„Füße tragen Leben“ 2014

„Wenn wir jeder von uns bei uns selbst anfangen, uns zu bessern, und wenn wir uns zuerst selbst bessern, jeder von uns, dann kommen wir mit Gottes Hilfe zum inneren und äußeren Frieden.“ (Konrad Adenauer)

Stell‘ Dir eine Welt vor, in der es normal wäre, dass die, die reden können, denen zur Seite stehen, die stumm sind, stell‘ Dir eine Welt vor, in der es normal wäre, dass die, die sehen können, denen zur Seite stehen, die blind sind.
Und stell‘ Dir eine Welt vor, in der es normal wäre, dass die, die laufen können, denen zur Seite stehen, die schwächer sind.

Spendenlauf für den Bunten Kreis

„Frühchen“ sind schwach und deren Familien brauchen jede Menge Hilfe, finanzielle und ideelle, moralische und tatkräftige. Das beginnt schon vor der Entbindung und kurz nach der Entbindung, wenn die Verwandten und Bekannten es kaum wagen, den Eltern zur Elternschaft zu gratulieren, weil sich niemand sicher ist, ob das teilweise so unglaublich winzige Baby auch am nächsten Tag noch am Leben ist, wenn die Verwandten und Bekannten sich nicht trauen, mit einem Strauß Blumen in das Krankenhaus zu fahren, gepackt mit Babywäsche für die ersten Monate.
„Frühchen“und ihre Familien bleiben da oft allein, genauso alleine wie in den Monaten danach, wenn es darum geht, die Defizite, die das „Frühchen“ hatte, aufzuholen.

Und genau in diese Einsamkeit greift der BUNTE KREIS ein. Der BUNTE KREIS kümmert sich mit finanzieller Hilfe, mit Beratung und mit medizinischer Unterstützung vor allem um diese Familien. Und diese Familien sind und bleiben dem BUNTEN KREIS dann meist dauerhaft dankbar und verbunden.
Und der BUNTE KREIS, einst in Augsburg gegründet, wo auch heute noch der Hauptsitz der Organisation ist, erreicht in den letzten Jahren immer mehr Städte, immer mehr betroffene Familien.

Der BUNTE KREIS BONN/BAD NEUENAHR, für den ich ja schon im Vorjahr Gelder erlaufen habe (250 Miles Thames Ring Race 2013) macht da keine Ausnahme, auch er vergrößert sich. Und das gleich doppelt, in den Norden und in den Süden.

So betreuen Inka Orth und ihr unermüdlich arbeitendes Team nun auch über die Asklepios Klinik St. Augustin auch die Städte Sankt Augustin und ganz neu seit diesem Jahr über die Uniklinik Köln auch die Stadt Köln im Norden und im Süden über das Gemeinschaftsklinikum Koblenz – Mayen, Kemperhof Koblenz auch die Stadt Koblenz.

Und da fielen Max Biniek vom BUNTEN KREIS und mir zwei passende Worte dazu ein: „Grenzen erlaufen“. Und ein Projekt: „Grenzen erlaufen“.

Wir alle, die wir Ultraläufer sind, kennen das. „Grenzen erlaufen“ bedeutet für uns, unsere eigenen Grenzen zu finden, zu testen und nach Möglichkeit ein wenig zu verändern.
Beim nächsten Projekt „Grenzen erlaufen“ bedeutet das für mich, dass ich die Grenzen des Gebiets des BUNTEN KREISES KÖLN/BONN/KOBLENZ erlaufen möchte. Und Du merkst schon, dass das mehr sein kann, als „nur“ den Weg am schönen Rhein entlang zu nehmen.
Da ist der Rheinsteig rechtsrheinisch, da ist der RheinBurgenWeg linksrheinisch und da sind Teile des Kölnpfads im Norden. Nicht alles werde ich nutzen können, aber wir werden in den nächsten Wochen eine anspruchsvolle Route festlegen, die zumindest diese Fixpunkte verbindet:

1. Start wird an der „Großen Blumenwiese“ in den Bonner Rheinauen sein.
2. Es wird einen kurzen Halt in der Asklepios Klinik St. Augustin, Arnold-Janssen-Straße 29, Sankt Augustin, geben.
3. Ich werde die Uniklinik Köln, Kerpener Straße 62, Köln, anlaufen, um mich dort zu verpflegen.
4. Im Süden werde ich das Gemeinschaftsklinikum Koblenz – Mayen, Kemperhof Koblenz besuchen.
5. Das Ende der Reise wird in Bonn sein, mitten auf dem Marktplatz.

Um dem Ganzen aber einen größeren Rahmen zu geben, findet der Lauf in Zusammenhang mit einem 4-Stunden-Rundenlauf für Schüler Bonner Schulen in den Bonner Rheinauen statt. Ich werde dort erst einmal drei Stunden lang gemütlich mit den großen und kleinen Schülern Runden laufen, um dann ab 12 Uhr auf meine große Runde zu gehen. Die Schüler können dann noch eine weitere Stunde lang Runden laufen, ich werde dann Richtung St. Augustin unterwegs sein.

Stattfinden wird das Projekt am letzten Donnerstag vor dem Ferienbeginn der Sommerferien in Nordrhein-Westfalen, also am 03. Juli 2014 und das Ende meines Laufes ist für Samstag, 05. Juli 2014 gegen 16 Uhr geplant. Mir bleiben neben den drei Stunden „Runden drehen“ weitere 52 Stunden Zeit für eine Runde, die wir so erstellen werden, dass sie etwa 230 bis 250 Kilometer lang sein wird.
Ein Hauch vom JUNUT also, wenngleich die Stopps in St. Augustin, in Köln und in Koblenz Zeit kosten werden.

Ziel des Projektes ist es natürlich, möglichst viele Spendengelder zu erlaufen.
Die Eltern, Großeltern und Verwandten der Schüler dürfen dabei für deren Runden spenden, zugleich wird es auf dem Spenden- bzw. Rundenformular ein Feld geben, mit dem man auch für meine Kilometer und für mein Finish spenden kann.

Dabei werden wir meine Kilometer dieses Mal nicht fest vergeben, sondern jeder, der auf meine Kilometer spendet – und da ist jeder glatte EURO-Betrag willkommen – wird auf dem Laufshirt vertreten sein, sofern die Zusage zur Spende rechtzeitig vor dem Druck eintrifft.
Noch ist ja ausreichend Zeit, um viele Namen darauf zu verewigen, aber es ist ja oft so im Leben, dass die Zeit schneller vergeht, als es einem lieb ist.

Vielleicht begleitet mich sogar der Eine oder Andere auf der einen oder anderen Etappe des Laufs. Gemeinsam „Grenzen erlaufen“ macht halt schon mehr Spaß, finde ich.
Und so will ich, während ich die „Grenzen erlaufen“ werde, meinen Beitrag dazu tun, denen zur Seite zu stehen, die schwächer sind, denen zur Seite zu stehen, die unser aller Hilfe benötigen, denen zur Seite zu stehen, denen man trotzdem einen guten Start ins Leben ermöglichen kann.

Wenn Du das Projekt unterstützen willst, dann teile diesen Artikel. Oder „like“ und teile die Facebook-Seite „Füße tragen Leben“. Oder beides. Oder mehr …

Das ist das Anschreiben an die Bonner Schulen (jeweils klicken zum Vergrößern!):
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Von Koblenz nach Bonn – Rheinsteig extrem schön …

Vor vielen Jahren in einem Seminar der Dale Carnegie Gesellschaft hörte ich diese Geschichte zum ersten Mal:

Ein Wanderer ging seinen Weg entlang, seinen Esel mit Satteltaschen auf jeder Seite an der Hand führend. Es war schon später Abend, der Wanderer war müde und traurig. Da stand plötzlich ein merkwürdig gekleideter bärtiger Mann neben dem Weg.
Der Wanderer war froh, endlich wieder einen Menschen zu Gesicht bekommen zu haben, hielt an und unterhielt sich mit dem Mann am Wegesrand. Und nach einem längeren Gespräch wollte der Wanderer sich verabschieden und weiter ziehen, um noch eine Bleibe für die Nacht zu finden. Er haderte ein wenig mit seinem Schicksal und er zeigte, dass er deprimiert war.
Der altem Mann am Wegesrand aber sagte: „Sei nicht betrübt, alles wird gut. Du sollst ein Geschenk von mir haben. Bücke Dich und sammle so viele Steine hier vom Boden auf wie Du tragen und in Deine Satteltaschen packen kannst. Dann verspreche ich Dir, dass Du morgen zugleich glücklich und auch traurig sein wirst!“

Der Wanderer war etwas in Eile und wollte nicht allzu viel Zeit mit dem Aufsammeln von Steinen vergeuden, immerhin hatte er ja noch keine Bleibe für die Nacht. Er wollte aber auch das Geschenk des Bärtigen nicht ausschlagen und so entschied er sich, einen Kompromiss einzugehen.
Er nahm einige Steine, packte sie in die Satteltaschen, aber er bemühte sich nicht, so viel Zeit aufzuwenden, bis diese randvoll wären. Dann dankte er dem Mann und zog weiter.

Er fand keine Bleibe mehr für die Nacht, schlief im Freien unter einem sternenklarem Nachthimmel und als er am nächsten Morgen aufwachte, hatte er die Steine in den Satteltaschen des Esels schon fast vergessen. Dann aber erinnerte er sich daran, wurde wieder neugierig und griff in die Satteltaschen, um sich diese Steine mal genauer anzusehen. Und er stellte fest, dass sich die Steine über Nacht in kostbare Edelsteine verwandelt hatten.
Und er war glücklich über diesen Schatz.
Gleichzeitig war er aber auch traurig, nicht mehr von den Steinen eingepackt zu haben.

Trail laufen ist ähnlich wie das Sammeln von Steinen am Wegesrand. Jessica Junker aus Koblenz ist ein gutes Beispiel dafür.
Sie sprach mich während meiner roh-veganen Phase an, weil sie selbst erst seit kurzem auf vegane Ernährung umgestellt hatte und wir hielten eifrig Kontakt zueinander. Sie erzählte mir von ihren Läufen bis hin zum Marathon. Und diese Läufe machte sie durchweg sehr ordentlich, schnell und ambitioniert. Da war beispielsweise ein Marathon dabei, den sie in rund 3:45 h bewältigte, aber ein Marathon, der zudem noch 800 Höhenmeter im Aufstieg bot.
Nicht schlecht, dachte ich und ich dachte an die Anstrengung, der ich ausgesetzt wäre, wenn ich diese Zeiten wieder einmal laufen müsste.
Ich lud sie dann ein, beim RheinBurgenWeg-Lauf mit mir zu starten. Es ist ja immer so, dass man, wenn es nicht mehr geht, aussteigen und den Zug am Rhein entlang nach Hause nehmen kann. Weil sie aber an diesem Wochenende etwas Anderes vorhat, vertagten wir unseren kleinen gemeinsamen Lauf auf „irgendwann“.

Dann planten Andreas Haverkamp und ich, uns für den TransGranCanaria-Lauf vorzubereiten. Nachdem wir schon im Herbst gemeinsam den gesamten Hermannsweg von Rheine bis Horn – Bad Meinberg gegangen waren, wobei ich ihn ab Bielefeld habe alleine ziehen lassen, sollte es ein Lauf bei mir in der Nähe sein. Lang sollte der Weg sein und reichlich Höhenmeter sollte der Weg bieten. Was bietet sich dann besser an als der Rheinsteig zwischen Koblenz und Bonn?
Meine Gabi bot sich an, den Support für uns zu machen, es ist ja nicht so schrecklich weit von uns weg, wenn da nicht dieser Fluss zwischen unserem Örtchen und dem Rheinsteig wäre. Und über diesen Fluss gibt es zwischen Bonn und Neuwied keine Brücke. Zwar gibt es Fähren, aber die fahren nicht in der Nacht, sind nicht wirklich planbar und zudem riecht es darauf immer deutlich nach Diesel und Motorenöl.
Bis zum zweiten Weltkrieg gab es noch eine Brücke. Die „Brücke von Remagen“ verband die beiden Rheinufer, sie wurde aber nach der Zerstörung zwar verfilmt, aber nie wieder aufgebaut und ist auch heute noch als Mahnmal gegen den Krieg zu bewundern.

Ich erzählte Jessica von dem Vorhaben und lud sie ein, uns zu begleiten. Auch auf der anderen Rheinseite, liebevoll auch die „schäl sick“, die „schlechte Seite“ genannt, kann man ja jederzeit aussteigen und mit dem Zug zurück nach Koblenz fahren. Jessica hatte etwas Sorge vor der Strecke, immerhin war ihr Limit bislang 42,195 km gewesen und so wollte sie 50 km „plus X“ mit uns laufen.
Sie wiederum brachte eine Freundin mit, Antje Überholz, die wiederum nur 15 km mitlaufen wollte und Thomas, einen Freund, mitbrachte.  Schlussendlich schlug auch Frank Nicklisch vor, uns ein Stück zu begleiten. Für ihn als WiBoLT-Läufer war die Herausforderung natürlich eher gering, für Jessica aber war es schon echtes Neuland, das da betreten werden sollte.

Jessica und Frank blieben am Ende deutlich über 50 km bei uns und Jessica verhält sich seither wie der Wanderer, der am Abend die Steine aufgehoben und mitgenommen hatte. Sie ist glücklich, diese Strecke bewältigt zu haben, gleichzeitig ist sie aber auch traurig, dass es nicht noch mehr Kilometerchen waren, die sie da mitgelaufen ist.
Und weil Trail laufen eben auch süchtig macht, wird sie am 12. Februar ganz alleine eine weitere Etappe auf dem Rheinsteig laufen und dann, bei nächster Gelegenheit, eine weitere. Und abschließen wird sie mit dem Rheinsteig Ende November, wenn sie ganz offiziell den „Kleinen KoBoLT“ laufen wird, 104 km auf dem Rheinsteig.

Ich erzähle diese Geschichte so gerne, weil sie mich auch an mich selbst erinnert, an meine ersten Versuche im Ultramarathon-Bereich und auch daran, wie die Sucht bei mir entstanden ist. Und auch heute, wo ich 60 km Trail ohne Vorbereitung als Trainingslauf verstehe, weiß ich noch genau, dass am Anfang ein Halbmarathon mein sportliches Ziel war, wie weh der erste Marathon 2004 in Frankfurt getan hat und welche Schmerzen ich bei meinem ersten Ultra in Ratingen-Breitscheid, beim leider nicht mehr durchgeführten „Ratinger Rundlauf“, auszuhalten hatte.

Wir starteten also zu sechst bei der Koblenzer Festung Ehrenbreitstein und folgten stets dem Rheinsteig. Antje und Thomas verließen uns genau dort, wo die Läufer des KoBoLT ihr erstes „Beweisfoto“ machen müssen, wohl auch, um die Neigung, nicht den schönsten, sondern den schnellsten Weg nach Sayn zu nehmen, einzudämmen.
Zu viert ging es dann weiter bis zur ersten Verpflegung, wie beim KoBoLT auch in Rengsdorf gelegen. Gabi fuhr uns dabei ein kleines Stückchen entgegen, was aber einen Bewohner von dort veranlasst hat, seine Gedanken über gesperrte Wege und darüber preis zu geben, was passieren würde, wenn jeder diese zweihundert Meter auf geteertem Grund, aber mit ganz neuen Halteverbotsschildern geschmückt, befahren und beparken würde.
Um den Herrn glücklich zu machen und auch, um jedem Streit aus dem Wege zu gehen, ist Gabi dann doch so weit wieder zurück gefahren, bis der Herr zufrieden genickt hatte. Ich begleitete das Auto mit nacktem Oberkörper, da ich mein X-BIONIC Shirt schon ausgezogen hatte, um es gegen ein trockenes und frisches einzutauschen. Ich habe nicht übermäßig gefroren, zwei oder drei Grad fühlen sich in solch einer Situation durchaus annehmbar an, annehmbarer jedenfalls als die Vorstellung, das wärmende Blinken von blauen Lichtern auf Polizeiwägen, die zu rufen dieser um Gerechtigkeit besorgte Mitbürger gedroht hatte, zu erleben.

Der „eineinhalbte“ VP folgte dann schon wenige Kilometer später und der kam vollkommen ungeplant und überraschend. Eine Wandergruppe, hauptsächlich Rentnerinnen und Rentner, hatte auf einem Teilstück des Rheinsteigs eine ähnliche Idee und ließ sich auf demselben aus einem Auto mit Getränken versorgen. Und es war genug da für alle, auch für uns. Wir erzählten von der Strecke, die wir schon hinter uns hatten und von der langen Strecke, die wir noch vor uns hatten.
Die große Auswahl an sicherlich bekömmlichen Schnäpsen haben wir ausgelassen, aber Wasser und Cola machten diese zusätzliche Pause neben der gefühlten Bewunderung durch drei Dutzend Wanderer zum echten kleinen Highlight.
Aber irgendwann dankten wir, verabschiedeten uns und gingen unseren Weg weiter.

Nach dem zweiten VP, an dem sich Jessica und Frank verabschiedeten, waren Andreas und ich dann alleine. Und wir beschlossen, auf den dritten VP in der tiefen Nacht zu verzichten, dafür aber in Linz noch etwas zu essen. Frank schätzte, dass wir gegen ein Uhr in Linz sein würden und bis zwei Uhr, da war er sich sicher, war in Linz am Samstagabend noch etwas los.
Frank hatte dabei die Linzer Gastronomen richtig eingeschätzt, aber unsere Geschwindigkeit hat er wohl deutlich falsch eingeschätzt. Wir erreichten Linz erst kurz vor drei Uhr und wir fanden eine Kneipe, in der noch die Funkenmariechen für ihren großen Auftritt im Karneval probten und eine Art Disko, in der es auch um 3 Uhr noch Flammkuchen gab.

Aber so ein Flammkuchen ist dann doch nicht die optimale Läufernahrung und wir wurden schnell wieder hungrig. Und dann, so gegen 7.00 Uhr, rief Gabi an und meldete sich ausgeschlafen zurück. Wir diskutierten einen Treffpunkt, das ausgewählte Örtchen wurde dann zwar auf den Wegweisern erwähnt, der Rheinsteig aber lief nicht durch diesen Ort.

Nur keine unnötigen Meter, dachten wir und richteten uns auf die nächste Ortschaft, auf Rheinbrohl, ein. Aber dann merkten wir, dass auch Rheinbrol nur auf Schildern stand und von Zubringern erreicht werden konnte, der Rheinsteig aber läuft 2,5 km an der Ortschaft vorbei. Also zum nächsten Ort?
Aber der Hunger war groß, die Nacht zu Ende und so beschlossen wir, diese 2,5 km Richtung Rhein abzusteigen und dann dort so lange im Tal weiter zu laufen, bis der Rheinsteig wieder zum Rhein runter kam. Nicht aber, ohne ordentlich gefrühstückt zu haben, das war klar.
Diese Wegänderung verkürzte unsere Wegstrecke auf rund 129 Kilometer und unsere Laufuhren zählten nur 4.200 statt der geplanten 4.446 Höhenmeter. Aber wer fragt danach bei einem Trainingslauf?

Als wir dann auf dem Drachenfels auf Bonn blickten, war es schon etwas wärmer, auf dem Petersberg oben war es dann beim nächsten VP, dem „zweiten Frühstück“ scho fast angenehm warm. Dann folgten noch rund 19 Kilometer und als wir dann in Bonn ankamen stand die Januarsonne hoch am Himmel und wir waren deutlich zu warm angezogen. Entscheidend war aber, dass wir angekommen waren, deutlich später als gedacht und deutlich gestresster als geplant.

Aber dieser Stein, der Rheinsteig, hatte sich auch für uns in einen Edelstein verwandelt und wir waren glücklich, es geschafft zu haben. Gleichzeitig waren wir aber auch traurig, dass es nicht noch etwas mehr gewesen war. Andreas beschloss deshalb für sich, die 130 km voll zu machen und lief noch 700 Meter weiter Richtung Bonner Innenstadt.

Trail laufen macht eindeutig süchtig …

Auf dem Rheinsteig nachts um halb eins …

Rheinsteig-Lauf (6)Erst war es nur eine witzige Idee, später wurde dann etwas zwischen langem Training und Miniveranstaltung daraus. Ein Lauf auf dem Rheinsteig, idealerweise dem Track des KoBoLT folgend, mit ähnlich vielen Verpflegungspunkten, mit teilweiser Autonomie und mit ähnlichen Zeitzielen wie bei diesem mittlerweile schon kultig-etablierten Lauf Ende November.

Für Andreas Haverkamp, mit dem ich diese „Schnapsidee“ ausheckte, und für mich verbanden sich mit diesem langen Lauf gleich eine Unmenge an Zielen. Hauptsächlich ging es Andreas darum, noch einen wirklich langen Lauf mit etlichen Höhenmetern zu stemmen, weil der Anfang März stattfindende Trans Gran Canaria mit seinen 125 Kilometern und seinen 7.500 Höhenmetern für ihn schon eine ganz besondere Herausforderung ist.
Na ja, für mich wird das auch nicht leicht sein, aber immerhin habe ich diesen Lauf 2012 und 2013 jeweils finishen können, jeweils mit einem deutlichen Zeitpolster auf die Cut-Off Zeit. Außerdem darf ich ja mit dem Lauf Burgenland Extrem eine lange flache Strecke und mit der Brocken-Challenge noch eine mittellange Strecke mit viel Arbeit für die Waderln bewältigen, bevor es nach Gran Canaria geht.

Für mich ging es mehr darum, früh im Jahr schon aktiv zu sein, den Makel, beim KoBoLT mal wieder nur an die Arbeit und nicht an das Finish gedacht zu haben, auszumerzen und auch, den schönen Teil des Laufs, die letzten 25 Kilometer vor Bonn, zu genießen. Da liegt die Löwenburg zur Besichtigung herum, da lockt der Drachenfels, das süße Ausflugslokal „Milchhäuschen„, der Petersberg und viel Trail im Wald.
Außerdem wollte ich mich bei Andreas für den gemeinsamen Lauf auf dem Hermannsweg im letzten Jahr revanchieren.

Es gab nur einen einzigen möglichen Termin, also mussten es der Samstag und Sonntag am vergangenen Wochenende sein. Starten wollten wir auch auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz-Urbar, aber etwas früher als beim echten Lauf, dem KoBoLT auf gleicher Strecke und enden wollten wir ebenfalls in Bonn-Beuel an dem Sportstudio, das auch der Dusch- und Schlafplatz im November ist.

Schwieriger war aber, eine Lösung für die Verpflegung zu finden.
Ganz ohne Support geht nicht, weil der Weg außer in Linz meist oberhalb der Örtchen verläuft. Ein Nachmittagsspaziergang mit Kaffee und Kuchen aber sollte es auch nicht werden. Gabi bot sich gleich an, hier helfend zur Seite zu stehen.
Ich werde wohl nie begreifen, was Menschen treibt, ihre Partner an solch einem Wochenende als Supporter zu begleiten, wo es doch so schön sein könnte zu Hause.
Der Mann aus dem Haus, niemand der stört und um Aufmerksamkeit bettelt, eine Freundin eingeladen und ein paar Flöten Sekt geschlürft, ein paar Kannen Kaffee geleert und dabei redet frau sich den ganzen Frust mit den „haarigen Biestern“ von der Seele.
Aber nein, es muss der Support sein, die Kälte der Nacht, das Suchen geeigneter Stellen am Trail, das Bemitleiden der schon direkt nach dem Start kurz vor der Erschöpfung stehenden Läufer und all das, ohne dafür ausreichend gewürdigt zu werden.
Ich würde mich für die Lösung mit der Freundin am heimischen Kamin entscheiden!Rheinsteig-Lauf

Der erste VP war also auch in Rengsdorf geplant. Und dort lernten wir, dass es Rheinsteig-Bewohner gibt, deren bürokratische Korrektheit es verhindert, dass ein VP direkt an der Strecke liegt. Es dürfen ein paar Hundert Meter weit weg sein, hinter bestimmten Markierungen. Das ist natürlich überaus verständlich. Denn wenn alle Lauftrupps, die den Rheinsteig durch die Nacht von Koblenz nach Bonn ablaufen wollen, dort ihre Verpflegungspunkte einrichten würden, dann wäre wohl für diesen engagierten Herren jeder Abend verdorben, weil Dutzende von Läufern sich schmatzend um das Auto mit der Versorgung tummeln würden, weil oft der unangenehme Blick auf verschwitzte Oberkörper geboten würde, wenn die Läufer sich ein neues Shirt anziehen wollen. Und überhaupt, es sind ja auch Kinder im Haus, in welcher Welt sollen die denn leben?

Der zweite VP folgte nur 15 Kilometer später. Eigentlich hatte sich mein Sohn Pascal angeboten, gegen 22 Uhr einen VP zu machen, aber weil wir langsamer waren als geplant hat das alles nicht gepasst. Also zogen wir den zweiten VP deutlich vor, verzichteten dafür auf einen Support in der Nacht.
Die verrauchte Disko in Linz, in der es neben den bewundernden Fragen etlicher deutlich angetrunkener Gäste auch ganz passablen Flammkuchen gab, profitierte davon. Aber wir hatten in der Nacht schon lange Hunger, spätestens „auf dem Rheinsteig nachts um halb eins“ begann das Knurren in der Magengegend. Und als wir dann endlich um 3 Uhr in Linz waren, mussten wir froh sein, überhaupt noch etwas Warmes zu bekommen.
Und dass wir hier auf die Gnade der Chefin angewiesen waren, die sich im Alkoholpegel ihren Gästen angenähert hatte, sagte sie uns überdeutlich. Schuld daran war vor allem Andreas, weil er den vegetarischen Flammkuchen abgelehnt hatte, weil der ja nicht vegan sei. Damit hat er die Dame geistig deutlich überfordert und als sie das bemerkte, wurde sie schnippisch. Die Unterschiede zwischen „kleinem Feigling“ und einem „Willi“ hätte sie uns wohl erklären können, aber warum Veganer keinen vegetarischen Flammkuchen essen können, der mit viel Käse bestreut ist, das gehört nicht zur Allgemeinbildung, zumindest nicht in Linz am Rhein.

Der nächste VP am frühen Morgen wurde dann zum Problem. Im ersten Örtchen, in dem Gabi aufgebaut hatte, kamen wir gar nicht vorbei, es wurde einfach umlaufen. 700 Meter weit hätten wir den Rheinsteig verlassen, vielleicht noch 200 Meter im Ort gesucht und dann das ganze zurück? Nein, war unsere einhellige Meinung, wir warten auf das nächste Örtchen.
Dort aber war der Rheinsteig 2.400 Meter vom Ort entfernt und der Rheinsteig war weit oben, der Ort ganz unten im Tal. Ganz unten hingen auch unsere Mägen, also entschieden wir, an dieser Stelle den Rheinsteig zu verlassen, um dann nach dem Frühstück solange im Tal zu laufen, bis wir wieder einen Einstieg zum Rheinsteig finden würden.

Und dann war da noch der VP oben auf dem Petersberg, der letzte VP für das späte zweite Frühstück.
Zusammen also vier Mal Auto mit besorgter Gabi und ein Mal verrauchte Disko mit schnippischer Chefin, wir hätten es schlechter treffen können.Rheinsteig-Lauf (2)

Um nicht ganz „alleine zu zweit“ zu sein, fragte ich die Koblenzerin Jessica Junker, ob sie nicht ein paar Stunden mit uns laufen wolle. Und sie wiederum brachte mit Antje Überholz und Thomas noch zwei Kleinetappenläufer mit, die dort ausstiegen, wo die Läufer beim KoBoLT das erste Pflichtfoto machen müssen.
Und zwei Tage vor dem Lauf bot sich auch noch der WiBoLT-erfahrene Frank Nicklisch an, unsere Moral zu stärken und einen Teil der Strecke mit uns zu laufen.
Jessica und Frank beendeten ihren Lauf beim VP2 und Gabi fuhr die beiden dann in nahe liegende Neuwied zurück.

Andreas bastelte noch für diesen Lauf ein eigenes Logo-Bildchen und über Facebook streuten wir die Information, dass wir nun für viele Stunden nicht erreichbar sein werden. Spätestens jetzt war eine Miniveranstaltung auf dem Rheinsteig aus dem Projekt geworden.
Was also als eine Wiederholung des zweisamen Laufs auf dem Hermannsweg geplant war, wuchs zu einem Gruppenlauf heran, in dem sich zwei Veganer, zwei Teilzeit-Veganer und zwei Carnivoren vor allem über das Essen unterhielten.
Ich war mal wieder beeindruckt, was doch manche Menschen in kürzester Zeit lernen können. Jessica, die  erst vor 6 Monaten auf eine vegane Ernährung umgestellt hatte, erzählte von Keimen und Chia-Samen, von selbst gezogenem Gemüse, weil ihr Mann da den „grünen Daumen“ beweisen kann, wir redeten über Quinoa, Bulgur und über all das, was Vegetarier und Veganer so bewegt.

Ach ja, gelaufen sind wir natürlich auch noch.
Aber wie das war, das erzähle ich ganz bald in der nächsten Geschichte …Reeperbahn

Der RheinBurgenWeg-Lauf – ein Vorbericht

Es geschah beim „Kleinen KOBOLT“ und es muss so nach 20 Stunden auf dem Rheinsteig gewesen sein. Achim und ich liefen im kalten Dezember die Strecke des Rheinsteigs auf und ab von Koblenz Richtung Bonn. Die eisige und dunkle Nacht war schon vorbei, wir waren also wach und bei Sinnen, als Achim mir erzählte, dass es auf der anderen Seite des Rheins auch eine Laufstrecke gäbe, die weit weniger bekannt, aber fast noch schöner sei als die des Rheinsteigs.
Auf der anderen Seite des Rheins?

Ich dachte kurz nach und fühlte mich wie eine Kuh, die, sich an den Stacheldrahtzaun drückend, sicher ist, dass das Gras auf der anderen Seite des Zauns grüner, saftiger und besser sein muss. „Und welche Strecke ist das?“ fragte ich Achim. „Der RheinBurgenWeg,“ antwortete er.
Nie gehört, dachte ich. Aber ich war auch interessiert und so beschlossen wir während der nächsten Laufstunden, dort einmal einen gemeinsamen Lauf zu organisieren.


Ein kleiner Lauf sollte es werden, nur für Freunde und Bekannte. Aber eben für Freunde und Bekannte, die sich schon als Ultraläufer ausgezeichnet haben, erfahrene Läufer, die in der Lage sind, die ersten 108 Kilometer dieses über 200 Kilometer langen RheinBurgenWegs zu bewältigen. Gespickt mit unzähligen Anstiegen wie der Rheinsteig, aber auf deutlich schmaleren Pfaden ist das eine echte Herausforderung.

Wir wollten keinen Wettkampf organisieren, zum einen, weil die Verpflegungsstände sonst so schwer zu besetzen wären (die Spreizung zwischen dem führenden Läufer und den Läufern am Ende der Gruppe könnte beim Zieleinlauf durchaus 10 oder sogar 12 Stunden betragen) und zum anderen, weil wir gerne mit dem einen oder anderen über das reden wollen, was uns alle bewegt: eben über das Laufen.
Also musste es ein Gruppenlauf werden und das bedeutet, dass alle Teilnehmer genug Disziplin haben müssen, um zu akzeptieren, dass die Langsamsten der Gruppe das Tempo bestimmen werden. Im Zweifel werde ich das sein.

Ich war Feuer und Flamme für die Idee dieses Laufs und machte dann sofort das, was ich besonders gerne tue: ich registrierte das BLOG zum RheinBurgenWeg-Lauf und eröffnete eine Gruppe „RheinBurgenWeg“ auf Facebook, also dort, wo sichviele Läufer tummeln. Ich muss gestehen, ein ausgesprochener Facebook-Fan geworden zu sein. Keine andere Community im großen Netz fasziniert mich ähnlich wie Facebook und das, obwohl ich früher viel mehr in anderen Communities unterwegs war und Facebook bald zwei Jahre nur „nebenher“ besucht habe.
Beide Dinge hatten großen Erfolg. Über die neu errichtete Gruppe bei Facebook lud ich etliche hervorragende Läufer zu diesem Event ein und auch der Traffic auf dem BLOG wuchs ständig an und hat heute Zahlen erreicht, die ich nicht zu hoffen gewagt hätte. Es ist ja nur ein BLOG über ein einziges Thema, ein einziges Event. Danke an dieser Stelle allen, die sich dort mal umgesehen haben.


Ich muss gestehen, am Anfang ein wenig zu viel „geguttenbergt“ zu haben und so musste ich das Logo nach einem freundlichen Hinweis der “Romantischer Rhein Tourismus GmbH”, Loreley-Besucherzentrum, 56346 St. Goarshausen noch einmal ändern. Aber ich hatte in dieser Vermarktungsfirma für den RheinBurgenWeg einen Verbündeten gefunden und uns wurden wunderschöne Fotos der Strecke überlassen inklusive einer Aufnahme der Wegebeschilderung, die dann zum Logo für diesen Lauf wurde.
Ohne diese Hilfe wäre vieles schwerer geworden, denn wo im Himmel nimmst Du mitten im Winter schöne Fotos einer Laufstrecke her?
Wir wurden von der “Romantischer Rhein Tourismus GmbH” freundlich beraten und unterstützt.
Im Grunde wollen wir ja alle das Gleiche: raus in die Natur, schöne Strecken kennen lernen und schöne Strecken laufen.

Für die Details des Laufs war im Wesentlichen Achim zuständig. Er legte die Eckpunkte fest wie die Positionierung der drei Verpflegungsstellen, den Starttag und ähnliche Dinge und dann, als es immer konkreter wurde, sind wir gemeinsam an einem Samstag an die Strecke gefahren, um vor Ort nachzusehen, worauf zu achten ist.
Es war ein kleines Desaster an dem Tag, weil die B9 vollkommen überschwemmt war und wir deshalb immer riesige Umwege fahren mussten, um von Ort zu Ort zu kommen, aber beim Anblick der vielen Burgen wusste ich: dieser Lauf wird richtig schön, wenn das Wetter einigermaßen mitspielt!

Achims Sorge war, dass wir viel zu viele Starter haben werden, meine Sorge ging in die ganz andere Richtung. Ich befürchtete, weitgehend alleine zu sein und bin heute rückblickend sehr dankbar, welch tolle Truppe wir für einen Gruppenlauf zusammen bekommen haben. Am Ende haben wir statt der geplanten 12 Mitläufer die Grenze auf 19 Mitläufer erhöht, insgesamt ist es aber noch eine Teilnehmerzahl, die überschaubar ist.

Achim war danach voll in seinem Element. Insgesamt fünf Mal machte er sich auf, eine der drei Teiletappen zu laufen. Drei Mal war er alleine unterwegs, ein Mal war er mit Tom Siener und ein Mal mit mir auf der Strecke, mit Tom Siener allerdings erheblich schneller und ambitionierter als mit mir.
Seine Berichte im BLOG haben mir zunehmend mehr Vorfreude auf dieses Event gemacht. Ich wurde mir aber auch klar, dass es bei weitem nicht so einfach sein würde, wie ich diese Strecke am Anfang eingeschätzt hätte.

Der nächste Punkt waren die drei Versorgungspunkte. Der dritte VP war schnell besetzt, die Mainzer „Bretzelwetzer“ Axel und Roman sowie Achims Frau Antje haben schnell ihre Unterstützung zugesagt. Meine Gabi, die eigentlich einen VP besetzen wollte, musste aber passen, weil ein wichtiger Geschäftstermin an diesem Wochenende angesetzt wurde. Eigentlich hätte ich da dabei sein sollen, aber sie macht das jetzt alleine und ich darf laufen gehen. Danke Gabi!

Der nächste VP, der eine Betreuung fand, war der VP1. Martina Irrgang hat sich mit dem Troisdorfer M.U.T. dieser Aufgabe angenommen, eigentlich, um dort mit uns und „ihrem“ Michael Irrgang gemeinsam etwas zu feiern. Leider wird Michael wohl entweder gar nicht mitlaufen können oder, so ist meine große Hoffnung, wenigstens vom Start eben bis zu diesem VP1 mitlaufen.

Tom Siener wiederum war es, der uns die Betreuung des VP2 vermittelt hat. Als Apotheker in Koblenz hat er einen Geschäftsfreund, der ihm den Kontakt zur Unternehmensleitung des Restaurants vom Schlosshotel der Burg Rheinfels vermittelt hat.
Und die dortige Belegschaft hat sich dann spontan bereit erklärt, die Betreuung des VP2 zu übernehmen. Mehr als Läufernahrung für Ultrasportler wollen wir ja nicht haben, Austern und Médoc-Rotwein wie beim Médoc-Marathon dürften es ja wahrlich nicht sein, immerhin werde wir dort erst die Hälfte der Strecke hinter uns haben.

Wir haben dann noch den Transport der Drop-Bags nach Bingen für diejenigen Läufer organisiert, die erst in Koblenz zu uns stoßen werden, Achim hat noch ein paar Informationsmails verschickt und jetzt bleibt uns nur noch, auf gutes Wetter zu hoffen.

Gutes Wetter? Wetter.de sagt dazu: es wird schön und einigermaßen trocken, nachts aber eher kalt.

Mo

07.03

Di

08.03

Mi

09.03

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10.03

Fr

11.03

Sa

12.03

Temp. (°C)  -2° 12° -6° 12° 12° 12° 13°

Der „Kleine KOBOLT“ – ganz groß!

Wenn man einen Lauf wie den „Kleinen KOBOLT“ mit dem Abstand von einigen Tagen ansieht, dann wird der „Kleine KOBOLT“ tatsächlich fast klein. Wenn man mit diesem Abstand auf so einen Lauf zurück blickt, dann denkt man leicht, dass er eigentlich gar nicht so schwer war.
Jetzt, wo die Wunden an den Fersen verheilt sind, die Muskeln sich wieder gut anfühlen und ich auch im Magen wieder das Gefühl einer leichten Übersättigung habe, kommt mir der „Kleine KOBOLT“ wie ein netter, kleiner Freund daher …


Allerdings weiß ich auch noch gut, welch gehörigen Respekt ich vor diesem Lauf hatte. Schon die nackten Zahlen sprechen für sich:
140,5 Kilometer lang – mein bislang fünftlängster Lauf überhaupt …
4.446 Höhenmeter – nur der „PTL“, der „UTMB“, der „Trail Verbier St. Bernard“ und der „Canyon du Verdon“ hatten bisher mehr Höhenmeter …
3 UTMB Punkte – so viel wie eine Woche „TransAlpineRun“, so viel wie eine Woche „Marathon des Sables“ …

(Klicken zum Vergrößern!)

„Wenn die Jungs und Mädels in Chamonix sich also nicht irren, dann wird der „Kleine KOBOLT“ doch ein ganz großer Lauf für mich,“ dachte ich und ich erinnerte mich daran, dass ich zwei Drittel der Strecke schon gelaufen war. Ganz gemütlich bei meist bestem Wetter in der Woche vor Ostern als Gruppenlauf mit Rolf Mahlburg beim „Rheinsteig Erlebnislauf“.
Rolf startet immer in Bonn und geht etappenweise den Rheinsteig entlang bis nach Wiesbaden. Die ersten drei Tagesetappen dabei sind die Strecke des „Kleinen KOBOLT“. Die ersten beiden Tagesetappen bin ich schon mit Rolf Mahlburg gelaufen.
Und ich erinnerte mich gut daran, dass ich früher schon nach einer einzigen dieser Tagesetappen am Folgetag kaum mehr laufen konnte. Nach dem Ende der ersten Etappe damals in Unkel ging es am nächsten Tag weiter über der Erpeler Ley Richtung Koblenz und so war die Erpeler Ley weit, weit weg von Bonn, dachte ich damals.
Beim „Kleinen KOBOLT“ allerdings sagte ich mir, dass wir fast am Ziel wären, wenn Achim und ich erst einmal die Erpeler Ley erreicht haben würden.

Ach, Achim, mein Laufpartner beim „Kleinen KOBOLT“ … es war so schön, endlich mal wieder einen ganzen Lauf mit ihm, neben ihm zu bestreiten, auch wenn 28 Stunden lang quatschen dann auch nicht möglich war. Am Ende gab es Phasen, wo wir stumm hintereinander hergelaufen waren, teilweise stumm aus Erschöpfung, teilweise auch aus Frust, weil wir uns mal wieder verlaufen hatten.

Sich zu verlaufen ist vielleicht eines der entscheidenden Punkte bei diesem Lauf. Jeder hatte es am Ende hinter sich, Achim und ich genossen die Extra-Runden ausgiebig. Gleich nach zwei der üppig bestückten Verpflegungspunkten drehten wir eine lange Schleife, die uns wieder zum Verpflegungspunkt zurück brachte. Am Ende waren statt der 140,5 Kilometer immerhin 153,5 Kilometer auf der GARMIN Uhr. Sich zu verlaufen haben Achim und ich also zur Stilform erhoben.

Neben den beiden Schleifen nach den Verpflegungspunkten 2 und 3 war auch die Gegend um das hübsche Ausflugslokal „Milchhäuschen“ ein ideales Gelände, um dieser Stilform zu frönen und wir taten es hier gleich mehrmals.
Ich liebe das „Milchhäuschen“ und hatte Achim schon kilometerweit vor diesem Restaurant von seiner Schönheit erzählt, die Gegend um das „Milchhäuschen“ herum liebe ich jedoch jetzt nicht mehr so sehr …

Ein Lauf wie der „Kleine KOBOLT“ ist also schon auf Grund der nackten Zahlen und der teilweise suboptimalen Beschilderung ein hartes Ding, am ersten Dezember-Wochenende kamen dann noch die Wetterbedingungen hinzu. Zwar war es beileibe nicht so kalt wie in den Nächten zuvor, es hat auch erst ganz am Ende geschneit, dennoch war es während der ganzen Zeit kalt und feucht, der Boden war von zusammengetretenen Schnee bedeckt und damit sehr, sehr glatt. Zum Glück hatte ich meine Alpin Sticks dabei, sie verhinderten einigem Male einen Sturz, vor allem deshalb, weil ich schuhtechnisch nicht optimal ausgestattet war.


Auf der Rückfahrt nach dem Ziel nickte ich ein Mal kurz ein. Gabi fuhr und das monotone Fahrgeräusch läd Läufer, die eben mal eine Nacht durchgelaufen sind, geradezu zum Einschlafen ein. Und ich träumte von einem Polizisten mit stark bayrischem Akzent, der mich anhielt, auf die neue Winterreifenpflicht hinwies und mein Profil sehen wollte.
Also hielt ich meine Schuhsohlen nach oben und der Polizist bemerkte natürlich sofort, dass der Schuh ein Sommermodell war, zudem war das Sohlen-Profil an vielen Stellen komplett abgelaufen.
Ich liebe diese Nike Laufschuhe, obwohl sie an zwei Stellen schon zerschlissen und definitiv viel mehr als die empfohlenen 1.000 Kilometer gelaufen haben, was die Dämpfungseigenschaften einschränkt. Für den „Kleinen KOBOLT“ aber war diese Schuhwahl nicht akzeptabel.
Und der Polizist schimpfte über das Profil und bestrafte mich mit zehn Liegestützen und einer 5-km-Strafrunde.
Ich war schon vollkommen fertig und flehte ihn an: „Tun Sie das nicht, bitte. Tun Sie das nicht, bitte, bitte, ich habe schon über 13 Strafkilometer hinter mir …“
Aber der Polizist wollte nicht auf mich hören, also wurde ich wütend und dann schrie ich ihn an: „TUN SIE DAS NICHT!“ Dann wachte ich wieder auf, wir waren zu Hause.

Aber so labil, wie ich im Traum bei dem Polizisten war, so war ich auch auf den letzten acht Kilometern vor dem Ziel. Irgendwann zwischen dem letzten Verpflegungspunkt und dem Ziel wollte mein Geist nicht mehr und alles tat weh.
Ich hatte mir im Schritt einen „Wolf“ gelaufen und hatte die beiden Hosen, die ich übereinander trug, schon so weit nach unten gezogen, dass die obere Hälfte meines Hinterns nur durch die Laufjacke bedeckt wurde, ich hatte eine dicke Blase hinten an der linken Ferse, eine kleine Blase unter dem rechten Fuß und mein linkes Knie machte sich ganz leicht schmerzend bemerkbar. Ich wollte nur noch im Ziel sein, endlich am Ziel sein …

Wenn Du so lange mit dem gleichen Partner läufst, dann gibt es Momente, in denen Du den Partner ziehen und motivieren musst und es gibt Momente, in denen Du Zuspruch brauchst und Unterstützung. Am Ende habe ich nur noch von Achims Kraft gelebt, er hat mich gezogen und meine Laune einigermaßen hoch gehalten, aber ich habe den Bonnern, die wir nach dem Weg zum Ziel gefragt hatten, wohl ein jämmerliches Bild geboten. Aber irgendwann dann waren wir tatsächlich im Ziel, irgendwann und mit 27:54 Stunden doch noch wenigstens unter der 28 Stunden Marke.

Unsere Hochrechnungen sahen uns schon mal mit 25:30 Stunden im Ziel, mal aber auch erst nach dem Cut-Off von 29:00 Stunden. Ganz schlimm war es ein paar Kilometer vor dem letzten Verpflegungspunkt. Nach dem vielen Verlaufen wussten wir, dass wir viel Zeit, Kraft und Motivation verloren hatten und wir begannen, neu zu rechnen.
Die Strecke nach dem VP, die Strecke von Bad Honnef bis zu diesem VP und die Strecke bis nach Bad Honnef … und in diesem Moment kam eine Spitzkehre mit einer Wegbeschilderung nach Bad Honnef, auf der stand: BAD HONNEF 11,5 km.

Wir hatten keine Chance mehr, vor dem Cut-Off anzukommen, dachten wir. Achim wurde aus Trotz und Ärger schneller, ich wurde aus den gleichen Gründen langsamer. Achim wurde richtig ärgerlich, ich verzweifelte und wanderte ins „innere Jammertal“.
Es folgte eine merkwürdige Viertelstunde, in der wir liefen und schwiegen, träumten und dachten, bis wir von einem dicken Stein erlöst wurden, auf dem stand: BAD HONNEF 1,5 km.

Alles war wieder gut für Achim, für mich aber noch nicht. Nach einem Kilometer kam ein Abzweigschild nach Bad Honnef Innenstadt, das ich aber übersehen habe und wir liefen und liefen und kamen scheinbar einfach nicht nach Bad Honnef. Ich stellte mir vor, dass auf dem Stein 7,5 km gestanden haben musste und ärgerte mich. Erst als Achim von der Abzweigung erzählte, die ich übersehen hatte, ging es mir wieder besser.

Knapp 28 Stunden lang stramm bergauf oder vorsichtig bergab, weil es so glatt war, ständig mit dem gleichen Laufpartner zusammen, den Du schon so lange kennst, immer unleidlich vor den Verpflegungspunkten, aber motiviert und vorne weg danach, da denkst Du oft an Deinen Laufpartner und daran, woher Du ihn kennst.

Achim kenne ich schon viele Jahre. Wir hatten uns auf dem Eisweinlauf vor einigen Jahren kennen gelernt und kamen damals über das Thema Fußball ins Gespräch. Achim ist in erster Linie ein Fan von Mainz 05, damals noch von „Kloppo“ trainiert. In zweiter Linie ist er ein Fan von Eintracht Frankfurt, schön, dass während des „Kleinen KOBOLT“ gerade diese beiden Vereine gegeneinander gespielt hatten. Achim hatte sich mit einem mobilen Radio und Ohrclips bewaffnet, um noch das Siegtor der Frankfurter mitzubekommen, bevor der Akku seinen Geist aufgegeben hatte.

Danach haben Achim und ich uns bei ein paar kleineren Läufen gesehen. Ich erinnere mich an den 50K Ultra in Rodgau, aber da sahen wir uns nur kurz nach dem Zieleinlauf auf dem Weg zum Auto. Achim hatte damals eine 4:35 Stunden gelaufen, ich hatte 4:45 Stunden gebraucht. Achim ist meist etwas schneller als ich, nur beim K-UT konnte ich ihn kurz vor dem Ziel noch einholen.

Das erste lange Ding, das wir dann zusammen gemacht hatten, waren die 350 Kilometer des Swiss Jura Marathon von Genf nach Basel. Antje, seine Frau, war als Helferin mit im Orga-Team, Achim und ich liefen. Achim lief wie immer ein wenig schneller als ich, zur Strafe durfte er in den Turnhallen immer schon unsere Schlafecke einrichten.
Nur an einem Tag war ich schneller als er, am 5. Tag, dem Donnerstag, einen Tag nach Achims Sturz und einen Tag bevor meine Muskelverhärtung begann.
Achim war also gestürzt beim SJM und er ging dann nach dem Lauf zum Doc, um die Rippen untersuchen zu lassen.
Eine angebrochene Rippe hatte er, wenn ich mich richtig entsinne, und der Doc fragte ihn etwas vorwurfsvoll, warum er denn nicht gleich nach dem Unfall zu ihm gekommen wäre.
„Weil ich noch 200 Kilometer laufen musste,“ war Achims Antwort. Der Doc war schockiert, ich war amüsiert. So eine Antwort kann nur von einem „Ultra“ kommen, oder?

Mit Yogi Schranz und Susanne Alexi sind Achim und ich dann das „Schräge O.“ gelaufen, mit meinem Laufpartner vom TransAlpineRun 2008, mit Heiko Bahnmüller, sind Achim und ich dann gemeinsam in der Wüste gewesen. Beim „Marathon des Sables“ war die Ankunftsreihenfolge in unserem Zelt auch jeden Tag gleich. Zuerst kam Heiko eingelaufen, dann folgte Achim, dann erreichte ich das Ziel, danach Tilmann, dann Christian. Jeden Tag gleich.
Das Zusammengehörigkeitsgefühl haben aber vor allem diese beiden Etappenläufe enorm gestärkt, über all das dachte ich also nach beim „Kleinen KOBOLT“.

24 Läufer waren für die langen 140,5 Kilometer angemeldet, nur 17 davon traten an. Einer, mein Freund JoSi, Joachim Siller, scheiterte an der Zugverbindung, die im Schnee stecken blieb, einer, der großartige Jens Vieler, musste wegen einer Erkältung passen, wieder andere kamen aus anderen Gründen nicht und nur 10 ser 17 Starter kamen tatsächlich am Ziel an.
Und wenn Achim und ich uns gemeinsam den 8. Platz teilen und wir uns somit ganz weit hinten auf der Ergebnisliste wiederfinden, dann tut mir das gar nicht weh. Wir sind durchgekommen, haben gefinished, durch den Schnee, durch die Kälte, durch die Nacht …

Wir hatten trotz der Verlaufer offensichtlich mehr Glück als die, die auf der Strecke aufgeben mussten. Und wir hatten das Glück, diesen Lauf erleben zu dürfen, der von den drei Jungs aus dem „Chamonix-Appartement“ in kürzester Zeit ins Leben gerufen wurde.
Michael Eßer, der mitgelaufen war und 10. wurde, Stefan Scherzer, der den „Kleinen KOBOLT light“ lief und dort den zweiten Platz errang und Andreas Spieckermann, der Race Director, der in einer unglaublichen Ruhe die vielen Helfer dirigierte, motivierte und lenkte, haben hier einen kleinen Traum realisiert, auf den sie stolz sein können.

Ein richtig harter Winterlauf, der Dir alles abverlangt, gleichzeitig aber liebevoll organisiert ist und landschaftliche Highlights bietet, wie Du sie nur selten siehst. Wenn dieser Lauf im nächsten Jahr neu aufgelegt wird, dann solltest Du dabei sein und auch den Blick auf die in der Nacht hell erleuchteten Burgen werfen, stets abwechselnd das Rheintal und die Höhen der rechtsrheinischen Berge kennen lernen.
Du solltest die kalte und lange Winternacht erleben und genießen. Die kurze, warme Nacht von Biel ist zauberhaft, das Gegenstück, eine Nacht, die schon früh beginnt und nicht enden will, die kalt ist und lang, ist auch ein echtes Erlebnis.
Wir gehen in die Wüsten, in die Alpen und in die Dünen, um wegzukommen vom üblichen Trott eines Straßenmarathons – hier beim „Kleinen KOBOLT“ hast Du die Herausforderungen gebündelt und direkt vor der Haustüre.

Schade nur, dass der Rheinsteig auf der „schäl Sick“ liegt, aber daran können Michael, Stefan und Andreas ja noch arbeiten …