Von Delmenhorst nach Delmenhorst …

Lange ist es noch nicht her, dass in Delmenhorst das Schlusssignal ertönt ist, aber es wirkt für mich fast unwirklich, so lange vergangen.
Es ist ja der Traum der meisten Läufer unter uns: etwas Besonderes leisten, sich selbst irgenwo abholen, das Gewesene verbessern und die Achtung und Aufmerksamkeit von Anderen erhalten.

Am Anfang meiner „Läuferkarriere“ dachte ich immer, zu schlecht zu sein, zu langsam zu laufen und zu schnell müde zu werden. Ich habe immer nur zu den Schnellen aufgeschaut, ich habe die bewundert, die weiter laufen können als ich und die Cracks unter den Läufern beneidet und in meine Abendgebete eingeschlossen.


Dabei ist es gar nicht wichtig, ob Du bei einem 24-h Lauf 120, 180, 200 oder mehr Kilometer hinter Dich bringst. Wichtig ist lediglich, dass Du weißt, wo Du stehst und dass Du dort versuchst, aus Deiner „Wohlfühlzone“ auszubrechen und eine Leistung zu bringen, mit der Du Dich am nächsten Tag im Spiegel mit Stolz betrachten kann.
Und wie diese Leistung sein muss, das entscheidest Du ganz allein. Du holst Dich eben da ab, wo Du bist. Und da sind wir alle verschieden – zum Glück.
Oder anders formuliert: lieber einen persönlichen Bestwert mit 140 Kilometern schaffen als weinend einzulaufen, weil es „nur“ 169,6 Kilometer waren und das definierte Ziel „170 Kilometer“ verfehlt wurde.

Mein erster 24-h Lauf war vor zwei Jahren bei der DLV-Challenge in Delmenhorst. Ich hatte diesen Lauf ausgesucht, weil ich bis dahin nur zwei 100 Kilometer – Läufe gemacht hatte, beide waren in Biel, 2007 und 2008, und ich war der begründeten Ansicht, dass es nicht schlecht wäre, vor den 166 Kilometern des UTMB diese Strecke zumindest einmal flach gelaufen zu sein. Zwei gleichzeitige Herausforderungen, eine für mich extreme Länge und für mich extrem viele Höhenmeter, wollte ich mir nicht zumuten, da kam die DLV-Challenge genau Recht.

Und jetzt, zwei Jahre später, bei meinem zweiten 24-h Lauf, war ich also wieder in Delmenhorst, beim Burginsellauf, weil die DLV-Challenge nicht wiederholt wurde.

Dabei war die DLV-Challenge für mich optimal. Schon die Grundbedingungen waren perfekt. In der Altersklasse M40 und M45 wurdest Du nur gewertet, wenn Du mindestens 150 Kilometer gelaufen bist. Am Anfang war noch meine größte Angst, lange zu laufen und dann nicht gewertet zu werden. Der Vorteil gegenüber anderen 24-h Läufen ist aber, dass Du die Walker mit ihren Stöcken nicht auf der Strecke hast.
Staffeln waren ebenfalls verboten, auch das ist ein unschätzbarer Vorteil, weil Du Dich, wenn Du nicht sehr diszipliniert bist, doch immer ein wenig von den Staffeln zu einem schnelleren als Deinem angemessenen Tempo verleiten lässt.
Und ich bin damals mit der damals noch für dle LG Ahrweiler laufenden Sabine Strotkamp gelaufen. Sabine läuft auch für die Nationalmannschaft, ist sehr diszipliniert und hatte das gesamte DLV-Team „im Boot“.

Wir sind damals mit einer 7er Zeit gestartet und schon nach zweieinhalb Stunden waren wir mit zwei Runden Rückstand zum Vorletzten abgeschlagen ganz weit hinten. Ich hätte viel schneller gekonnt, aber Sabines Trainer, der heute ihr Ehemann ist, schimpfte uns schon dann, wenn wir mal die 1 Kilometer Runde mal mit 6:53 Minuten abgeschlossen hatten. „Ihr seid zu schnell!“ rief er uns ständig zu und meine Sorge, die 150 Kilometer-Hürde nicht zu schaffen, wuchs mit jeder Minute.

„Sabine,“ sagte ich zu ihr, „ich bin nicht hier, um Letzter zu werden!“
Aber Sabine schaute mich mitleidig an und fragte mich, wie weit ich denn zu laufen gedenke. Als ich ihr sagte, dass ich mindestens 150 K schaffen müsste, antwortete sie: „Dafür sind wir viel zu schnell!“
Ich war irritiert und sie sagte mir, dass wir, wenn wir das 7er Tempo bis zum Ende halten könnten, bei 200 Kilometern landen würden.
Mit den Stunden rutschten wir dann im Ranking immer weiter nach vorne. Ich endete dann mit 177,520 Kilometern als insgesamt Zehnter und als Fünfter der Altersklasse M45.
Das war für mich kaum mehr steigerbar und so wuchs von Monat zu Monat die Sorge, das irgendwann nicht mehr toppen oder wenigstens einigermaßen erreichen zu können.

Ich war danach bei mindestens drei weiteren 24-h Läufen angemeldet, bei einem Fun-Lauf im Saarland, bei einem 24-h Lauf in Ratingen-Breitscheid, der von meinem Freund Bernd Krayer organisiert wird und bei der Deutschen Meisterschaft im 24-h Lauf im letzten Jahr in Rockenhausen. Im Saarland und in Rockenhausen habe ich mit mäßiger Motivation immer direkt nach der Überquerung der Marathon-Marke aufgehört. Immer war ich zu schnell angegangen, jedes Mal habe ich mich über mich selbst geärgert  – und beim 24-h Lauf in Breitscheid habe ich eine andere Taktik gewählt. Hinlaufen war die Devise, nicht primär dort laufen.

All das habe ich getan, um erst gar nicht in die Versuchung zu kommen, den Bestwert von damals testen zu müssen – und daran vielleicht zu scheitern. Ich habe jeden Grund akzeptiert, vorzeitig auszusteigen, gewertet wirst Du ja auch mit ein paar Metern mehr als ein Marathon!

Und jetzt hatte ich mir für Delmenhorst Ruhe verordnet und das Glück, jede noch so bescheidene Leistung mit dem Training für England begründen zu können. Ich wollte ja gar nicht auf einen persönlichen Bestwert laufen, nur entspannt für das „TRA 250 Miles Thames Ring Race“ trainieren. Und so entschied ich, die Strategie von Sabine zu wählen, langsam zu starten und zu versuchen, so lange wie möglich auf diesem Level zu verharren.
Trotz der besten Vorsätze begann ich zwar sehr langsam, aber immer noch etwas zu schnell. Statt eines 7er Tempos hatte ich meist eine 6:35 auf dem Schirm, aber noch weiter zu reduzieren traute ich mich nicht, immerhin lief ich mit meinem Freund Birger, der von mir gedacht haben muss, dass hier eine echte Ultra-Schnecke unterwegs ist.
Sabines Trainer hätte mich wohl total „zur Sau“ gemacht wegen der meist 20 bis 25 Sekunden pro Kilometer, die ich effektiv zu schnell war.

Besonders stolz auf mich war ich, weil ich 10 Runden lang der Versuchung widerstanden habe, bei jeder Runde auf den Monitor zu schauen, um nachzusehen, wo ich denn gerade platziert bin.


Es ist seit langem ein offenes Geheimnis: Du nordest Dich in den ersten zwei Stunden auf eine Laufgeschwindigkeit ein. Beginnst Du zu schnell, dann brichst Du irgendwann ein und verlierst ein Vielfaches von dem, was Du am Anfang gewonnen hast. 24 Stunden sind eben enorm lang und der Gewinn der ersten Stunden verblasst gegen den Verlust der letzten Stunden.
Folgerichtig sah ich auch, dass ich nach der Runde 11 „nur“ der 32. von allen war, der 5. der Altersklasse M50.
Mittlerweile hatte ich mich auf mein Renntempo eingenordet, die ersten zwei Stunden waren vorbei, der Mensch ist zur Maschine mutiert und die Gefahr, jetzt noch zu schnell zu werden, war relativ gering.
Und trotzdem verbesserte ich mich bis zur Geisterstunde von Runde zu Runde fast immer um einen Platz.


Als meine Gabi für sich entschieden hat, kurz nach Mitternacht, zwischenzeitlich waren 12 der 24 Stunden vergangen, etwas zu schlafen, war ich 9. von allen und 2. der Altersklasse und meine Gedanken spielten verrückt, der Ehrgeiz erwachte und alle guten Vorsätze, locker zu bleiben, gab ich irgendwo auf der Strecke ab.
In der nächsten Runde verbesserte ich mich auf den 7. Rang und eine weitere Runde später war ich schon 6. und 1. der Altersklasse.
Es war meine Vernunft, Gabi nicht zu wecken, um ihr das schöne Ereignis zu zeigen, aber es wurde mein Ziel, diese Platzierung bis ins Ziel zu retten.
Gleich darauf war ich sogar auf dem fünften Platz und dieses Ergebnis hielt ich bis zum Ende.
Erst in den letzten vielleicht drei, vier Stunden, reduzierte ich mein Tempo ein wenig, gönnte mir ein paar Gehpausen und ließ mir von Gabi und dem „Runningfreak“ Steffen Kohler ausrechnen, wie groß mein Vorsprung auf den Zweitplatzierten der Altersgruppe und auf den Sechstplatzierten des Rennens ist.
Beide Werte vermittelten Sicherheit und weil ich ja ein träger Junge bin sank meine Motivation, ständig am oberen Level für so eine Veranstaltung zu laufen, ein wenig ab und ich gönnte mir ein paar nette Gespräche mit lieben Läufern wie dem großartigen Bernd Nuss, seines Zeichens Veranstalter des 24-h Laufes „Rund um den Seilersee“ bei Iserlohn, mit Hans Würl, den ich immer wieder bei Großevents treffe und vielen Anderen.
Es war eine schöne Veranstaltung – und das nicht nur wegen des sportlichen Erfolgs.

Wenn man betrachtet, welche Mühe sich die Organisatoren machen, dann verharrt man in Demut und Dankbarkeit. Schon die Startgebühr ist bescheiden niedrig und die Versorgung lässt keine Wünsche offen.
Außer Wasser und Cola gab es alkoholfreies Weizenbier, Malzbier und eine Batterie von Säften, beginnend mit Orange und Apfel und endend mit Exoten wie Guavensaft und Mangosaft. Es gab frische Früchte, frische Ananas, Weinträubchen und erntefrische Erdbeeren.
Wer da nicht glücklich wurde, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

Und den leckeren Milchreis mit Erdbeersauce, der ab 20 Uhr erhältlich war, kannte ich ja schon aus dem Jahr 2009.
Zu diesem Zeitpunkt gab es dann auch Nudeln im Überfluss, garniert mit fleischhaltiger Sauce oder, vielleicht speziell für mich, in einer vegetarischen Sauce. Richtige Läufernahrung also.

Musik vom Band am Anfang, eine Live-Band ab 20 Uhr, die allerdings etwas rockigere Musik hätte spielen können, ein Speaker mit einer wunderschön trainierten Stimme, der Lust gemacht hat, ihm immer wieder zuzuhören und als Abendabschluss in verschiedenen warmen Farben angestrahlte Bäume im Park, durch den wir liefen.

Perfekt war auch die technische Ausstattung. Jeder Läufer erhielt spezielle Transponder und innerhalb einer Megasekunde war Dein Ergebnis auf dem Monitor mit Deiner Platzierung Gesamt und AK, mit Deiner letzten Runde, der Gesamtzahl der absolvierten Runden und der Gesamtstrecke, die Du schon bewältigt hast.

Bleiben nur noch die Siegerpokale für die schnellsten Teamstaffeln, die schnellste Frau, den schnellsten Mann und die Auszeichnungen für die jeweils drei Altersgruppensieger.
Von 2009 war ich ja noch verwöhnt, als es einen Glasblock gab mit einem als Hologramm eingelaserten Läufer und meinem 5. Platz der Altersklassenwertung.
2011 aber stand in nichts nach. Die Glasaufsteller, die wir bekamen, sind zauberhaft schön, wertvoll und werden stets einen Ehrenplatz in meinem Schlafzimmer haben.


Besser, finde ich, kann man solch einen Lauf nicht machen. Und so verneige ich mich Richtung Delmenhorst und den dortigen Organisatoren.

Delmenhorst, ich komme wieder …

Von Schmerzmitteln, vom reinen Glück, von Freunden und von mir …

Im Nachhinein ließt sich meine Geschichte zur Deutschen Meisterschaft im 100km Straßenlauf wie die reine Geschichte vom Glück.

Als ich im Frühjahr gehört hatte, dass der TuS Ahrweiler, also der Verein meines Sohnes, 2009 Ausrichter der Deutschen Meisterschaften wird, da wusste ich schon: DA MUSS ICH EINFACH HIN. Ich habe so viele Läufe in der Fremde gemacht, aber eben noch keinen langen Lauf in meiner Wahlheimat, dem Ahrtal. Dort, wo mich so viele Menschen kennen, wo ich als 2.Vorsitzender des SC07 Bad Neuenahr so glückliche Jahre verbracht habe, wo scheinbar jeder Unternehmer mir jedem Unternehmer eine loyale Einheit bildet – dort wollte ich laufen gehen.
Sabine Strotkamp von der LG Ahrweiler, meine Freundin und Pacemakerin bei der DLV-Challenge des 24-Stunden-Laufs in Delmenhorst, erfolgreiche Ultra-Läuferin im Nationalteam des DLV, war eine der treibenden Kräfte, dass dieser Wettbewerb vom Ultramarathon zum UltrAHRmarathon wurde, immerhin wohnt sie fast direkt an der Laufstrecke. Und ich wollte mich schon sehr früh anmelden, zu früh, wie ich merkte.
Eine Anmeldung über den DLV hatte ich noch nie gemacht und ich konnte erst eine Woche vor dem Lauf kontrollieren, dass ich auch wirklich auf der Starterliste stehe. Aber Sabines beruhigende Worte halfen mir, Vertrauen zu haben und zu wissen, dass dies „mein Tag“ werden sollte.

Cheerleader-Mädchen motivieren die Läufer

Cheerleader-Mädchen motivieren die Läufer

Aber wie bei allem, auf das man sich zu sehr freut, rächt sich das Leben. Du bekommst einen Termin in die Agenda gedrückt, der wichtiger ist als die private Freude – oder Du wirst krank. Das Leben kann manchmal grausam sein. Mich erwischte es ohne Vorwarnung am Dienstag vor dem Lauf, also 96 Stunden vor dem Start. Ich fühlte mich wohl, ich war nicht verkühlt und guter Dinge. Ich setzte mich auf den Rand unseres Bettes im Schlafzimmer, um mir die Hose auzuziehen, da stach es in den Rücken und ich wurde innerhalb von Sekunden zum alten Mann.
Mein Weg ins Büro, der nur vielleicht 50 Meter weit ist, dauerte ewig und ich lief tief gebeugt und von Schmerzen geplagt dorthin. Das muss für die Kolleginnen ein Bild gewesen sein! Noch am gleichen Tag ließ ich mir einen Termin bei meinem Lieblings-Sportarzt Dr. Roman Bauer in Bad Neuenahr geben. Dort ist alles perfekt, außer die Parkplatz-Situation. Immer schwanke ich zwischen einem Knöllchen und dem langen Fußweg bis in die Praxis. Und dieser Fußweg dauert!
Ich komme gleich dran, der Arzt ist mein Freund, schon aus alter Verbundenheit zu unserer gemeinsamen Zeit beim SC07 Bad Neuenahr, und ich bekomme eine Spritze in die linke Po-Backe und ein Rezept über Schmerzmittel, die ich drei Mal am Tag und ein Muskellösungsmittel, das ich jeweils am Abend nehmen soll.

Die Stunden vergingen und es wurde stets besser, ohne gut zu werden. Noch am Tag vor dem Start ging ich noch einmal zum Doc, ich bekam eine neue Spritze, wurde mit 10 schmerzhaften Stichen „gequaddelt“ und meine Chancen, zu starten, stiegen. Am Freitag Abend ging ich zur Startnummern-Ausgabe und ich überlegte, ob ich die Startnummer wirklich abholen sollte oder nicht. Und ich redete mit jedem, den ich kannte, über meinen Rücken.

Da gab es aber keine „Weicheier“. Niemand sagte, dass ich in der Situation vorsichtig sein solle und mich erst auskurieren möge. Die meisten sagten, ich solle es einfach versuchen, locker angehen und dann nach einer Stunde oder zwei entscheiden, ob ich dabei bleiben wolle. Und ein Freund aus dem DLV-Team sagte mir, dass auch das Gegenteil passieren könne: dass die Muskeln sich durch das Laufen entspannen könnten. Das hat mich überzeugt und ich beschloss, zu starten.

Der Samstag vor dem Start war richtig hektisch. Kennst Du das, dass diejenigen, die am wenigsten weit von einem Ereignis weg wohnen, stets die letzten sind?

Um 6.30 Uhr sollte der Start sein, ich stellte meinen Wecker auf 5.30 Uhr. Mein Frühprogramm ist schon Routine, das geht schnell. Die Brustwarzen müssen getaped werden, ein wenig Melkfett muss verschmiert werden, die Zehen bekommen ein paar COMPEED Streifen, der Pulsgurt darf genausowenig vergessen werden wie der GARMIN 305, der Buff am linken Arm, eventuell die Armlinge, die Mütze und die Sonnenbrille. Ob ich immer alles brauche? Eher nicht, aber ich fühle mich „nackt“, wenn davon etwas fehlt.

Die wichtigste Entscheidung aber treffe ich schon immer am Tag vor dem Lauf: worin willst Du laufen? Worin willst Du starten, wie oft ziehst Du Dich um und worin finished Du? Ich fühle mich häßlich und kann nicht gut laufen, wenn ich mich nicht auch „schön“ finde …

Für den Samstag habe ich mich entschieden, weitgehend mit einer SKINFIT-Oberjacke zu laufen, um den Rücken warm zu halten. Ich lief auch mit einem ABC-Pflaster und startete mit einem engen schwarzen NIKE-Oberteil, mit dem ich zurzeit sehr gerne laufe, weil es meinen Oberkörper so schön betont. Wenn einer wie ich schon keine Muskeln hat, dann muss man etwas tragen, das wenigstens so tut, als wäre das was …
Finishen wollte ich mit dem Finisher-T-Shirt des TransAlpine Run. Nur eine Runde lang trug ich dieses schwarze Shit mit dem tollen Aufdruck und am Ende lief ich dann auch ohne die SKINFIT-Jacke, die ich vor dem Einlauf in die Versorgungszone meiner Tochter zuwarf. So konnte man das Shirt hervorragend sehen.

Als ich nach der Vorbereitung auf die Uhr gesehen habe, war es schon 6:14 Uhr. Regulär nach Bad Neuenahr fahren hätte nicht mehr funktioniert, also griffen wir zu einem kleinen illegalen Trick und fuhren über einen Parkplatz direkt auf die Autobahn auf. Meine Frau Gabi fuhr so schnell es ging und sie setzte mich eine Minute vor dem Start vor der Schule ab. Als ich ankam konnte ich noch einen Freund begrüßen, der zufällig da stand, aber dann ging es auch gleich los. Zeitlich enger hätte es nicht sein können …

Gabi sagte, dass sie eine Runde lang auf mich warten würde, nur für den Fall, dass ich aussteigen wolle, aber die erste Runde war ein wenig schmerzhaft, aber es ging. Die zweite Runde war schlimmer und noch immer war sie da. Da ich aber nicht darauf eingestellt war, hatte ich keinen weiteren Gedanken auf das Aufgeben verwendet und nach der dritten Runde, zweifellos der schlimmsten, war sie erst einmal weg.

Ich hatte mir vorgenommen, alle drei Stunden je eine Schmerztablette und eine dieser Nachttabletten zur Muskellösung zu schlucken und meine Lauffreundin Huberta besorgte mir noch zwei weitere Schmerztabletten, die ich auch noch zu mir nahm. „Viel hilft viel“, dachte ich und die Rückenschmerzen waren weg, komplett weg. Ich merkte nicht einmal die wärmende Wirkung des ABC-Pflasters mehr, aber nach wenigen Runden spürte ich, wie mein linkes Bein komplett hart und steif wurde. Wahrscheinlich habe ich eine „Schonhaltung“ eingenommen, die dann auf den Bewegungsapparat gewirkt hat.

Um den Lauf kurz zu skizzieren: 50 Kilometer lang ging alles gut, 50 Kilometer tat alles weh. Ein paar Schritte gehen, wieder anlaufen, gehen, laufen, alles schön im Wechseln. Und dennoch verbesserte ich mich auf den letzten 50 Kilometern um über 20 Plätze. Es soll also Läufer gegeben haben, die noch mehr Probleme hatten wie ich.
Richtig schön war aber, dass ich nahezu jeden Streckenposten kannte – oder der zumindest mich. Und jeder feuerte mich an. Und bei keinem wollte ich Schwäche zeigen, auch nicht bei denen, die unmittelbar vor einer steilen Brücke standen. Da musste gelaufen werden …

Zwei Freunde vom LT Grafschaft kamen vorbei, viele private Freunde, die dann in der Versorgungszone warteten, die ehemalige Torhüterin des SC07 Bad Neuenahr, Andrea Schaller mit ihrer „besseren Hälfte“, der Geschäftsführer der Ahrtal-Touristik Andreas Wittpohl und auch mein Journalistenfreund Gerd Weigl, der auch zwei Fotos von mir machte und sie mir auch sofort mailte. Und viele Zuschauer am Rande nickten und winkten mir und ich war oft nicht sicher, ob die dem „unbekannten Läufer“ zuwinkten oder eben mir und ich erkannte sie einfach nicht …
Und der Moderator erwähnte gleich zwei Mal meinen „sensationellen Lauf“ über 166km mit 9.400 Höhenmetern, ohne das Wort „UTMB“ zu erwähnen. Trotzdem tat das richtig gut und die anderen Ultra-Läufer werden gewusst haben, wovon er sprach.

Dass ich mein ursprüngliches Ziel, unter 10:30:00 Stunden zu laufen, nicht schaffen werde, war mir schon klar, als ich das ABC-Pflaster aufklebte. Aber es musste ein Ergebnis unter 11:00:00 Stunden sein, weil bei der DM in den Kategorien M40 und M45 nur diese Ergebnisse gewertet werden. In Biel hatte ich beim ersten Mal 11:19 Stunden gebraucht, beim zweiten Mal 10:43 Stunden. Die 10:47:32 Stunden vom Samstag sind für mich also alles andere als schlecht – ich war zufrieden. Und meine Qualifikation für den Spartathlon muss ich jetzt eben bei der TorTOUR de Ruhr holen.
Die Forderung der Veranstalter des Spartathlon ist ja entweder ein 100km-Lauf in unter 10:30 Stunden oder ein Nonstop-Lauf über 200 Kilometer. Und da ist dan die Zeit egal. Ich glaube, dass ist eher meins.

Bitte, bitte, bitter, am bittersten …

Eigentlich sollte ich mich ja freuen.
Meine Morgenzeitung, die „RHEIN-ZEITUNG“ meinte es gut mit dem Ultra-Lauf. Und sie meinte es gut mit mir. Einen Vorbericht über die Deutschen Meisterschaften im 100km-Lauf hatte ich gar nicht erwartet, schon gar keinen so ausführlichen.
Und dann wurde ich sogar neben der National-Läuferin Sabine Strotkamp und meinem Lauffreund Hans-Peter Gieraths, die beide für die LG Ahrweiler laufen, sogar explizit und lobend erwähnt. Wie schon geschrieben: ich sollte mich eigentlich freuen!

Deutsche Meisterschaft im 100km-Staßenlauf in Bad Neuenahr-Ahrweiler

Deutsche Meisterschaft im 100km-Staßenlauf in Bad Neuenahr-Ahrweiler (zum Vergrößern bitte klicken!)

Wenn da nicht mein Rücken wäre! Gestern morgen hat mich „die Hexe geschossen“ und seither laufe ich vornübergebeugt schief und langsam durch die Gegend. Mein Lieblings-Sportarzt Dr. Roman Bauer, Bad Neuenahr, hat sich das gestern schon angesehen und mir noch eine Spritze gegeben, seither geht es besser.
Aber es geht halt noch nicht annähernd gut.

Noch habe ich 60 Stunden Zeit, um ein Wunder wirken zu lassen, aber meine Hoffnung schwindet von Stunde zu Stunde. Morgen nachmittag gibt es wieder eine Spritze und am Freitag werde ich meinen Lieblings-Physiotherapeuten Roger Steiner wirken lassen, alles in der Hoffnung, vielleicht doch noch starten zu können.

Ich erinnere mich an 2008, an die letzte Woche vor dem TransAlpineRun (TAR). Der startete am Samstag und ich musste am Samstag zuvor noch bei den internen Tennis-Clubmeisterschaften spielen. Mitten während des zweiten Spiels begann es zu regnen, der Rücken wurde kalt und ich wurde schief und krumm. Trotz der warmen Badewanne war alles zu spät: Das Höhentraining, zu dem ich am Sonntag aufgebrochen bin, fiel den Schmerzen zum Opfer, die ABC-Pflaster-Branche jubelte ob der steigenden Verkäufe und erst am Mittwoch konnte ich wenigstens wieder gehen.
Dann konnte ich leicht tippeln und abwärts laufen und – da gab es das Wunder – pünktlich zum Start war alles wieder gut. Ich lief zwar drei Tage lang sicherheitshalber mit einem wärmenden ABC-Pflaster auf dem Rücken, aber ich lief. So ein Wunder brauche ich jetzt wieder!

Und wenn nicht? Dann werde ich mir den Lauf als Zuschauer ansehen, ein paar Tränen vergießen und mir vorstellen, wie es wäre, wenn ich da laufen würde. Wie ich da versuchen würde, meine Qualifikation für den Sparthatlon zu erlaufen und wie ich in der Heimat so viele Zuschauer kennen würde …

Bitte, bitte, gib mir ein Wunder, bitte, bitte, sonst wäre es bitter …