Imaginations from the Other Side

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Es gibt nur wenige Fixpunkte in meinem beschaulichen Leben. Da ist die Arbeit mit den drei Säulen Ostergeschäft, Herbstaktionen an den Wochenenden und das Weihnachtsgeschäft, all diese Zeiten sind „tabu“ für Events, leider.
Und da ist der alljährliche Urlaub im Februar auf Gran Canaria, idealerweise abgeschlossen mit dem TransGranCanaria-Event, 2017 hoffentlich sogar mit dem neuen Format „360 Grad“. Dabei sind es die Dünen zwischen Playa del Inglès und Maspalomas, auf die ich mich immer schon vorfreue, wenn ich das immergleiche Appartementhotel wieder buche.

Und da ist regelmäßg diese letzte Woche im August, diese fantastische Woche in Chamonix bei den Bewerben des UTMB.

Ich muss ja kaum erklären, was der UTMB, der „Ultra Trail du Mont Blanc“, ist. Aber weil es vielleicht doch den einen oder anderen Leser gibt, der in diesem Punkt so unwissend ist wie ich es bis Ende 2008 war (*), sei kurz erklärt, dass der UTMB mit den Nebenbewerben OCC (55 km), CCC (101 km), TDS (119 km) und PTL (290 km) ein 170 km Lauf rund ums Mont Blanc Massif ist. 10.000 Höhenmeter sind dabei zu meistern und „normalsterbliche Läufer“ schaffen das nur, indem zwei Nächte durchgelaufen wird.

Zwei Nächte durchlaufen? Geht das denn?
Eine Nacht ohne Schlaf ist reine Gewöhnungssache, zwei Nächte ohne Schlaf aber sind … ja, was sind sie eigentlich?
Ich will es mal blumig formulieren: Wer zwei Nächte ohne Schlaf erlebt, der erlebt in der zweiten Nacht Dinge, die sonst nie zu erleben sind. Bäume, die Spalier stehen und den Läufern zujubeln, Schilder, die vor Dir her wanken, kurz, Halluzinationen, die man nicht kaufen kann. Für alles gibt es ja bekanntlich MasterCard, für Halluzinationen jedoch nicht … Weiterlesen

Last exit St. Gervais

Liebe Steffi, Julia, Andrea, … , lieber Lars, Thomas, Dennis …

… Du tust mir ja so leid.

Zuerst sah es so aus, als ob Du ein Glückskind wärst. Du hast Dich bei der Lotterie mit 2.299 anderen gegen weitere ca. 1.300 weniger Glückliche durchgesetzt, die bei der Lotterie keinen Startplatz für den UTMB ergattern konnten. Vielleicht hast Du dieses Glück dann ausgiebig gefeiert und Du hattest das Gefühl, fliegen zu können.
Ich weiß, was es heißt, dann fast ein Jahr lang zu trainieren, diesen Lauf als Saison-Höhepunkt zu definieren und sich wie ein kleines Kind darauf zu freuen.
Sich zu freuen auf den Abend in Chamonix, auf den Abend, an dem traditionell der UTMB beginnt.


Und dann, kurz vor dem UTMB, hast Du Dich auf die Reise vorbereitet.  Und ich kenne die Sorgen, die Du haben musstest, ob Du alles notwendige eingepackt hast, ob Deine Rennstrategie zu offensiv oder zu defensiv ist und auch die Sorgen, die Du Dir um Deine Gesundheit gemacht hast. Ich sehe förmlich Deine Begeisterung, mit der Du mit dem Auto, mit der Bahn oder mit dem Flugzeug Richtung Chamonix gefahren bist, vielleicht einen Tag vor dem Lauf, vielleicht auch erst am Tage des Laufs. Du hast dann ein Hotelzimmer gebucht, wahrscheinlich schon vor Monaten, ein Appartement oder sonst eine wie auch immer geartete Schlafgelegenheit.

Du hast Dir dann die Startunterlagen abgeholt, einige der vielen Stände auf der Marathon-Messe angesehen und dann hast Du Dich noch einmal im Hotelzimmer hingelegt, um für die erste Nacht, die Du durchlaufen wolltest, fit zu sein. Und dann gingst Du noch in ein Restaurant, um Dir eine heiße Pizza oder eine Portion Pasta zu bestellen. Du hast Dich dann für den Lauf fertig gemacht und hast die nächsten Stunden aufgeregt und euphorisiert hinter Dich gebracht.

Und endlich war Freitag Abend, 22 Uhr. Du standest mit über 2.000 anderen Läufern aufgeregt und nervös hinter dem Startportal. Du hast letzte Gespräche geführt, noch ein paar Fotos geschossen und dann hast Du mit den anderen Läufern die letzten Sekunden bis zum Start herunter gezählt.

Und dann, liebe Steffi, Julia, Andrea, … , lieber Lars, Thomas, Dennis … ging es endlich los.

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Die ersten Meter konntest Du nur langsam gehen, so voll war der schmale Weg, der von Abertausend Zuschauern gesäumt wurde. Die Begeisterung der Zuschauer hat Dir ein Kribbeln auf dem Rücken verursacht und Du hast etliche Kinderhände abgeklatscht, die sich Dir entgegen gestreckt haben. Und Du hast diesen Kindern ins Gesicht geblickt und Du hast gesehen, dass Du in diesem Moment die Welt wieder ein wenig besser gemacht hast.
Bis weit hinter Chamonix säumten die Zuschauer die Strecke und auch später hast Du noch Zuschauer an allen wichtigen Stellen bis Les Houches gesehen. Gerade die ersten, eher flachen 8 Kilometer haben Dich besonders bewegt. Du wolltest keinesfalls zu schnell starten, immerhin folgen ja noch fast 160 Kilometer nach Les Houches, Du wolltest aber auch nicht zurück fallen und hast hier Deinen Kompromiss gesucht und gefunden.
Und dann ging es weiter Richtung St. Gervais und Du warst in Gedanken schon auf den Bergen. Deine Hoffnung ging dahin, am Samstag in sonnigem Wetter wunderschöne Alpenpässe zu bezwingen, Spaß zu haben und die wunderschöne Landschaft rund um den Mont Blanc zu genießen. Du träumtest noch, als Du St. Gervais hinter Dir gelassen hast.

Aber dann träumtest Du nicht mehr. Die ersten Gerüchte waren Dir zu Ohren gekommen, dass der Lauf abgebrochen werden sollte, aber Du wolltest es nicht glauben. Du wolltest es solange nicht glauben, bis es zur bitteren Gewissheit wurde: wegen einer Schlammlawine, dem schlechten Wetter und wegen einer immensen Menge im Gletschereis gefangenem Wassers, das zu Tal zu rauschen droht ist nach nur 31 Kilometern Schluss mit dem UTMB.

Liebe Steffi, Julia, Andrea, … , lieber Lars, Thomas, Dennis …

… Du tust mir ja so leid.

Ein ganzes Jahr der Vorfreude ist vertan, der Frust ist groß und wer weiß. was im nächsten Jahr sein wird, ob Du die notwendigen Qualifikationspunkte haben wirst, ob Du gesund sein wirst, ob der Termin passen wird und ob Du Dir die Mühe und die Kosten der Anreise nach Chamonix wieder antun willst.

Liebe Steffi, Julia, Andrea, … , lieber Lars, Thomas, Dennis …

… Chamon-NIX.

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