verantwortlich. Aber das war es nicht, was mich störte. Mir fiel auf, dass gerade eben meine Ersatz-Stirnlampe ausgegangen war.
Aber ich hatte Glück, es war eine Bank genau zur rechten Zeit da, ich hatte die Ersatzbatterien –  was willst Du mehr, TOM?

Leider hatte ich erst die Ersatzbatterien eingepackt und wollte dann die Petzl-Stirnlampe dazu packen. Als ich die nicht finden konnte und umdisponierte, dachte ich aber nicht mehr an die Ersatzbatterien. Und die Batterien der Ersatz-Stirnlampe waren kleiner, Größe AAA. Du kannst machen, was Du willst, Du bekommst die großen AA Batterien da einfach nicht rein.
Ich habe dann den Strahler ausgeschaltet und eine kleine LED eingeschaltet, weil die nur wenig Strom braucht. Dafür war noch ein wenig Reserve da, aber die Nacht wurde fortan deutlich dunkler und ich durfte mir den Satz ins Stammbuch schreiben, dass Ersatzbatterien alleine nicht glücklich machen, es sollten schon die richtigen sein!

Und so ging es weiter, bis ich den Rhein auf der linken Seite hatte und den langen Zaun der BAYER-Werke auf der rechten Seite, ganz lang weiter.
Dann aber endete der immer schlechter werdende Weg im Rhein, einfach so.

Ich hätte nie gedacht, dass das BAYER-Gelände doch so groß ist! Wenn Du fast das ganze Gelände zurück laufen musst, dann das Gelände in der Breite abläufst und dann irgendwann das Gelände auf der anderen Seite erneut abtrabst, dann weißt Du, dass dort sehr viele Menschen arbeiten müssen.
Meine Probleme waren dann aber noch nicht vorbei. Die Beschilderung war miserabel, oft hattest Du an einer Kreuzung zwei Fahrradweg-Zeichen, eines nach rechts, eines geradeaus. Dann denkst Du Dir, dass Du durchaus siehst, dass das Fahrradwege sind, aber wohin führen die?
Und wenn dann mal eine Beschilderung nach Ortschaften vorhanden war, dann steht da nicht „Langenfeld“ oder „Hilden“, sondern „Leverkusen-Hitdorf“, „Leverkusen-Opladen“ und andere Teilorte Leverkusens, von denen ich noch nie etwas gehört hatte.
Wie genau war denn noch einmal die Aufreihung der Teilorte Leverkusens gewesen?

Ich lief wohl kreuz und quer in dieser Zeit und deshalb beschloss ich, dem Rhein „Lebewohl“ zu sagen und dem ausgedruckten Plan zu folgen, den ich dabei hatte. Aber ich war ganz woanders und musste erst einmal einen Punkt finden, der auf der Liste verzeichnet war. Zwei „Red Bull“ Dosen halfen mir durch die erste Hälfte der Nacht, zudem leerte ich eine große Flasche Apfelschorle. Der Kioskbesitzer, ein Perser, war nett und füllte sogar meinen Camelback mit frischem Wasser. Später dann half mir ein ganzer Liter „Take Off“, auch so ein Energy-Drink, durch die zweite Nachthälfte.

Wenn Du um 2.00 Uhr, 3.00 Uhr oder 4.00 Uhr auf der Straße jemanden etwas fragst, dann realisierst Du, dass zu dieser Zeit jeder betrunken ist. Bei unseren Nachtläufen fällt das kaum auf, weil die Menschen um Dich herum auch Läufer sind, die Wege markiert sind und die Zaungäste nur klatschen. Reden tust Du mit denen ja nie. Aber hier war das vollkommen anders. Ich musste wissen, wie ich nach Langenfeld komme, nach Hilden, nach Ratingen und nach Breitscheid.
Wenn die Gefragten noch lallen konnten, dann war ich einigermaßen zufrieden, die Antworten aber waren meist sehr dürftig. Und während ein Russe mich in Russisch zutextete und seine Freundin halb verständlich versuchte, das alles zu übersetzen, was ihr aber nicht gelang, war eine Gruppe von vielleicht 8 oder 10 jungen Leuten in Langenfeld, die auf einer Empore saßen, schon kreativer. Der erste hielt mir eine Whiskey-Flasche vor die Nase und fragte mich, ob ich etwas Whiskey haben wolle, der zweite empfahl mir „Berentzen musst Du trinken!“ und ich weiß nicht, welche Angebote ich noch bekommen hätte, wenn ich das alles nicht unterbrochen hätte.
Manche bezeichneten mich als Alien, wahrscheinlich wegen der Stirnlampe, andere als Schneemann und einer fragte mich verwundert, ob ich den Lauf „als Sport“ machen würde. Ich denke, er war in Sorge, ich könnte antworten, dass ich mir das Busticket durch die Nacht nicht leisten könne.

Dem Gefragten in Ratingen war meine Frage, wie ich von Ratingen denn nach Ratingen-Breitscheid kommen würde, einfach noch zu früh am Morgen und die Frau, die ich danach ansprach, sagte, dass „da vorne links“ der Busbahnhof sei und dort solle ich den Bus nehmen.
Dort, es war dann der Ostbahnhof, habe ich einen Taxifahrer nach dem Weg gefragt, den er mir zuerst gar nicht und dann falsch erklärte. Zudem bemerkte er: „Das ist aber weit! Mindestens 10 Kilometer!“ Aber ich wollte nun wirklich nicht Taxi fahren und obwohl er mir zwei Kreuzungen weit folgte, verirrte ich mich nicht in sein Taxi. Irgendwann gab er entnervt auf und ließ mich weiter ziehen, zum Glück gab es dann irgendwann einen detaillieren Stadtplan von Ratingen, an den ich mich halten konnte.

Gerade war ich auf der Mülheimer Straße aus Ratingen heraus gelaufen, rief mich Susanne Alexi an, um nachzufragen, wo ich denn bliebe. Ich hatte ja gesagt, dass ich um 8 Uhr beim gemeinsamen Frühstück vor Ort sein wolle. Sie gab mich dann weiter an Stefan, der mir den weiteren Weg erklärte. Also erst nach Breitscheid herein bis zum Kreisverkehr mit den beiden Tankstellen und dann noch einen Kilometer bis zu einer skurrilen modernen Kirche, die als rote Pyramide ausgebildet war. Dort hat Stefan mich abgeholt und ist als Radbegleitung mit mir den letzten Kilometer durch das Wohngebiet geradelt.

Dort, auf dem Sportplatz von Breitscheid, gab es dann den „TOM WINGO, YOU NEVER WALK ALONE!“ Empfang, Frühstück, nette Gespräche und ein Nickerchen für mich. Lust auf einen Marathon, Lust auf meine „Nummer 99“, hatte ich aber nicht mehr.

Als die Sonne dann wärmte, lief ich mit Susanne Alexi und Joachim Siller eine 5.000 Meter „Ehrenrunde“, eine Runde, für die ich wirklich reichlich Anlauf genommen hatte.

Und da waren noch die Gespräche mit Sigi Bullig, der mich nicht nur mit einem Altbier verwöhnte, sondern mir auch einen Schlafsack um die Schultern legte, weil er sah, wie sehr ich fror und die mit Bernd Nuss, mit dem ich über seinen Geburtstagslauf „Rund um den Seilersee“ geredet habe, über den heftigen Regen in der damaligen Nacht, über Jeffrey Norris, den ich dort zum ersten Mal gesehen habe und über Gott und die Welt, eben über all das, was uns Läufer vereint.

Und wieder wurde mir klar, dass wir Ultra-Läufer nie alleine sind und nie alleine laufen: „TOM WINGO, YOU NEVER WALK ALONE!“

Danke, lieber Bernd Krayer, liebe Susanne Alexi, liebe Breitscheider Freunde, für diese Nacht, für diesen Tag.

Laufrausch – der heilige Sonntag …

Knapp 190 Kilometer waren gelaufen und der Frust des Stoppelfeldes und der überstiegenen Zäune nagte am Sonntag Morgen noch an mir. Die Nacht war kurz und unruhig gewesen, immerhin sind wir ja erst sehr spät in unsern Lagern im Wohnmobil gewesen. Der Morgen graute schon und ich befürchtete, gar nicht schlafen zu können, weil ich einer derjenigen bin, die stets aufwachen, wenn es hell wird.

Aber ein wenig Schlaf durfte sein, sollte sein, musste sein. Auch für Hauke. Und dann musste er wieder laufen und Susanne begleitete ihn. Ich war für das Frühstück zuständig, da „unsere Mutter“ Thomas Unterstützung brauchte. Wenigstens am Sonntag sollte es einen Touch von Luxus geben. Aber alles, was Mühe macht, war gestrichen.
Kein Frühstücksei, schon gar kein Omlett. Also holten wir frische Brötchen, ein paar Croissants und für den Nachmittag insgesamt acht Stücke Kuchen.
Nicht jedes Kuchenstück hat allerdings den Sonntag Nachmittag erlebt.

Susanne und ich teilen dabei eine Leidenschaft und ich war sehr froh, das in diesem Moment zu merken. Weil ich ein Fan von Mohnkuchen bin und weil ich unbedingt wenigstens ein Stück Mohnkuchen haben wollte, hatten wir insgesamt drei Stücke Mohnkuchen gekauft, zwei Stücke Mohnstreusel, den ich so liebe und ein Stück Mohnkuchen mit einem Eierstich.
Susanne nahm sich einen der Mohnstreusel und sagte, dass sie Mohn in jeder Form lieben würde. Er würde so schön „high“ machen – ich war begeistert!
In meiner Familie hält sich die Liebe zum Mohn in engen Grenzen, aber nun kenne ich jemanden, mit dem ich in rauchigen Hinterzimmern und in dunklen Bahnhofsecken der gemeinsamen Sucht frönen kann.


Als Susanne im Wohnmobil saß und über Mohn philosophierte, dachte ich unweigerlich an das WM-Endspiel Deutschland gegen die Niederlande 1974. Ich war damals knapp dreizehn Jahre alt und es war mein erstes Endspiel vor dem Fernseher. Die Spieler waren noch schwarz/weiß, der Fernseher klein und mit nur einer Box ausgestattet, aber meine Mutter hatte ein ganzes Blech Mohnstrudel gebacken. Für die ganze Familie, für fünf Personen.

Und dann machte meine Mutter gleich zwei Fehler:

1. sie stellte das Blech auf den Esszimmertisch und
2. sie ließ meinen Bruder und mich alleine das Endspiel ansehen.

Hast Du Dir schon einmal ein spannendes Fußball-Endspiel angesehen und vor Dir stand ein riesiger Mohnstrudel? Ja? Dann verstehst Du, dass nach 90 Minuten das Blech leer war. Mohn ist halt so eine Sache …
Schade, dass ich damals Susanne noch nicht kannte. Andererseits hätten wir dann den Mohnstrudel durch drei teilen müssen. Aber lustig wäre es bestimmt gewesen.

Nach dem Frühstück lief ich mal mit den beiden, mal nur mit Hauke, mal machte ich wieder eine Pause, damit ich erneut die Nachtschicht übernehmen konnte. Bemerkenswert war vor allem, dass es unglaublich viele Schlösser in Sachsen-Anhalt gibt. Schön restaurierte Schlösser und auch Schlösser, die noch nicht zu den „blühenden Landschaften“ gezählt werden können.
Aber sonst ist doch vieles traurig gewesen. Ortschaften, in denen es weder Bürgersteige noch hübsche Vorgärten gab, Menschen, die traurig aussahen und landwirtschaftliche Gebäude, wahrscheinlich ehemalige LPG’s, die bei der Wende schon alt und marode waren und denen die letzten fast 21 Jahre dann den Rest gegeben haben.
Schöne, neue und renovierte Häuser waren genauso an der Strecke wie Häuser, die nicht mal in der Nachkriegszeit charmant ausgesehen haben.
An ein Haus erinnere ich mich noch ganz besonders gut. Es war direkt an der Elbe gelegen, genau dort, wo die Zufahrt ins Örtchen war, also in einer wirklich fast optimalen Lage. Das Haus war riesig und man konnte noch gut erkennen, wo die Terrasse gewesen war. Es muss einmal ein Restaurant gewesen sein, aber mittlerweile fehlt der Boden im Restaurant, vom Dach sind nur noch Rudimente erhalten und die einzigen Gäste sind Dauergäste.
Büsche und Bäume wachsen seit Jahren da, wo sich früher Menschen vergnüngt haben. Das Gelände ist mit Bauzäunen abgeriegelt und eine Dixie-Toilette steht davor und bewacht dieses Anwesen.

Hauke hat diese Dixie-Toilette auch aufgesucht. Thomas war darüber sehr erstaunt und verwundert, aber Hauke antwortete ihm: „Ich habe früher auf dem Bau gearbeitet. Kannst Du Dir vorstellen, wie die Toiletten dort aussahen?“ Thomas schwieg.

Noch war der Weg nach Hamburg enorm weit und so ging es weiter, Kilometer für Kilometer. Am späten Nachmittag hat sich Susanne dann eine Pause gegönnt, die hatte sie sich auch verdient. Hauke und ich liefen, gingen und trabten weiter.
Wenige Kilometer vor dem nächsten Treffpunkt sahen wir dann zufällig das Wohnmobil in einiger Entfernung. Wir riefen Susanne an und sie erzählte uns, dass die beiden wieder irgendwo auf einem Campingplatz eine Dusche genommen haben. Ich war so neidisch.
Es ist wirklich eine gute Sache, auf Campingplätzen zu duschen. Am Vortag hatten Susanne, Thomas und ich uns das auch schon gegönnt und die Duschen waren brandneu, warm, hatten einen satten Wasserstrahl und machten sofort neue Menschen aus uns Dreien.

Wir sahen also das Wohnmobil in der Ferne, aber Susanne sah uns nicht, trotz meines leuchtend gelben LIVESTRONG – Laufshirts, das mich immer an den New York – Marathon 2007 erinnern wird. Und dann waren Thomas und Susanne auch schon wieder aus der Sichtweite und Hauke und ich waren ein wenig hungrig und wir freuten uns auf einen Schlag Nudeln beim nächsten Treffpunkt.

Als wir dort ankamen, empfing uns eine gut gelaunte und frisch geduschte Susanne, die sich ganz alleine um das Abendessen gekümmert hatte. Sie hat Thomas schlafen gelegt, so konnte sie richtig wirbeln und aus dem Benutzermobil wieder ein Wohnmobil machen.
Die Nudeln waren fertig, die Sauce auch. Alles noch nichts Besonderes. Aber es standen Kerzen auf dem Tisch. Und die leuchteten das Wohnmobil aus und verströmten einen Duft, der zum Bleiben einlud.
Dass Susanne eben noch alle Teppiche aus dem Wohnmobil genommen und gereinigt hat, sei nur nebenbei erwähnt. Auf jeden Fall hatte das Wohnmobil, in dem wir das Abendessen zu uns nahmen, nichts mehr mit dem Wohnmobil zu tun, das wir verlassen hatten. Susanne hatte den Touch von Luxus geschaffen, den ich schon am Morgen haben wollte.

Die kölschen Jungs von BAP hätten gesungen: „Do kanns zaubere“, so schön war es …

Lyrics BAP – Do kanns zaubere

E wieß Blatt Papier, ne Bleisteff, Jedanke bei dir setz ich
Ahm Finster un hühr, wat sich avvspillt vür der Dür, bess ich
Avvrötsch en die Zick, en der et dich für mich nit joov
un mir ming Levve vürm Daach X op einmohl vüürkütt wie en Stroof.

Do kanns zaubre, wie din Mamm, die Kate läät,
– Irjendsujet muss et sinn –
Jede Andre hätt jesaat: ‚Et ess zo spät,
dä Typ ess fäädisch, nä dä typ,
Dä krisste wirklich nit mieh hin.‘

Mem Rögge zur Wand, spaßend un jede Nacht voll woor ich,
Ming bessje Verstand hassend, total vun der Roll wor ich.
T’schlemmste woor, als mir, wie do mich endlich registriert,
Entsetzlich klarwood, dat et jetz oder nie met uns zwei passiert.

Mensch woor ich nervös, als ich dir alles jesaat – hektisch
Un trotzdämm erlös, weil do mich nit treck ussjelach un dich
Für mich intressiert häss, für all dä Stuss, dä uss mir kohm
Für all dä Laber, dä’sch jebraat hann, weil die Chance zo
plötzlich kohm.

Do kanns zaubre …

E wieß Blatt Papier, ne Bleisteff, Jedanke bei die setz ich
Ahm Finster un hühr en mich, krich kaum jet notiert, weil ich
Immer noch nit raffe, dat mir uns tatsächlich hann,
Un mir deshalb halt wießmache,
Dat do wirklich zaubre kanns …

Aber trotz des schönen Heims ging es für Hauke und mich weiter. Die Nacht kam und dieses Mal wollte ich unbedingt den Sonnenaufgang erleben. Wegen der nicht mehr arbeitenden Fähren mussten mal wieder die Straße nehmen und wir hatten vor, das 25 Kilometer lang zu tun. Ich hatte meine Laufjacke aus der „Brooks Nightlife Kollektion“ an, damit wir besser gesehen werden. Außerdem trugen wir unsere Stirnlampen, wobei eine davon hinten sogar noch ein rotes Licht hatte.

Alles unnötig, wir waren alleine auf den Straßen. Im Osten war in dieser Sonntag Nacht einfach nichts los.
Wir kamen aber nur rund 15 Kilometer weit, als Hauke Schmerzen in den Beinen bekam. Erst setzten wir uns an den Straßenrand, dann gingen wir weiter und dann riefen wir Thomas und Susanne an, dass sie uns abholen sollten.
Und wir gingen langsam weiter.
Es dauert lange, bis sich ein Wohnmobil unter Thomas in Bewegung setzt. Thomas, der Fan jedes Navigationssystems, fragte mich als erstes nach der Adresse, wo wir stehen würden. Zu diesem Zeitpunkt waren wir irgendwo im Niemandsland zwischen zwei Ortschaften, aber an einer Bundesstraße. Der Strauch, neben dem ich stand, sagte auch nichts, als ich ihn nach der genauen Adresse fragte. Aber irgendwann fuhr das Auto dann und rettete uns. Und wir gingen zu Bett.

Hauke musste sich erholen, die Beine mussten wieder lockerer werden. Für ihn war die Nachtruhe wichtig und hilfreich, für mich war sie der Abschluss der Elbe-Tour.
Am nächsten Morgen …

… Fortsetzung folgt.

Laufrausch, der zweite Tag …

75 Kilometer waren erst gelaufen, die Lauflust war auch am nächsten Tag nicht wieder gekommen, obwohl der Regen seit zwei Uhr aufgehört hatte. Nur Susanne, die Konsequente, wollte weiterlaufen. Hauke war träge und ich war vollkommen demotiviert. Mir war kalt und ich fand es „usselig“, um den Ruhrpott-Begriff mal zu verwenden. Zwei gute Gründe, unter der wärmenden Decke liegen zu bleiben, fand ich.
Gegen Susannes Hartnäckigkeit half auch Haukes eingebildete Trägheit wenig und so erbarmte er sich nach vielleicht zehnmaligen Aufrufen von Susanne doch noch, aufzustehen und weiter zu laufen. Ich aber blieb hart wie ein 6-Minuten-Ei.
Ich stieg erst nach dem Frühstück wieder in den Lauf ein. Ich war aber rechtzeitig da, als das erste Mal ein Schild auf einem Baum zu sehen war mit dem Namen unseres Ziels. „Hamburg 280 Kilometer“ stand da, aber damit war bestimmt nur die Strecke in der Luftlinie gemeint. Außerdem waren dort Paris, Moskau, Singapur und auch viele andere hübsche Metropolen dieser Welt erwähnt und mit Entfernungen versehen.

Dieser Baum hat es aber auch nicht geschafft, wieder Elan und Hoffnung in meinen Lauf zu bringen. Wir hatten uns zu dritt schon langsam damit abgefunden, bis Montag Abend zu laufen und dann irgendwo vor Hamburg zu enden, 10 Kilometer, 100 Kilometer oder sogar 1.000 Kilometer. „Es ist ja eh‘ egal,“ dachten wir, „dieser Lauf hat schon so schlecht begonnen, dann darf er auch schlecht zu Ende gehen.“

Und dann geschah das kleine Wunder. Es kam unverhofft in Form einer MMS.
In Wort und Bild stand da etwas von „Haukes irrem Lauf“, das Foto von Hauke war darauf zu sehen, das Foto, das wir am Vortag in Dresden gemacht hatten und die MMS zeigte, dass es sich nicht um einen Artikel im Eutiner Käseblättchen handelte, sondern um einen Artikel in der großen „Hamburger Morgenpost“.
Auf mich wirkte die MMS wie Doping, Susanne wiederum fühlte sich nun unter Druck gesetzt und brauchte sehr lange, um mit dieser neuen Situation umzugehen. Hauke wiederum erklärte, dass er nun auf jeden Fall bis Hamburg laufen werde, egal, wann er dann ankommen würde.

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Wir diskutierten einige Lösungsvorschläge, die Handys liefen heiß und die Aktien der Mobilfunkanbieter stiegen angesichts dieser Kosten ins Unermessliche. Damit auch unser Fahrer Thomas zeitnah über diese Wende informiert war, beschleunigte ich das Tempo und lief über 1o Kilometer in einer Pace von unter 5:00 Minuten je Kilometer. Squeezy, PowerBar Gel oder welche Hilfsmittel auch immer: nichts treibt mich so sehr an wie die Erwartungshaltung von Anderen. In diesem Moment konnte ich fliegen.
Und wieder erkannte ich den „Magic Moment“, den wundersamen Moment, in dem mir stets klar wird, wie glücklich wir Läufer sein dürfen, dass wir diesen Zauber erleben können.

Am Ende setzte sich bei uns der Lösungsansatz durch, dass Hauke nach Hamburg laufen wollte, egal, wie lange es dauern würde, Susanne und ich wollten teilweise zusammen mitlaufen, teilweise aber auch alleine. Auf jeden Fall sollte Hauke stets zumindest von einem von uns begleitet werden.
Die Probleme aber würden ab Montag entstehen. Thomas hatte den folgenden Dienstag fest als Reisetag in den Süden eingeplant. Er hatte ein „Ententreffen“ in Süddeutschland organisiert und sagte, dass es nicht überzeugend wäre, wenn der, der das Treffen organisiert hat, nicht anwesend wäre.
Ich wiederum hatte mich auch fest auf das Ende des Laufs am Montag Abend eingestellt und hatte für den Dienstag geschäftiche Termine vereinbart, die ich nicht verschieben konnte. Mir wird schon die Arbeitswoche fehlen, in der ich um den Mont Blanc laufen werde.
Susanne hat auch auf der Arbeit gesagt, am Dienstag wieder zurück zu sein, aber sie entschied spontan, noch ein paar Überstunden abzubauen, also rief sie auf der Arbeit an und fragte, ob das so möglich wäre. Statt des befürchteten Unverständnisses erfuhr Susanne Lockerheit, Verständnis und Zustimmung. Sie war glücklich und wir hatten eine Lösung.

Und wir liefen weiter, den ganzen Tag durch. Irgendwann machte ich eine Pause, um für uns alle Nudeln zu kochen. Hauke hatte Vollkorn-Nudeln besorgt und es gab eine vegetarische Sauce dazu. Susanne und Hauke liefen aber dann nicht zum vereinbarten Treffpunkt, sondern sie landeten eine Ortschaft weiter dort auf dem Marktplatz. Von dort aus riefen sie uns an, damit wir dorthin kommen können.
Schade, dachte ich, ich hatte den Tisch so schön gedeckt. Irgendwie hat es aber doch geklappt, das Geschirr wurde abgedeckt, die Nudeln warmgehalten und auch die Sauce wurde wieder ins Glas zurück geschüttet. Und obwohl wir kein Salz im Wohnmobil hatten, waren die Nudeln lecker. Gewundert hat mich jedoch, dass Thomas glatte 12 Minuten gebraucht hat, um endlich loszufahren.

In der Nacht lief ich dann mit Hauke. Ich war richtig gut drauf und freute mich darauf, die ganze Nacht durchzulaufen, um die kommenden Laufnächte am Mont Blanc zu simulieren. Ich war genau so lange motiviert, bis die letzte Etappe kam, eine Etappe von nominal etwa 12 Kilometern. Wir wollten sie in 1 1/2 Stunden abhaken. Was für ein Irrtum!

Weil die Fähre in der Nacht nicht mehr fuhr, sahen wir eine Alternative über normale Straßen zu einer großen Brücke und direkt danach wollte Thomas mit dem Wohnmobil warten. Anfangs ging es gut voran. Es waren kleine Straßen, die wir liefen, aber die Landkarte, die wir dabei hatten, schien genau und aktuell zu sein. Ein Mal verliefen wir uns, als wir eine Abzweigung verpassten. Aber das merkten wir relativ schnell im nächsten Örtchen.
Später dann ging es um ein Wasserschloss herum und der Weg sah auf der Karte aus wie ein Rechteck. Lange schein alles in Ordnung zu sein, aber dann wussten wir nicht mehr weiter. Da fehlte ein Weg, den wir laufen wollten, dafür war da sehr viel Wasser. Drei Mal gingen wir einen Weg entlang, stets in der Hoffnung, die für uns entscheidende Abzweigung doch noch irgendwo zu finden. Am Ende des Weges war ein Bauernhof und die Straße war mit einem privaten Gatter geschlossen.

Irgendwann haben wir dann doch eine Abzweigung gefunden und wir verbanden damit die Hoffnung, nun doch noch zügig beim Wohnmobil anzukommen. Weit war es nicht mehr, vielleicht noch drei oder vier Kilometer, schätzten wir, wenn, ja wenn das der richtige Weg gewesen wäre. War er aber nicht.
Das merkten wir aber erst sehr spät, als wir uns lange Zeit durch hohes Gras gekämpft hatten und dann doch wieder am Wasser standen. Es half nichts, wir mussten querfeldein, einfach nach Gefühl. Ein riesiges Stoppelfeld schrie danach, von uns begangen zu werden. Meine Stirnlampe war schon lange aus und ich war froh, dass Hauke ein paar Ersatzbatterien dabei hatte.
Dann war das Stoppelfeld zu Ende, die Autobahn nah und der Zaun zwischen uns und der Autobahn war kein echtes Hindernis für uns. Die Autobahn aber schon.

Mittlerweile war es fast drei Uhr nachts, wir liefen schon bald drei Stunden lang durch die Dunkelheit und ich hatte die Nase gestrichen voll.
Ich wollte einfach über die Autobahn laufen, aber Hauke war dagegen, weil es sicherlich viel zu gefährlich gewesen wäre. Also kletterten wir wieder über den Zaun und folgten Zaun und Autobahn für ein paar Hundert Meter, bis wir einen Tunnel unter der Autobahn ausmachten.

Thomas rief ja vor Stunden an und sagte, dass er unter der Autobahn bei einem Tunnel warten würde, fiel mir ein. War das der richtige Tunnel?
Wir gingen durch und suchten das Wohnmobil, aber ohne Erfolg.

Nun waren wir auf der anderen Seite der Autobahn und wir folgten ihr unten bis zur Elbe. Weiter ging es natürlich nicht. Jetzt war ich endgültig bedient und wollte nur noch schlafen. Auch Hauke war genervt und nervös und das Handy erwähnte durch eifriges Klingeln, auf „Battery low“ zu stehen. Was würde passieren, wenn wir den Weg nicht finden würden und sich gleichzeitig auch noch das Handy verabschieden würde? Langsam machte ich mir tatsächlich Sorgen. Wieder überstiegen wir einen Zaun, wieder scheiterten wir an der Autobahn und wieder kletterten wir über den Zaun zurück.
Jetzt waren wir richtig genervt.

Also beschlossen wir, Thomas anzurufen und uns abholen zu lassen. Hauke hatte ein Schild entdeckt. Da war ein Autobahnparkplatz in 900 Metern Entfernung und dort wollten wir uns treffen. Also sagten wir Thomas, dass er dorthin fahren solle.
Es hätte uns so gut getan, wenn er sich mit ein paar warmen Worten nach unserem Zustand erkundigt hätte, gefragt hätte, ob wir gesund wären, was passiert wäre und all die Dinge, die Frauen perfekt können und wegen derer wir unsere Frauen ganz besonders lieben.
Aber Thomas wollte einfach nicht geliebt werden.

Wir gingen also zurück in Richtung dieses Autobahnparkplatzes, bis uns ein mal wieder abgesperrter Weg auffiel, der Rettung versprach. Während Hauke sich noch fragte, wohin dieser Weg führen würde, war ich schon dabei, den Weg zu inspizieren. Ich war so glücklich, als ich sah, dass er neben der Autobahn über die Elbe führte. Wir riefen sofort Thomas an, damit er nicht allzu weit fahren würde. Aber er hatte noch nicht einmal den Motor gestartet, vielleicht hätte er das auch erst nach weiteren Stunden verzweifelten Suchens gemacht. Wichtig war zuerst, den Fahrtweg in die Landkarte einzutragen und das Navigationssystem zu befragen. Nur losfahren und uns retten war nicht wichtig.

Als wir dann über die Brücke gelaufen waren, das Wohnmobil entdeckten und uns bewusst wurden, dass diese Odysee nun gleich vorbei sein würde, fielen mir Tausend Steine vom Herzen. Es war kurz nach vier Uhr, als uns Susanne entgegen kam und uns ganz fest drückte. Endlich fühlten wir uns wieder geliebt!

Über vier Stunden für 12 Kilometer! Ans Weiterlaufen war nicht zu denken, wir wollten nur noch schlafen …
So endete der zweite Tag im Laufrausch, weiter geht es im nächsten Beitrag.

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