Das Deutsche Haus in Chamonix

„There was a house in Chamonix, they called the German House …“
Deutsches Haus Als ich 2012 für The North Face ein wenig über deren Läufer und meinen alten Trans Alpine Run – Laufpartner Heiko Bahnmüller schreiben durfte, lernte ich zuerst Judy Ng, die für Denis Wischniewski’s Trail Magazin schrieb und dann ihren Lebenspartner Thomas Bohne kennen. Thomas ist ein junger und sehr schneller Läufer, auch in der unsäglich nassen Nacht von Chamonix 2012. Und Judy, Thomas und ich verstanden uns spontan ausnehmend gut.
Anschließend blieb ich den beiden über das Blog www.thomasbohne.com verbunden und las da von mancher Verrücktheit, vom Laufen im Land von Dschingis Khan, vom Projekt Rim2Rim2Rim, das Thomas von der Südseite des Grand Canyon (South Kaibab Trail) quer durch denselben auf die Nordseite (North Kaibab Trail) und wieder zurück (Bright Angel Trail) geführt hat. Außerdem gibt es dort Berichte über „Hong Kong – zu Fuß in China“ und über Trailrunning in Beijing. Lauter interessante und außergewöhnliche Themen also. Ein wirklich lesenswertes Blog.
DHAußergewöhnlich war auch die Idee der beiden, mitten in Chamonix ein „Deutsches Haus“ einzurichten. Mit der Unterstützung des Trail Magazins, von Patagonia, Erdinger Weißbier Alkoholfrei und 4Deserts.com wurde also ein großes Chalet gemietet, in das sich deutsche Athleten und Medienvertreter einmieten konnten. Und ich war wohl der erste Läufer, der dafür zugesagt hatte. Dabei ging es den beiden darum, eine Anlaufstelle für die doch relativ wenigen vor Ort weilenden deutschen Teilnehmer zu schaffen. Eben so, wie man es beispielsweise auch von den Olympischen Spielen kennt.

Ich wusste anfangs noch nicht, wer sonst noch alles sich dort im Haus aufhalten würde, ich wurde aber dann sehr positiv überrascht. Viele Mitbewohner kannte ich schon lange zuvor, Da war zum Beispiel die Läuferlegende, der Abenteurer, Bergsteiger und Läufer Gerald Blumrich, der unter anderem auch etwas über seine Besteigung des „tödlichsten Bergs der Welt“, des Mt. McKinley verriet oder der stets gut gelaunte Marathon4you und Trailrunning.de Texter Bernie Manhard, bei dessen 50. „Marathon und länger“ im Karwendelgebirge ich dabei sein durfte und der aber mittlerweile auch schon deutlich auf die magische 100 Marathon – Grenze zusteuert.
Manche kannte ich nur vom Namen her aus Facebook, das war Tom Dörner, der sich, sehr engagiert, die ersten Sporen auf wilden und langen Trails, in diesem Fall auf dem des CCC (Courmayeur – Champex – Chamonix) verdienen wollte. Insgesamt liefen übrigens vier Chalet-Bewohner diesen CCC.
Natürlich waren auch Judy und Thomas da, einige andere, die ich alle lieb gewinnen konnte, später kam sogar noch Trailschnittchen Julia Böttger für ein paar Nächte, es waren aber auch – und das fand ich etwas ganz Besonderes – unzählige Gäste da, die entweder zur Patagonia Pasta Party erschienen sind, beim 4Deserts Vortrag anwesend waren oder die einfach so mal diesem Haus, dieser Institution ihre Aufwartung machen wollten, um einen Tee, ein Glas Wein oder ein alkoholfreies Weizenbier zu genießen.
Unter den Gästen war auch der schnelle Thomas Wagner, der angeblich nur unsere Waschmaschine gebraucht hatte. Er kam auf einen Drink und einen Gruß, um gleich weiter zu fahren zum Start des Trans Alpine Run 2013, wo er dort schon einen Tag später als TEAM 357 mit Denis Wischniewski die Konkurrenz ordentlich aufmischen wollte.

Das „Deutsche Haus“ war also meine Bleibe für eine komplette Woche in Chamonix und die Überlegung, die ich hatte, war, nach einem Eingewöhnungstag am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag ein wenig in die Berge zu gehen, um mich für den UTMB (Ultra Trail du Mont Blanc) zu akklimatisieren, noch ein wenig Höhenmeter zu sammeln und sonst einfach eine gute Zeit zu haben.
Aber wie heißt es im Musical „Elisabeth“ an einer Stelle?
„Was nützt ein Plan, ist er auch noch so schlau, er bleibt doch immer Theorie. Und nur das eine weiß man ganz genau: so wie man plant und denkt, so kommt es nie! „
Wie wahr, denke ich heute, wenn ich nachträglich an diese unglaubliche Woche denke.
ElisabethAls ich am Sonntag vor dem UTMB am frühen Abend endlich in Chamonix ankam, brauchte ich schon eine Weile, um das „Deutsche Haus“ zu finden. Eine verdächtige schwarz-rot-goldene Fahne hat mir aber schließlich doch verraten, welches der vielen Chalets damit gemeint war. Außer Judy, Thomas und Marius Keil war noch niemand da, ich bezog mein Einzelzimmer, richtete mich ein und gewöhnte mich langsam an das weiche und sehr hohe Bett.
Und ich telefonierte. Ich hatte erst wenige Tage zuvor erfahren, dass das einzige deutsche Laufteam beim PTL (La Petite Trotte à Léon) um eine Person verkleinert war und ich überlegte, ob ich diesen Makel ausgleichen könnte und am Montagmorgen gegen 11 Uhr entschieden Eric Tuerlings, Uwe Herrmann und ich, dass wir das gemeinsam wagen wollten.
Wunderbar für mich auf der einen Seite, ein wenig schade war es aber auch um die Nächte im „Deutschen Haus“, um das Runningevent, das vom Patagonia-Laden in Chamonix für den Dienstagmorgen vorgesehen war, um die Pastaparty, um die vielen Gäste und um all die schönen Erlebnisse, die man in solch einer großen und einschlägig interessierten Runde haben kann.

Und so verabschiedete ich mich am Montagabend auf die maximal 136 Stunden lange Strecke des PTL. Und ich wurde verabschiedet – von allen Bewohnern dieser neu gegründeten „WG“. Und ich sagte Thomas, dass es schade wäre um mein nun nicht mehr genutztes Bett und dass er dieses gerne weitergeben könne.
Welch ein Glück, dass dies nicht schnell genug geschah, denn schon am Mittwoch war ich zum Frühstück wieder in meinem Zimmer.
Die Mitbewohner des Chalets staunten nicht schlecht, als sie mich, zusammen gefallen wie ein Häufchen Elend, zum Eingang traben sahen und mancher fragte mich sofort, ob ich denn nun doch den UTMB laufen würde.
Tom Dörner wagte sich am weitesten aus der Deckung, als er rief: „50 EUR, dass Du startest!“
Er wusste nicht, dass ich genau darauf gehofft hatte. Aber noch wusste ich ja nicht, ob das überhaupt möglich sein würde. Also antwortete ich stets damit, dass mein Startplatz weg sei und außerdem würde ich nicht glauben, dafür noch Courage und Motivation aufbringen zu können.
Aber ein kurzer Blick auf die Internetseite und ich wusste, dass ich tatsächlich noch auf der Starterliste des UTMB stand, der Platztausch mit dem verletzten Michael Eßer, dessen Platz ich im PTL Team einnahm, hatte nicht dazu geführt, dass ich beim UTMB von der Starterliste genommen wurde. Welch ein Glück!

Und so gönnte ich mir einen harmonischen Mittwoch in unserer WG, am Donnerstag wanderte ich mit Uwe Herrmann auf das Refugio „Bel Lachat“, um bei herrlichstem Wetter auf den grandiosen Mont Blanc zu blicken und am Freitag tat ich alles dafür, um am Spätnachmittag erneut starten zu können. Da mussten zuerst die drei Dropbags des PTL abgeholt werden, damit ich überhaupt Wäsche zum Anziehen und Wechseln haben würde. Dann musste die Einschreibung für den UTMB vorgenommen werden und eine neue Dropbag musste gepackt und abgegeben werden.
Dann ging es zum Mittagessen wieder ins „Deutsche Haus“ und anschließend warteten wir alle gemeinsam darauf, dass es endlich 16.30 Uhr werden möge, damit wir vier UTMB-Starter Chamonix wieder verlassen konnten.

Bei all dem dachte ich mir, dass meine ganzen Rochaden, der spontane Start beim PTL mit dem späteren Abbruch, die Wandertage und dann der Start beim UTMB zum Schluss, nicht möglich gewesen wären, wenn Judy und Thomas nicht diese fantastische Idee mit dem „Deutschen Haus“ gehabt hätten.
Ein wunderbares Haus, fein eingerichtet, internettechnisch auf höchstem Niveau, eine harmonische und liebevolle Bewohnerschaft, zumindest ab dem Mittwoch auch bestes Wetter, es hat einfach alles gestimmt in dieser Woche, in diesem Chalet, mit diesen Menschen.

Ich verneige mich in Dankbarkeit und Zuneigung und hoffe, dass diese Woche nicht die letzte gewesen sein mag, die uns zusammen vergönnt war.
UTMB Abschlussfoto 1
Und 2014?
Vielleicht gibt es dann von jemand Anderem eine Fortsetzung dieser großartigen Idee, einen anderen Anlaufpunkt für Medienvertreter und Athleten, für Freunde und Fans, einen neuen Punkt, wo man sich begegnen und austauschen kann.
Das wäre doch auch ein wirklich schlauer Plan, oder?

Sag ganz leise Servus!

Heute sind wir zum Start des CCC gefahren und ich war wild entschlossen, dort viel Spaß zu haben. Aber über den Start des CCC in Courmayeur zu schreiben, geht nicht, ohne auch den TdG zu erwähnen.
11 Kilometer lang ist der Tunnel durch den Mont Blanc, 11 Kilometer, deren Langweiligkeit die Eindrücke, die danach kamen, noch verstärkten. Als uns dann nach 10 immer gleichen Kilometern der Berg wieder ausgespuckt hat, war sofort alles wieder präsent.
Wir waren in Italien, wir waren im Aostatal. Die Berge standen wuchtig und majestätisch rechts und links und die Stadt Courmayeur liegt darin an einer besonders engen Stelle.
Ein wenig rechts den Berg hoch liegt das „Refugio Monte Bianco“, wo Eric Tuerlings, Uwe Herrmann, Thomas Ehmke und ich einige Nächte verbrachten.
Ich sah uns vier dort wieder die schmale alte Straße hinauf fahren und die Stockbetten, in denen wir, Uwe über Thomas und ich über Eric, schliefen tauchten in meinen Erinnerungen auf.

Und ich erinnerte mich an die Flüsse von Tränen, die bei mir geflossen sind, weil ich dort für den TdG nicht genug war.
Auf dem Weg zum Start des CCC passierten wir Kreuzungen, die mir bekannt waren. An der einen sind wir immer zum Supermarkt eingebogen, an der anderen sind wir immer rechts abgebogen. Wir passierten die Restaurants, in denen wir vor dem damaligem Event Pizza oder Nudeln, in einem Fall sogar beides hintereinander, aßen. Carboloading vom Feinsten.
Toll war das und Eric, Uwe und Thomas werden bei mir ein Leben lang mit diesem Event positiv verbunden bleiben. Wenn nur das Ende nicht so dramatisch gewesen wäre, das Ende, das noch immer an meinem Selbstbewusstsein nagt.
So eine Aufgabe tut doch mehr weh, als man denkt.
Der Start des CCC war nicht weit vom Start des TdG entfernt. Er war an der Straßenkurve direkt vor der Fußgängerzone, wo 2011 noch das THE NORTH FACE ULTRA TRAIL DU MONT BLANC Banner hing, das wir euphorisch vor dem TdG fotografierten.
Noch waren 90 Minuten abzuwarten, aber der Platz füllte sich ständig. Auffällig war, dass es wenig Deutsche waren, die dort starteten und die wenigen, die ich entdecken konnte, kannte ich nicht.
Erst als der ewig lächelnde Joe Kelbel kam, erinnerte ich mich wieder daran, dass das ja eigentlich eine Familienveranstaltung war.
Wir drückten uns und redeten über gemeinsame Freunde und über das jeweilige Laufprogramm der nächsten 12 Monate. Joe wird noch ein paar Sätze über den CCC auf Klaus Duwe’s Marathon4you.de verlieren. Ganz sicher steht Joe dabei für einen witzigen und eindrucksvollen Bericht, auf den ich mich jetzt schon freue.

Ansonsten war es ein verregneter Vormittag und den Läufern wurde in drei Sprachen eingeschärft, auf den Gipfeln nicht stehen zu bleiben. Es ist eben viel zu kalt dafür. Zum Glück gibt es bei dieser Wetterlage sowieso nicht viel zu sehen, andernfalls hätte dieser Wunsch der Organisatoren manchem Läufer sehr weh getan. Wie oft steht man schon als „Flachland-Indianer“ auf einem Pass oder einem Berg und kann voller Stolz weit und tief blicken?

Und dann ging es endlich los. Noch nie habe ich so einen Start von vorne gesehen. Irgendwie war ich sonst immer dabei im Läuferkreis – oder eben ganz weg. Ein wirklich imposantes Erlebnis. In drei Wellen , immer im 10-Minuten Rhythmus gestartet, waren die vielen an mir vorbei gezogen.
Und mir blieb nur der Gedanke an diesen Satz: „Sag ganz leise Servus!“

Joe und all ihr anderen. Bleibt gesund und achtet auf jeden Schritt.
Wir brauchen Euch noch!

Österreich, Deutschland, Schweiz und Frankreich …

… oder was für ein cooles Wochenende!

Meine Planung für das vergangene Wochenende begann mit einem Business-Termin nahe dem Zürichsee am Freitag um 14 Uhr. Ursprünglich hatte ich diese Zeit so spät angesetzt, damit ich am Freitagvormittag dorthin anreisen kann. Aber es kam anders.
Zuerst hatten wir da am Donnerstag vor diesem Freitagstermin in der Firma ein Problem mit einem Verkaufstag in Schalchen / Österreich, kurz hinter der Grenze bei Passau. Und weil ich ja sowieso viel Auto zu fahren hatte, habe ich mich bereit erklärt, diesen Termin zu übernehmen.
Das wiederum bedeutete eine Abfahrt schon gegen Mittwochnachmittag.

Dann postete Sigi Bullig, dass die Zeitschrift „Vegetarisch fit“ einen Vegetarier für ein Interview in dem vegetarischen Nürnberger Restaurant „Chesmu“ suchen würde. Zielzeit in Nürnberg war 16 Uhr. Das wollte ich gerne machen, da ich auf dem Weg Richtung Passau sowieso an Nürnberg vorbei fahren würde. Die relativ frühe Zeit bedingte dann ein noch früheres Abfahren. Aber was tut man nicht alles, um ein paar Fragen beantworten zu dürfen …

Dann dachte ich, dass es sinnvoll wäre, nach dem Freitagstermin noch eine Laufveranstaltung zu suchen. Ich hatte vor, am Freitagabend zu meinen Eltern, die bei Offenburg wohnen, zu fahren und ich erinnerte mich, dass Gerhard Börner für den Sonntag auf seiner Laufagenda den „Trail du Petit Ballon“ stehen hatte. Prima, dachte ich und mailte nach Rouffach, dass ich gerne dabei wäre.

Ein ganzer Tag bei meinen Eltern also, dachte ich, aber nur so lange, bis Guido Huwiler mich für den Samstagvormittag zu einem privaten Läufchen auf seine Juraberge eingeladen hatte. Na ja, immerhin noch ein Abend bei meinen Eltern – was will man mehr?

Und dann postete „Trailschnittchen“ Julia Böttger, dass sie am Donnerstagabend zu einem Nightrun einladen würde. Da wollte ich auch noch dabei sein, also verschob Julia die Startzeit von 19 Uhr auf 19.30 Uhr, damit ich mitlaufen konnte, eine Terminverschiebung, extra für mich. Danke Julia!

Birger Jüchter wiederum postete über Facebook, dass er auch beim „Trail du Petit Ballon“ eingeschrieben sei und weil ich seit September 2011 noch seine Läuferfigur vom „Allgäu Panorama Ultra“ bei uns stehen hatte, die er damals nicht mitnehmen konnte, weil er Hauke König und Susanne Alexi auf der privaten TransGermanyTour auf dem Fahrrad begleiten wollte, dachte ich, dass mich diese Figur im Auto begleiten möge.

Birgit, so nannten wir die Figur in den letzten Monaten liebevoll, wollte erst gar nicht weg von zu Hause. Aber dann hat sie sich doch gefreut, ihren neuen Besitzer kennen zu lernen und so ging es erst einmal nach Nürnberg, um dort mit Alexander Otto über meine Motive, mich vegetarisch zu ernähren, zu reden. Dass es während des Redens auch noch etwas zu essen gab, nämlich super leckeres „Züricher Geschnetzeltes“, sei nur am Rande erwähnt.

Aber Vorsicht: nicht alles, was nach Fleisch aussieht, stammt auch aus der industriellen Massentierproduktion. Tofu heißt das Zauberwort, damit lässt sich Fleisch problemlos ersetzen. Das hilft all denjenigen, die zumindest die Optik traditioneller fleischlastiger Küche haben wollen.
Es war ein phantastischer und inspirierender Nachmittag voller inhaltlicher Tiefe, weil Alexander Otto sehr viel zu dem Gespräch beizutragen hatte. Später dann, auf Facebook, entdeckte ich, dass er in vielen Aspekten ähnlich denkt wie ich.
Nur Birgit musste im Auto bleiben und sie langweilte sich, weil ich den Termin nahezu zeitlich endlos gestreckt hatte.
Aber dann ging es weiter an die deutsch-österreichische Grenze in mein Hotel.

Vegetarisches Restaurant C H E S M U, Nürnberg

Nach dem Frühstück kam der Arbeitstag in einem lokalen Spielemarkt und gleich ging es los Richtung Bad Feilnbach, zu Julia und ihrer Truppe. Schon vorher hatte ich ergoogelt, dass ich 1 Stunde und 34 Minuten für die Strecke benötigen würde und meine Hoffnung, diesen Wert unterbieten zu können, zerplatzte wie eine Seifenblase.
Tempolimits, Stau und genau die Autofahrer, die immer nur dann vor einem auf der Überholspur sind, wenn man es eilig hat, bewirkten zusammen, dass es 1 Stunde und 47 Minuten wurden. Und alle warteten auf mich, war das wieder peinlich.

Ich werde immer ganz hektisch und nervös in solchen Situationen, der Lauf aus dem Tal von Bad Feilnbach bis hinauf zum Gipfelkreuz mit einer bemerkenswerten Aussicht und zurück über eine wunderschöne lang gezogene Laufstrecke, die das Zeug hatte, meine Lieblingsstrecke werden zu können, falls ich dort leben würde, entschädigte aber für die Unruhe und die kleine Lauftruppe sah auch meine Verspätung gelassen.
Weil ich aber so hektisch war nach der Ankunft hatte ich ganz vergessen, die Batterien in meiner Stirnlampe zu wechseln. Schon auf GranCanaria waren die Batterien eher schwach. Licht wird in der Regel nicht überbewertet und es wäre sicherlich schön gewesen, die Wurzeln und die Schnee- und Eispassagen, über die wir vor allem bergab liefen, sehen und beurteilen zu können, aber ich kam dennoch runter, auch mit Hilfe von Julias Kopflicht.

In der Nacht im Bad Feilnbacher Hotel durfte Birgit dann mit aufs Zimmer, als dekoratives Element gewissermaßen und am Freitag ging es dann nach einem bescheidenen Frühstückchen über München und Kempten in die Schweiz. Ich hatte recht viel Zeit und so beschloss ich, mir noch die Firmenzentrale von X-BIONIC anzusehen, die im schönen Wollerau am Zürichsee liegt. Von dort aus hast Du einen grandiosen Blick auf richtig hohe und schneebedeckte Berge, ein Traum, dort zu leben und zu arbeiten.
Ich würde es wohl auch so machen we Niels Grimpe-Luhmann, der „Swiss Jura Angel 1“, und jeden Tag nach der Arbeit noch eine Bergstrecke belaufen. Ein Jammer, dass die Berge der Eifel nicht ganz so imposant sind …

Noch immer hatte ich etwas freie Zeit und wollte nach dem Termin um 14 Uhr, wegen dem ich diese lange Reise eigentlich überhaupt gemacht hatte, einen Freund in Pfäffikon besuchen. Dank Navigation war der Ort schnell gefunden. Ein wenig abseits, weg vom Zürichsee, aber immerhin. Nur die Eichenstraße, die ich suchte, gab es nicht.
Es gab aber einen Ort gleichen Namens nur vielleicht 50 Kilometer entfernt, direkt am Zürichsee und der direkte Nachbarort von Wollerau, wo ich am Vormittag noch bei X-BIONIC war. Und 50 Kilometer am Freitagnachmittag am Zürichsee können weit sein. Die Straßen waren voll und das Blumen pflücken während der Fahrt wäre problemlos möglich gewesen.
Als ich dann dort in der Eichenstraße ankam war es schon so spät. dass ich diesen Besuch auf einen anderen Monat irgendwann in der nahen Zukuft verschoben habe und ich fuhr weiter nach Aarau, um mit Rita und Guido Huwiler zu Abend zu essen, eine Flasche edlen chilenischen Cabernet Sauvignon zu schlürfen und über das zu reden, über das sich Läufer am liebsten unterhalten: über die Laufstrecken dieser Welt, über die anderen Läufer und über das wilde Facebook-Land, das uns die Gruppenbildung so sehr erleichtert hat.

Am frühen Samstag genossen Guido und ich das wunderschöne Frühlingswetter, liefen rund 32 Kilometerchen über die Höhen und die Grate der schweizer Juraberge, brachten rund 1.430 Höhenmeter in die Beine, redeten viel und hatten richtig viel Spaß.
Wir haben einige Gipfel und Gipfelchen mitgenommen, eine Ruine besichtigt, ein Gipfelkreuz bewundert, ein paar Mal tief in die Täler geblickt, wir sind an einem Naturfreundehaus vorbei gelaufen, haben etliche Sendemasten bewundert und wir waren vor allem eines: sehr, sehr langsam und sehr, sehr entspannt.
Und dennoch haben die Muskeln im Oberschenkel gezogen und ich befürchtete, im Elsaß nur traben zu können.
Rita kochte noch einmal Reis, mit wilden Reis gemischt und machte dazu eine leckere Gemüsebeilage aus frischem Gemüse. Es war so lecker, dass auch eifrige Fleischesser wohl das Fleisch in der Mahlzeit nicht vermisst hätten.

Dann fuhr ich über Basel und Deutschland nach Rouffach, um dort die Startunterlagen abzuholen und von dort gleich weiter Richtung Offenburg zu meinen Eltern. Dort aber war niemand da. Eltern, so dachte ich immer, sind die Menschen, die immer zu Hause sind, wenn man dort übernachten will. Da braucht man auch nicht vorher anzurufen, da war ich mir bis dahin vollkommen sicher.
Ich suchte mir das wohl schlechteste Restaurant in Gengenbach aus und danach war wenigstens die Mieterin meiner Eltern im Haus, sodass ich wenigstens einen Schlafplatz für die Nacht hatte.
Unter dem Strich aber hätte ich mir die rund 100 Kilometer lange Fahrt von Rouffach nach Offenburg und wieder zurück sparen können, wenn ich gleich im Elsaß genächtigt hätte. Und all das, weil meine Eltern ausgerechnet an diesem Wochenende mit der Regel brechen wollten, immer da zu sein, wenn man eine Übernachtung braucht.

Am Sonntag fuhren Birgit und ich dann wieder nach Rouffach. Birgit war schon ganz aufgeregt und rostete noch ein wenig stärker, weil sie endlich ihren neuen Besitzer sehen wollte. Sie bekam ihn aber nicht zu sehen.

Drei Menschen wollte ich dort am Start unbedingt treffen: Gerald Blumrich aus Kempten, mit dem ich via Facebook Chat sogar noch die Startnummern ausgetauscht hatte, Mario Schönherr, den Oranisator des Wörthersee Trails, der auch im April auf Mallorca ein interessantes Laufseminar gibt und eben Birger Jüchter, um ihm seine Birgit übergeben zu können. Es war aber so voll im Startgebiet, dass ich keinen der drei, die ich zu sehen wünschte, entdecken konnte.

Regelrecht gestolpert aber bin ich über eine Vielzahl lieber Bekannter, einer großen Truppe von Rolf und Brigitte Mahlburgs „laufend-helfen.de“, die beiden Autoren von netten Laufberichten, Günter Kromer (laufspass.com) und Bernie Manhard (M4U), ich sah Gerhard Börner, wir unterhielten uns über seinen JUNUT, seinen Jurasteig nonstop, wo ich schon jetzt beim Gedanken daran eine Gänsehaut bekomme und ich lief mit Achim Knacksterdt und wir hatten ausgiebig Zeit, noch einmal die Organisation des RheinBurgenWeg-Laufs zu diskutieren.
Iris Eschelbach sah ich bereits vor dem Start, Nicola Wahl überholten Achim und ich erst ziemlich am Schluss. Niels Grimpe-Luhmann war in netter weiblicher Begleitung und wenn ich hier jemanden vergessen haben sollte, dann mag man mir das verzeihen.
Dass Raimund Slabon und Eule Frings auch vor Ort waren habe ich erst auf den Ergebnislisten bemerkt, schade eigentlich.

Der „Trail du Petit Ballon“ ist ein wirklich netter, gut organisierter Lauf. Zwar verstecken sich 2.100 Höhenmeter auf den rund 47 Laufkilometern, aber die Strecke ist fast durchweg gut laufbar, rauf und runter, kein Vergleich mit den technisch schwierigen Graten der Juraberge, die ich tags zuvor mit Guido gelaufen bin.
Das Startgeld war für die Leistung des Orga-Teams fast beschämend niedrig (25 EUR für Vorangemeldete, 30 EUR für die Spätberufenen wie mich). Dafür gab es eine Packung grüne Nudeln und einen Cremant Sekt in der Starter-Tüte und noch eine Quechua Vliesweste für die Finisher, überall Streckenposten, die auf Dich aufgepasst haben, eine vorbildliche Versorgung, was die Auswahl der angebotenen Essen und Getränke angeht und auch, was die Häufigkeit der Versorgungspunkte angeht.
Ich selbst habe mein mitgeführtes Wasser erst ganz kurz vor dem Ziel geleert, aber auch das nur, um das Wasser nicht noch weiter tragen zu müssen.

Insofern habe ich mit dem kumulierten Schnitt von fast exakt 7:00 Minuten pro Kilometer eine für mich sehr gute Zeit herausgeholt und mein 291. Platz (42. der Altersklasse) spiegelt das auch wider. Dass Birger zurzeit so fantastische Zeiten läuft und Raimund sowieso in einer anderen Liga läuft, dass ich 12 Kilometer vor dem Ziel Achim bitten musste, alleine weiter zu laufen, um selbst einen Gang runter schalten zu können, all das war mir von Anfang an klar.
Aber wirklich interessant für mich war, dass das Muskelziehen vom Vortag schon nach wenigen Kilometern weg war, wieder ein Indiz dafür, dass Du viel mehr, viel länger und viel öfter laufen kannst als man das landläufig denkt.

Auch im Ziel habe ich Birger nicht gesehen und so musste Birgit doch wieder mit mir nach Hause fahren. Jetzt steht sie auf meinem Schreibtisch im Büro und träumt von der „verbotenen Stadt“ Düsseldorf. Denn sie war schon ein wenig traurig, wieder zu mir nach Hause zu müssen, aber sie war recht tapfer, als ich ihr sagte, dass Birger schon in 14 Tagen beim RheinBurgenWeg-Lauf teilnehmen wird. Dann werde ich sie endlich ihrem neuen Besitzer übergeben können.

Birger und Birgit werden dann ganz bestimmt eine sehr gute Liaison für die Zukunft eingehen.

Wer bis 2 zählen kann hat Vorteile …

Es war ein echtes Lauf- und Autofahrer – Wochenende für mich. 1.350 Kilometer Autobahn oder Bundesstraßen, ein Marathon und ein kleiner Ultra. Du kannst schnell zusammen rechnen, wie viel Zeit das alles in Anspruch nimmt:
Vielleicht 15 Stunden hinter dem Steuer und 9 bis 10 Stunden laufen, etwas Zeit für das Schlafen dazu rechnen, etwas Zeit für die Zeit vor den Starts …

Mein Wochenende begann also um 5.00 Uhr mit dem klingelnden Wecker. Am Abend zuvor haben wir noch den 18. Geburtstag unseres Sohnes Pascal gefeiert – im edlen Restaurant „Vieux Sinzig“ in Sinzig, dem Restaurant, das seine Bekanntheit nicht nur der expliziten Erwähnung in den berühmten Eifel-Krimis verdankt, sondern auch dem engagierten französisch-normannischen Patron Jean-Marie Dumaine, der auch selbst einige Koch- und Naturbücher geschrieben hat.
Vor allem die verschiedenen echten und falschen Trüffelpilze dieser Welt und auch die Naturkräuter haben es dem „Wildkräuter-Papst“ Jean-Marie Dumaine angetan. Dabei organisiert er noch Veranstaltungen wie das „Trüffel-Symposium“, Du kannst dort Kochkurse besuchen oder an Naturwanderungen teilnehmen.
Der Abend wurde auch deshalb lang, weil neben den drei Gängen des Menüs, dem obligatorischen „Amuse-Gueule“ und dem Brot mit Walnuss-Tapenade auch noch ein Apetizer für das Dessert gebracht wurde, damit sich der Gaumen schon langsam an die Süße gewöhnen kann.
Und die viele Zeit fehlte mir am nächsten Tag.

Schnell noch für die beiden kommenden Tage und Läufe packen hieß es also um 5 Uhr. eine kurze und eine knielange Laufhose, 1 Paar Kompressionsstrümpfe, 1 Paar kurze Laufstrümpfe, ein Paar Schuhe reichen, Laufshirt, lange Laufjacke, Laufweste, Laufuhr, 2 Buffs, eine Winter- und eine Sommermütze, dünne Laufhandschuhe …
… fehlte da nicht etwas?

Natürlich! Das zweite Laufshirt und auch die Entscheidung für nur ein Paar Schuhe war falsch, weil ich Leipzig nicht so schlammig und nass erwartet hatte, dass die Schuhe danach keinesfalls für einen zweiten langen Lauf hätten verwendet werden können.
Meine Lösungen waren zum einen, ohne Laufshirt nur mit der Laufweste zu laufen. Wie viele schmerzende Scheuerstellen das gab kann ich nicht sagen, aber ihc kann sicherlich bis über 10 zählen und die wunden Stellen auf beiden Seiten unter den Armen, am Schlüsselbein und auf der Brust waren mehr …
Und zum Laufen nahm ich die Brooks-Laufschuhe, die ich eigentlich nur als Zierde zu meinen Jeans als „casual wear“ trage. Für lange Läufe sind die nicht gemacht, vor allem haben sie nicht die zusätzliche Länge, die wir Marathonis oder Ultramarathonis stets unseren Laufschuhen gönnen. Das habe ich dann nach dem Ultra mit einer dicken und äußerst schmerzhaften großen Blutblase am zweiten rechten Zeh bezahlt.
Aber wer nicht bis zwei zählen kann …

Die beiden Läufe aber kompensierten all den Ärger, den ich über mich selbst hegte. In Leipzig war es ein 3-er Teamlauf, für den ich schon im November 2011 zwei ostdeutsche Laufpartner gefunden hatte. Matthias, ein Unternehmer mit bis dahin 8 Marathons in seiner persönlichen Statistik, mit einer PB, die fast exakt gleich ist wie meine aus Edinburgh und mit einer Biographie, die einige Parallelen zu meiner hat und Flo(rian), unser Küken, ebenfalls mit bis dahin 8 Marathons in seiner persönlichen Statistik und einem Beruf, der ihm Flügel verleiht.
Beim 3. Leipziger Winter! Marathon war einer der Sponsoren Red Bull. Gewöhnlich nutze ich die Kraft von Red Bull, um mich für lange Autofahrten wach und fit zu halten, in Leipzig erlebte ich dieser nach Gummibärchen schmeckende Flüssigkeit als Hot Bull, leicht angewärmt mit Orangensaft gemischt. Und das Red Bull – Promotionteam war auch super nett und jede der Ladies war unserem Teammitglied Flo(rian) bekannt.

Läuferisch war der Marathon wieder eine kleine Offenbarung. Wir sind im Gruppendruck natürlich zu schnell losgelaufen. Am liebsten hätte ich schon auf den ersten Kilometern auf die Laufbremse getreten, aber wer will schon der Bremser sein? Und wir Männer wollen das sowieso nicht zeigen, also geht es schnell weiter. Aber nach vielleicht 30 oder 32 Kilometern schmerzte Matthias seine Sehne sehr und Flo durfte mir seine Leidensfähigkeit beweisen. „Das war das Härteste, das ich bisher gemacht habe,“ sagte er am Ende und ich versuchte Kilometer für Kilometer die beiden zu motivieren.
Dennoch wurden wir vor allem auf den letzten eineinhalb Runden auch von Teams eingeholt, die wir längst hinter uns gelassen wähnten und auch das beste Damenteam passierte uns auf den letzten 1.000 Metern. Aber das sollte uns vollkommen egal sein, weil wir ja mit dem Ziel 4:30 Stunden unterwegs waren.
Mir aber wurde es am Ende schon richtig kalt. Am liebsten wäre ich wie ein junger Hund neben der Strecke hin- und hergelaufen, um meinen Kreislauf in Schwung zu halten, weil mein Rücken freundlich angeklopft hat und meinte, schmerzen zu müssen, zum Glück nicht im Bereich meines sensiblen Iliosakralgelenks, sondern etwas höher, knapp unter dem Rippenansatz, aber ich hätte am Samstag Abend eher gehen einen Start am Sonntag gewettet.

Der 3. Winter! Marathon war auch eine große Ansammlung von Marathon4U – Autoren. Klaus Duwe und seine Mannen waren omnipräsent und so gab es viele Hallos und Körperdrücker, nicht nur mit Klaus, Wolfgang und Bernie, sondern auch mit vielen der anderen M4U Jungs. Außerdem waren der MIAU-Organisator Bernd Kalinowski dabei, der ultraschnelle Ulf Kühne vom OEM (Oberelbe Marathon) Team und viele andere Lauffreunde, die mich Runde für Runde höher fliegen ließen.

Für das Wetter konnten die Leipziger Veranstalter nichts, nichts für das Schneetreiben, nichts für den Regen, nichts dafür, dass alles matschig, schlammig und überhaupt „usselig“ war. Aber das, wofür sie was konnten, war schon phänomenal. Für 45 EUR Startgebühr pro Team (!), also nur 15 EUR pro Starter, gab es einen gut organisierten Lauf, wo an jeder Ecke bedauernswerte Menschen in Neon-Schutzjacken herumstanden, um uns auf den richtigen Weg zu leiten, wo die Versorgung vorbildlich war, nicht nur wegen der Hot Bull Becherchen und nicht zuletzt gab es am Ende sogar noch kleine Geschenke für die Teams.
Leider war uns eine der wunderschönen Plastik-Schneekristalle am goldenen, silbernen oder bronzenen Band vergönnt, dafür waren wir einfach viel zu langsam, insgesamt gab es aber neben den Urkunden noch zwei Torten für unser Team.

Flo, Matthias und ich jedenfalls hatten uns viel zu erzählen, die Zeit verflog recht schnell und ich nutzte die mir durch das Red Bull – Team gewachsenen Flügel dann gleich noch, um nach Senftenberg zu fahren. Ich war ja schon im Vorjahr dort am Start des 50 K Hallen-Ultramarathons und damals erzielte ich eine neue persönliche Bestzeit über die 50K Distanz, jetzt, mit dem Marathon in den Beinen, wollte ich keinesfalls in die Nähe dieser Marke kommen, um auf keinen Fall doch motiviert zu sein, hier noch weiter „feilen“ zu wollen. Aber wenigstens unter 5 Stunden bleiben wollte ich schon.

In der X-BIONIC Laufweste ohne Laufshirt darunter sah ich einigermaßen gut aus, fand ich, und ich folgte als Schatten immer wieder anderen Läuferinnen und Läufern. Zwei, drei Runden gemütlich hinter einem anderen Läufer, dann wieder ein paar Runden allein mit etwas Druck aufs Tempo, so ging es letztendlich 4:56:10 Stunden lang, zuerst einfach, später dann zunehmend schmerzhaft. Das Entstehen und Wachsen der Blutblase bemerkte ich schon nach der Hälfte der 50 Kilometer auf der in den Kurven überbauten Indoor-Tartanbahn, das Scheuern der Weste kam dann etwas später in mein Bewusstsein.
Aber Weicheier sind wir Läufer ja alle nicht und so etwas muss halt jeder aushalten, der nicht bis zwei zählen kann, eine echte Lehre für das weitere Leben.

Der MIAU-Organisator Bernd Kalinowski, der auch in Leipzig gelaufen war, hatte zwischen den Senftenberger Ultra-Hallenmarathon und den Leipziger Winter! Marathon noch kurz den Senftenberger Hallen-Nachtmarathon eingeschoben, wahrscheinlich, weil auch Bernd nicht bis zwei zählen kann.
Und auch Marco Cych aus Bad Kreuznach lief außer in Leipzig noch in Senftenberg. Die Anzahl der „Verrückten“ nimmt also ständig zu …

In Senftenberg 2011 konnte ich meine Altersklasse gewinnen, 2012 erreichte ich nicht mehr als einen 6. Platz. Aber wer langsamer ist wie im Vorjahr, der kann auch nicht die Ergebnisse des Vorjahres erwarten. Es war mich auch egal, weil ich sowieso im Jänner nur viel Strecke laufen will, damit ich im Februar ohne Sorgenfalten auf das Laufen verzichten kann, wenn ich in Equador auf die hohen Berge wandere.
Und ein Glas der berühmten Spreewald-Gurken und eine Packung breiter Nudeln gab es dennoch für die Läufer.

Was ich aber wirklich unglaublich fand, war, dass selbst einige meiner Pacemaker noch fast eine Stunde nach meinem Zieleinlauf unterwegs waren, humpelnd, gehend, verzweifelt. Der Hallenboden und die Überbauung in den Kurven verlangen Dir schon einiges ab. Manche konnten schon nach 100 der zu laufenden 200 Runden nicht mehr richtig laufen, schoben Gehpausen ein oder änderten ihre Rennstrategie gänzlich auf das Walken oder Gehen.
Einen meiner Pacemaker vom Anfang des Laufs bewuderte ich, weil seine Runden immer exakt 1:30 Minuten lang waren, plus / minus eine einzige Sekunde.Ich lief so lange hinter ihm, bis er beim Verpflegungspunkt abgebogen ist. Später aber ging bei ihm nichts und meine ursprüngliche Annahme, es hier mit einem extrem erfahrenen und kontrollierten Läufer zu tun zu haben, schwand und ich bedauerte ihn, weil offensichtlich wurde, dass er dieses konstante Anfangstempo von exakt 6 Minuten pro Kilometer einfach nicht durchhalten konnte.

So skurril dieser Hallen-Ultra ist, so skurril ist auch die alte Niederlausitz-Halle, die noch den Charme der 70er und 80er Jahre verbreitet. Aber der Lauf dort ist einfach einzigartig, wenngleich man ihn leicht unterschätzen kann. Eine ganz besondere Erfahrung aber ist er auf jeden Fall.
Für mich aber war es nach 2011 der letzte Lauf dort, weil mich die rund 600 Kilometer bis Senftenberg immer wieder nerven.

Zumindest in diesem Punkt kann ich dann doch bis 2 zählen …

Holla, was für ein Lauf!

Der Karwendellauf begann für mich eigentlich schon eine Woche zuvor an dem wunderschönen Sportwochenende im österreichischen Kleinwalsertal, an dem wir auch am Allgäu Panorama Ultra teilgenommen haben.
Diese Geschichte aber erzähle ich ein anderes Mal. Nicht, weil dieses Wochenende nicht schön gewesen wäre, sondern weil es einfach zu interessant war, es mit wenigen Sätzen zu beschreiben. Und Freunden wie Tanja Neumann, Bernie Conradt, Norman Bücher und Kurt Süsser schulde ich eine schöne Kleinwalsertal-Geschichte

Nur ein kleines Erlebnis von der Wanderung am Vortag des Allgäu Panorama Ultra sei kurz erzählt. Es war ja ein ganz besonders heißes Wochenende und wir, immerhin eine Truppe von 21 Sportlern, kehrten in einer Almhütte ein. Wir waren durstig, sehr durstig.
An der Hauswand hingen zwei Tafeln, die mit den Tagesangeboten beschriftet waren.
Johannisbeerwasser stand da geschrieben und Holunderwasser stand auf der anderen Tafel. Holunderwasser? Das klingt aber gut!

Ich erinnerte mich an meine Kindheit im oberbayrischen Bad Tölz und später dann im schwäbischen Plüderhausen bei Schorndorf. Damals gab es für uns Kinder ein Mal im Jahr ein echtes Highlight, denn da machte unsere Mutter „Holundersekt„, vollkommen alkoholfrei, natürlich.
Und dafür sammelten wir Kinder tagelang eifrig Holunderblüten, diese schönen großen weißen Dolden, die man auch lecker in einem Mehlteig ausbacken kann.
Nur wenige Tage später würden sich die weißen Dolden in schwarze Früchte verwandeln, dann ist der Zauber des Holunders weg. Aber solange der Holunder noch weiß gefärbt ist kann man so leckere Dinge damit machen wie eben den „Holundersekt„, der eigentlich nur stärker konzentriertes Holunderwasser ist.
Und dieses erfrischende Holunderwasser gab es in dieser Hütte und in der nächsten, in der wir einkehrten, gab es das auch. Ich hatte fast schon den köstlichen Geschmack des Holunders vergessen, aber alle Erinnerungen waren sofort wieder da, als die ersten Schlucke des Holunderwassers die Kehle runter rannen.


Und dann kam der Karwendellauf. In der Vorbereitung schaute ich auf die Webseite, suchte nach den Verpflegungspunkten,

  • Larchetalm (1.174 m)
  • Karwendelhaus (1.765 m)
  • Kleiner Ahornboden (1.399 m)
  • Falkenhütte (1.846 m)
  • Eng (1.200 m)
  • Binsalm (1.500m)
  • Gramai Hochleger (1.895 m)
  • Gramai (1.263 m)
  • Falzturn (1.098 m)
  • Pertisau am Achensee (Ziel – 931 m)

die die Österreicher liebevoll „Labestationen“ nennen, und ich schaute auf den Menüplan, über den ich ja schon im Vorbericht hier etwas geschrieben habe:

„… an allen Labestationen gibt es wieder Tee, Hollasaft (von den Bäuerinnen aus Niederndorferberg) und Wasser.

LARCHETALM: Obst, Kekse
KARWENDELHAUS: Obst, Riegel, Brote, Kartoffelsuppe
KLEINER AHORNBODEN: Obst, Kekse
FALKENHÜTTE: Riegel, Brote, Hafersuppe
ENG: Obst, Kekse, Heidelbeersuppe, klare Suppe (Gemüsefond), Joghurt
BINSALM: Obst, Riegel, Joghurt
GRAMAIHOCHLEGER: Obst, Brote
GRAMAI: Obst, Riegel, klare Suppe (Gemüsefond)
FALZTURN: Obst, Kekse, Joghurt
PERTISAU: Obst, Kekse, Brote, alkoholfreies Weißbier“

Hollasaft“ gab es also, las ich und ich fragte mich, was das wohl sei. Dabei wäre die Lösung so einfach gewesen. „Hollasaft“ ist Holunderwasser, ist so etwas wie der „Holundersekt“ meiner Kindheit.
Holunderwasser gehört offensichtlich in der dortigen oberbayrisch / österreichischen Gegend zum normalen Leben dazu. Schade, dass ich dort nicht mehr wohne …

Aber der Karwendellauf 2011 hatte viel mehr zu bieten als Hollawasser.
Normales Wasser gab es nämlich auch. Und das nicht zu knapp.
Zumeist kam es von oben.
Als hätte der Wettergott die Trockenheit mancher Monates dieses Jahres an einem Tag korrigieren wollen, ließ er es auf die Läufer und Wanderer im Karwendelgebirge herunter regnen, dass zumindest bei mir nichts, aber auch wirklich nichts mehr trocken blieb.
Zwei Stunden lang hatte der Regen, der die ganze Nacht schon auf uns herabprasselte, nach dem Start aufgehört und uns in Sicherheit gewiegt, doch einen einigermaßen trockenen Lauf zu bekommen. Aber dann zeigte uns der Wettergott, dass man sich nie zu früh freuen darf.
Und das Wasser von oben verwandelte sich später sogar in Hagel und auch in Schnee, in so viel Schnee, dass die Veranstalter um 14:00 Uhr, ich war gerade eine gute Stunde lang im Ziel angekommen, die Strecke nach der Labestation Eng (km 35) schlossen. Die Wanderer, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht dort angekommen waren, wurden dann mit Bussen nach Pertisau gefahren.
Die Sicherheit der Teilnehmer steht eben an oberster Stelle.

Und es gewitterte sehr. Ein Donner kam so kurz nach dem Blitz, dass die Entfernung zum Einschlag wohl nur wenige 100 Meter betrug. Es knallt dabei so laut, dass ich schon etwas ängstlich wurde.

Aber das schlechte und extrem kalte Wetter konnte nichts dagegen ausrichten, dass man die Schönheit der Karwendelberge zumindest erahnen konnte. Wenn ich in der Woche zuvor beim Allgäu Panorama Ultra noch dachte, dass es kaum schönere Aussichten gibt, so steht dieser Trail dem im Allgäu in Nichts nach.

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Und noch etwas erinnerte mich an den Ultra der Vorwoche. In Sonthofen am Start traf ich Bernie Manhard und beim Start in Scharnitz traf ich ihn wieder. Wir liefen bis zum ersten Gipfel nebeneinander und quatschten über alles, was uns Läufer interessiert, über andere Läufe und über andere Läufer.
Bernie, der auch für Klaus Duwe’s marathon4you schreibt, lief im Karwendel übrigens seinen 50. „langen Kanten“ – 50 „Marathon und länger“. Glückwunsch, Bernie!
Zu uns gesellte sich sehr früh ein Franke aus Bayreuth. Dieter Ladegast läuft seit mehr als einem Dutzend Jahren und er wandert, paddelt und sportelt mit seinen beiden Söhnen enorm viel.


Es war eine wahre Freude, sich mit ihm auszutauschen. Seine besondere Stärke ist dabei das Bergab-Laufen. Nach dem ersten Berg entwischte er mir und ich holte ihn erst oben am zweiten Berg wieder ein.
Bis auf den dritten Berg, der auch den höchsten Punkt des Tages markierte, gingen und redeten wir zusammen und wir bedauerten diejenigen, die sich von der Wärme der Vortage hatten blenden lassen und nur im Laufshirt unterwegs waren.

Da war beispielsweise eine Läuferin, die so stark unterkühlt war, dass sie eine goldene Notfalldecke um den Körper schlang und damit stundenlang lief, eine Läuferin ließ sich an einer Labestation Plastikhandschuhe geben, um die klammen Finger wenigstens ein wenig zu wärmen. Die Station nutze diese Plastikhandschuhe beim Belegen der leckeren Käse- und Wurstbrote, jetzt hatten sie offensichtlich eine weitere Nutzung erfahren.
Auf dem dritten Berg verteilten die Veranstalter schwarze Mülltüten, in die sich zitternde Läufer einpacken konnten, viele aber spielten den Helden und ließen es sich nicht anmerken, dass sie bei Temperaturen von nur zwei Grad auf den Bergspitzen und kalten neun Grad in den Tälern „wie die Schneider“ froren.

Ich selbst hatte Glück: als ich am Vortag meine Sachen packte, überlegte ich lange, ob ich die Armlinge mitnehmen sollte. Ich entschied mich dann dafür, weil die beiden Armlinge nun wirklich nichts wiegen und auch keinen Platz weg nehmen. Dass ich vom Start bis zum Ziel darin laufen würde hätte ich nicht gedacht.
Zudem trug ich eine super tolle Laufweste, die speziell für Läufe im Regen konzipiert wurde. X-BIONIC, das habt ihr wirklich toll gemacht.

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Der Lauf selbst ist kurz erzählt, mit 52 Kilometern Länge gehört er auch zu den eher kurzen Berg-Ultras.
Am Anfang steigt die Strecke gut laufbar permanent leicht an, drei Berge, einer davon mit einer Art Doppelspitze, sind zu bewältigen, all das auf klassischen Trails.
Die Landschaft um die Strecke herum ist zauberhaft und die kleinen Highlights am Rande, wie beispielsweise das Falkenhaus, sind österreichisch, ursprünglich und wunderschön, ein echter Tipp für ein interessantes Familienwochenende.
Nach dem dritten Berg, mit 1.903 HM auch hoch genug, um hochalpine Wetterverhältnisse zu erleben, hast Du fast einen Marathon hinter Dir und dann ab da geht es abwärts.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt 5:40 Stunden auf der Uhr und in den folgenden 20 Minuten war das Geläuf so schwierig, dass ich selbst bergab keine Verbesserung meiner kumulierten Durchschnittsgeschwindigkeit verzeichnen konnte.

Dann aber, nach dem Marathonpunkt, war es wieder richtig gut zu laufen. Gut und schnell.

63 Minuten hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch übrig, um „unter 7 Stunden“ zu finishen. Und ich lief, rannte und drückte, ungefähr bis zur 50km-Marke. Dann hatte ich noch 16 Minuten Zeit für diese kleine Reststrecke und die Lust, mich weiter zu quälen, sank, ich reduzierte also das Tempo und kam mit rund 6:55 Stunden sauber und deutlich unter der mir selbst gesetzten Marke an.

9 Minuten 11 Sekunden brauchte ich für jeden einzelnen Kilometer beim Allgäu Panorama Ultra, 7 Minuten und 59 Sekunden waren es im Karwendel.
Für mich eine gute Zeit, dennoch schaffte ich es nicht einmal in der Altersklasse ins vordere Drittel.

Das Ziel im schönen und edlen Pertisau am Achensee hatte ich ja schon im Frühjahr von der anderen Seeseite her gesehen. Beim MIAU sind wir ja am Achensee entlang gelaufen, den Blick immer auf Pertisau gerichtet. Dass ich so schnell wieder am Achenseee sein würde hätte ich damals nicht erwartet, umso schöner, nun von Pertisau aus auf die Teilstrecke des MIAU zu schauen.

Ganz sicher hat der Karwendellauf besseres Wetter verdient. Schon in den Vorjahren waren die Himmelsschleusen geöffnet, ein Jammer, wenn man bedenkt, wie schön diese Gegend und wie gut ausgesucht der Laufweg ist. Wenn man zudem bedenkt, wie aufwändig die vielen Labestationen bestückt und bedient werden, dann hätte dieser Lauf auch mehr Läufer verdient. Wanderer gibt es genug.

Mit 35 EUR Startgeld (Nachmeldungen plus 5 EUR), ChampionChip Zeiterfassung, leckerem Hollawasser und bester Versorgung, mit einem Finisher-Paket inklusive einer originalen SIGG-Thermoskanne bekommst Du als Läufer hier einen ungewöhnlich hohen Gegenwert für das Startgeld. Wie die dortigen Gemeinden das alles stemmen können, finanziell wie auch von der Manpower her, ist schon erstaunlich und bewundernswert.

Für mich bleibt der Eindruck, dass ich über dieser Lauf, trotz des Wetters, nur eines sagen kann: „Holla!“