… und am Ende herrscht pures Glück

Der TransGranCanaria 2013 (TGC) war schon ein wenig anders als der des Vorjahres und ich war nicht über jede Veränderung froh.
Unser Appartementhaus lag nur 50 Meter vom alten Startplatz entfernt, ideal, wenn um Mitternacht gestartet wird. Du kannst Dich noch bis 23.55 Uhr hinlegen und schlafen, die erste Nacht ist dann eigentlich gar keine mehr.
Aber der Start wurde zur „10th Edition“, zum Jubiläum, nach Agaete verlegt und das bedeutete für mich, dass ich kurz vor 9 Uhr Playa del Inglés verlassen musste, um zum Start nach Las Palmas zu fahren. Von dort gingen dann die Busse Richtung Agaete ab.
Diese waren für 22.15 Uhr geplant und ich frage mich jetzt noch, warum das alles so früh sein musste, immerhin ist Agaete nur gut 30 Kilometer von Las Palmas entfernt. Im Bus wurde ich darauf angesprochen, dass ich mich wirklich dick eingecremt hatte und man das Weiß der Sonnenmilch noch sah. Ich war wohl der Einzige gewesen, der nicht mitbekommen hat, dass es in der Nacht und am Morgen wohl satt regnen würde. „Optimistisch“ nannte man also meine Eincremorgie.
Die Fahrt war wirklich kurz und die Folge war, dass wir schon um 22.35 Uhr am Startort waren, 85 Minuten vor dem Start!

Agaete4Aber wir fanden ein Fischerstädtchen vor, das ich zwei Wochen vorher noch besucht hatte. Damals war es ruhig und fast ausgestorben, jetzt aber pulsierte das Leben dort und jeder von uns Läufern fühlte sich wie ein Star.
Da gingen die Daumen hoch für uns, die wir noch durch die Stadt schlenderten, da erhielten wir Glückwünsche und Motivation auf spanisch von wildfremden Menschen und die Musik der Sambatruppen spielte scheinbar nur für uns.
So lassen sich auch 90 Minuten bis zum Start aushalten … !

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(klicken zum Abspielen …)

Und doch ging es dann irgendwann wirklich los.
Was ich wusste, ist, dass es gleich auf den ersten 10 Kilometern auf 1.200 Meter Höhe geht. Ich erinnerte mich an die Steilstrecken des vergangenen Jahres und war auf einen enorm harten Einstieg gefasst. Es kam aber vollkommen anders.
Bis zur Höhe von 600 Metern über dem Meer war der Anstieg moderat, der Weg fast so breit und eben wie die Kurpromenade von Bad Salzuflen – easy going also. Erst danach wurde es etwas enger und schwieriger, aber noch immer war ich überrascht, wie einfach es doch nach oben ging.
Ich hatte mich ja sofort sehr weit hinten eingeordnet, einf Fehler, wie sich später heraus stellte, weil Du irgendwann an niemandem mehr vorbei kommst und Du die Lücken in der Läuferschlange vor Dir zwar siehst, Du kommst aber nicht an den Vorderleuten vorbei, um diese Lücke zu schließen.
Noch bis zur Höhe von 900 Metern über dem Meer hörten wie die Samba-Musik, sahen das hell erleuchtete Hafenstädtchen und fühlten uns beobachtet und getragen von den bewundernden Blicken der Zuschauer.

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Die Hauptstraße von Agaete zwei Wochen vor dem Event.

Wenn ich mir also Sorgen gemacht hatte, dann waren die vollkommen unbegründet, zumindest bis zur ersten Verpflegung. Und auch da war alles anders. Im Vorjahr noch stand da ein riesiger Wasserwagen und sonst nichts. Dieses Jahr war die Station voll bestückt. Für uns Vegetarier gab s lecker-süße Orangen, aber es gab auch nahezu alles, was Du Dir als Läufer wünschst. Nach 10 Kilometern aber wollte ich noch nichts essen, ich blieb beim Aussaugen der Orangenstücke.
3 1/2 Stunden gibt Dir die Organisation für diesen Streckenabschnitt, ich war bei rund der Hälfte geblieben und war noch immer sehr weit hinten. Auch an der Cut-Off Front gab es also keine Probleme.

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Blau-weiß sind die Farben von Agaete. Dieses Haus war direkt neben dem Start. Aber „in der Nacht sind alle Katzen grau“ – zum Glück habe ich diees schöne Haus auch bei Tageslicht gesehen …

Weiter ging es auf und ab auf einem Hochplateau durch Wald und Wiese und so langsam wachte der Regen auf. Erst ganz sparsam, dann aber immer stärker. Er sollte sich noch zu einem sehr starken Landregen entwickeln mit der Folge, dass die Laufhose klitschnass, die Füße durchweicht und die im Rucksack getragenen Sachen unbrauchbar wurden. Aber die Strecke blieb leicht und gut laufbar, die Ausschilderung war gut und so blieb es auch bis der Morgen graute.
Mal hörte der Regen auf, mal kam er wieder und irgendwann wurde auch die Strecke so, wie ich sie aus dem Vorjahr kannte. Enge Trails, oft überwuchert, sodass Du den Boden nicht sehen konntest, dicke Streine im Weg, steile Anstiege und noch schlimmer: steile Abstiege, die auch deshalb schwer zu laufen waren, weil die Steine durch den Regen sehr glitischig waren. Und das, was sich Trail nannte, war oft nur eine Ansammlung von Matsch. Nasse Füße waren dabei noch das kleinste Problem.

Agaete2Teilweise gab es Stellen, an denen Du Dich nur mit abgestützten Stöcken bewegen wolltest und mein Plan, unter 12 Minuten pro Kilometer zu bleiben, wurde immer mehr zur Makulatur. Immer nachdem es den Berg rauf ging war die kumulierte Zeit über der 12er Marke und das von Anstieg zu Anstieg deutlicher. Bei den Abstiegen oder den flacheren Passagen (gab’s da welche?) habe ich die kumulierte Zeit dann wieder unter diese Marke gedrückt, bei jeder Sequenz aber etwas weniger deutlich.

Mit der zunehmenden Helligkeit wurde es aber weder trockener noch wärmer, im Gegenteil. Wir liefen in ein Nebelgebiet hinein, in dem es so stark regnete und windete, dass uns richtig kalt wurde. Wie sehr war ich froh, ein wenig dieser Kälte in der Vorwoche beim privaten Training erlebt zu haben, so war ich nicht allzu schockiert. Ohne diese Vorerfahrung aber wäre ich wohl dünner angezogen gewesen und hätte noch mehr gefroren.

Die Brigaden in den Verpflegungsstellen taten mir oft leid, ich sah sie oft frieren und war froh, selbst wieder laufen zu können. Nach etwas mehr als der halben Strecke, ich hatte mittlerweile über 5 Stunden gegenüber dem Cut Off gewonnen, liefen wir auf eine Stelle, die ich beim zweiten langen Training in der Woche vor dem Start zufällig entdeckt hatte. Es war die Stelle, an der ich mich damals verlaufen hatte und wo ich dann den offiziellen Track des TGC 2012 verlassen hatte, um mich irgendwie nach oben zu schlagen. Damals hatten mir zwei Einheimische diesen Weg gezeigt und empfohlen.

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Ein Foto kann leider nicht ganz wiedergeben, wie schön dieser Weg war. Vielleicht hätte ein „Fisheye“-Objektiv hier geholfen. Aber wenn Du mal auf Gran Canaria bist, dann gehe nach „Cruz Grande“, um diesen schönen Weg zu wandern …

Es war ein Weg der mitten durch hohe Felsen führte, liebevoll gemacht mit tollen Ausblicken, vor allem, wenn man ihn in der umgekehrten Richtung gelaufen wäre. Ich fand ihn nach dem Training so schön, dass ich ihn meiner Gabi schon einen Tag später bei einer gemütlichen Wanderung zeigen musste. Und genau diesen Weg ging es nun nach oben. Glücklicherweise war es mittlerweile schon trocken, die Sonne ist hat sich noch sehen lassen und alles wurde wieder angenehmer, fast schön.
Oben angekommen geht es weiter auf dem Hochplateau bis zum Scheitelpunkt, der Weg dahin war aber viel weiter als vor einer Woche (!) und dort am Scheitelpunkt ging es nicht wieder runter, wie ich gelaufen war, sondern nach links.
Unvermittelt und überraschend kamen wir dann auf einen Weg, der den Roque Nublo mit dem Pico de las Nieves verbindet. 2012 war es ein Teil des Tracks und ich bin ihn mit meiner Gabi bei einer anderen Wanderung auch gegangen. Darin integriert ist ein Teilstück, das normalerweise ungesichtert, aber sehr steil ist. Im Vorjahr haben die Veranstalter für die Läufer ein Sicherungsseil angebracht und es ging diese Passage hinauf.
Dieses Jahr hatten Gabi und ich und bergauf kämpfend gesagt, dass bergab wesentlich schwieriger wäre. „Und wenn die Felsen hier nass sind, dann will ich da überhaupt nicht runter,“ höre ich Gabi noch immer sagen.
Aber der Track des TGC 2013 ging hinunter und die Felsen waren nass. Welch ein Glück, dachte ich, dass ich diese Passage schon kenne, ich glaube, Espen hätten sonst weniger gezittert wie ich. Ich bin ja so ein Angsthase, wenn ich mich nicht sicher fühle.
Anschließend kommt man auf den Parkplatz vor dem Roque Nublo, dort geht es aber nicht hinauf, was ich sehr bedauert habe, sondern runter und wieder rauf Richtung Garanon, dem höchsten Punkt der Strecke, da, wo es wie schon im Vorjahr lauwarme Nudeln gab mit einer Bolognese-Sauce. Für uns Vegetarier blieben die Nudeln eben lauwarm und trocken.
Vielleicht hat mal einer der Veranstalter eine Eingebung und es gibt dort irgendwann auch eine klassische Tomatensauce?

Agaete5Dort in Garanon gab es auch die Drop-Bags, es war der Start des Marathons und die Illusion, dass es nun nur noch abwärts gehen würde. Aus dem Vorjahr aber wusste ich aber noch, dass das ein großer Irrtum war. Ich hatte nach dem Essen und Umziehen noch immer fast fünf Stunden Reserve vor dem Cut Off, ließ mich von diesem Punkt aus auch nicht mehr überholen und ich ließ, vor allem auf den letzten acht Kilometern, mindestens drei Dutzend Läufer hinter mir. Dennoch sank mein Vorsprung auf den Cut Off kontinuierlich und ich konnte nur noch 3 1/2 dieser anfänglichen 5 Stunden ins Ziel retten.
Wer also in Garanon am Zeitlimit war, der „hatte dann auch gleich fertig“. Die Berechnung der Cut Off Zeiten könnte also ein wenig optimiert werden.

Über die Strecke von Garanon aus breiten wir hier an dieser Stelle mal den weiten Mantel des Schweigens aus, ich denke jetzt nicht mehr an die unglaublich falsche Beschilderung, die uns die längsten 13 Kilometer aller Zeiten beschert haben, erst, um uns zu ärgern und dann, um festzustellen, dass es nun noch viel kürzer war als eigentlich angegeben … steile Abstiege, Konteranstiege, der berühmt-berüchtigte Lauf durch das trockene Flussbett und das Einlaufen nach Las Palmas über ein unschönes Gewerbegebiet, all das will wirklich niemand wissen.
Welch ein Glück hatte ich, dass ich mit dem Schweden Magnus einen Laufpartner gefunden hatte, mit dem zu sprechen meine Aufmerksamkeit von den übleren Seiten des Laufs weg nahm.

Beim vorletzten Verpflegungspunkt war ich todmüde. Ich lallte nur noch wie ein Betrunkener und ich wollte unbedingt schlafen. Das ging dort aber nicht, es war zu kalt, es gab keine Liegemöglichkeit, keine Decken und das Gebläse des Heizofens war so laut, dass an Schlaf nicht zu denken war.
Gabi gab mir telefonisch noch einen kleinen „Einlauf“, also gingen wir weiter und beschlossen, schneller zu werden. Magnus meinte, dass das die Müdigkeit hemmen würde. Eine Dose Energydrink aus meinem Rucksack in mich hinein, das Tempo gesteigert ging es weiter durch die Nacht.
Und es wurde besser. Es wurde sogar wieder richtig gut.
Die Müdigkeit verschwand mit jedem Läufer, den wir überholten.

Ob das 119 K Läufer des TransGranCanaria waren oder ob wir die letzten Läufer des 83 K Advance Laufes eingeholt hatten, weiß ich nicht, ich weiß nur, dass ich mit vielen dieser Laufkollegen Mitleid hatte. Teilweise war ein normales Gehen nicht mehr möglich, die Schmerzen sah man förmlich in den Gesichtern und ich kann mir gut vorstellen, wie frustrierend es dann sein muss, wenn dann zwei Läufer wie Magnus und ich an diesen Läufern noch einigermaßen locker vorbei gelaufen sind.
So sammelten wir Läufer für Läufer ein.

Drei Kilometer vor dem Ziel gab es dann eine Bodenmarkierung. Die kannte ich schon. Von da an geht es fast nur noch bergab und Magnus und ich trabten diese Strecke gemächlich ab. Irgendwann kam dan die große weiß angestrahlte Brücke, unter der es durch geht. Jetzt waren es nur noch 800 Meter. Das Tempo etwas reduzieren, um Kraft für die Gerade auf der Promenade zu haben, noch 400 Meter bis zum Ziel.
Jetzt langsam das Tempo steigern, die Strandpromenade entlang, am Ziel vorbei, in die Biegung rein und parallel zur Strandpromenade auf den Zieleinlauf. Schneller werden. Das geht noch was.

Hand in Hand mit Magnus liefen ich über die Ziellinie, 85 Minuten später wie erhofft, 34 Minuten später als im Vorjahr, aber glücklich. Ich gab den Zeitnahme-Chip ab, holte meine Finisherweste und grinste.

AgaeteUnd am Ende herrschte nur noch pures Glück, trotz allem Hadern, trotz des Wetters, dem Geläuf, der Versorgung, den Verlaufern und allem, worüber man während knapp 25 1/2 Stunden schimpfen kann.
Was bleibt, ist die Erinnerung an eine wunderschöne Inselmitte, an die Blicke auf den Roque Nublo, den Pico de las Nieves, an diese tolle Passage in den Felsen, an temporäre Laufpartner, die mich motivierten und inspirierten, an leckere Orangen und an die Gesichter meiner Gabi und Magnus‚ Freundin, in denen sich unser Glück spiegelte.

Kurz hinter Las Palmas war ich dann im Mietwagen fest eingeschlafen. Der Schlaf war gerecht und die Träume drehten sich um die letzten 119 Kilometer.

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Im Ziel, die gelbe TransGranCanaria-Finisherweste in der Hand.

The Circle of Life …

Manchmal muss man einem Veranstalter einfach nur „DANKE“ sagen. Und zu diesen Veranstaltern gehört auch das Team des „THE NORTH FACE TRANSGRANCANARIA“.
Sie haben mir etwas beschert, das wahrlich sehr selten ist.

Mehr als 50 Jahre lang habe ich der Versuchung Gran Canaria, oder besser liebevoll „Gran Can“, widerstanden. Ich war wohl auf manch anderer der Kanarischen Insel, Gran Can aber war ein „no go“ für mich gewesen.
Meine liebe Gabi war als Kind drei Mal dort, für mich war Gran Can jedoch ein Touristenmoloch, eine Art „Ballermann light“. Wie man sich doch täuschen kann!
FBEs war also der TransGranCanaria 2012 (TGC), für den ich erstmals diese Insel betreten habe und unsere Bleibe in der viel zu schnell gewachsenen Betonstadt Las Palmas war auch das, was ich erwartet habe: eine Touristenburg wie viele andere auf der Welt. Welch ein Glück hatten Achim und ich damals, dort nur selten frühstücken zu müssen und sonst frei waren in der Wahl der Abendrestaurants.

Aber schon der Start des TGC in Playa del Inglés im Süden der Insel zeigte mir ein anderes Bild von Gran Can. Obwohl wir zu mitternãchtlicher Stunde im Dunklen starteten, obwohl die in den Kneipen und Cafés herumsitzenden Pauschaltouristen die Horde rucksackbewaffneter Läufer höchstens mit einer Mischung aus Bewunderung, Besorgnis und Argwohn ansahen und obwohl ich die Schönheit der dortigen Dünenlandschaft in der Nacht nicht vollstãndig realisieren konnte, war da plötzlich so etwas wie ein Zauber auf der Insel.

Fünf Kilometer am Strand, links die Wellen mit ihrem Getöse, vor mir eine lange Schlange mit Läufern, die ein rotes Blinklicht auf dem Rücken tragen und hinter mir eine lange Schlange mit Läufer, deren weiße Kopflichter ein Band der Einheit bilden.
In Maspalomas, zweifellos einer der schönsten Küstenstädte der Insel, dort, wo die Wohlhabenden ihre Sommerhäuser haben, direkt am wunderschönen Leuchtturm, ging es dann Richtung Inselmitte, den gefürchteten Flußlauf hinauf, der, wenn er wie 2011 Wasser führt, die Läufer auf eine harte Probe stellt.

Zu verlieben begann ich mich wohl, als ich die Silhouette des Teide auf Teneriffa sah.
So nah, so wunderbar, so stolz ragt er auf und bewacht alle der Kanarischen Inseln.

Strahlend blauer Himmel am Roque Nublo, dem Wahrzeichen der Insel, ein Bild für Kataloge. Kletterer bestiegen diesen Felsen gerade. Wie gerne hätte ich damals dort einfach angehalten, ich wäre am liebsten gleich dort geblieben.
Ein höllensteiler Anstieg unter sengender Sonne auf den Pico de las Nieves, dem höchsten Berg der Insel, jedoch kaum mehr als halb so hoch wie der Teide, folgte. Die Blicke auf die faltige Struktur der Insel, immer neue sich zeigende Canyon und immer wieder auch der Blick auf die Dünenlandschaft im Süden, all das verzauberte mich so, dass wir als Familie beschlossen, den Sommerurlaub auf Gran Can zu verbringen, im Süden, nahe der zauberhaften Dünen.

Es wurde ein schöner Familienurlaub, in dem ich Teile des TGC in umgekehrter Richtung (siehe alter Artikel dazu) ablief und viele Trainingseinheiten am Strand oder in den Dünen machen konnte.
Es war ein Urlaub mit Tapas, „Patates con Mojo“ und mit einigen Ausfahrten in die Inselmitte, zumindest so oft, wie alle Familienmitglieder das akzeptierten. Es war aber auch ein Urlaub in die Vergangenheit.
Gabi suchte und fand alle drei Häuser, in denen sie als Kind dort Ferien machte, das „Las Gondolas“ in einer 1B Lage, das „Reina Dunas“ und das „Horizonte“, beide direkt an der Strandpromenade in allerbester Lage. Alle drei gab es noch, nur eines davon wurde mittlerweile zu Eigentumswohnungen umgebaut.
Manches aber ging in diesem Urlaub auch nicht, ich musste daher also noch einmal auf diese Insel.

In den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres arbeiteten wir unglaublich viel, so viel wie noch nie. Laufen war da nicht mehr drin, Laufevents besuchen schon gar nicht. Aber meine Gabi und ich beschlossen, uns mit drei Wochen Urlaub auf Gran Can zu belohnen. Der Winter ist wirtschaftlich sowieso für uns unattraktiv und gegen Wärme und Strand hat ja auch niemand etwas.
Welch ein Glück, dass da auch wieder der TGC 2013 anstand. Als Urlaubsabschluss, als Ziel und Höhepunkt!KMBT_C224-20130306131820

Als Urlaubsdomizil wählten wir das Appartementhaus „Horizonte“, direkt an den Dünen und keine 50 Meter vom Start des TGC 2012 entfernt. Das Domizil hatte aber noch eine weitere Eigenschaft: es war eines der drei Häuser, in denen Gabi als Kind war, in diesem Fall vor etwa 37 1/2 Jahren!

Gleich beim Einchecken zeigten wir dort Gabis alte Fotos, die damals vor dem „Horizonte“ gemacht wurden. Diese wurden dann begeistert abfotografiert und wir waren gewissermaßen „zu Hause bei Freunden“.

In diesem Urlaub, mal nur zu zweit und somit ohne die Notwendigkeit, ständig auch auf die Stimmungslage der großen Kinder Acht geben zu müssen, konnte ich nach Herzenslust trainieren. Ob langsam mit Gabi, ob schnell alleine, ob „rauf auf die Dünen, runter von den Dünen“, ob auf der Strandpromenade, dem Strand, einer langen Treppe oder auf den Trails des TGC, ob kurz oder sehr lang, ob vor dem Frühstück, tagsüber oder in der Nacht – alles ging! Und alles wurde auch gemacht.

Das Training war so schön für mich, dass es mich dann sogar nicht mehr störte, dass der Start des TGC von „vor der Haustüre“ auf den Nordosten, in die schöne Stadt Agaete, verlegt wurde. Ein Start beim „Dedo del Dios“, dem „Finger Gottes“, im grünsten Teil der Insel hat ja auch was, dachte ich. Und so war es dann auch.
DedoDrei wundervolle Wochen Urlaub sind jetzt vorbei und Gabi wundert sich noch immer, dass sie mit diesem Urlaub wieder in die kindliche Vergangenheit zurück kam, mit all den Erinnerungen an den früh verstorbenen Vater, der dort am Strand gerne mal eine Languste aß.
Außer für den Lauf ist dieser „Circle of Life“ eben ein weiterer Grund, in Demut „DANKE“ zu sagen.

Gran Can – wir kommen wieder!
Und THE NORTH FACE TRANSGRANCANARIA – ja, trotz allem Meckern meinerseits, ich komme auch wieder zu Dir.

Danke TGC, danke THE NORTH FACE, danke Gran Can!
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Schnee auf dem Pico de las Nieves

Der 1949 Meter hohe Pico de las Nieves ist der höchste der Berge Gran Canarias, die Läufer vom Trans Gran Canaria (TGC) wissen das. Und sie wissen auch, dass dort, am höchsten Punkt der Insel und am höchsten Punkt des TGC, zahlreiche Menschen standen, die uns Läufer bejubelten, anfeuerten und heimlich bewunderten. Heute, als meine Familie und ich dorthin hochfuhren, lief niemand an den beiden kleinen Obelisken vorbei. Niemanden konnte ich versuchen zu motivieren, niemand lief schwitzend dort hinauf, hoffend, dass das Leiden in der heißen Sonne der Kanaren erst einmal vorbei ist.
Aber ich sah hinüber zum Roque Nublo, dem Wahrzeichen der Insel, dorthin, wo wir im März 2012 noch den kleinen Loop gelaufen sind und die Kletterer, die sich diesen Riesenfelsen zu besteigen vorgenommen haben, mit neidvollen Blicken beobachtet haben. Irgendwo zwischen diesem Kletterfelsen und der Inselhöhenspitze lag auch die Partie, wo wir nur dank der gespannten Fixseile weiter in die Höhe kamen.

Die große grüne Kugel auf der Bergspitze, mutmaßlich zur Beobachtung der Sterne gebaut, gehört zu einer militärischen Anlage, das wussten wir Läufer. Dass der Zugang dorthin aber unmöglich war, wussten wir nicht. Aber wir wussten auch vieles andere nicht von diesem Berg, dem Pico de las Nieves. Zum Beispiel hat uns niemand von den Schneegruben (spanisch Horadada – „Loch“) erzählt. Eine davon haben wir heute besucht. Sie war riesig und wir dachten, dass man, wenn man dort hinein fallen würde, niemals wieder ohne fremde Hilfe herauskommen könnte. Aber ein Sturz in diese Grube würde man wahrscheinlich sowieso nicht überleben, in diesem Fall ist die Sorge um das heraus klettern aus der Grube eher nebensächlich. Da gäbe es dann Menschen, die darauf spezialisiert wären. Aber das wäre Dir dann auch egal.
Man schrieb den 18. September 1699, als die Domherren des kanarischen Domkapitels beschlossen, eine Grube zur Aufbewahrung des im Winter gefallenen Schnees zu graben.
Diese Grube, die sich auf einer Höhe von 1.910 Metern befindet, wurde gemeinsam mit einer anderen im Jahr 1694 angelegten, nur 300 Meter entfernten, genutzt.

Ich staunte nicht schlecht. Selbst oben auf dem Berg in fast 2.000 Metern Höhe war es noch brütend heiß und da hat man – Schnee gesammelt? Irgendwie klingt das schon ein wenig verrückt, aber die Geschichte um die beiden Schneegruben ist so noch nicht zu Ende erzählt. Immerhin wurden diese Schneegruben dann irgendwann vollkommen vergessen und erst die Forschungen und die Doktorarbeit von Dr. Salvador Miranda Calderin ließen die Gruben wieder auferstehen. Er suchte sie, legte sie frei und übergab sie der Öffentlichkeit zur Besichtigung.

Der Doktorarbeit von Dr. Salvador Miranda Calderin zufolge kamen die Einwohner von San Mateo, Cueva Grande, La Bodeguilla und anderen Ortschaften aus dem Bergvorland zur Schneegrube, wenn es schneite. Ein von den Geistlichen des Domkapitels ernannter Vorarbeiter organisierte die Arbeit und die Versorgung. Das Sammeln, Verdichten und Isolieren des Schnees dauerte im Durchschnitt fünf Tage lang.
Die Arbeiter sammelten in der Umgebung den Schnee und beförderten ihn in Weidenkörben zur Grube, wo ihn die Facharbeiter, die sogenannten „Stampfer“, mit Hilfe einer Handramme in Formen verdichteten.
Im Inneren der Grube wurden die Formstücke in Reihen aufgeschichtet, jedes durch eine dicke Schicht Stroh voneinander getrennt. Im 18. Jahrhundert führten diese Arbeiten im Durchschnitt 26 Arbeiter und 10 „Stampfer“ aus.
Um den niedrigen Temperaturen standhalten zu können, bestand das tägliche Menü aus gepökeltem Fleisch, Gofio (Mehl aus geröstetem Mais), Brot aus Weizenmehl und Käse.
All dies wurde großzügig mit einem hochprozentigen Wein begossen. Es handelte sich um eine hypokalorische Ernährung. Die Nahrungsmittel kamen auf dem Rücken von Lasttieren aus San Mateo oder sogar Las Palmas de Gran Canaria.

Im Sommer wurde der Schnee dann abermals kompaktiert und wurde dann in Formen auf den Rücken der Lasttiere bis zum Eisspeicher hinter der Kathedrale gebracht.

Unglaublich, finde ich, aber was tut man nicht alles für ein kühles Bier im heißen Sommer!

Diese Schneegruben wurden dann Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr genutzt und gerieten in vollkommene Vergessenheit. Die Schneegrube, die wir besichtigten, war dann bis zum Februar 1998 verschüttet. Vergessen, verschüttet, verwaist.

Der Forscher Dr. Salvador Miranda Calderin machte sie schließlich ausfindig, indem er den Beschreibungen der Engländerin Olivia Stone aus dem Jahre 1887 folgte.

Olivia Stone hatte 1883 aus die Grube besichtigt und beschrieb sie damals so:

“ Die Grube besteht aus einer weiß getünchten Wand, unten lagern einige mit Stroh bedeckte Schneeblöcke, zu denen man durch eine an der Seite befindlichen Treppe gelangt.
das Dach aus Ziegeln auf Pfosten bedeckt die Grube, an jedem Ende gibt es Türen, die zeigen, dass die Grube verschlossen werden kann.“

Nach dem Wiederfinden der Grube leitete Dr. Salvador Miranda Calderin 1999 die von der Umweltschutzbehörde des Inselrats Gran Canarias begonnene Restaurierung. Im Rahmen der Freilegung der Grube wurden Steine der eingefallenen Mauern und Dachziegel gefunden. Mit der zu Tage geförderten Erde wurde ein kleiner Aussichtspunkt errichtet.

Wir jedenfalls waren alle von der Idee und der Dimension der Schneegrube fasziniert.

Hier auf Gran Canaria zu sein ist sowieso etwas ganz Besonderes. Gestern sind Pascal und ich den umgekehrten Weg über den Strand gelaufen, an dem der TGC startete. Pascal kürzte die Strecke zwischen dem Leuchtturm in Maspalomas und dem Ausstieg in Playa des Inglés ein wenig ab, indem er den direkten, geraden Weg durch die Dünen lief, ich folgte im Wesentlichen der Strecke am Strand. Trotz erheblich besserer Laufbedingungen für mich war Pascal schon geduscht, als ich in unserer Bungalowanlage eintraf.

Vor einigen Tagen, als mir mein Rücken noch zu schaffen machte und ich so langsam war, dass ich nicht einmal mit einer Zweijährigen, die, von ihren Eltern begleitet, vor mir ging, mithalten konnte, gingen wir zum berühmten Roque Nublo, dem Wahrzeichen der Insel, auch wieder ein Teilstück des TGC, das wir in umgekehrter Richtung begingen. Schon auf der Fahrt dort hoch und dann bei der Wanderung erklärte ich meiner Familie wahrscheinlich öfters, als die das hören wollten, wo genau der TGC entlang ging.
Aber ich sah immer wieder die Strecke, die Kreuzungen, an denen wir entlang gingen und da musste das einfach immer wieder aus mir raus.
Schön, dass meine Familie meine Mitteilsamkeit klaglos über sich ergehen ließ.
Danke, dass man so viel Geduld mit mir und Verständnis für mich hatte.

Heute morgen in Maspalomas tat ich auch noch etwas, was ich mich bei der Wanderung, bei der ich so langsam war, dass ich höchstens als Elendshaufen durchgegangen wäre, noch nicht getraut hatte. Ich zog meine TGC Finisherweste an und wir schauten uns den trockenen Flusslauf an, durch den man nach dem Abbiegen am Faro von Maspalomas in die Berge kam.
Die TGC Läufer unter uns werden sich an diese Fotos erinnern, auch wenn wir diese Passagen nur in tiefster Nacht erlebt haben:
Wie im März war der Fluss trocken, die Luft aber war viel heißer als damals. Und wenn ich in der Nacht im März überhaupt nicht realisiert habe, dass neben dem Strand die wunderschönen und gigantischen Dünen von Playa des Inglés liegen und wie manche Gegend, die wir im Dunklen durchstreift haben, im Hellen aussieht, dann konnte ich das alles in diesem Urlaub nachholen.

Den Roque Nublo aber sahen wir auch damals im gleißend heißen Tageslicht – und er sieht so schön aus! Da müssen wir Läufer alle, Du und ich, noch einmal hin, vielleicht zum Trans Gran Canaria 2013?

Farbiges, schönes, romantisches Facebook-Land …

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Der TransGranCanaria Lauf war wichtig für mich, sehr wichtig.
Seit meinem Ausscheiden beim TdG im September bin ich keine Strecke über 56 K mehr gelaufen. Und vor allem waren bei den Läufen keine wirklich schwierigen Strecken dabei.
Ich bin im September ausgestiegen, weil ich leer war im Kopf, meine Gedanken nicht ausreichend kontrollieren konnte und auch, weil ich zu wenig Berge trainiert habe. Das sollte mir 2012 nicht wieder passieren, sagte ich mir zum Jahreswechsel und skizzierte ein Laufjahr, das ambitioniert, aber auch machbar scheint.

Die Highlights 2012 sind dabei sicher die „langen Kanten“, also die Läufe über 100 K. Der TransGranCanaria, der RheinBurgenWeg-Lauf, der Jurasteig, die TorTOUR de Ruhr und dann natürlich der SwissIronTrail. Und danach geht es Anfang September mit Herbert Paulus an den „extreme-run4life“, über die Heckmair-Route in sechs Tagen von Oberstdorf nach Riva di Garda. Zu Gunsten der Organisation JAM, die sich vor allem in Afrika für Kinder in Not einsetzt.
Mehr darüber gibt es in der nächsten Zeit hier und in einem eigenen Blog.

Wenn ich also schon bei der ersten Hürde, beim ersten Highlight, die Segel gestrichen, aufgegeben hätte, dann wäre die weitere Entwicklung des Jahres vorhersehbar gewesen. Das also durfte nicht passieren, sagte ich mir. Immer wieder.
Immer wieder, wenn ich zwischen den Kilometern 35 und 80 überlegt habe, ob der TransGranCanaria Lauf für mich noch zu einem guten Ende kommen könnte. Und es gab genügend Gründe zu zweifeln. genügend Gründe, stehen zu bleiben, zu jammern und der Hitze, den Organisatoren und der ganzen Welt die Schuld zu geben dafür, dass ich nicht finishte.
Nein, sagte ich immer, das darf einfach nicht sein.

Und so beginnt diese Geschichte mit den schönen Seiten dieses Laufs, aber ohne das eigentlich obligatorische „Es war einmal …“. Sie beginnt mit dem, was vorher, dabei und auch nachher etwas ganz Besonderes war.
Und das war der Lauf zweifelsohne. Schon die Anmeldeliste versprach ungeheuer viel Freude. Halb Facebook war scheinbar auf der Insel eingeschrieben und schon in den Wochen und Monaten zuvor wirbelten die Hotel- und die Ausrüstungstipps quer durch das romantische Facebook-Land. Und wenn am Ende einige Facebook-Bewohner dann doch passen mussten, so war es schön, mit meinem Freund Achim Knacksterdt in einem Hotelzimmer auf diese Reise zu gehen, im Hotel, beim Transfer, auf der Promende von Las Palmas oder wo auch sonst, Freunde und Bekannte zu treffen.
Mit Tanja Neumann und Kurt Süsser hatte ich dieses Abenteuer geplant, auf Rolf Kaufmann und seine Ulla, HaPe Roden und seine TransAlpineRun-Laufpartnerin Manuela, Julia und Jens Vieler und den kleinen Rest der TTdR-Truppe freute ich mich schon während des Fluges. Mohamad Ahansal, den Seriensieger des Marathon des Sables, traf ich gleich zwei Mal auf der Promenade.

Achim und ich hatten uns für die Hotelempfehlung von Rolf entschieden. Es hatte W-LAN, saubere und einigermaßen großzügige Zimmer, es lag nahe des Ziels und nahe der Promenade. Und wenn das Frühstück auch noch essbar gewesen wäre, dann wäre es wirklich perfekt gewesen. Aber für ein langes Wochenende war es insgesamt OK.

Am Donnerstag Nachmittag kam ich am Flughafen von Gran Canaria an. Dort traf ich gleich einen TorTOURisten, Oliver Arndt und seinen Freund. Die beiden halfen mir, mich zu orientieren, immerhin war es das erste Mal, dass ich auf Gran Canaria war.
Später dann war ich bei Tanja und Kurt im Hotel und aß mit den beiden zu Abend. Es gab dort im Hotel ein ausgiebiges Buffet. Es schmeckte herrlich.

Beim Abholen der Startunterlagen gab es zuerst drei wichtige Dinge.
Ein Leibchen, das wir über unsere Laufsachen zu ziehen hatten. Kein Traum in blau, viel zu weit, aber notwendig, wenn Du keine Disqualifikation riskieren wolltest.
Ein Rucksack in rot als Drop-Bag. Ein echter Fang, finde ich, immerhin hat er sogar ein separates Fach für Schmutzwäsche. Nur eine Lasche zum Schließen fehlt, das ist schade. Der Rucksack an sich ist aber wirklich toll.
Ein Rucksack in blau als Tasche für die Sachen, die Du im Ziel deponiert haben willst. Der gleiche Rucksack wie der rote, nur eben in einer anderen Farbe.

In der Zwischenzeit waren auch Achim. Julia und Jens eingetroffen, es war Freitag Mittag und wir alle trafen uns bei der Startnummernausgabe, um uns alle zu drücken, zu herzen und auch, um über unsere Heimat, das schöne Facebook-Land, zu reden. Und dann ging es ins Bettchen, etwas Ruhe vor dem Start mitten in der Nacht.
Erst trafen wir uns im Zielgebiet, dann ging der Bus Richtung Playa des Ingles, Richtung Start. Dort gönnten wir uns alle in großer Runde noch einen Kaffee oder eine Dose Red Bull, Hauptsache etwas, das uns ein wenig pushed.

Und dann ging es auch schon los. Ich bin noch nie in der Nacht am Strand entlang gelaufen. Und dieser Laufbeginn war wirklich großartig. Der Halbmond stand am Himmel und Du siehst die Wellen leicht erhellt. Es waren 14 angenehme Grad und überall vor Dir waren die rot blinkenden Rücklichter der anderen Läufer und überall hinter Dir leuchteten die Stirnlampen der Läufer hinter mir. Fünf wunderschöne Kilometer ging es so durch die Nacht bis hin zum Leuchtturm, wo wir dann nach rechts abgebogen sind, um die berühmte Passage durch das trockene Flussbett zu betreten.
Das war aber ganz anders wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich dachte es mir eher so, wie ich es ganz am Ende erlebt hatte. Aber ich will ja nicht vorgreifen, auch wenn im schönen Facebook-Land vielleicht schon das eine oder andere Foto von dieser Passage zu sehen gibt.
Dieses Flussbett war im wesentlichen aus Beton mit eingelassenen großen Steinen. Alles war fest und es war trocken. Wenn das Bett aber Wasser führt und Du den Grund nicht mehr siehst, dann ist dieser Einstieg doch ganz erheblich schwieriger. Und dennoch waren wir alle froh, als wir wieder normale Trails belaufen durften. Zu dieser Zeit war ich mit Rolf unterwegs, ließ mich aber dann zurück fallen, um mein eigenes Tempo zu suchen.

Es ging immer nach oben, der Höhenmesser zeigte immer größere Zahlen. Und die Sterne leuchteten. Und die roten Rücklichter vor mir leuchteten. Und die Stirnlampen hinter mir leuchteten. Es war einfach perfekt dort. Ein großer Güllewagen versorgte uns bei Kilometer 30 mit Wasser und nach einem Marathon gab es zum ersten Mal etwas zu Essen. Die Auswahl empfinde ich auch rückblickend noch als eher bescheiden, vor allem, wenn man den sonstigen Aufwand bedenkt, der da getrieben wurde. Einige der Läufer haben sich komplett selbst versorgt, vielleicht wäre das richtig und sinnvoll gewesen.

Ungefähr schon bei der ersten Wasserstelle, dem großen Güllewagen, begannen meine Waden zu krampfen. Das war ein Grund, darüber nachzudenken, wie es für mich dort weiter gehen kann. Und als dann vielleicht zwanzig Kilometer später noch die Oberschenkel zu krampfen begannen, mal rechts, mal links, mal oben, da merkte ich gar nicht, wie die Krämpfe in den Waden einfach so verschwanden. Ich habe sie aber nicht wirklich vermisst.
Dann teilte sich die Strecke und die Läufer, die nur die 96 Kilometer Strecke ausgewählt haben, bogen nach rechts ab, wir aber durften nach links, um einen langen Bogen zu laufen. Einen langen Bogen, der vielleicht die schönsten Streckenabschnitte zusammen gefasst hat. Erst war es ein Höhenweg zwischen 1.100 und 1.200 Metern, der ständig hoch und runter führte. Längst war die Morgensonne heraus gekommen und ich lief mit einem Spanier, der auch 2008 beim TransAlpineRun dabei war. Der Seeberger-Buff hat es mir erzählt. Und als ich ihn darauf ansprach, war er stolz, schüttelte meine Hand und wir liefen dann im Geiste vereint schweigend hintereinander her, bis sich noch ein zweiter Spanier zu uns gesellte.

In einem Supermarkt in einem kleinen Dörfchen erstanden wir jeder zwei eiskalte Coca-Cola. Es war schon richtig heiß zu diesem Zeitpunkt und das Getränk tat jedem von so gut. Es ging nun wieder abwärts, vorbei an Stauseen durch wildes Gelände. Es war die Phase, in der mir, wenn ich mit verbundenen Augen dort ausgesetzt worden wäre, hätte suggeriert werden können, mich im amerikanischen Mittelwesten, im Grand Canyon oder in Canyonlands, zu befinden. Einfach wunderschön.
Und es war auch die Phase, wo wir den Blick auf eine der kanarischen Nachbarinseln, auf Teneriffa hatten. Und mächtig und erhaben thronte der 3.718 Meter hohe Teide über dieser Nachbarinsel. Lange, ganz lange, begleitete uns dieses Bild. Und es ging höher und höher herauf, immer höher Richtung höchstem Berg Gran Canarias, immer Richtung Pico de las Nieve mit seiner meterologischen Station auf dem Gipfel.

Davor schon gab es einen Aufstieg auf rund 1.750 Meter, supersteil und durch Fixseile gesichert, rauf auf eine Steinebene, über die sich der 1.813 Meter hohe Roque Nublo erhebt, das Wahrzeichen der Insel. Rauf, ran an die Matte und gleich wieder zurück. Und die Sonne brannte erbarmungslos auf uns herunter.
Und irgendwo dort wäre ich fast gestürzt. Ich meine dabei nicht die kleinen Aufreger, wo Du kurz die Bodenhaftung verlierst, das passierte bald jede Minute. Die Aufstiege waren steil, die Abstiege noch steiler. Sand, Geröll, Steine, alles was Deinen Halt nimmt, war da. Nein, es war eine der Situationen, die ganz übel hätten enden können.
Es ging steil nach unten, ich verlor die Haftung und warf instinktiv meine Stöcke weg. Aber ich sah, dass es neben dem Weg den Berg runter geht. Und ich lief, um mich zu halten, um wieder Führung zu bekommen. Kurz vor einem Felsen gelang es mir. Die beiden mich begleitenden Spanier waren kreidebleich und applaudierten spontan ob dieser kleinen Einlage. Ich aber war von diesem Moment an noch etwas vorsichtiger.

Der Roque Nublo wäre ein Felsen vom Geschmack der Kletterer auf meiner Ecuador-Tour gewesen. Majestätisch stand er da und genauso dominant stand die Sonne über ihm. Ein unglaubliches Bild, das eine Pause verdient gehabt hätte. Aber mir ging zu dieser Zeit dauernd das Lied von Ideal aus den 80er Jahren durch den Kopf:

„Jeder denkt das eine, doch dafür ist’s zu heiß! Sex! Sex in der Wüste.“

Für das Fotografieren aber war es auch zu heiß, so blieb es bei ganz wenigen Aufnahmen. Aber dafür gibt es ja das fantastisch bunte Facebook-Land. In dieser unserer Wahlheimat findest Du sicher vieles, von dem ich Dir hier nur erzählen kann. Ein hervorragendes Beispiel findest Du hier bei Hans-Peter Roden oder hier bei Jens Vieler.

Die letzten Schritte rauf auf den höchsten Punkt der Insel taten schon sehr weh. Bei jedem Schritt schmerzten und krampften die Oberschenkel. Wieder dachte ich kurz daran, hier auszuruhen oder auszusteigen, aber ich konzentrierte mich und versuchte, meine Gedanken zu lenken. Wenn ich gewusst hätte, wie eklig steil es gleich nach Teror herunter gehen würde, vielleicht hätte ich den destruktiveren Gedanken mehr Raum gegeben.
Die Menschen oben auf dem Pico de las Nieve aber waren großartig. Obwohl die meisten von uns, von der Sonne, den Kilometern und den Aufstiegen gezeichnet, enorm langsam waren, feierten sie uns da oben, als wären wir nicht gerade von müden, von hinten kommenden Schnecken bergauf überholt worden. Es war großartig.

In Teror gab es dann Pasta. Vor dem Berg wären sie zwar sinnvoller gewesen, aber besser spät, als gar nicht. Ich traf Kurt Süsser dort und fragte ihn, wann er mich überholt hätte. Aber er hatte das nicht. Er verließ das Rennen schon vor dem Berg, vielleicht, weil er einfach zu wenig getrunken hatte. Schade für ihn, aber die Hitze ist einfach nicht seine Stärke.
Kurti, sofern Du das liest, Du bist dennoch der stärkere Läufer von uns beiden, Du hast das oft genug bewiesen.
Die Pasta bekam ich nicht runter, aber Simone gab mir flüssiges Magnesium. Und das half zügig.
Noch waren es rund 40 Kilometer bis zum Ziel, hier in Teror war auch der Start des Marathons gewesen. Und noch waren wir auf 1.650 Metern Höhe. Las Palmas liegt auf 4 Metern, eigentlich ging es nur noch bergab.

Wie steil bergauf aber bergab sein kann, das bekamen wir an einigen Konteranstiegen gezeigt. Ich war mittlerweile mit Markus und einem Italiener unterwegs und wir kämpften uns tapfer Stück für Stück nach unten. Dann wechselte ich die Partner, weil sich meine Krämpfe immer mehr lösten und ich noch etwas schneller sein wollte. Meiner Gabi habe ich gesagt, dass ich auf 26 Stunden laufe, aber das von Rolf Kaufmann gesteckte Ziel, unter 24 Stunden zu bleiben, hat mich von Anfang an begleitet. Es war längst in Vergessenheit geraten, längst war klar, dass ich auch am Sonntag noch laufen werde.
Dabei hat Jens Vieler hat im informativen Facebook-Land vor dem Lauf geschrieben, dass er beantragt hätte, das Zeitlimit von 30 auf 25 Stunden herunter zu nehmen. Es war ein Scherz, den ich aber nicht aus meinen Gedanken verbannen konnte.
Aber der „worst case“ für mich war zu diesem Zeitpunkt, für jeden Kilometer noch 15 Minuten zu brauchen und das hätte in der Spitze bis zu knapp 27 Stunden geführt.

Ich lief nun also wieder mit einem Spanier und einem Finnen. Es kamen die berühmt-berüchtigten letzten 25 Kilometer. Der Weg durch das trockene Flussbett. Ein Stein neben dem anderen, einer lockerer als der andere. Es ist anstrengend, da zu laufen, es ist dunkel und die Stirnlampen drohen mit Streik, Du bist müde, musst aber vollkommen konzentriert sein. Du fluchst, Du jammerst und Du hoffst, dass es vielleicht am Ende doch besser werden würde.
Irgendwann kommst Du nach Las Palmas, durch die Stadt, die Promenade entlang … ein großer Traum, eine kleine Illusion.

Es stinkt nach Kloake am Ende des Flussbetts. Du wirst durch eine Gewerbegebiet geführt, weit weg von der Stadt Las Palmas. Aber wenigstens hast Du wieder festen Boden unter den Füßen. Georg Kunzfeld hatte uns schon vor den letzten 25 Kilometern gewarnt, Schonung habe ich also nicht erhofft.
Als es noch rund 13 Kilometer waren, dachte ich, dass wir doch eine Chance haben, wenigstens unter 25 Stunden zu bleiben. Aber mein spanischer und mein finnischer Freund sind etwas langsam. Wir verlieren Zeit auf meinen Plan.
Achim müsste mittlerweile schon lange im Hotelzimmer sein, dachte ich. Alle sind schon drin. Nur ich nicht.

Bei der letzten Versorgung trennen sich unsere Wege. Ich gehe alleine weiter, verzichte auf frisches Wasser oder etwas zu essen. Noch acht Kilometer, hieß es. Mit diesen acht Kilometern käme ich auf 126,6 K auf meiner Uhr. Und ich habe noch knapp über 80 Minuten dafür. Unter 25 Stunden, das ist zu packen.
Weitere 5, 4 Kilometer später steht auf dem Asphalt, ja, es war mittlerweile laufbar, die Krämpfe waren komplett verschwunden und ich konnte auf niedrigstem Niveau sogar wieder laufen, dass es noch 3 Kilometer seien, also doch 400 Meter weiter als berechnet.
Noch hatte ich 27 Minuten. Neun Minuten pro Kilometer. Das sollte reichen, dachte ich.

Weitere 700 Meter später stand da ein Schild: noch drei Kilometer! Ich rechnete neu. Ich musste schneller werden, deutlich schneller, wenn dieses Schild richtig war.
Und ich lief und lief und lief.
Erst einen Kilometer vor dem Ziel war ich mir sicher, dass es reichen würde, egal, ob die ominösen 700 Meter nun noch dazu kommen würden oder nicht.
Sie kamen nicht mehr dazu, ich finishte um 0:51 Uhr. Ich hätte noch vielleicht eineinhalb Kilometer mehr gehen können, bevor es 1 Uhr wurde. Ich war versöhnt mit dem Lauf, immerhin hatte ich es geschafft, Jens Vielers Zeitlimit zu unterbieten.

Ich nahm ein Taxi für die wenigen Hundert Meter zum Hotel und schlich mich humpelnd in unser Zimmer. Aber Achim war noch nicht da. Ich ließ mir viel warmes Badewasser ein, wärmte stets nach und schlief in der Wanne ein. Ich wachte auf, weil ich einen enormen Durst verspürte.
Aus der Wanne zu steigen war ein Erlebnis. Hätte jemand zugesehen, dann wäre ich sofort in die Kategorie der alten Männer gepackt worden. Und das Anziehen der Jeans und der Strümpfe war nicht weniger peinlich.
Warum sind auch die Füße und der Boden so tief unten?

An der Rezeption kaufte ich zwei Flaschen kalten Wassers, wankte nach oben und dann kam auch Achim ins Zimmer. Die Hände aufgerissen, die Knie blutig. Er hatte mehr Pech beim Laufen und stürzte einige Male, vor allem bei den steilen Bergabpassagen. Er kam rund 14 Minuten nach mir ins Ziel, allerdings gleich als nächster Läufer. Irgendwann muss ich ihn überholt haben, wahrscheinlich, als er für ein paar Meter einen falschen Weg nahm. Meine alten Mitläufer, der Finne und der Spanier, kamen erst nach Achim ins Ziel, alles richtig gemacht, dachte ich.

Am Sonntag frühstückten wir nicht, aßen nicht zu Mittag und gingen am Abend wieder zu Tanja und Kurt ins Hotel, um uns dort am Buffett zu bedienen. Es schmeckte fürchterlich.
Und auch am Rückflugtag, dem Montag, konnte ich bis zum Abend nichts essen. Nichts schmeckte, der Körper hatte sich verändert. Schon das war eine Erfahrung, die jeder missen muss, der nie so lange, so harte und so heiße Läufe gemacht hat.

Beim Abholen des Drop-Bags und der Rückgabe der Chips gab es dann die Finisher-Shirts und die Finisher-Weste. Beide waren superschön. Im Flugzeug war ich aber der Einzige, der das Shirt und die Weste trug. Achim flog schon zwei Stunden vor mir, Ulla und Rolf, Tanja und Kurt durften noch zwei Tage lang auf dieser schönen Insel bleiben.

Und weil es doch eine schöne Geschichte aus dem virtuellen Facebook-Land ist, soll sie auch wie eine schöne Geschichte enden:
… und wenn sie nicht gestorben sind, dann dürfen sie jetzt auch von dieser schönen Insel träumen …