Es wurde also heruntergezählt: „On, dokuz, sekiz, yedi, alti, beş, dört, üç, iki, bir … sifir!“ Und die Meute setzte sich in Bewegung, Ruby und ich sicherten das Feld nach hinten ab.
Und das Anfangstempo war ungeheuer schnell, viel zu schnell für mich.
Einerseits wollte ich im Dunklen möglichst nicht den Anschluss verlieren, um nicht selbst den Weg suchen zu müssen. Zwar war dieser wirklich gut markiert, dennoch, man weiß ja nie …
Andererseits waren Zeiten von runter bis 5:35 min/K für solch ein Unterfangen einfach zu schnell. Nicht mein Tempo, nicht meine Strategie.
Ich hampelte also hinter der Meute her in einem sicheren Abstand, mal größer, mal kleiner. Ruby wiederum war zehn, zwanzig Dutzend Meter vor mir. „Lass sie laufen,“ dachte ich mir, immerhin weiß ich von ihr, dass sie auf Kurzstrecken recht schnell sein kann.
Es ging durch eines der vielen KAPI, durch ein altes Stadttor, dann eine Metalltreppe hinunter und hinein in eine riesige ehemalige Halle. In Iznik lebt noch die alte Kultur, der Reichtum, die riesige Stadt- und Wehrmauer von früher, alles aber ist deutlich heruntergekommen, aber nicht weniger imposant. Aus der Halle raus, über die bestens gesicherte Straße, rechts und links waren jeweils ein Polizist, die uns „über die Straße halfen“, vielleicht ein Vorgeschmack auf mein irgendwann kommendes Rentnerdasein?
Und dann kamen rund 20 Kilometer Felder und Olivenhaine. Und damit kamen auch der Matsch, die fetten Spurrillen der Traktoren, die das Laufen schwer machten, die Pfützen, die Bachdurchquerungen an Stellen, an denen vor zwei Jahren definitiv keine Bäche waren und alles war „wet and wild“, nass, rutschig und wild.
Die Strecke war mit orangenen Bändchen wirklich bestens markiert. Diese Bändchen hatten unten zusätzlich reflektierende Enden angetackert. Besser geht es kaum, aber einfach hinterher rennen entlastet den Kopf.
Nach drei Kilometern war ich endlich nicht mehr Letzter. Das Tempo hatte sich auf 6.15 min/K reduziert, ich begann, mich wohler zu fühlen.
Zwar gab es immer wieder festere, teilweise sogar asphaltierte, Abschnitte auf diesen ersten 20 Kilometern, aber das ist die Passage, über die Stephan Vogel schrieb:
„Für mich war der IZNIK ULTRA einer der schlimmsten „Mud Trails“. In den Olivenhainen waren die Wege von den Traktoren aufgerissen. Einem Läufer vor mir ist tatsächlich der Schuh im Schlamm stecken geblieben.
Da stand er dann auf einem Bein, den anderen Fuß nur noch mit dem Strumpf bewaffnet und suchte mit seinen Händen laut schimpfend nach dem anderen Schuh.“
Stephan Vogel
Olivenhaine sind tückisch, auch wenn es trocken ist. Nach einem langen Regentag aber sind sie und die Wege dazwischen oft ein echtes Erlebnis.
Nach fünf Kilometern, es ging das erste Mal ein paar Höhenmeter hinauf, lief ich wieder auf Ruby auf, ab dann blieb ich bei ihr – oder sie bei mir.
Der erste Verpflegungspunkt, an dem es aber nur Wasser gab, kam nach knapp 9 Kilometern. Er war sensationell schön gelegen, in einem alten Gemäuer drin, hell erleuchtet, aber wir ließen nur die Zeit nehmen und liefen gleich weiter.
Ab dem zweiten Verpflegungspunkt gab es auch Cola und etwas zu essen, wobei ich mich fast immer an einem leckeren Brot festhielt, das ich mit einigen Käsescheiben garnierte. Einen veganen Brotaufstrich gab es leider nicht.

Irgendwann kam dann die erste richtige Steigung, rauf auf 465 Meter über N.N., erst leicht, dann recht steil, einfach gerade den Berg hinauf. Ziehweg? Geh weg damit.
Die schönste Verbindung zwischen unten und oben ist nunmal die Gerade, leider aber auch die anstrengendste.
Das war der Zeitpunkt, wo wir sukzessive Läufer für Läufer überholten. Schon jetzt zollten Manche dem Anfangstempo Tribut.
Du bleibst dann auf der Höhe, es geht steil runter und wieder rauf, wieder steil runter, wieder steil rauf, immer wieder bis zum finalen Abstieg Richtung Tiefebene, der Iznik Gölü liegt auf 85 Metern über N.N., und dann bleibt es lange flach.
Ruby blieb immer deutlich hinter mir und ich wurde das Gefühl nicht los, dass es ihr zunehmend schwerer fiel, mir zu folgen. Ich frage immer wieder und wies auch darauf hin, dass ich alleine sei, dass es egal wäre, wann ich im Hotelbettchen wäre und dass wir von nun an noch 12 min./K Zeit hätten und dennoch innerhalb des Zeitlimits bleiben würden.
Dieses Tempo (12 min./K) ist mein „worst case Szenario“, außer natürlich in echtem Gebirge. Sonst sage ich mir, dass ich dieses Tempo in jedem Fall hinbekomme, gehend, kriechend, humpelnd, wie auch immer.
Zu wissen, dass ich von nun an mir noch dieses Schneckentempo leisten kann und immer noch im Zeitlimit oder unterhalb meines Ziels bleibe, beruhigt mich ungemein.
Ich erinnere mich an den Berliner Mauerweglauf 2015. Mein erklärtes Ziel war es, diese 100 Meilen (161 Kilometer) in „unter 24 Stunden“ zu Laufen. Das Zeitlimit beträgt dort zwar 32 Stunden, aber nur die, die „unter 24 Stunden“ bleiben, bekommen die wunderbare Gürtelschnalle, für die ich nach Berlin fuhr.
Bei dem „worst case Szenario“ Tempo bräuchte man 32 Stunden und 12 Minuten, aber als ich so weit war, dass ich wusste, dass ich die restlichen Kilometer in diesem Tempo machen dürfte und dennoch unter der 24 Stunden-Grenze bleiben würde, war ich entspannter.
Natürlich will ich dann dennoch ein paar Sekunden, ein paar Minuten, pro Kilometer in mein „geistiges Zeitsparbüchslein“ reintun, das hält mich dann Kilometer für Kilometer in Spannung. Am Ende konnte ich Berlin in 22 Stunden und 35 Minuten finishen. Schnelle Läufer bleiben natürlich unter 20 Stunden, teilweise sogar deutlich unterhalb dieser Marke. Ich aber muss mich dort abholen, wo ich stehe und ich muss mir Ziele setzen, die für mich realistisch und realisierbar sind.
Kurz vor der DropBag Station bei Kilometer 56 hatten wir eine errechnete Finishzeit von kurz vor Mitternacht, also von knapp unter 24 Stunden, gerechnet mit dem „worst case Szenario“ Tempo. Aber Ruby wollte nicht mehr weiterlaufen, Ihr Mann stand da, das Auto auch, die Knie taten weh und schnelle Kurzstreckenläufer*innen sind nicht zwangsläufig auch gute Ultraläufer*innen, was mal wieder zu beweisen war.
„Quod erat demonstrandum“ wie die Lateiner sagen.
Von nun an war ich also alleine.
Hatte ich mich bis dahin nur rudimentär an die Passagen in den Olivenhainen erinnert, vielleicht, weil es 2016 nicht so rutschig gewesen war, glaubte ich noch, mich deutlich an die folgenden gut 10 Kilometer erinnern zu können. Immer am See entlang, immer auf einer sandigen Naturpromenade.
Stimmt aber alles gar nicht. Die Naturpromenade ist nur zwei, drei Kilometer lang, danach wechseln sich Trails neben der Straße und auch Partien auf der Straße ab. Keine schöne Situation, aber eine, in der Du, wenn Du noch Laufen kannst, viel Zeit und auch einige Plätze gutmachen kannst.
Aber Du läufst mit „gebremstem Schaum“, immerhin weißt Du ja, dass Du noch zwei Mal auf 760 Meter über N.N. hinauf musst. Also Körner sparen, Kräfte schonen und locker traben. Und immer viereinhalb Minuten hinein ins „geistige Zeitsparbüchslein“.
Bevor es aber rauf geht, geht es erst mal wieder lange durch …. Olivenhaine. Und damit durch Schlamm, Dreck, Wasser, in Traktorfurchen, die so schmal sind, dass Läufer*innen mit Schuhgrößen unter 40 keine Probleme damit haben, wir Breitfuß-Läufer aber, mit Schuhgrößen US 13.5 oder 14, wir stoßen permanent rechts und links an die Wände dieser Traktorfurchen.
Der erste dieser beiden Berge, die beide schon auf der gegenüberliegenden Seeseite liegen, ist leicht. Da gibt es tatsächlich einen Ziehweg und Du schiebst Dich nach oben, in meinem Fall meist mit Zeiten um die 11 Minuten pro Kilometer.
Dann beginnt eine Hochebene, auf der es ständig rauf und runter geht – und schließlich final wieder runter an den See zu einem 11 Verpflegungspunkte (plus dem letzten Verpflegungspunkt im Ziel).
Und gleich danach geht es rechts weg, steil nach oben, kein richtiger Weg. Mittlerweile war es sonnig und es wurde zunehmend wärmer. Ich finde, man müsste dringend über die Platzierung dieser beiden Berge reden. Ein einfacher Austausch der beiden würde der Läuferschar immense Vorteile bringen. Den schweren Berg am kühleren Morgen und den leichteren Berg am heißen Nachmittag.
Könnten wir uns darauf einigen?
Aber Ultralaufen ist halt weder „Kindergeburtstag“ noch „Wunschkonzert“ und letztlich ging es zwar steil hinauf, dafür gewinnst Du auch schnell an Höhe. Ruckzuck war ich auf 290 Metern über N.N.
„Keine 500 Höhenmeter mehr,“ dachte ich.

Und da waren sie, die Dornen.
Und die Wahrheit über den Satz „Die Erinnerung ist gnädig, die Realität ist grausam.“
Ganz ehrlich, das, was nun kam, hatte ich in meiner Erinnerung total ausgeblendet. Nichts davon war mehr präsent. Aber ich hätte buchstäblich „kotzen können“, als ich sah, dass es jetzt erstmal wieder runter ging, wieder auf das Level der Tiefebene.
Aber es ging nicht einfach wieder runter. „Sakrisch steil“ wäre noch eine Untertreibung gewesen. Da war kein Weg, da war nur rutschige steile Erde. Und manches Mal war da zum Glück auch ein Seil. Es war erbärmlich, wie ich mich runter quälte. Und durch die Büsche wieder steil rauf. Und den ganzen Mist nochmal. Und nochmal. Und nochmal.
Plötzlich waren sie dann doch wieder da, die Erinnerungen.
Ich hätte meinen eigenen Bericht auf Laufspass.com lesen sollen (http://www.laufspass.com/laufberichte/2016/iznik-ultra-2016.htm)
Da schrieb ich 2016: „Was dann kam, nannte ich in meiner ersten Reaktion nach dem Finish „krasse, geile Kacke“. Sechs und einen halben Kilometer, für die ich zwei Stunden und 19 Minuten brauchte!“
Immer wieder denkst Du, dass Du schon die Hälfte der Höhenmeter hast. Und gleich darauf ist alles wieder Makulatur. Und das so eklig steil, so Angst einflößend.
Aber ich muss dennoch zugeben, dass das die Passage war, wo mich die ersten vier Läufer und die erste Läuferin des 90 Kilometer Bewerbs überholten.
Wie die diese Hänge bewältigten, das zu sehen war schon umwerfen.
Wie geht das, fragte ich mich? Was machen die anders als Du?
Aber „wer die Rose liebt, der erträgt auf ihren Dorn“ und irgendwann war diese Passage Geschichte, das „geistige Zeitsparbüchslein“ aber war nicht nur leer, sondern es war wie meine Bankkonten hoffnungslos überzogen.
Aber dort oben auf dem zweiten Berg beginnt die wohl schönste Passage des Laufs. Du schaust rechts hinunter auf das Land Richtung Istanbul. Du siehst einen kleinen See, viel Landschaft und Du erlebst eine Ruhe, die süchtig macht.
Und wenn Du nach links runter schaust, dann siehst Du den riesigen Iznik Gölü, Du erkennst die Hügel der gegenüberliegenden Seite, erinnerst Dich daran, welchen Weg Du da gegangen bist, welchen Hügel Du hinauf gegangen sein musst und Du beginnst, Dich wirklich gut zu fühlen. Knapp über 100 Kilometer hast Du hinter Dir, nicht schlecht für einen alten Mann.
Es bleibt da oben wellig, es geht rauf und runter, aber die Wege sind gut laufbar und Du kannst Deine Schulden beim „geistigen Zeitsparbüchslein“ abbauen, ausgleichen und irgendwann dieses „geistige Zeitsparbüchslein“ auch wieder mit gesparten Minuten füllen. Und ich rechnete und ich rechnete und ich rechnete mir Chancen aus, sogar unter 22 Stunden zu bleiben. Wenn ich im Schnitt der restlichen 40 Kilometer unter 10 min./K bliebe.
Ich sammelte Stück für Stück die anderen Läufer ein, wobei sich ein „Überholvorgang“ oft über mehrere Kilometer hinzog. Ein „Elefantenrennen“ von LKWs auf der Autobahn, das Dich immer ins Lenkrad beißen lässt, ist nichts dagegen.
Aber irgendwann bist Du an dem anderen Läufer dran, redest ein paar Worte mit ihm, in einem einzigen Fall mit ihr, schaust, ob Dich Englisch da weiter bringt. In den meisten Fällen jedoch bleibt nur die Symbolsprache übrig. Und dann ist dieser Läufer irgendwann hinter Dir nicht mehr sichtbar.
Zum vorletzten Verpflegungspunkt geht es noch einmal 200 Höhenmeter runter. Natürlich geht es die danach wieder rauf. Es sollten jetzt noch 31 Kilometer sein, 15 bis zum nächsten Verpflegungspunkt und dann noch den Rest.
Jetzt begriff ich, dass ich sogar noch die Chance hätte, an mein Ergebnis von 2016 heran zu kommen: 21 Stunden, vier Minuten, zehn Sekunden. Aber es würde eng werden.
Ich schaltete den Turbo ein, fokussierte mich auf dieses Ziel und lief auf Kurs 9 1/2 Minuten pro Kilometer, schneller, wenn es eben war oder runter ging, etwas langsamer, wenn es rauf ging.
Nach 14,5 Kilometern überquerte ich eine Straße und der Herr, der die Straßenquerung absicherte rief mir zu, dass der Verpflegungspunkt „in 500 Metern“ kommen würde.
Rechnen kann ich auch!
Aber aus dem 500 Metern wurden 1.500 Meter, bis ein Fotograf an der Strecke stand und mir sagte, dass jetzt noch ein Kilometer weit sei bis zum Verpflegungspunkt.
Möge die Reststrecke entsprechend kürzer sein, sonst klappt das nicht mehr mit meiner 2016er Zeit, dachte ich.
Ich erinnerte mich, dass es nach diesem letzten Verpflegungspunkt nur noch bergab gehen würde. Ich wollte nur kurz etwas trinken und gleich weiter.
Aber wie Kirke (oder Circe, Zirze) becircten mich die Ladies dort mit einer Linsensuppe, einer Champignonsuppe, mit etwas Reis und mit einer Portion Ayran.
OK, genehmigt, die Zeit muss einfach noch drin sein!
„I’m a bit in a hurry,“ sagte ich dann und ging weiter. Noch 15 Kilometer sollten es sein.
Aber es ging wahrlich nicht nur runter, ganz im Gegenteil. Es ging höher hinauf als beim Verpflegungspunkt und das gleich mehrmals. Und es war kein leichter Weg mehr, sondern ein Trail mitten durch den engen Wald, Kurve rechts, Kurve links, rauf, runter, durch einen Bach. Und immer dachte ich mir, dass jeder Meter rauf und jeder Meter weiter den Abstieg in den Höhenmetern vergrößern, in der Länge aber verkleinern würde. Es würde also steil werden.
Und irgendwann wurde es das dann auch, sehr steil sogar.
Das beste Zeichen für mich war jedoch, dass dort, wo es begann, richtig runter zu gehen, noch niemand stand. 2016 stand da ein Herr, der uns ermahnte, die Sicherheitswesten anzulegen und die Stirnlampen aufzusetzen. Ich musste also früher an diesem Punkt gewesen sein als 2016, das beflügelte mich weiter.
Ich rannte den Berg hinunter, vorbei an Massen von Läufern, die den 50 K Bewerb liefen, aber vollkommen am Ende waren.
Viele winkten mir, machten mir motivierende Zeichen – oder klatschten sogar.
Ich wusste aber noch aus 2016, dass am Ende einige Kilometer flach anstehen. Flach und Straße. Aber flach wirkt nach ein einigen Kilometern runter wie bergauf und ich überlegte, ob ich dann noch würde laufen können oder ob ich auf „Wandertag“ umschalten müsste.
Aber ich lief durch, sammelte Läufer ein, die meisten natürlich vom 50 K Bewerb und ich rechnete. Ich erhöhte mein Zeitziel auf „unter 21 Stunden“, also ein klein wenig besser als 2016, trotz, wie ich finde, schwierigerer Bedingungen.
Die letzten Kilometer lief ich dann mit gelegentlichen Gehpausen mit um die 7 min./K und die Zielzeit schmolz von Kilometer zu Kilometer.
Am Ende geht der Weg auf der Straße entlang der antiken Stadt- und Wehrmauer. Hatte ich erwähnt, dass diese riesig ist, riesig und lang? Du läufst und läufst, Du überholst und irgendwann darfst Du nach links wieder durch die riesige ehemalige Halle hindurch, die Metalltreppenstufen hinauf und dann die Hauptstaße entlang.
Jetzt war es schon deutlich am Dämmern, aber anhalten und die Stirnlampe aufsetzen war nicht mehr nötig.
Weiter vorne, hell erleuchtet, sah ich das Ziel. Und ich rannte. Drei Querstraßen waren zu passieren, ein Auto hatte gefälligst für mich zu halten.
Von links kommende Läufer haben eben grundsätzlich Vorrang!
2016 war ich Vierter meiner Altersklasse, Vierzehnter von allen, damals startete ich noch in der Altersklasse M45+ (http://racetecresults.com/results.aspx?CId=16389&RId=108).
2018, nun in der Altersklasse M55+, mit 30 Minuten weniger, was würde da rauskommen?
Altersklassen sind ja sehr zufällig. Wie viele Läufer starten? Welche Leistungen erbringen diese Läufer? Und ist es überhaupt wichtig, einen bestimmten Platz zu erreichen?
Spaß haben, seine eigenen Ziele erfüllen, sich und seinem Körper etwas Gutes tun, neue Menschen mit dem gleichen Hobby kennenlernen, eine schöne Gegend sehen, Brücken zu anderen Menschengruppen und Ländern bauen, eine schöne Medaille bekommen, das sind doch die Dinge, die wirklich zählen, oder?
Ich lief also ein genau dann, als die Uhr von 21:03:59 auf 21:04:00 umschlug. Ein klitzekleines Bisschen mehr als 30 Minuten gegenüber 2016 gespart.
Ganz ehrlich, noch vierzig Kilometer vorher hätte ich das nicht glauben können.
Im Ziel gab es eine der schönsten Medaillen, die ich je bekommen habe, noch schöner als die Medaille an gleicher Stelle zwei Jahre zuvor. Und es gab Reis mit Linsen, Ayran und Cola, was ich mir alles gönnte.
Und dann betrat ich den MIGROS, gleich neben der Ziellinie. Und ich gönnte mir noch eine Cola, aber eiskalt.
Heute weiß ich, dass ich insgesamt den 11. Platz belegt habe. Und ich habe meine Altersklasse M55+ gewonnen.
Die Sieger-Medaille für die Alterskategorie wird mir zugeschickt werden, also warte ich geduldig.
Und ich freue mich.
Das war ein furioses Finale, ein großartiger Lauf, eine fordernde Strecke.
Und wenn ich zwischenzeitlich geflucht habe und die Passage mit der „krassen Kacke“ nie, wirklich nie wieder machen wollte – ich bitte um Vergebung und behaupte das Gegenteil.
Schön wäre es jedoch, wenn ich dann nicht wieder alleine wäre.
Dieser Lauf hat mehr ausländische Läufer verdient, Deutsche sowieso.
Am nächsten Tag ging es wieder nach Hause, nicht jedoch, ohne dass ich mir noch einen großen handgemalten Teller aus Iznik gekauft hätte – mal wieder.
Der wird mich immer vor allem an diese letzten 30 Kilometer erinnern.
Und daran, dass der IZNIK ULTRA eine Rose ist, deren Dornen man ertragen muss.
Ich sage: „Teşekkürler!“ Richtung Iznik, ihr habt da ein echt geiles Teil.
Ein letzter Gedanke noch …
Wie weit sind eigentlich 140 Kilometer?