Viel lernen von den Vielers

Ich weiß, dass mancher schon lange auf eine kleine Geschichte wartet, die zu erzählen ich bei meinem eintägigen Gastspiel beim TransAlpineRun 2012 versprochen habe.
Dank der Einladung durch Uta Albrecht, der Racedirektorin des TAR, die immer um die Vielzahl der laufenden „Schäfchen“ bemüht ist, kam ich ja nach vier Jahren wieder in den Genuss, wenigstens einen Tag lang diese vielleicht am besten organisierte Strapaze über mich ergehen lassen zu dürfen. Ein echter Hochgenuss, nicht nur, weil das Team von Plan B dort Dinge macht, die wirklich bemerkenswert sind, Dinge, wie beispielsweise die Einrichtung des Rescue Teams, stahlharte Burschen, die ständig auf ihren Motocross-Motorrädern unterwegs sind und die Dich von überall herunter holen, wo auch immer Du Dich verletzen könntest, sondern auch, weil ich mich mit „Pferdesalbe“ umgeben durfte.
„Pferdesalbe“ in Form von zwei Mädels aus unserer engsten Familie. Aber von Betti Mecking und Susanne Alexi will ich ja heute gar nicht erzählen.

Es war eben auch mein Ziel, die beiden wieder zu treffen, die zwar manchmal TorTOURen planen, die sich aber selbst noch viel öfter TorTOURen stellen, bei denen jeder halbwegs durchschnittliche Ultraläufer neidvoll und bewundernd aufblickt. Dass es hier also um „die Vielers“ geht, iss klar, wa … und gerade Jens erhöht dann auch noch seine Taktfrequenz in diesem Bereich.
Nach dem vielleicht heißesten Rennen der Welt, nach Badwater, war jetzt der Spartathlon dran. Und alles schafft er scheinbar mühelos und stets in atemberaubender Geschwindigkeit.
Dabei schätze ich Julias Leistungen der letzten Monate sogar fast noch mehr. Von der Gelegenheitsläuferin suchte sie ihren Weg zur Ultraläuferin – und das in kürzester Zeit. Noch Mitte 2011 waren die 78 Kilometer des K78 SwissAlpine in Davos eine hohe Hürde für sie, die sie geduldig bewältigt hat. Die Schwelle von 100 Kilometern nahm sie dann nicht in Biel, sondern sie wählte dafür eine besonders schwere Variante. Der TransGranCanaria mit seinen harten 123 Kilometern war Anfang März ihre erste Strecke über eine dreistellige Laufdistanz. Man hätte es sich viel leichter machen können, viel leichter aber ist keine Option für eine Vieler.

Aber noch mehr als Julias Leistung bewundere ich, was die beiden Vielers zusammen machen. Und wie sie es zusammen machen. In Davos kümmerte sich Jens so liebevoll um Julia, die ihren ersten Lauf über die Marathondistanz machte. Er, der Schnelle, verbreitete keinerlei Anzeichen von Hektik oder Eile und nutze die Gunst der Situation, statt seiner Schuhe eben mal seine Fotokamera zu strapazieren.
Ich bin damals irgendwann auf die beiden aufgelaufen und durfte einige Minuten diese Ruhe und diese Entspanntheit genießen. Und da war es auch, wo ich zum ersten Mal hörte, dass sich die beiden für 2012 das gemeinsame Ziel TAR gesetzt haben.
Kann es etwas Schöneres geben, als sich seine gegenseitige Liebe mit so einem Gemeinschaftserlebnis zu zeigen?
Statt eines Blumenstraußes gibt es bei Vielers eben viel mehr: eine Startkarte für den TransAlpineRun 2012! Einfach himmlisch, diese Idee.

Und auch beim TransGranCanaria, der nächsten Trainingshürde für Julia, war Jens wieder tiefenentspannt. Ich konnte noch auf den ersten Kilometern im Sand mit ihm quatschen, normalerweise wäre et mir hier schon um Längen enteilt gewesen. Aber er war geduldig auf der Suche nach Fotomotiven, die er auch reichlich fand. Und auch im Ziel durfte ich wieder das Glück der beiden teilen und wieder dabei sein.

Und dann also der TAR. Und wieder durfte ich zusehen und begreifen, wie hier Liebe weiter wächst. Julia litt merklich unter den Strapazen, immerhin war es schon die sechste von acht Etappen. Das Laufen im Flachen fiel ihr sichtlich schwer und Jens versuchte stets, sie zu bremsen. Spätestens aber, wenn es wieder die Berge hoch ging, war Julia wieder ihre Schmerzen los und ich hatte Mühe, hinterher zu kommen. Und Jens war stets die Ruhe selbst.
Trotz der vielen Jahre, die ich die Vielers jetzt schon kenne, war ich froh, an diesem Tag auf dieser Etappe mal mehr von den beiden erfahren zu können als man das üblicherweise am Rande der einzelnen Laufevents sonst tun kann.

Und da gibt es für mich so vieles, was ich schon wusste und so vieles, was auch neu war für mich. Während viele in der Familie gerade in den Jahren, wenn die Laufgeschwindigkeiten langsamer und die Laufstrecken länger werden, nach neuen Lebensinhalten suchen und nach neuen Partnern, mit denen sie die diese neuen Inhalte teilen können, setzten die Vielers Tag für Tag neue Zeichen.
Ganz genau weiß ich nicht, wie lange die beiden schon zusammen sind und wie lange sie schon verheiratet sind, man munkelt aber, dass damals die Eiszeit noch nicht lange vorbei gewesen war. Cäsar noch regiert hat oder dass zumindest der Webstuhl noch nicht erfunden war. Und dennoch, großmütterlich und großväterlich wirken die beiden nun wirklich nicht. Und während die Aussicht, selbst irgendwann Opa zu werden, mich erschreckt und ängstigt, haben die beiden diese Situation für einen weiteren Schritt aufeinander zu genutzt.

„Meine Liebe ist tief und sie hält für ein ganzes Leben,“ habe ich mal auf einer Karte gelesen. Das gilt mit Sicherheit auch für die beiden. Jens schreibt über sein Spartathlon-Abenteuer:
„Jeder Meter und jede Sekunde waren es wert!“ Und damit meint er auch seine Beziehung zu Julia.
Und dann zeigt er ihr das nach acht schweren Etappen des TransAlpineRun 2012 mit einer ganz einfachen Geste. Er machte das, was jeder von uns ganz am Anfang der Ehe auch getan hat. Man trägt seine Partnerin über die Schwelle, die neues Glück verheißt …
Und 2013, wenn die beiden in Nepal den nächsten großen Schritt miteinander tun, darf ich dann auch wieder dabei sein und wieder viel lernen von den Vielers.
Danke, Julia und Jens, für dieses Beispiel!

Der dritte Hinweis …

Im Kölner Süden auf der richtigen Seite des Rheins gibt es eine Stelle, die mir besonders am Herzen liegt.

Sie ist nicht nur schön anzusehen, etwas abseits der Teilstadt Köln-Rodenkirchen, ein wahres „Läufer El Dorado“, wo täglich Hunderte von Läufern sich den Bürofrust aus dem Kopf und Kraft in die Oberschenkel und Waden laufen, sie ist mir auch deshalb wichtig, weil sich viele Erinnerungen damit verbinden.


Der „Kölnpfad“ geht dort vorbei, es ist auch ein Stück Strecke von dem verrückten Anlauf zum Ratinger 24-h Lauf im Vorjahr, der so viel Spaß gemacht hat.
Nach der Photokina bin ich über dieses Stück Kölner Bodens nach Hause gelaufen und jeder Lauf, den ich nach Köln absolviere, geht hier vorbei.

Dort bin ich 2009 beim „Kölnpfad“ von einem entgegenkommenden Fahrradfahrer angesprochen worden. Es war kurz vor dem VP3 gewesen, wir hatten schon bald 100 Kilometer auf der Uhr, noch lief ich mit und kurz hinter Hans-Peter Gieraths. Ich trug ein Finisher-T-Shirt vom Swiss Alpine, das schwarze mit dem roten stilisierten Steinbock drauf.
Der Fahrradfahrer fuhr an mir vorbei, hielt an, wendete und sprach mich an. Er wollte alles über den Swiss Alpine wissen, seinen Traumlauf, wie er sagte. Ich erzählte und er begleitete mich ein paar Kilometer lang, so lange, dass ich am VP3, der etwas erhöht nach einem Rechtsknick lag, geradeaus vorbei lief. Die Crew des VP3 dachte, dass der Fahrradfahrer meine Fahrradbegleitung wäre, rief uns, aber wir waren so ins Gespräch vertieft, dass die Rufe ungehört verhallten.

Dort überholte mich auch der ambitionierte Läufer, der für den Köln-Marathon 2010 trainierte, um dann, wenige Kilometer später, atemlos und vollkommen erschöpft am Rand zu stehen und nicht mehr weiter zu können. Das war bei meinem Lauf nach Ratingen-Breitscheid und ich nahm ihn langsam mit auf meinen weiteren Weg bis zu seiner Wohnung.
Wir unterhielten uns über das, worüber Läufer am liebsten reden, über diverse Läufe, passierten die Absperrungen des am nächsten Tag stattfindenen Cologne 226“ Triathlons und ich gewann wieder an Kraft durch diese Begegnung.

Du siehst, mein „schönster Platz in der Natur“ trägt viele Erinnerungen für mich, deshalb habe ich ihn ausgewählt für den Schatz, für die Schatzsuche.

Vom Abbrechen, vom Aufgeben und von mehr …

Wir alle kennen diese Ansicht: „Gib nie einen Ultra auf, Ultraläufer tun so etwas nicht!“

Und wir kennen die Begründungen dafür:
In Deinem Kopf nistet sich das Aufgeben so fest ein, dass das immer wieder präsent ist und Du bist ein Weichei.

Wie siehst Du das? Wie ist Deine Meinung dazu?

Ich bin da eigentlich relativ entspannt und mache mir keine großen Gedanken, wenn es eben einfach mal nicht passt.
Und so habe ich in der Vergangenheit einige Läufe nicht oder schon vorzeitig beendet. Beispielsweise beim Röntgenlauf. Hier habe ich bei zwei Teilnahmen zwei Mal nach dem Marathon Schluss gemacht. Ich fand die Versuchung, dort am Marathonpunkt aufzuhören, beide Male viel zu verlockend.
Oder beim Swiss Alpine. Drei Mal bin ich dort zum K78 gestartet, zwei Mal habe ich „gekniffen“ und zum C42 abgekürzt. Freilich hatte ich beide Male gute Gründe dafür, beim ersten Mal war ich einfach noch zu krank gewesen und beim zweiten Mal waren wir als Familie auf dem Weg in den Urlaub nach Kroatien und ich hatte das Gefühl, für die Familie das Richtige zu tun, um früher weg zu kommen. Erst im vergangenen Jahr habe ich dann die ganze Strecke des K78 zurück gelegt.

Wegen extremen Regens wurde letztes Jahr das Rennen Verbier / St. Bernard für zwei Stunden oben auf dem großen St. Bernhard unterbrochen und danach war ich mit Schüttelfrost gebeutelt und entschied, das Rennen dort oben zu verlassen.
Beim unglaublichen Lauf durch den Canyon du Verdon habe ich mich in dem malerischen Städtchen Moustiers Sainte Marie zu zwei Glas Wein einladen lassen und auf das Weiterlaufen verzichtet.

Beim PTL im letzten Jahr hat wenig gestimmt. Meine Ausrüstung war unzureichend, ich hatte nicht einmal an die Sonnencreme gedacht, das Team war nicht harmonisch und zuletzt gab es einen Wetterumschwung, der die UTMB-Läufer sogar fast den ganzen Lauf gekostet hat. Gründe genug für mich, dort auszusteigen, aber diese Wunde hat noch sehr lange in mir geblutet und soll erst mit dem Tor des Géants (TdG) geheilt werden.

Und dieses Jahr? Beim Rennsteiglauf bin ich mental gar nicht in den Lauf gekommen. Am Anfang habe ich mich unglaublich gut gefühlt, ich bin dann viel zu schnell angegangen und hatte spätestens auf dem Großen Inselsberg die Lust am Lauf verloren. Ich lief dann noch bis zum Grenzadler (Kilometer 55) gelaufen, um gewertet zu werden und auch eine Medaille zu bekommen, dann war Schluss für mich.

Beim vom großartigen Eric Türlings veranstalteten K-UT bin ich nach einer Runde ausgestiegen. Auch hier hatte ich gute Gründe dafür. Ich hatte meiner Frau versprochen, sie nicht allzu spät in Fellbach abzuholen und zudem traf ich nach der ersten Runde zufällig die Trainingspartnerin von Jutta, einer Lauffreundin von Achim Knacksterdt, und wir unterhielten uns prächtig.
Danach allerdings wollte ich nicht mehr weiterlaufen.

Diese beiden letzten DNFs oder vorzeitigen Abschlüsse hatten mir aber doch ein paar Sorgenfalten ins Gesicht gestrieben, vor allem im Hinblick auf den 24-h Burginsellauf in Delmenhorst und auf das 250 Meilen lange Thames Ring Race nächste Woche.

Delmenhorst aber hat bewiesen, was ich immer geglaubt habe: jedes Rennen ist anders, ständig beginnst Du neu und wieder bei null. Und heute abbrechen, morgen aufgeben und übermorgen verkürzen bedeutet nicht, dass Du nicht nächste Woche wieder an Deine normalen Leistungen anknüpfen oder sogar über Dich hinaus wachsen kannst.

Ich jedenfalls bin mir sicher, dass ich in England nicht an Eisenach oder an Reichweiler denken werde, sondern nur an Delmenhorst.

MdS 5: “Ali Baba“, der „Herr der Dünen“

„Ali Baba“ war mein „Mann der Woche“, das Symbol für den Wüstenlauf, den „Marathon des Sables“ (MdS). „Ali Baba“, wie Volker Voss aus Neuffen im Württemberg auch liebevoll genannt wird, dominierte stets durch seine Präsenz die Gruppe der von Anke Molkenthin betreuten deutschen, österreichischen und schweizer Wüsten-Ultraläufer. Stets in schwarz gekleidet, mit dem typisch schwarzen Berber-Turban, braun gebrannter Gesichtshaut und mit einem weißen Bart, der „Ali Baba“ etwas Mystisches verlieh. Für mich schien Volker ein Teil der Wüste zu sein, der gute, der beruhigende, der friedvolle Teil der Wüste.

Volker Voss - Der "Herr der Dünen"

In der Tat war „Ali Baba“ schon zum neunten Mal in der Wüste und davon zum achten Mal beim „Marathon des Sables“ und er wollte 2010 wieder finishen und er hat auch gefinished, insgesamt zum sechsten Mal. Und Volker hat sogar sehr gut abgeschlossen für einen Mann von mittlerweile 68 Jahren. Am Ende erreichte er Platz 692 von 1.013 Startern, die drittbeste Platzierung in seinem Berber-Zelt und er hat, da es nur eine Handvoll Läufer seiner Altersklasse gab, über 300 junge Leute hinter sich gelassen, wie „Ali Baba“ mir stolz berichtete.
Zwar hatte er anfangs das Ziel, noch eine etwas bessere Platzierung zu erreichen, aber die unglückliche Wahl seiner Laufschuhe ließ ihn mehr einsinken wie sonst. Und das kostete ein paar Plätze im Endergebnis. Aber wer fragt wirklich nach der Platzierung? Und bei Herren dieses Alters doch erst recht nicht.
Volker lief mit einem schwarzen Laufshirt, auf dem ein Foto der Faust seines Enkels aufgenäht war. Unter dem Foto stand dann noch: „Opa, Du schaffst das!“ Und Opa hat es geschafft, Opa hat bei der achten Teilnahme am MdS zum achten Mal gefinished. Eine tolle, eine großartige Leistung.

"Opa, Du schaffst das!"

Der andere Wüstenlauf, den „Ali Baba“ hinter sich gebracht hat, war die „Libyan Challenge“ im Jahr 2008. Die hat zwar „nur“ 193 Kilometer Länge, dafür ist diese Strecke aber nonstop zu laufen, also ohne Zwischenübernachtungen. Und damals war Volker auch schon Mitte 60 Jahre alt.
„Ich will zeigen, dass man mit Mitte 50 durchaus noch aufrecht gehen kann und nicht gebückt über dem Einkaufswagen des Supermarktes hängen muss, wenn man das will. Und ich will beweisen, dass man auch mit 68 Jahren noch jeden Tag einen Marathon laufen kann,“ so der „Herr der Dünen“.

Dieser Ehrgeiz, für den ich Volker sehr bewundere, dokumentiert sich auch in seinem bescheidenen Restprogramm für 2010. Auf seiner „to run“-Liste stehen noch die 72,2 km des Rennsteiglaufs, die 100 km von Biel, der K78 des SwissAlpine und, um mal eine kurze Strecke einzulegen, der „Jungfrau-Marathon“ (Zitat Volker: „Den mache ich vor allem wegen der Höhenmeter!“). Aber danach muss es wieder ein Ultra sein und so stehen die 50 km des „Schwäbische Alb Marathons“ auch noch auf seiner Liste.
„Und eventuell,“ so Volker, „gönne ich mir noch den 250 km Etappenlauf durch die Wüste in Ägypten, aber nur, wenn alles andere gesund und planmäßig läuft.“

Für mich war „Ali Baba“ nicht nur wegen seines eindruckvollen Aussehens der „Herr der Dünen“, sondern auch, weil er mit seiner ruhigen und sonoren Stimme für alle deutschen, österreichischen und schweizer „Rookies“ auf dem MdS Berater, Freund und Helfer war.
Schon beim Vorbereitungstreffen im vergangenen November riet er den Teilnehmern, dass es beim MdS nicht darauf ankäme, schnell zu laufen, sondern er riet uns „Neuen“, durch einen frisch gepflügten Acker zu laufen und jede Gelegenheit zu nutzen, die Sehnen und Bänder zu stabilisieren. Und das war, im Nachhinein betrachtet, absolut richtig. Meine Schmerzen an den Füßen resultierten vor allem daher, dass Du bei jedem Schritt den Fuß schief aufsetzt. Mal kippt er nach rechts, mal nach links. Und nicht immer weißt Du im voraus, wie sich der Sand unter den Schuhen verdichten wird.
Apropos Schuhe, den Rat, den Volker heute den potenziellen Wüstenläufern geben würde, hat er selbst nicht beherzigt. „Nehmt möglichst Schuhe mit einem breiten Schnitt, bei Schuhgröße 47 macht das einige Quadratzentimeter aus. Dadurch sinkst Du nicht so tief in den Sand ein und Du läufst besser,“ sagte er zu mir.

10 „Marathon des Sables“ will der „Herr der Dünen“ vollmachen, also 2011 und 2012 wieder dabei sein. Danach wird er den MdS nur noch in den Jahren seiner runden Geburtstage beehren. Weil er 2012 70 Jahre alt sein wird, wird er dann erst wieder 2022 als 80-jähriger versuchen, wenigsten ein paar Junge hinter sich zu lassen. Und er wird wohl auch 2011 wieder die zusätzlichen 130 EURO für den „Race Tracker“ ausgeben. „Weil meine Frau dann beruhigt ist, wenn sie im Internet nachsehen kann, wo ich bin und dass ich mich noch bewege.“
Die Sorgen sind nicht unbegründet. Beim UTMB 2009 musste Volker den strammen Cut-Off Zeiten des ersten Tages Tribut zollen und aufgeben. Er gab seine Startnummer ordungsgemäß ab, meldete sich ab, schaltete das Handy aus und ging in sein warmes Hotelbett. Die Kommunikation unter den UTMB-Helfern war aber nicht perfekt und so „versickerte“ die Information, dass Volker ausgestiegen war und so erhielt Volkers Frau gegen zwei Uhr in der Nacht einen Anruf auf Chamonix, dass Volker vermisst wird.

Der dadurch ausgelösten Panik, denn Dutzende von Anrufen bei Mitläufern, auf Volkers ausgeschaltetem Handy und von den Mitläufern bei ihm hat Volker süße Träume im Hotelbett entgegengesetzt und er war nicht schlecht erschrocken, als er am nächsten Morgen zum Frühstück das Handy wieder einschaltete und er die Liste panischer Anrufe erlebte.

Und das, wo Volker für mich eben das krasse Gegenteil von Panik ist. Der im „Unruhestand“ lebende Volker, der von sich sagt, dass er nichts mehr tut, was er nicht will, ist ein Hobbygärtner. „Jeden Tag eine halbe Stunde, Bäume schneiden geht extra,“ so Volker. Auch durch sein großes Grundstück ist er fast ein vollkommener Selbstversorger. „Obst und Gemüse, eigentlich alles außer Fleisch,“ sagt Volker, „erzeuge ich selbst.“
Die Ruhe, der er ausstrahlt, kommt dabei wohl nicht nur von dem hohen Alter, sondern auch aus den Erfahrungen seines früheren Berufs. So war er jahrelang für Siemens im Außendienst unterwegs und hat EDV-Anlagen gewartet. Dabei war er auch im Ostblock tätig, bemerkenswert, weil es lange vor der Wende, also noch in strammer SED-Zeit, stattgefunden hat. Die ständigen Fragen der west- und ostdeutschen Sicherheitsleute haben Volker auch ruhig und gelassen gemacht, eine Ruhe, die uns allen beim „Marathon des Sables“ gut getan hat.

Der „Herr der Dünen“, „Ali Baba“, mein „Mann der Woche“ heißt Volker Voss.
Danke Volker, dass ich Dich kennenlernen durfte, ich verneige mich vor Dir.

Hat sich die Sahara schon bis Köln ausgedehnt?

Eigentlich sollte ich Anke Molkenthin anrufen und meine Zusage für den „Marathon des Sables“ in der südmarokkanischen Wüste absagen!

KP0

... immer dem weißen Kreis nach!

Als wir am Samstag um 8.00 Uhr früh beim KÖLNPFAD starteten, wusste ich schon, dass es ein sehr heißer Tag werden würde. Aber dass es so wenig Schatten geben würde, dass die Temperaturen so hoch steigen würden, das ahnte ich nicht. Und so gehörten die krampfenden Oberschenkel wohl zu den notwendigen Übeln dieses 171 Kilometer langen Laufs.

„Laufen mit Freunden“ war ja meine Devise für diesen Lauf. Meine Lauffreunde Michael Eßer und Hans-Peter Gieraths waren da, der Lauffreund Florian Bechtel betreute eine der vier Versorgungspunkte. Nur vier Versorgungspunkte, im Schnitt alle 43 Kilometer! Viel zu wenig, wenn da nicht auch noch meine Frau Gabi als Betreuerin mit ihrem Van gewesen wäre, der mit so viel Essen und Trinken vollgeladen war, dass Gabi mühelos alle 17 Starter über die gesamte Strecke hätte verpflegen können.
Trotzdem waren die vorher ausgemachten Treffpunkte an der KÖLNPFAD-Strecke oft zu wenig und der Durst war manchmal so groß wie die Sehnsucht nach moralischem Beistand.

KP1

... noch lächeln alle, aber 17 x 171km stehen noch vor den Läufern!

Dass Michael am Ende nicht im Ziel ankam ist sehr schade und Hans-Peter, mit dem ich sehr lange zusammen gelaufen bin, schaltete irgendwann noch seinen Turbo ein und schloss um zwei Plätze besser ab als ich. Aber Hans-Peter ist auch zweifellos der bessere Läufer von uns beiden.
Auf jeden Fall war es hilfreich, einen Freund an der Seite zu haben, vor allem in den heißen Feldpassagen.

Anfangs haben wir uns noch verquatscht und dabei zwei Mal die Weggabelungen übersehen, später dann war es eher still um uns und wir sprachen nur noch das, was wirklich wichtig war. Die Sonne hat uns so zugesetzt, dass ich mich teilweise fragte, wie das dann in der Sahara werden solle. Aber das kann kaum schlimmer sein, denke ich, weil die Distanzen wesentlich kürzer sind und die Luft zwar heißer, aber auch trockener ist. Also muss ich doch bei dem Ursprungsplan bleiben und den April-Anfang in Marokko erleben. Kein Grund für Ausreden … !

Als Hans-Peter und ich am zweiten Versorgungspunkt hörten, dass wir auf dem 5. und 6. Platz liegen würden, haben wir es nicht geglaubt. Aber es hat uns fast so sehr motiviert wie die kalte Dusche aus dem Gartenschlauch, die dort angeboten wurde. Kein Versorgungspunkt war mehr ersehnt wie dieser „VP2“, der von den Troisdorfer M.U.T.-lern (Marathon Ultra Team) des Siegers Michael Irrgang betreut wurde. Das lag natürlich vor allem daran, dass wir eine sehr lange extrem heiße und vollkommen schattenfreie Feldpassage in der Mittagshitze erdulden mussten.

Aber am dritten Versorgungspunkt begannen wir, zu glauben, zu hoffen und zu rechnen und als wir kurz danach den viertplatzierten überholen konnten, da wusste ich, dass ein 5. Platz möglich sein würde, viel mehr als erhofft! Und so kam es dann auch und ich war zudem sehr erfreut, noch unter der 24-Stunden-Marke geblieben zu sein.

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... endlich ein wenig Schatten!

Weißt Du eigentlich, wie schön die Kölner Ecke ist? Vor allem Bergisch Gladbach und da primär Bergisch Gladbach Bensberg sind so schöne Orte mit zuckersüßen alten Häusern, mit einem traumhaft schönen Schloß und – ganz wichtig – mit dem direkten Blick auf den Kölner Dom.
Nur die vielen Menschen im Bergisch Gladbacher Freibad, die sich dort vergnügt haben, wirkten etwas störend. Neid auf das Eintauchen in kaltes Wasser war da sicher mit im Spiel.

Auch der Königsforst war schön zu belaufen, schattig und romantisch, aber danach kamen eben die baumfreien und schattenfreien Feld- und Uferweg-Passagen, die unsere Flüssigkeit aus dem Körper gesogen haben wie hungrige Stechmücken, die Blut sehen und saugen wollen. Wir froh war ich, als es Abend und damit auch kühler wurde.
Nach der Einnahme von viel Magnesium, viel Salz und den abnehmenden Temperaturen wurden auch meine Krämpfe weniger, bis sie dann irgendwann ganz aufhörten.

KP3

... jetzt abbiegen, bloß keine zweite Runde mehr! Nur noch 500 Meter!

Als mich ab der „VP3“ mein „Real Life“ Freund Detlev begleitete waren die Krämpfe schon Geschichte. Aber dennoch fühlte ich mich gefordert, ihn moralisch zu unterstützen, weil er eigentlich nur Halbmarathons läuft und auch dafür nur wenig trainiert hat. Sein Ziel war es, die 34 Kilometer vom „VP3“ bis zum „VP4“ mit zu laufen – und er hat es geschafft. Respekt, Detlev, „Hut ab“!
Aber er war viel zu früh am „VP3“, wahrscheinlich, weil er sich irgendwo verrechnet hat, als er wusste, dass wir in Köln-Porz-Wahn sind. Die Wege des KÖLNPFADS sind doch verworrener als man glaubt. Glück für ihn war, dass er so viel mit Florian Bechtel reden konnte, den ich schon vorher auf die Ankunft und die Anwesenheit von Detlev vorbereitet habe. Und die beiden hatten Spaß miteinander. Mehr will ich ja gar nicht!

Apropos Spaß: zumindest zwei Geschichtchen finde ich wert, erzählt zu werden.

Als erstes die Geschichte, als uns ein Hobbyjogger kurz vor der zweiten Verpflegung eingeholt hat. Er sah uns und die Startnummern und frage, was wir tun würden. Und wir erzählten vom KÖLNPFAD und davon, dass wir schon 50 der 171 Kilometer hinter uns hätten. Und Jörg, so heißt der Läuferkollege, sagte uns, dass er im Dezember einen langen Lauf planen würde. Auf meine Frage hin, welcher Lauf das denn sei, antwortete Jörg, dass es ein Spendenlauf sei.
„Spendenläufe kenne ich fast alle“, dachte ich und so hakte ich nach und erfuhr, dass es der „Eisweinlauf“ von Offenburg nach Baden-Baden sei, den ich schon drei Mal absolviert habe. Organisiert von Rudolf Mahlburg ist das einer der romantischten Höhepunkte des Läuferjahres, wenn Du gegen 17.30 Uhr, wenn schon alles dunkel ist, vom Berg runter kommst und das erleuchtete Baden-Baden und den schönen Weihnachtsmarkt siehst, wenn dann der Bürgermeister eine kleine Willkommensrede hält und die Weihnachtsmarkt-Besucher applaudieren, weil die Horde verschwitzter Körper aus dem 65 Kilometer entfernten Offenburg über die Hügel des beginnenden Schwarzwald gelaufen sind. Das ist immer wirklich schön!
Jörgs Bruder wiederum wohnt in Baden und ist ein enger Freund von Rudolf Mahlburg – so klein ist die Welt, wenn man miteinander spricht! Ich freue mich schon jetzt, ihn Mitte Dezember wieder zu sehen und ein wenig mehr mit ihm zu plauschen.

Als zweites die Geschichte, als ein Fahrradfahrer mich auf der Rheinuferpromenade überholt hat. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt mein drittes Laufshirt an, das Finisher-Trikot des „Swiss Alpine Marathon“ von Mitte Juli. Hübsch, schwarz und mit der stilisierten Alpen-Gemse. Zwanzig Meter vor mir bremst er plötzlich, wendet und fragt mich, ob ich bei dem „Swiss Alpine Marathon“ dabei gewesen wäre. Seine Schwester wohnt wohl in Bergün und er kannte jeden Winkel dieses Laufs. Wir waren einige Zeit zusammen, so lange, dass die Streckenkontrolleure, die uns gesehen haben, geglaubt haben, das er meine Fahrradbegleitung gewesen sei.

KP4

... 7 Uhr 47 in Deutschland ... wenn der kleine Hunger kommt!

Laufen ist eben auch immer das Aufspüren und Entdecken neuer interessanter Menschen. Und von denen habe ich an diesem Wochenende wieder viele kennen gelernt.
Als meine Frau Gabi mich dann etwa 500 Meter vor dem Ziel erwartet hat, da fiel der ganze Druck ab und ich war einfach nur noch glücklich.

Ergebnisse? Na hier!