TomTom und Tom

Eine „eierlegende Wollmilchsau“ ist es natürlich nicht, das TomTom Lauführchen, aber sollte das einen Vegetarier stören? Eier? Milch, Dairy Products? Schweinefleisch? Muss ich alles nicht haben. Ich will es in der Ernährung eher so, wie es die Amerikaner für ihr ganzes Leben empfehlen:
„K I S S“ – „Keep it simple, stupid“.

Ich war erstaunt, als mir angedient wurde, die brandneue TomTom Laufuhr zu testen. Zwar war und bin ich nicht der Erste, der das tut, aber eine solche Uhr selbst einem solchen Test unterziehen zu dürfen hat mich doch sehr gefreut. Und sie kam dann auch per Post, gleich am nächsten oder am übernächsten Tag.

20130919_134701_resizedSchon beim Auspacken dachte ich, dass die Uhr anders ist. Feiner, schöner, farbenfroher, variabler, Und sie ist auch leichter.
Eigentlich ist sie ideal auch als ganz normale Uhr zu tragen, dachte ich. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich seit mindestens einem Vierteljahrhundert – ja, ich bin schon so alt – keine normale Uhr mehr trage. Ich schaue lieber auf mein Mobiltelefon, wenn ich die Uhrzeit wissen will. Und die, wie ich finde, oft peinliche Protzerei, die sich oft mit dem Uhrenkauf und Uhrenbesitz verbindet, brauche ich auch nicht, will ich auch nicht.

Mir ist es stets ein Rätsel geblieben, wie jemand 20.000 EUR für ein mörderschweres und abgrundhässliches Zuhälterteil von Rolex ausgeben kann. Und selbst die feinen, edlen Nobeluhren. wie die berühmte Wendeuhr „Reverso“ von Jaeger-LeCoultre beispielsweise, erwecken in mir nicht einmal ein Zucken.
Nein, sage ich, Uhren, Rennautos, Zigarren und all diesen Kram überlasse ich den echten Männern unter uns.

Aber die TomTom Laufuhr ist da anders. Vielleicht ist es schon der Name, der mich fasziniert, vielleicht ist es auch einfach das moderne und geradlinige Design, das anspricht, aber diese Uhr habe ich seither nicht wieder ausgezogen. Nicht beim Laufen, nicht im privaten Leben, nicht auf der Arbeit und auch nicht in der Nacht beim Schlafen.

20130919_134739_resizedDie TomTom Laufuhr ist ja eigentlich gar keine Laufuhr. Sie ist eine Multifunktionsuhr, ideal auch zum Radfahren geeignet. Wenn ich mir da ansehe, wie kompliziert das Anschnallen der Uhr bei Garmin und Co. funktioniert und wie logisch und einfach es bei diesem Modell ist! Der Grund liegt im Wesentlichen daran, dass man sich erst einmal des eigentlichen Armbandes entledigt. Das ist nämlich immer das, was stört. Und man ersetzt es durch ein leider weit weniger schönes Gummiteil, das aber sehr funktional ist.
Das Schwimmen mit der Uhr werde ich aber erst in den nächsten Tagen und Wochen testen können, das aber wird nachgeholt. Und da freue ich mich darauf.

Ich habe seither zwar jeden meiner wenigen Läufe mit der Uhr bestritten, aber in meinem Regenerationsmonat September war ich ja eher körperschonend unterwegs. Ich werde die TomTom Uhr aber beim langen Lauf über den Hermannsweg dabei haben. Da werden sich auch Sachen zeigen wie Speicherkapazität und auch die Akkuleistung.
Aufgefallen ist mir bisher, dass die Bedienung anders ist wie man das von anderen Uhren kennt. Ich finde sogar, dass sie nicht wirklich intuitiv ist. Aber dennoch habe ich das Ding dann schon am ersten Abend nach Erhalt beim Trainingsläufchen mit dem TV Altendorf-Ersdorf dabei gehabt. Und es wurde gleich bestaunt.

Mein erster Eindruck nach kurzer Zeit ist, dass ich den einen angezeigten Wert, den ich sehe, sehr gut finde. Das Umschalten auf die anderen Werte allerdings finde ich kompliziert. Wie das gehen soll, ohne langsam zu werden, wenn der Läufer am Limit läuft und die Atemfrequenz hoch, die Intelligenz aber situationsbedingt niedrig ist?
Aber so sind sie halt, die alten Männer. Neue Techniken lernen die eben nur noch sehr schwer.
Und man muss eben auch einräumen, dass beides eben nicht geht: eine schlanke Uhr mit nicht überdimensioniertem Display und alle wichtigen Daten im „first view“ Bereich.
Bei meiner Garmin Forerunner 310 habe ich stets vier Werte im Blick, meist die gleichen, manchmal aber stelle ich die Darstellung um.
Vor allem die Information, in welcher Höhe über dem Meeresspiegel ich gerade bin, brauche ich beim üblichen Trainingslauf nicht, aber die Laufzeit, die Laufgeschwindigkeit, die kumulierte Laufgeschwindigkeit und die zurückgelegte Strecke sind mir schon einigermaßen wichtig. Aber in den Bergen muss dann meist die Laufgeschwindigkeit eine Etage tiefer in den „second view“ Bereich rutschen, weil mir da das Wissen um die Höhe schon wichtig ist, damit ich mir die wenigen Kräfte noch so einteilen kann, dass ich es noch bis zum nächsten Gipfel schaffe.
All das fällt bei der TomTom Multifunktionsuhr aber schwer, dafür aber ist sie optisch ansehnlich und sie macht auch mit einem Sportsakko eine gute Figur.

Keine „eierlegende Wollmilchsau“ ist sie also. Aber das wäre ja auch ein wenig zu viel verlangt.

Von jetzt an werde ich sie fünf Wochen lang intensiver testen als bislang, die Laufumfänge werden sich ja nun auch wieder steigern. Und dann berichte ich erneut.
Egal aber, wie dieser Test ausgehen wird, eines bedauere ich schon jetzt.
Tom muss die TomTom wieder abgeben. Am 18. November, an Tom’s Geburtstag.

Ab dann wird Tom wieder ohne TomTom unterwegs sein müssen …TomTom Runner_grau_Herzfreuqenzmonitor

Troisdorf oder warum ein 6-Stunden-Lauf schon nach 90 Minuten zu Ende war …

Am Morgen des vorigen Samstags, am Morgen vor dem 6-h Lauf in Troisdorf, der wie immer liebevoll von den engagierten M-U-T’lern organisiert wurde, fühlte ich schon wenig Motivation, diesen Lauf zu machen.
Vom Vortag taten mir die Oberschenkel noch weh, ein Handicap, das meinem akuten Trainingsrückstand geschuldet war, ich war nicht wirklich ausgeschlafen, und hatte so ein Grummeln im Magen, genug Gründe, die Bettdecke wieder über den Kopf zu ziehen und noch ein paar Schlafstündchen dran zu hängen.
Aber die vermeintliche Pflicht siegte.

Der Troisdorfer 6-h Lauf, immerhin 2005 mein Einstieg in die Welt der Ultras, wenn ich von dem Gruppenlauf rund um Ratingen, den „Ratinger Rundlauf“ am 3. Oktober 2005 absehe, stand sowieso nicht auf meiner Laufagenda, weil es eigentlich das letzte Wochenende war, an dem ich hätte arbeiten müssen, dieses Mal in der Drei-Flüsse-Stadt Passau.
Da meine Gabi mir aber für dieses letzte Wochenende frei gegeben hatte, erinnerte ich mich an die freundliche Einladung von Michael Irrgang, der mich via Facebook zu diesem Lauf hatte überreden wollen, was ich unter dem Verweis auf den Arbeitseinsatz ablehnte.
Außerdem hat mich der XING-Lauffreund Thorsten Stelter gefragt, ob wir dort in Troisdorf ein paar Worte miteinander wechseln könnten. Live hatte ich ihn seit einem nur wenige Minuten dauernden Treffen vor dem Rennsteiglauf Anfang dieses Jahres nicht mehr gesehen, alles Gründe, doch nach Troisdorf zu fahren.

Zu Troisdorf sei für diejenigen, die noch nie in diesem Städtchen waren, erklärt, dass man das „i“ im Namen nicht mitspricht. Troisdorf heißt also eher Trosdorf, hier in der Region wird Tro(i)sdorf auch liebevoll „Trostlos“ genannt. Es ist eben eine eher gesichtslose Wohnstadt für Bonn und Köln, eine der vielen Wohnstädte, die sich rund um diese schönen Städte gebildet haben.
Troisdorf ist vor allem für mich sehr nah. Und Nahes hat von jeher nur einen bedingten Charme, finde ich. Eine gesichtslose Stadt in Sachsen-Anhalt oder in Bayern ist allemal besser als etwas, das nahezu direkt vor der Haustüre liegt.

Dazu kommt, dass es in Troisdorf eine Tradition gibt, fast schon eine Gleichung. Wenn der Lauf in Troisdorf ist, dann ist auch das Wetter schlecht. Immer. Schlecht, nass, kalt.
Im Vorjahr hat es fast permanent geregnet, es begann nur wenige Minuten nach dem Startschuss, steigerte sich gegen Mittag zum Wolkenbruch und endete auch erst wieder kurz vor dem Ende des Rennens. Noch immer sehe ich die unermüdlichen Helferinnen und Helfer, die versucht haben, die schlimmsten Wasserpfützen auf dem Damm hinter dem Aggertal-Stadion weg zu wischen. Ich erinnere mich an den verzweifelten Versuch, sogar die Cola anzuwärmen, damit uns die nasse Kälte nicht allzu sehr zusetzte.
Ich erinnere mich an meinen ersten Lauf dort, damals, 2005. Beim Lauf selbst war es einigermaßen trocken, aber der Weg war noch nass vom Regen am Vortag und vom Regen in der Nacht vor dem Start.
Wenn Du dort vom Damm herunter kommst und auf die Straße trittst, dann gibt es da mitten im Laufweg eine kleine Senke im Asphalt, in der sich immer das Wasser sammelt. Damals bin ich drei oder vier Stunden lang brav um diese Senke herum gelaufen, in den letzten beiden Stunden aber war mir der Umweg zu weit und meine innere Abwägung „nasse Füße“ oder „Umweg“ wurde anders beantwortet wie in den ersten Laufstunden.
Damals hatte ich mich von den Lauffreunden des TV Altendorf-Ersdorf begleiten lassen. Ein paar Runden mit Rainer, ein paar Runden mit Katrin, ein paar Runden mit Dietmar, ein paar Runden mit meiner Gabi – und natürlich viele Runden alleine, vor allem in den ersten beiden Laufstunden.
Damals hat es aber nicht gereicht für die 60 Kilometer – und auch beim zweiten 6-h Lauf, ein halbes Jahr später in Stein/NL nicht. Erst dann, ein weiteres Jahr später, beim dritten Versuch, in Steenbergen/NL, kam ich mit ca. 64,5 Kilometern auf ein zufrieden stellendes Ergebnis. Seither habe ich keinen 6-h Lauf mehr mit Engagement gelaufen.
Im Vorjahr hatte ich in Troisdorf nach einem Marathon noch die Runde beendet und bin dann gegangen, nass und kalt wie ich war.
Und das war auch mein Plan für 2011 an diesem Morgen, wo ich unmotiviert war und besser im Bettchen geblieben wäre.

Auf der Starterliste aber hatte ich neben Melanie und Steffen Kohler auch Birger Jüchter gesehen. Melli und Steffen hatte ich schon Monate lang nicht mehr live gesehen und auch mit Birger bin ich zuletzt beim Allgäu Panorama Ultra gemeinsam gelaufen. Seine Finishertrophäe, ein Metall-Läufer auf einem Pflasterstein, steht noch immer bei uns.
Er hatte Gabi und mir seine Trophäe mitgegeben, weil ihn sein Weg weiter geführt hat zu Hauke Königs höchst privatem Frubiase TransGermany Lauf und Birger war dorthin mit dem Fahrrad unterwegs. Da hätte so eine Trophäe sicher eher gestört.
Nicht zuletzt freute ich mich auch, den stets freundlichen Michel Irrgang mal wieder zu sehen.

Mein erstes Ziel war, gut auszusehen. Ich erinnte mich bei der Beantwortung meiner Frage, in welcher Farbe ich wohl laufen würde, an das Zitat von Henry Ford.
Jens Vieler erwähnt dieses Zitat auch sehr oft und vieles bei seiner TorTOUR de Ruhr basiert auf diesem Zitat.

„Egal welche Farbe – Hauptsache: schwarz!“

Als Wintertyp steht mir schwarz sowieso am besten. Und das, was X-BIONIC in schwarz produziert, habe ich schon beim ersten Ansehen in mein Herz geschlossen.
Das Outfit war also schnell klar, eine ganz kleine Motivationsspritze war das schon. Aber eben nur eine  kleine, die nicht allzu lange anhält.

Schon an der Startlinie habe ich gemerkt: ohne eine ausreichende Portion Motivation laufen ist einfach Mist. Du haderst an allem, Du spürst Deinen Körper schon, bevor Du losgelaufen bist und Du fragst Dich von Anfang an: „Was soll ich hier?“
Noch freute ich mich über die vielen anderen Lauffreunde, darüber, Conny und Sigi Bullig, zu sehen. Und ich startete mit Thorsten Stelter und auch Birger, Melanie und Steffen waren lange bei mir.
Aber wer mich nicht begleitete, war die Begeisterung. Es war Pflicht von Anfang an, Pflicht und Zwang. Selbst auferlegt, zweifellos, aber eben dennoch Pflicht und Zwang.

Das Wetter war fantastisch, überhaupt nicht Troisdorf-typisch. Es war mild, sonnig, ein wunderbarer Tag. Ein Tag, an dem man, wie Michael Irrgang mir irgendwann sagte, auch mal Gehpausen einlegen könnte, sich intensiv versorgen lassen könnte, alles langsam angehen lassen könnte. Stimmt.
Stimmt aber irgendwie auch nicht. Denn an so einem Tag kannst Du auch etwas anderes Schönes machen als Dich von anderen Läufern überholen zu lassen. Wenn Du anfängst, das peinlich zu finden, was Du da ablieferst, dann ist es Zeit, aufzuhören.

Melanie und Steffen Kohler waren mittlerweile einhundert oder zweihundert Meter vor mir. Ich gab mir noch Mühe, die beiden einzuholen, lief noch den Rest der Runde mit den Beiden, um dann meine Startnummer abzunehmen und mit meiner Entscheidung zufrieden das Terrain zu verlassen.
Ein Drittelmarathon, immerhin. Etwas zum Auslaufen, immerhin.

Nun bleiben noch zwei Wochen Zeit, mein Pensum wieder deutlich nach oben anzupassen, lange Einheiten zu probieren, damit der KoBoLT nicht hinter einem der Tausend Bäume hervorlugt und mir eine lange Nase zeigt.

Aber zwei Wochen sind ja auch wirklich noch eine sehr lange Zeit …

Es ist nicht immer leicht, ich zu sein …

Du sollts Dich immer da abholen, wo Du bist. Und wenn Du nicht da bist, wo Du Dich hinwünschst und nicht da, wo Du mal gewesen bist, dann gilt das immer noch: Du sollst Dich da abholen, wo Du bist.

Selten wurde mir so deutlich vor Augen geführt, dass regelmäßiges Training einen Sinn hat, dass lange Läufe schwer werden, wenn Du nicht regelmäßig läufst. Sechs Wochen lang bin ich also nicht gelaufen. Zuerst war da der Wunsch nach etwas Regeneration nach den drei Läufen Ende September / Anfang Oktober, gepaart mit chronischer Unlust, vermeintlich zu viel Arbeit und dem latenten Wunsch, ein paar Tage lang die Kartoffel auf dem Sofa spielen zu dürfen.


In Afrika aber sollte alles wieder anders werden.
Aber außer den guten Vorsätzen und einer mit Laufklamotten randvoll gepackten Tasche war das nicht möglich. Auch bei meinem letzten Kilimanjaro-Trip blieb es bei einem einzigen Trainingslauf, dieses Mal fiel sogar der aus. Und dann, wieder in Deutschland, war der Schreibtisch voll, die chronische Unlust wieder da und dann blockierte mein ISG, mein Iso-Sakral-Gelenk. Also wieder nichts mit dem Laufen. Das schlechte Gewissen aber nahm ständig zu, ganz im Gegensatz zum Fitnesszustand.

Und in diesem Zustand zum KiLL50? 50 Meilen durch die kalte und nasse Hildesheimer Nacht, mit Gepäck auf dem Rücken? Was ist, wenn ich nach 20, 40 oder 60 Kilometern nicht mehr kann? Dann stehe ich im Niemandsland mitten in der dunklen Nacht, frierend und alleine und muss schauen, wie ich wieder zum Start/Ziel komme. Mir war klar: das geht einfach nicht, noch nicht an diesem Wochenende.

Als Alternative habe ich mir den 6-Stunden-Lauf in Troisdorf ausgesucht. Dieser Lauf war 2005 mein allererster Ultra, der kein Gruppenlauf war. Es war damals der längste vorstellbare Lauf der Welt: 6 Stunden!
Aber die Troisdorfer M.U.T.-ler um den großartigen Michael Irrgang herum belehrten mich damals schnell eines Besseren. Als ich, ganz sicher, die längste denkbare Strecke zu laufen, mal wieder durch das schöne Aggertal-Stadion lief, stellte der Mann am Mikrophon den Zuschauern einen der anderen Läufer als den Deutschen Meister im 24-Stunden-Lauf vor, just erreicht mit weit über 240 Kilometern in Basel.
Ich muss gestehen: ich war damals schockiert und fasziniert zugleich. Ist es tatsächlich möglich, so lange zu laufen?

Mein „längster denkbarer Lauf“ von 2005 war also am vergangenen Wochenende die kürzere Variante, die Alternative zu den 50 Meilen des KiLL50. Irgendwie ist das schon lustig, oder?

Schon am Freitag habe ich den Veranstalter des KiLL50, meinen lieben Freund Michael Neumann, angeschrieben und um Vergebung gebeten und um Verständnis, dass ich, trotz permanenter anderer Zusagen nun doch nicht nach Hildesheim kommen würde. Leid tat es mir nicht nur um ihn, sondern auch um seine bezaubernde Freundin Su, deren Kochkünste ich gerne einmal kennengelernt hätte.
Leid tat es mir aber auch um die Lauffreunde, deren Namen auf der Startliste des KiLL50 standen. Jeder einzelne dieser Namen steht für eine kleine Geschichte und ein kleines Stück meines Lebens. Andreas, Jochen, Michael, Joachim, Torsten, Robert, Thomas und all ihr anderen, Euch sei gesagt, dass ich wirklich gerne dabei gewesen wäre.
Nie werde ich die schöne Nacht im Vorjahr vergessen, wo ich an der Seite von Martin Raulf auf die Wildsauen dieser Gegend Acht geben musste.

Der Samstag begann schon mit einer kleinen Merkwürdigkeit. Beim Anziehen der X-SOCKS Kompressionsstrümpfe habe ich mich gefragt, ob die ausgeleiert seien. Sie gingen so einfach anzuziehen, das war schon merkwürdig. Dass Muskelabbau so schnell gehen kann …

Und trotzdem freute ich mich wie ein kleines Kind auf diesen Lauf. Nicht wegen des zu erwartenden Regens, der noch viel heftiger ausfiel wie ich es befürchtet hatte, …


… sondern, weil ich das erste Mal bewusst die Runningfreaks Melanie und Steffen treffen würde. Und auch mein Freund Helmut Hardy hatte ich auf der Anmeldeliste entdeckt.
Ich war früh dran in Troisdorf, auch deshalb, weil ich ja noch nachmelden musste und ich traf Melanie und Steffen dann draußen auf dem Weg zum Auto, wo ich noch ein paar Sachen verstauen wollte. Ein wenig Sorge hatte ich schon, ob ich die beiden im RL auch wirklich gleich erkennen würde. Fotos, vor allem Avatare, haben nicht immer viel mit dem Aussehen im „real life“ zu tun, aber ich irrte hier gewaltig. Ein Blick und gleich war klar, wer die Freaks sind.

Aber der CDU-Mann Axel E. Fischer, der uns alle zu kleinen Witzchen herausgefordert hat, hat vielleicht doch Recht. Klarnamen haben Vorteile, eindeutig. Als es plötzlich hieß: „Hi, ich bin die Eva!“ war ich schon erstaunt. Miss Monster hatte ich mir anders vorgestellt. Der Avatar erinnerte mich stets an Frankenstein, in Wahrheit war Eva bezaubernd und räumte mit all meinen Vorurteilen, die ich bislang Monstern gegenüber hatte, auf.
Dabei war es nur der Fehler der Visagistin, die vor dem Foto-Shooting dafür gesorgt hat, dass das Avatarfoto so wenig mit der Realität zu tun hatte. Was doch so eine Visagistin alles verändern kann …

Ich war froh, mit Miss Monster laufen zu dürfen. Unser gemeinsamer Plan, zwei, drei gemeinsame Stunden mit einer knapp über 6:00 er Zeit zu laufen, um dann von meiner Frau Gabi abgelöst zu werden, misslang. Gabi war es zu nass, zu kühl, einfach viel zu eklig.
Also war ich nach gut zwei Stunden allein mit mir, aber nach dreieinhalb oder vier Stunden begleiteten mich Schmerzen in den Oberschenkeln. Ich war so schlapp, so schwach, so untertrainiert …

Aber ich träumte ein wenig. Immer wenn Daniel Schwitter mich überrundete dachte ich, dass ich gerne schneller wäre, fitter, dass ich gerne nicht meine Probleme mit dem Rücken hätte, nicht die mit den beiden rechten Zehen am rechten Fuß und dass ich eigentlich überhaupt gerne ein wenig anders wäre. Es ist eben nicht immer leicht, ich zu sein …

Ich lief wohl zum siebzehnten Mal den aus einer einzigen Schlammpfütze bestehenden Damm hinter dem Stadion entlang, als die Veranstalter das Lied spielten, dessen Text mir gerade durch den Kopf ging. Die Wise Guys sangen: “ Es ist nicht immer leicht …“
Mein Gesicht war schon vom Regen und dem Schweiss klitschnass, das war gut, denn niemand sah, dass da nun auch noch ein paar Tränchen kamen.

(Klicken zum Vergrößern ... )

Am Ende war ich froh, nach dem Punkt 42.195 Meter noch die Runde zu beenden und dann auszusteigen. Mein „Marathon und länger Nummer 103“ war erledigt, ich habe nette Menschen kennen gelernt und viel über mich nachdenken können.
Und ich habe eine Entscheidung getroffen: ab sofort wird wieder täglich gelaufen, die Wochenkilometer müssen wieder rauf.

Gestern habe ich damit angefangen. Die Lauffreunde vom TV Altendorf-Ersdorf haben mich auch gleich wieder erkannt, vielleicht nur am Nummernschild des Autos, vielleicht aber auch, weil sie mich wirklich vermisst haben.

MissMonster hat einen kleinen Film mit mir gedreht und Steffen hat auch etwas über unser Treffen geschrieben, alles ist gut.

Es ist eisig auf der Spitze …

Der ältere Niels Larsen, sein Sohn Henk Larsen, seine Tochter Anne-Mette Larsen und der ältere Jesper Paulsen sind mir schon im einfachen Bergsteiger-Hotel „Springland“ in Moschi aufgefallen.
Nicht wegen der dänisch-typisch hellblonden Haare, sondern, weil sie zu viert das gleiche T-Shirt trugen.
Ein schlammgrünes Shirt, vorne mit dem eigenen Namen und der Ergänzung „Kilimanjaro 2010“ und hinten bedruckt mit einem dänischen Satz, den ich gerne aufgeschrieben hätte, der mir aber zu kompliziert war, um ihn mir zu merken.


Später sahen wir die Vier dann bei unserer ersten Rast auf der Machamé-Route rauf auf das übermächtige Kilimanjaro-Massiv wieder. Ich sprach die Vier an, woher sie stammen würden und bekam zur Antwort, dass sie aus dem dänischen Holstebro stammen, irgendwo in der Mitte Dänemarks an der Küste. Ich hatte das blaue Laufshirt des ECU 2008 an, des European Cups of Ultramarathons 2008, das die Rennen in Mnisek, Eisenach (Rennsteiglauf), Biel, Schwäbisch Gmünd (Schwäbische Alb Marathon) und Celje zusammenfasste. Momentan ist auch noch der Wörthersee Trail in diesem Cup vertreten.
So kamen wir schnell auf das Marathon-Laufen.

Jesper Paulsen war es, der mir stolz erzählte, dass ein Läufer aus ihrer Region auch beim Berlin-Marathon 2010 mitgelaufen sei. Keine große Sache, dachte ich, immerhin sind fast 6.000 dänische Läufer im Ziel angekommen, gestartet sind vermutlich mehr als 6.000 dänische Läufer. Damit ist der Berlin-Marathon einer der ganz großen dänischen Marathons.
Aber dieser Läufer hatte etwas Besonderes getan. Er lief von seiner Heimatstadt bis nach Berlin. Mit den läufertypischen Umwegen waren das etwas mehr als 800 Kilometer. So etwas fasziniert mich und treibt mich, in 2011 ebenfalls zu versuchen, den einen oder anderen Lauf nicht mit dem Auto oder dem Flugzeug, sondern mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu erreichen, wenn die Zeit dafür ausreicht.

Es war mein langjähriger Freund Andreas Klotz vom mehrfach ausgezeichneten Umweltprogramm „mondberge.com“, der die Vier fragte, was der dänische Spruch auf dem T-Shirt Rücken übersetzt heißt. „Es ist eisig auf der Spitze …“ war die Bedeutung des Spruchs und wer schon einmal auf dem Uhuru Peak des Kibo, des Kilimanjaro war, der weiß, dass das stimmt.
Aber dieser Satz bedeutet auch noch etwas anderes. Während wir Deutschen sagen: „An der Spitze ist es einsam!“ und damit meinen, dass der Chef eines Unternehmens seine Entscheidungen meist alleine treffen, alleine verantworten und alleine durchsetzen muss und sich damit selten Freunde macht, heißt es im dänischen: „Es ist eisig auf der Spitze …“, gemeint aber ist das Gleiche. Mich hat das Wortspiel sofort fasziniert.

Da die Vier wie wir ebenfalls die Machamé-Route ausgewählt hatten, sahen wir sie auch immer wieder beim Laufen, wenn deren Gruppe unsere überholt hat, wenn wir die dänische Gruppe überholten, auf den Camps und ganz am Ende wieder im Bergsteiger-Hotel „Springland“ in Moschi, im Bus zum Flughafen und eben dort auf dem Kilimanjaro-Flughafen, wo wir eine Weile auf unseren Flug nach Amsterdam warten mussten.

Dort fragte ich die Vier, ob sie es alle geschafft hätten. Niels Larsen, der Vater, Jesper Paulsen und die süße blonde Anne-Mette Larsen hatten es ganz nach oben geschafft, Henk Larsen, der Sohn, allerdings nicht. Er schien uns manches Mal im Camp schon geistesabwesend zu sein, eine Art Trance oder Delirium, das Resultat aus hoher Anstrengung, beginnender Höhenkrankheit und mutmaßlich zu geringer Fitness uns Vorbereitung.
Anne-Mette Larsen aber, die zierlichste der Vier, hatte es mit ihrem Vater und Jesper Paulsen geschafft. Und bis auf eine von der sengenden Sonne knallrote Knubbelnase hat sie keine Beschwerden oder Verletzungen gehabt. Und sie war stolz und glücklich.

Unsere Gruppe, Andreas Klotz von Tipp4 in Rheinbach, die Hochzeits- und Landscape-Fotografin Radmila Kerl, ihr Mann Michi Kerl, der Audio-Autoeinbauten macht, Michael Matschuck von Druckpartner in Essen, sein eben erst 18 Jahre alt gewordener Sohn Niklas, der diese Reise zu seinem 18. Geburtstag geschenkt bekommen hatte und ich, hatte eine gravierende Änderung des normalen Tourablaufs gewählt. Anstatt nach dem Abstieg noch einen Tag im Hotel zu relaxen, teilten wir die dritte Tagesetappe in zwei Teile und schoben so eine zusätzliche Übernachtung auf etwa 3.900 Metern Höhe ein.
Das hat die Akklimatisierung erleichtert und wir hatten mehr Zeit für das Fotografieren. Vor allem für Radmila, Andreas und Michael war das auch der höhere Grund der Reise.

Bis zur Abreise kannte ich nur Andreas, der im gleichen Laufverein TV Altendorf-Ersdorf läuft und der mich Ende 2004 zum ersten Aufstieg auf den Kilimanjaro motiviert hat, den ich dann im Februar 2005 erfolgreich bewältigen dufte. Radmila kannte ich einige Wochen aus Facebook, alle anderen waren mir noch unbekannt bis zu dem Zeitpunkt am Düsseldorfer Flughafen, als ich Michael und Niklas Matschuck traf. Die Reiseunterlagen von DIAMIR in der Hand dachte ich, dass sie Teil unserer Gruppe sein mussten. Andreas war mit seinem Sohn Tim schon seit einigen Tagen in Afrika. Er wollte mit dem erst 15 Jahre alten Tim bis auf die Horombo Hütte auf der Marangu-Route, der einfachen „Coca-Cola-Route“, aufsteigen. Knapp 4.000 Meter über dem Meeresspiegel sind für einen jungen Mann wie Tim schon eine echte Herausforderung.
In Amsterdam warteten dann Radmila und ihr Mann Michi auf uns und so ging es mit dem Flieger nach Afrika, nach Tanzania, auf den Kilimanjaro Airport.

Schon der Flug war ein echtes Erlebnis. Nun bin ich schon viele Hundert Male in meinem kleinen Leben geflogen, es ist mir aber noch nie passiert, dass eine Stewardess zu mir kam und mich ansprach, ob ich alleine reisen würde. Als ich das bejahte, fragte sie mich, ob ich nicht auf einen der komfortableren Sitze ganz vorne im Abteil wechseln wolle. Da wäre noch einer frei und die Beinfreiheit dort sei überwältigend.
Oh Stewardess von KLM, ich liebe Dich!

Ansonsten war der Flug unspektakulär. Das Essen bei KLM ist überdurchschnittlich gut, es gibt sogar recht hochwertiges Besteck. Es ist aus einem durchsichtigen Plastik, aber es fühlt sich richtig gut an und man kann es auch sehr gut benutzen. Leider hat unser Reiseveranstalter DIAMIR vergessen, für mich meine Lieblings-Essensvariante vorzubuchen: „ASIAN VEGETARIAN“, aber es gab im Flugzeug nur die Auswahl zwischen einem Fleischgericht und leckerer Pasta. Für Vegetarier ist also auch ohne Vorbuchung immer etwas dabei bei KLM.
Die Auswahl an Filmen ist sensationell gewesen, aber ich hatte keine Lust, auf dem Hinweg allzu viel zu sehen, ich wollte lieber etwas Schlaf nachholen, was mir dank der großen Beinfreiheit und wenig gesprächssüchtigen Nachbarn auch gut gelang.


Auf dem Flughafen in Moschi begann dann für uns das Abenteuer Afrika. Nach einem Urlaub Mitte der 1980er Jahre in Marokko, einem Land, das nur kartographisch zu Afrika gehört, nach der Kenia/Tanzania Reise beim Aufstieg 2005 und nach dem Namibia-Urlaub 2008 mit meiner Familie war es erst das vierte Mal, dass ich afrikanischen Boden betreten habe, erst das vierte Mal, wo ich afrikanische Geduld lernen durfte und erst das vierte Mal, wo ich mich mit der Mentalität der Afrikaner auseinander setzen musste.

Für das Visum mussten wir lange anstehen. Oder aber auch nicht, denn ein tanzanischer Grenzbeamter sammelte unsere Pässe ein, riet bis auf Radmila allen, schon mal zum Gepäckband zu gehen und dort zu warten, das war entspannender als in der Schlange zu stehen. Radmila machte die Visums-Formalitäten für uns alle und wurde von dem Grenzbeamten sogar noch beschleunigt bedient. Wenn Du jetzt denkst, dass dafür auch nur ein einziger tanzanischer Schilling bezahlt wurde, dann irrst Du.
Ob es die stets gute Laune von Radmila war, die den Beamten bewegt hatte,  ihre blonden Haare oder was auch sonst – wir alle waren froh, die Prozedur des Visumerhalts abkürzen zu können.
Wir nahmen dann unser Gepäck, gingen aus dem Zollbereich des Flughafens heraus und trafen unseren Fahrer, der uns zur „Meru View Lodge“ bringen sollte, wo wir dann Andreas und Tim treffen wollten. Die Fahrt war kurz, aber die Straßen teilweise in katastrophalem Zustand. Und wir hielten nicht an der „Meru View Lodge“ an, sondern passierten sie erst einmmal, um zu einer dahinter gelegenen Lodge zu fahren. In diesem Moment erfuhren wir, dass wir wegen der Überbuchung getrennt wurden. Ich war der einzige, der im Anschluss in die „Meru View Lodge“ gebracht wurde, die anderen stiegen in der wesentlich vornehmeren Lodge dahinter ab.
Ich war also alleine.

Es war schon spät an diesem Abend und ich sollte mein Dinner also alleine einnehmen. In meiner Lodge allerdings hieß es dann, man habe mir Sandwiches vorbereitet, weil die Küche schon kalt wäre. Nach längeren Verhandlungen einigten wir uns dann darauf, dass ich doch noch etwas Warmes bekommen würde. Es dauerte sehr lange, bis mein Essen fertig war, wahrscheinlich wurde die Köchin erst wieder aus ihrem Haus an die Arbeitsstätte beordert.
Dann sagte man mir, dass ich am nächsten Abend das Dinner mit der ganzen Gruppe im anderen Hotel einnehmen würde, man würde mich dann nach der Safari dorthin fahren.

Das Frühstück am nächsten Tag nahm ich dann auch alleine ein, mir wurde aber zugesichert, dass man mich danach zur anderen Lodge fahren würde und so erschien ich nach dem Frühstück drüben in der anderen Lodge. Was in der Nacht wie eine lange Reise aussah, war aber nur ein kurzes Stück von vielleicht 500 Metern, das ich durchaus auch ohne Chauffeur hätte laufen können, aber ich war froh, die anderen, Andreas, Tim, Radmila, Michi, Michael und Niklas noch beim Frühstück zu erwischen.

Die sechs erzählten mir dann eine kleine Geschichte, die typisch ist für Afrika und das dortige Leben. Während ich am Vorabend alleine im Restaurant saß und mich langweilte, warteten die sechs in der anderen Lodge auf mich. „Thomas kommt gleich!“ hieß es ständig. Die Bedienung brachte auch zwei Mal mein Abendessen an den Tisch, immer dann, wenn ich erneut als Ankommer vermutet wurde. „Thomas kommt gleich!“
Erst viel später hieß es, dass ich nun doch in der „Meru View Lodge“ hätte essen wollen, aber ich käme dann zum gemeinsamen Frühstück in die Lodge.

Und so wartete man beim Frühstück geduldig auf mich, weil „Thomas kommt gleich!“, aber dann haben sich die sechs irgendwann entschlossen, nun doch ohne mich mit dem Frühstück anzufangen. Ein Glück, wie sich heraus stellte. Es war eben Kommunikation auf höchstem afrikanischen Niveau, die uns die ersten Stunden in Afrika „unrund“ erscheinen ließen. Später dann bin ich die Strecke einfach immer dann gelaufen, wenn es notwendig war, aber ich habe mich schon ein wenig geärgert, über die schlechte Kommunikation dort, aber auch über mich, dass ich nicht selbst die Entscheidung getroffen hatte, im Dunklen zur anderen Lodge zu laufen.

Als die sechs dann mit dem Frühstück fertig waren, ging es erst einmal in den sehr nahe gelegenenen Arusha Nationalpark zur Fotosafari. Der Arusha Nationalpark war so nahe an den Lodges, dass wir auch hätten hin laufen können, die Safari aber war ganz nett. Wenn ich bedenke, dass wir auf  Grund der Warterei auf „Thomas kommt gleich!“ erst spät von der Lodge weg kamen, dass dadurch die meisten Tiere schon träge und versteckt waren, dass die Farben des Tages nicht mehr so warm und schön waren wie in den Morgenstunden, dann war der Tag dennoch ein voller Erfolg.
Nur nicht für Michi Kerl, der sich entschlossen hatte, diesen Tag im Bett zu verbringen, um seine Erkältung vollends auszukurieren.

Bilder von der Safari und die Geschichte des Tages gibt es dann beim nächsten Mal …

Niels Larsen, seinen Sohn Henk Larsen, seine Tochter Anne-Mette Larsen und den älteren Jesper Paulsen jedenfalls sahen wir in Amsterdam dann zu letzten Mal. Das war auch der Zeitpunkt, an dem sich die Wege unserer Gruppe trennten. Niels, Henk, Anne-Mette und Jesper flogen von dort aus nach Kopenhagen, Radmila und Michi nach München, Andreas nach Köln, Michael, Niklas und ich flogen nach Düsseldorf und Andreas‘ Sohn Tim hatte uns ja schon Mitte der Vorwoche verlassen, erfolgreich an seinem Ziel, der Horombo Hütte angekommen.

Und ich? Ich war natürlich oben, gleich zwei Mal. Aber auch diese Geschichte erzähle ich beim nächsten Mal, ein Foto vom Gipfel aber gibt es schon jetzt:

Foto: Radmila Kerl, Zeitpunkt: Mittwoch 20.10.2010, ca. 8 Uhr

Ach ja, noch eines: „Thomas kommt gleich!“

6.000 Meter über N.N.

In der „guten alten Zeit“, als in Deutschland noch der gezwirbelte Bart etwas galt, wir noch nicht von bürgerlichen Politikern, sondern von Kaiser Wilhelm II. regiert wurden, da war die Welt noch in Ordnung. Man wusste, was der Kaiser wollte und man besorgte es ihm.
Und da jedes Land seinen Hausberg hat, hatte Deutschland auch einen. Die Kaiser-Wilhelm-Spitze war der Hausberg der Deutschen – und er war mächtig hoch. Ein 6.000er mitten in Deutschland!
Damals hatten wir noch was, damals waren wir noch wer.

Mitten in Deutschland? Genau in der Mitte Deutschland befand sich der Berg nun nicht, eher im süd-östlichen Teil des Kaiserreichs, in einer der beiden Kolonien Deutschlands in Afrika, eben in Deutsch-Ostafrika.

(Klicken zum Vergrößern ... )

Und weil der dortige Berg, eben die Kaiser-Wilhelm-Spitze, „nur“ 5.895 Meter hoch war haben sich die Männer dort doch glatt so lange vermessen, bis „offizielle“ 6.000 Meter daraus wurden. Heutzutage würde kein Mann mehr auf die Idee kommen sich zu „vermessen“, nicht einmal der kleine Peter aus dem Song von „Möhre“ (Mirja Boes), aber damals war sich kein preussischer Beamter zu schade, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist.

Erst mit dem Ende des 1. Weltkriegs und dem „Verlust“ der Kolonien für die Spitzhelm-Nation schrumpfte die Kaiser-Wilhelm-Spitze auf den heutigen Wert herunter, zudem verlor sie ihren Namen und wurde wieder zum Kibo mit dem Uhuru (Swahili für „Freiheit“) Peak, mit den Schwesterbergen Mawenzi und Shira bildet der Kibo das Kilimanjaro-Massiv (Swahili für „Berg des bösen Geistes“).

v.l.n.r.: Shira, Kibo, Mawenzi

Der Kilimanjaro wurde oft beschrieben, besungen, spielt in Hunderten von Filmen über Afrika eine Hauptrolle und bewegt nicht nur deutsche Wandertouristen in der ganzen Welt. Stellvertretend ist der „Kili“ auch weltweit das bekannteste Symbol für die Klimaveränderung und Klimaerwärmung. So schrumpfte die Eiskappe des weißen Bergs zwischen 1912 und 2009 von 12 km² auf 1,85 km², was einem Verlust von 85 % entspricht. Irgendwann um das Jahr 2030 herum wird das Buch von Ernest Hemingway „Schnee auf dem Kilimanjaro“ nicht mehr die Realität beschreiben.

(Klicken zum Vergrößern ... )

Am 12. Februar 2005 war ich ganz oben auf dem Uhuru Peak und noch immer finde ich, dass das einer der beeindruckendsten Momente meines Lebens war. Wenn ich Mitte Oktober 2010, also nach knapp über 68 Monaten, wieder aufbreche, um diesen Berg ein zweites Mal zu besteigen, dann tue ich das in einem anderen Bewusstsein, ich tue das mit einer anderen Truppe und ich tue das über eine andere Route.

Das andere Bewusstsein

2005 ging es mir darum, zu beweisen, dass ich in der Lage bin, so eine Tour zu schaffen, diese Höhe zu bewältigen und mich der Strapazen dieser Reise zu stellen. Ich habe nicht allzu viele Gedanken an die Landschaft verschwendet, ich war total „gipfelfixiert“ damals.
2010 will ich die atemberaubende Schönheit der Strecke bewusster genießen, immerhin führt der Marsch auf den Gipfel durch nahezu alle Vegetationsstufen dieser Erde hindurch. Ich werde langsamer sein und viel mehr Fotos von der Tour mitbringen als vor gut fünfeinhalb Jahren.

Die andere Truppe

2005 hatte ich mich in eine schweizer Expedition eingebucht und lief daher mit mir zu Anfang unbekannten Schweizern und Deutschen, die zufällig die gleiche Tour gebucht hatten. Ich entschied mich damals für das schweizer Unternehmen „Aktivreisen“ von Hans-Peter Rüedi, weil mein Lauffreund von TV Altendorf-Ersdorf, Andreas Klotz, ebenfalls mit diesem Unternehmen den Kilimanjaro bestiegen hatte. Es war eine großartige Reise, die auch zwei beeindruckende Safaris beinhaltete und mit ein paar Badetagen in Kenia abschloß.
2010 laufe ich mit deutschen Freunden, die alle der Natur- und Landschaftsfotografie zugewandt sind. Und ich laufe mit Andreas Klotz, eben dem, dessen Erzählungen über den Kilimanjaro mich damals spontan dazu bewegt hatten, diesen Gipfel in meinen Laufplan einzuarbeiten.
2006, also ein Jahr später, sind meine liebe Frau Gabi und ich mit ihm in Venezuela auf den Tafelberg Auyan Teupui gegangen, eine Reise, aus der später ein Buch entstanden ist, das man bei Amazon kaufen konnte.

Dieses Buch war auch der Vorläufer, die Übung gewissermaßen, für Andreas Klotz‘ nächstes Projekt, über das ich an dieser Stelle schon einmal berichtet hatte. Es ist das Projekt „Mondberge.com“, also der Marsch auf drei Gipfel des Ruwenzori Gebirges in Uganda und zudem der Besuch bei den geschützten Berggorillas. Es wurde ein Foto- und Multimediaprojekt, das enorme Spenden zusammenbrachte eben für die bedrohten Berggorillas, die Tiere, die uns so nahe sind, dass es manchmal schon unheimlich ist.
Das Ruwenzori Gebirge befindet sich rund 900 Kilometer nördlich des Kilimanjaro-Massivs und ich bin froh und stolz, erneut mit Andreas einen Berg besteigen zu dürfen. Aktuell plant Andreas mit dem Mondberge.com – Team ein paar großartige neue Sachen. Ich bin sicher, bald darüber berichten zu können.

Die andere Route

Normalerweise besteigen europäische Wandertouristen den Kibo über die „Coca-Cola-Route“, die Marangu-Route. Sie ist die leichteste der insgesamt 10 Routen auf das „Dach Afrikas“, außerdem ist es die einzige Route, bei der Du in festen Hütten schläfst und eben nicht nur in Zelten.


Andererseits ist sie auch eine Art Autobahn und Du bist dort eigentlich nie alleine. Rund 100 Menschen gehen diese Route täglich nach oben und weil alle nahezu zur gleichen Zeit frühmorgens aufbrechen, ist der Weg oft sehr voll. Das reduziert das Gefühl, etwas „Besonderes“ zu leisten, doch gewaltig.

Die alternativen Routen sind die:

  • Barafu-Route – steile Teilroute von der bzw. über die Barafu Hut (4.600 m) auf den Kibo
  • Lemosho-Route – Ausgangspunkt Londorossi (2.250 m)
  • Machame-Route – Ausgangspunkt Machame (1.800 m)
  • Mweka-Route – Ausgangspunkt Mweka (1.700 m)
  • Rongai- oder Kikelewa-Route – Ausgangspunkt Nalemoru (2.020 m)
  • Shira-Route – Ausgangspunkt Londorossi (2.250 m)
  • Umbwe-Route – Ausgangspunkt Umbwe (1.700 m)
  • Western-Breach-Route – steile Teilroute vom bzw. vorbei am Lava Tower (4.600 m) auf den Kibo
  • Thomas-Glacier-Route – Route führt über den Gletscher des Nördlichen Eisfelds – Erstbegehung 28./29. Oktober 2009

Wir werden die Machame-Route nach oben gehen, nach unten aber werden wir die Rongai- oder Kikelewa-Route auswählen. So sehen wir viel mehr von der Landschaft und natürlich auch vom Vulkankrater, ein Ausblick, der Dir bei der Marangu-Route leider verwehrt bleibt.

Am 12. Oktober geht es los, von Düsseldorf über Amsterdam direkt auf den Kilimanjaro Airport und wenn wir alle am 22. Oktober wieder deutschen Boden unter den Füßen haben werden, dann werden wir viele Fotos im Gepäck haben, als Team eng verbunden sein und wir werden uns gewiss sein, vielleicht eine der letzten Chancen ergriffen zu haben, den „Schnee auf dem Kilimanjaro“ noch zu erleben.

Und für mich schließt sich dann auch ein privater Kreis. Unsere Tochter Milena ist im Sommer noch mit einem Schulprojekt in Tansania gewesen. Sie hat dort 14 Tage mit tansanischen Schülerinnen und Schülern zusammen gelernt und gelebt. FairTrade war damals einer der Lehrpunkte, der Umgang der tansanischen Bevölkerung mit der gemeinsamen Geschichte war ein anderer.
Und wenn die Tansanier die Deutschen „fast perfekte Menschen“ (Übersetzung aus Swahili) nennen, dann vergessen sie die unglaublich vielen Toten, die Deutschland in dieser ehemaligen Kolonie zu verantworten hat.

Die tansanischen Schülerinnen und Schüler wussten selbstverständlich davon, aber sie lobten vor allem, dass Deutschland ihnen ja die Eisenbahn gebracht hätte …

(Klicken zum Vergrößern ... )