Rosa Elefanten im Auto und gelbe Enten on air

Der Stau auf der Anfahrtsstraße vor dem ToughGuy Event ist legendär. Nur der StrongManRun kann da noch mithalten in Sachen Läuferbehinderung. Also musst Du früh dort sein, um kein Risiko einzugehen, nicht pünktlich am Start zu sein.
Meine toughen Begleiter Bernie Conradt, Kurt Süsser, Alex Metzler, unsere Haus- und Hof-Fotografin Gabi und ich haben uns also am Sonntag schon um 8.45 Uhr aufgemacht, die 10 Autominuten lange Strecke zu bewältigen.

Beim Frühstück waren wir noch normal verrückte Läufer, aber danach begann unsere Verwandlung. Franz Kafka hätte angesichts dieser Metamorphose sein legendäres Werk umgeschrieben und hätte seinen Romanhelden Gregor Samsa nicht als ekligen Käfer, sondern als rosa Elefanten aufwachen lassen. Weil rosa Elefanten interessanter sind als klebrige Riesenkäfer, vor allem dann, wenn in den Elefanten so toughe Jungs im besten Mannesalter stecken. Nur Alex muss ich hier ausnehmen, weil er fast 20 Jahre jünger ist wie wir, also gewissermaßen noch in den Elefanten-Kindergarten geht.

Klicken: Mehr Fotos von den vier rosa Elefanten gibt es hier auf Facebook!

Die vier rosa Elefanten hatten dann bei der Fahrt zum ToughGuy auch keine Probleme, bei Kreuzungen in den fließenden Verkehr einzufädeln. Auto fahrende rosa Elefanten haben scheinbar stets Vorfahrt.

Es war also erst kurz nach 9 Uhr, als wir am ToughGuy Gelände ankamen, aber es war schon richtig voll dort. Vor allem vor dem „Forehead Marking“, der Hütte, wo uns die Startnummer in schwarzem Filzstift auf die zartrosa Elefantenhaut geschrieben wurde, drängten sich endlos viele Läufer, Journalisten und interessierte Zuschauer.
Unser Elefantenkostüm verfehlte seine Wirkung nicht. Unglaublich viele Menschen wollten sich mit uns fotografieren lassen. Klick hier, klick da, immer wieder. Ein Fernsehteam holte uns zum Interview, schade, dass ich nicht weiß, wo das dann gesendet wurde. So vertrieben wir vier elefantenstarken Jungs die Zeit, weil wir warten mussten: auf unsere graue Maus.


Die Rolle der Elefantenerschreckerin spielte Steffi, die sich schon vor Monaten per eMail unserem Team angeschlossen hatte. Aber Wolverhampton ist zu groß, um sich zufällig zu sehen und Steffi kam einfach zu spät, wirklich sehr schade.
Folglich sind wir dann eine halbe Stunde vor dem offiziellen Start in die Startbox der „Queen Wisitors“ gegangen, dem zweiten Startblock, gleich nach den „King Wisitors“.
Zwar hätte ich als beurkundeter ToughGuy 2009 auch in einem anderen Startblock starten dürfen, aber als rosa Elefant allein sein wollte ich dann doch nicht. Rosa Elefanten sind eben etwas schüchtern und ängstlich.

Wir vertrieben uns die halbe Stunde erst mit Gesprächen im Startblock. Da waren die blauen Münchner Schlümpfe, die wir schon am Vortag kennen gelernt hatten, die beiden Schweizer mit den Helmkameras aus unserem Hotel, die uns beim Frühstück erzählt haben, dass sie die Wasseraufnahme in Form von vielen Gläsern bitteren Guinness Bieres bis kurz vor 4 Uhr am Morgen noch hart trainiert hatten.
Ganz wach sahen die wirklich nicht aus, bei Schweizern ist man aber nie ganz sicher, ob die Langsamkeit angeboren ist oder vom Trainingslager her stammt.

Und da waren viele anderen, die sich immer für die kleine Elefantenherde interessiert haben, wir aber interessierten uns vor allem für „Mr. Mouse“. Nachdem unsere Maus Steffi nicht bei uns war, wollten wir wenigstens ein Foto mit „Mr. Mouse“ machen. Also überquerten wir die Absperrungen, gingen zu ihm und bekamen, was wir wollten. Ganz begeistert war er nicht, aber er war wenigstens geduldig.
„Mr. Mouse“ war früher mal in Wuppertal und er wurde nicht müde, davon zu erzählen.

Mr. Mouse, der Erfinder des ToughGuy. "Jetzt aber schnell wieder hinter die Absperrung!" meint er danach.

Noch immer waren zehn lange Minuten zu überstehen, bis der legendäre Kanonenböller als Startsignal ertönen würde. Langsam wird es doch etwas zäh, dachte ich.
Zum Glück hatte einer der toughen Wartenden einen Football dabei, den er wahllos in die Menge schoss. Dort von irgend jemandem aufgefangen, wurde er zurück geschossen oder zurück geworfen, wenn der Fänger sich den Abschlag mit dem ovalen Ei nicht zutraute.
Und bei jedem Abschlag ging ein begeistertes Raunen durch die wartende Menge und bei jedem Wurf ein enttäuschtes Grummeln. Dieses Mitmachen hielt die Laune oben, auch wenn nur die wenigsten von uns den Football tatsächlich einmal anfassen konnten.

Noch fünf Minuten vor dem Start, die Anspannung stieg. Die Startboxen wurden voller und voller und die Menge drückte schon merklich in Richtung des vermeintlichen Ausgangs, um später eine bessere Ausgangsposition zu haben.

Wir alle hatten am Vortag in unserer Starttüte eine kleine gelbe Plastikente gefunden. Die sollten wir auf der Unterseite mit unserer Startnummer versehen und später dann in einen See werfen, um dann, wenn wir wieder an dem See vorbei kommen würden, diese wieder aus dem Wasser zu ziehen. Erwischt Du Deine Ente, dann gewinnst Du etwas. Kein großer Gewinn für eine winzig kleine Chance, dachte ich.

Das müssen Andere auch gedacht haben und so entschieden sie, ihre Ente als Wurfgeschoss gegen die ToughGuys des Nachbar-Startblocks zu verwenden. Und so flog eine gelbe Ente von dem Startblock der „Wetnecks“ zu uns „Queen Wizitors“ herüber. Natürlich haben wir dieser Ente gleich ein Rückflugticket spendiert.

Innerhalb kürzester Zeit flogen dann Hunderte gelber Enten von einem Startblock zum nächsten, um gleich wieder zurückgeschickt zu werden. Schon diese Bilder, schon dieser Spaß hat aus diesem Event etwas ganz Besonderes gemacht. Ein Bild für Götter! So viel Spaß vor dem Start hatte ich schon lange nicht mehr.

Oben auf dem Hügel stand „Mr. Mouse“ mit seinem Team, eine schottische Gruppe im Kilt spielte ununterbrochen Dudelsackmusik und wir alle fieberten, dass endlich die große alte Kanone diesen Lauf freigeben würde.
Erst die „King Wizitors“, dann wir. Wir überkletterten die Absperrungen, kämpften uns den steilen Berg hinunter und warteten.

Und dann ging es endlich los …

Toughe Tage in Wolverhampton

Was ist er nun, der „ToughGuy“?
Die Veranstaltung, über die die „Birmingham Mail“ geschrieben hat:

„Es gibt viele Wege, auf denen ein Sonntag genussvoll verbracht werden kann. Aber einige Menschen würden in diese Wege auch eine zermürbende Laufstrecke einschließen, deren Härte an Körperverletzung grenzt.
Da gibt es Sümpfe, Drahtverhaue, Elektroschocks, lichterloh brennende Gräben und einen Unterwasser-Tunnel.
Trotz dieser Herausforderungen hat dieses Rennen 4.000 Menschen angezogen, an diesem „ToughGuy“ Event in den West Midlands teilzunehmen.
Es ist schwierig zu wissen, ob man diesen Menschen zu Ihrer Charakterstärke gratulieren soll … oder ob man denen nicht besser einen Besuch beim Pyschiater empfehlen sollte.
Aber eines ist sicher – das war wirklich ein Haufen von sehr toughen Jungs und Mädels, ganz sicher.“

Darf sich dieses Rennen wirklich mit dem Titel des „härtesten Rennens der Welt“ schmücken? Oder ist das nur ein Lauf für spätpubertierende Mädels und Jungs, deren Eltern sie nicht oft genug in schmutzigen Bachbetten spielen ließen, veranstaltet von einem exzentrischen und vollkommen „durchgeknallten“ Engländer gehobenen Alters, der seinen Spaß daran hat, makabere und zumindest grenzwertige Spielchen mit seinen Landsleuten und einigen Ausländern zu veranstalten?

(Klicken zum Vergrößern ... )

Makaber ist schon vieles dort bei Wolverhampton. Bei keinem anderen Lauf unterschreibst Du ein „Death Warrant“, das Eingeständnis, dort auf den heiligen Äckern erfrieren, verdursten oder an einem Herzinfarkt sterben zu können und dass nur Du selbst dafür verantwortlich bist.
Noch etwas makabrer aber ist das unwiderrufliche Angebot des Veranstalters, der sich bescheiden „Mr. Mouse“ nennt, dass Du, wenn Du zehn Mal beim „ToughGuy“ teilgenommen hast, auf diesem heiligen Gelände zur letzten Ruhe gebettet werden kannst. Und danach kannst Du Tausende von Jahren lang verrückten Menschen dabei zusehen, wie sie dort Herausforderung für Herausforderung annehmen, um am Ende eine schwere Medaille zu erhalten, die an einem simplen Plastikband hängt.

Wenn Du am Tag vor dem Lauf auf dem Gelände des „ToughGuy“ bist und nicht weißt, dass es sich um einen Lauf handelt, der seit vielen Jahren veranstaltet wird und weltweite Beachtung gefunden hat, dann würdest Du denken, dass hier ein paar englische Bauerntrampel versuchen, aus einer halbgaren Idee unendlich viel Kohle zu machen.
Alles, was Du siehst, ist improvisiert. Die T-Shirts sind hässlich, die Grafiken grauenvoll, die Tische, die Unterstände, alles ist eine Notlösung, Improvisation pur. Die Menschen, die die „Merchandise-Abteilung“ beleben, würdest Du selten in den dunklen Ecken deutscher Wochenmärkte erwarten, so einfach gestrickt sehen die aus. Dabei wirst Du das Gefühl nicht los, dass hier alle miteinander verwandt sind und dass manche hier gleichzeitig Onkel, Sohn und Vater von anderen sind und Dir fallen die Statistiken über die Inzucht-Raten in Europa ein.
War da England nicht immer ganz weit vorne?

Einfachst gebaut sind auch die Hindernisse. Da schauen spitze Nägel aus dem Holz heraus, die gespannten Sicherheitsnetze helfen Dir, Deinen Glauben an den lieben Gott wieder zu finden, weil Du denkst, dass beten mehr hilft als diese Netze. Und Du bekommst Stromschläge in einer Stärke, die Dir, wenn Du am Lauftag nicht sowieso Dein Hirn am Start abgegeben hättest, dieses aus dem Schädel blasen würden.
Die heilige Institution des deutschen TÜV würde sich wohl mit Grausen abwenden und kaum ein einziges dueser Hindernisse frei geben.

Dann schaust Du Dir die vermeintlich schwersten Hindernisse an. Du siehst 12 Millimeter starkes Eis auf dem Wasser in dem Kanal, in dem Du keine 24 Stunden später durch das kalte Nass laufen wirst. Du siehst die drei auf Höhe des Wasserspiegels montierten Stämme und die eben so hohe Brücke und Du weißt: hier wirst Du tauchen!
Kein Mensch schafft das, denkst Du noch – und Du sowieso nicht!

Und dennoch wirst Du keinen Tag später in diesem Wasser sein und Du wirst gar nicht richtig merken, dass es kalt ist. Aber beim Tauchen in das kalte Wasser wird Dir der Atem stocken und Du musst Dich regelrecht zwingen, tief einzuatmen. Das wird so weh tun, das weißt Du. Aber dieses Hindernis wird das Schlimmste von allen sein, denkst Du.

Aber Du irrst. Weil Du den „Vietkong Tunnel“ noch nicht kennst.

Als ich 2009 das erste Mal beim „ToughGuy“ gelaufen bin, gab es ihn noch nicht, jetzt aber fordert er Dich mehr als alles andere.
Vor allem die Schmerzensschreie der anderen Läufer in dem dunklen Schacht werden Dich in Sorge bringen und die Stromschläge, die Du dort erleiden wirst, werden höllisch weh tun, vor allem, wenn Du die Stomfäden an den Hals bekommst oder auf den Kopf.
Es wird dunkel sein, extrem anstrengend und schmerzhaft. Aber das wolltest Du ja haben …

Dann aber ist die Besichtigung der Strecke beendet, Du hast die Startnummer abgeholt und kannst Dich auf den Start am nächsten Tag konzentrieren, einem Tag, an dem ich rosa Elefanten sehen wollte …

Braveheart Battle in Münnerstadt – mehr Arbeit für die Bestatterschule?

In der fränkischen Stadt Münnerstadt befindet sich nicht nur das Bundesausbildungszentrum Bestatter, sondern dort gibt es auch 30 Gräber, an denen niemals Trauernde stehen ...

Ob die Veranstalter des Braveheart Battle gerade Münnerstadt als Schlachtfeld ausgewählt haben, weil es dort eine Bestatterschule gibt? Im Zweifel hat das für uns Teilnehmer ja Vorteile, es entstehen nur geringe Wartezeiten, um nach dem Scheitern auf dem „Battlefield“ in die weiche, warme Erde zur letzten Ruhe gebettet zu werden. Was in diesem Fall wohl auf den Grabsteinen stehen würde?
Andererseits kann eine Beerdigung in Münnerstadt auch ein echtes Problem werden. Wenn die Schüler der Bestatterschule sich nicht sicher sind in dem, was sie tun, kann das übel enden.

Nicht übel enden aber wird unser Kampf auf dem Schlachtfeld gegen die Barrikaden, gegen kaltes Wasser, zähen Schlamm und gegen uns selbst. Und härter als die „langen Kanten“ im derzeitigen Schnee kann es ja eigentlich auch nicht werden. Gespannt bin ich, wie die Abschnitte sein werden, wo wir durch den Schlamm robben müssen. Beim ToughGuy sind nur wenige Zeitimeter über Dir Metalldrähte gespannt, gute Gründe, den Kopf auch tief unten zu halten und immer wieder von dem teigigen Schlamm zu kosten.

Beim ToughGuy gab es auch etwas höher gehängte Netze, die scheinbar leichter zu bewältigen sind. Sind sie aber nicht, weil ruckzuck eine Schnur des Netzes einen roten Striemen auf der Stirn hinterlässt und Dein Kopf gleichzeitig in den Nacken gestoßen wird. Noch nach mehr als einem Jahr denke ich an den Schmerz, den schon das erste Netz bei mir verursacht hat. Danach habe ich mir immer einen groß gewachsenen Vorläufer ausgesucht und bin hauteng hinter ihm unter den Netzen durchgelaufen, das hat geholfen.
Das Risiko aber war, dass sich Deine Nase, wenn der Vorläufer überraschend stehen geblieben ist, mitten in der Po-Ritze dieses Läufers bohrt und Deine Wangen nehmen unangenehmen Kontakt mit den Po-Backen von ihm auf. Aber besser als einen weiteren Striemen zu riskieren. Es riecht zwar, aber es tut nicht weh.

Gespannt bin ich auch darauf, ob wir durch Wasser laufen, im Wasser schwimmen oder sogar im Wasser tauchen müssen. Sicherlich wird dieses, bestimmt unappetitlich schmutzige Wasser Mitte März nicht nur wenige Grad über dem Gefrierpunkt kalt sein, das wird den Kontakt mit dem kühlen Nass angenehmer machen.

Ob aber die Veranstalter angenehmer sein werden als Mr. Mouse vom ToughGuy oder die professionellen Kollegen vom StrongManRun wage ich zu beweifeln. Während die Veranstaltungsagentur des StrongManRuns mit dem „Ausbilder Schmidt“ einen kabarettistischen Bundeswehr-General engagieren, der Dich mit liebevollen Worten wie „Los Du Lusche!“ motiviert, sind die Veranstalter des Braveheart Battle selbst und wirklich Drill-Inspektoren der „Truppe“.
Die Liegestützen, die wir machen müssen, wenn eine Übung misslingt, machen mir schon jetzt Kopfschmerzen und sie sind wohl noch die geringsten Strafen, die uns blühen, wenn wir schwach und ausgelaugt wirken.

Noch müssen wir harte 28 Tage, exakt einen Monat, warten, bis wir erst auf dem Schlachtfeld in Münnerstadt Erfolg haben und siegen werden, um dann eines der dreißig räber in Münnerstadt zu besichtigen, an denen niemals getrauert wird, weil es ja nur Übungsgräber sind.

Wir jedenfalls werden auch nicht trauern, sondern ein oder zwei der leckeren oberfränkischen Biere im Ziel austrinken, nicht um diese zu genießen, sondern, um denen zu gedenken, die am 13. März 2010 auf dem Schlachtfeld in Münnerstadt aufgeben müssen …
Und wir trinken auf die Sinnsprüche, die im Bundesausbildungszentrum Bestatter an der Wand hängen, so beispielsweise zwischen Raum 1.16 und der Übungskapelle:

„Den eigenen Tod immer ein bisschen im Auge behalten: das beruhigt und erfrischt zugleich.“ Oder:
„Meine Tante antwortete mir neulich auf die Frage, ob sie Angst vor dem Tode habe: ›Nein, nein. Nur ein bisschen Reisefieber.‹“