“MMM 2015″, mein drittes und letztes “M”

MMM7Es war 2 Uhr 30 Minuten, mitten in der Nacht. Ich hatte gerade eine Stunde geschlafen, im ersten VP nach der Dropbag-Station. Die war in Es Castell, genau 100 Kilometer hinter dem Start, gleichzeitig aber ar sie auch das Ende des 100 K Trail Menorca Costa Nord Trails und der Startpunkt des 85 K Trail Menorca Costa Sud. Es war die Stelle, an der ich 2014 raus bin und das süße Gift einer Wertung als 100 K Trailer annahm. Ein Jahr lang habe ich wegen dieses „Finishs zweiter Klasse“ mit mir gehadert.

2015 sollte es ja anders werden, das hatte ich versprochen und so habe ich dort in der Dropbag-Station die Frage, ob ich aufhören oder weiterlaufen wolle, selbstbewusst mit dem Ausdruck „I keep on running“ beantwortet. Nur frische Sachen angezogen, das neue KÖLNPFAD Shirt aus, das langärmelige geile X-BIONIC Teil an, keine Spur von Müdigkeit, also gleich weiter.

Mit Raimund Slabon am Start des Cami de Cavalls, Ciutadella

Mit Raimund Slabon am Start des Cami de Cavalls, Ciutadella

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Merci, thank you, danke schön!

Das Jahr 2014 geht, Zeit für einen Rückblick.
Und Zeit, herzlich DANKE zu sagen, danke zuerst einmal an Dich, die / der Du mich in diesem Jahr hier begleitet hast. Ohne das Gefühl, dass das eine oder andere Wort, der eine oder andere Satz und der eine oder andere Ausdruck diese kleine Welt ein wenig verändern konnte, wäre die Zeit, die ich ins Schreiben investiert habe, vergebens gewesen.
DankeNicht alles lief gut in 2014. Um ehrlich zu sein, vieles lief nicht gut. Da war eine ganze Serie von DNFs, erst im wunderschönen Andorra, dann beim SIT in der Schweiz und abschließend auch beim PTL in Chamonix. Auch mein Plan, ganz auf den Pik Lenin hinauf zu kommen, hat nicht funktioniert.
Unter all diesen Dingen leide ich, freilich unter manchen mehr, unter anderen weniger. Weiterlesen

Von Koblenz nach Bonn – Rheinsteig extrem schön …

Vor vielen Jahren in einem Seminar der Dale Carnegie Gesellschaft hörte ich diese Geschichte zum ersten Mal:

Ein Wanderer ging seinen Weg entlang, seinen Esel mit Satteltaschen auf jeder Seite an der Hand führend. Es war schon später Abend, der Wanderer war müde und traurig. Da stand plötzlich ein merkwürdig gekleideter bärtiger Mann neben dem Weg.
Der Wanderer war froh, endlich wieder einen Menschen zu Gesicht bekommen zu haben, hielt an und unterhielt sich mit dem Mann am Wegesrand. Und nach einem längeren Gespräch wollte der Wanderer sich verabschieden und weiter ziehen, um noch eine Bleibe für die Nacht zu finden. Er haderte ein wenig mit seinem Schicksal und er zeigte, dass er deprimiert war.
Der altem Mann am Wegesrand aber sagte: „Sei nicht betrübt, alles wird gut. Du sollst ein Geschenk von mir haben. Bücke Dich und sammle so viele Steine hier vom Boden auf wie Du tragen und in Deine Satteltaschen packen kannst. Dann verspreche ich Dir, dass Du morgen zugleich glücklich und auch traurig sein wirst!“

Der Wanderer war etwas in Eile und wollte nicht allzu viel Zeit mit dem Aufsammeln von Steinen vergeuden, immerhin hatte er ja noch keine Bleibe für die Nacht. Er wollte aber auch das Geschenk des Bärtigen nicht ausschlagen und so entschied er sich, einen Kompromiss einzugehen.
Er nahm einige Steine, packte sie in die Satteltaschen, aber er bemühte sich nicht, so viel Zeit aufzuwenden, bis diese randvoll wären. Dann dankte er dem Mann und zog weiter.

Er fand keine Bleibe mehr für die Nacht, schlief im Freien unter einem sternenklarem Nachthimmel und als er am nächsten Morgen aufwachte, hatte er die Steine in den Satteltaschen des Esels schon fast vergessen. Dann aber erinnerte er sich daran, wurde wieder neugierig und griff in die Satteltaschen, um sich diese Steine mal genauer anzusehen. Und er stellte fest, dass sich die Steine über Nacht in kostbare Edelsteine verwandelt hatten.
Und er war glücklich über diesen Schatz.
Gleichzeitig war er aber auch traurig, nicht mehr von den Steinen eingepackt zu haben.

Trail laufen ist ähnlich wie das Sammeln von Steinen am Wegesrand. Jessica Junker aus Koblenz ist ein gutes Beispiel dafür.
Sie sprach mich während meiner roh-veganen Phase an, weil sie selbst erst seit kurzem auf vegane Ernährung umgestellt hatte und wir hielten eifrig Kontakt zueinander. Sie erzählte mir von ihren Läufen bis hin zum Marathon. Und diese Läufe machte sie durchweg sehr ordentlich, schnell und ambitioniert. Da war beispielsweise ein Marathon dabei, den sie in rund 3:45 h bewältigte, aber ein Marathon, der zudem noch 800 Höhenmeter im Aufstieg bot.
Nicht schlecht, dachte ich und ich dachte an die Anstrengung, der ich ausgesetzt wäre, wenn ich diese Zeiten wieder einmal laufen müsste.
Ich lud sie dann ein, beim RheinBurgenWeg-Lauf mit mir zu starten. Es ist ja immer so, dass man, wenn es nicht mehr geht, aussteigen und den Zug am Rhein entlang nach Hause nehmen kann. Weil sie aber an diesem Wochenende etwas Anderes vorhat, vertagten wir unseren kleinen gemeinsamen Lauf auf „irgendwann“.

Dann planten Andreas Haverkamp und ich, uns für den TransGranCanaria-Lauf vorzubereiten. Nachdem wir schon im Herbst gemeinsam den gesamten Hermannsweg von Rheine bis Horn – Bad Meinberg gegangen waren, wobei ich ihn ab Bielefeld habe alleine ziehen lassen, sollte es ein Lauf bei mir in der Nähe sein. Lang sollte der Weg sein und reichlich Höhenmeter sollte der Weg bieten. Was bietet sich dann besser an als der Rheinsteig zwischen Koblenz und Bonn?
Meine Gabi bot sich an, den Support für uns zu machen, es ist ja nicht so schrecklich weit von uns weg, wenn da nicht dieser Fluss zwischen unserem Örtchen und dem Rheinsteig wäre. Und über diesen Fluss gibt es zwischen Bonn und Neuwied keine Brücke. Zwar gibt es Fähren, aber die fahren nicht in der Nacht, sind nicht wirklich planbar und zudem riecht es darauf immer deutlich nach Diesel und Motorenöl.
Bis zum zweiten Weltkrieg gab es noch eine Brücke. Die „Brücke von Remagen“ verband die beiden Rheinufer, sie wurde aber nach der Zerstörung zwar verfilmt, aber nie wieder aufgebaut und ist auch heute noch als Mahnmal gegen den Krieg zu bewundern.

Ich erzählte Jessica von dem Vorhaben und lud sie ein, uns zu begleiten. Auch auf der anderen Rheinseite, liebevoll auch die „schäl sick“, die „schlechte Seite“ genannt, kann man ja jederzeit aussteigen und mit dem Zug zurück nach Koblenz fahren. Jessica hatte etwas Sorge vor der Strecke, immerhin war ihr Limit bislang 42,195 km gewesen und so wollte sie 50 km „plus X“ mit uns laufen.
Sie wiederum brachte eine Freundin mit, Antje Überholz, die wiederum nur 15 km mitlaufen wollte und Thomas, einen Freund, mitbrachte.  Schlussendlich schlug auch Frank Nicklisch vor, uns ein Stück zu begleiten. Für ihn als WiBoLT-Läufer war die Herausforderung natürlich eher gering, für Jessica aber war es schon echtes Neuland, das da betreten werden sollte.

Jessica und Frank blieben am Ende deutlich über 50 km bei uns und Jessica verhält sich seither wie der Wanderer, der am Abend die Steine aufgehoben und mitgenommen hatte. Sie ist glücklich, diese Strecke bewältigt zu haben, gleichzeitig ist sie aber auch traurig, dass es nicht noch mehr Kilometerchen waren, die sie da mitgelaufen ist.
Und weil Trail laufen eben auch süchtig macht, wird sie am 12. Februar ganz alleine eine weitere Etappe auf dem Rheinsteig laufen und dann, bei nächster Gelegenheit, eine weitere. Und abschließen wird sie mit dem Rheinsteig Ende November, wenn sie ganz offiziell den „Kleinen KoBoLT“ laufen wird, 104 km auf dem Rheinsteig.

Ich erzähle diese Geschichte so gerne, weil sie mich auch an mich selbst erinnert, an meine ersten Versuche im Ultramarathon-Bereich und auch daran, wie die Sucht bei mir entstanden ist. Und auch heute, wo ich 60 km Trail ohne Vorbereitung als Trainingslauf verstehe, weiß ich noch genau, dass am Anfang ein Halbmarathon mein sportliches Ziel war, wie weh der erste Marathon 2004 in Frankfurt getan hat und welche Schmerzen ich bei meinem ersten Ultra in Ratingen-Breitscheid, beim leider nicht mehr durchgeführten „Ratinger Rundlauf“, auszuhalten hatte.

Wir starteten also zu sechst bei der Koblenzer Festung Ehrenbreitstein und folgten stets dem Rheinsteig. Antje und Thomas verließen uns genau dort, wo die Läufer des KoBoLT ihr erstes „Beweisfoto“ machen müssen, wohl auch, um die Neigung, nicht den schönsten, sondern den schnellsten Weg nach Sayn zu nehmen, einzudämmen.
Zu viert ging es dann weiter bis zur ersten Verpflegung, wie beim KoBoLT auch in Rengsdorf gelegen. Gabi fuhr uns dabei ein kleines Stückchen entgegen, was aber einen Bewohner von dort veranlasst hat, seine Gedanken über gesperrte Wege und darüber preis zu geben, was passieren würde, wenn jeder diese zweihundert Meter auf geteertem Grund, aber mit ganz neuen Halteverbotsschildern geschmückt, befahren und beparken würde.
Um den Herrn glücklich zu machen und auch, um jedem Streit aus dem Wege zu gehen, ist Gabi dann doch so weit wieder zurück gefahren, bis der Herr zufrieden genickt hatte. Ich begleitete das Auto mit nacktem Oberkörper, da ich mein X-BIONIC Shirt schon ausgezogen hatte, um es gegen ein trockenes und frisches einzutauschen. Ich habe nicht übermäßig gefroren, zwei oder drei Grad fühlen sich in solch einer Situation durchaus annehmbar an, annehmbarer jedenfalls als die Vorstellung, das wärmende Blinken von blauen Lichtern auf Polizeiwägen, die zu rufen dieser um Gerechtigkeit besorgte Mitbürger gedroht hatte, zu erleben.

Der „eineinhalbte“ VP folgte dann schon wenige Kilometer später und der kam vollkommen ungeplant und überraschend. Eine Wandergruppe, hauptsächlich Rentnerinnen und Rentner, hatte auf einem Teilstück des Rheinsteigs eine ähnliche Idee und ließ sich auf demselben aus einem Auto mit Getränken versorgen. Und es war genug da für alle, auch für uns. Wir erzählten von der Strecke, die wir schon hinter uns hatten und von der langen Strecke, die wir noch vor uns hatten.
Die große Auswahl an sicherlich bekömmlichen Schnäpsen haben wir ausgelassen, aber Wasser und Cola machten diese zusätzliche Pause neben der gefühlten Bewunderung durch drei Dutzend Wanderer zum echten kleinen Highlight.
Aber irgendwann dankten wir, verabschiedeten uns und gingen unseren Weg weiter.

Nach dem zweiten VP, an dem sich Jessica und Frank verabschiedeten, waren Andreas und ich dann alleine. Und wir beschlossen, auf den dritten VP in der tiefen Nacht zu verzichten, dafür aber in Linz noch etwas zu essen. Frank schätzte, dass wir gegen ein Uhr in Linz sein würden und bis zwei Uhr, da war er sich sicher, war in Linz am Samstagabend noch etwas los.
Frank hatte dabei die Linzer Gastronomen richtig eingeschätzt, aber unsere Geschwindigkeit hat er wohl deutlich falsch eingeschätzt. Wir erreichten Linz erst kurz vor drei Uhr und wir fanden eine Kneipe, in der noch die Funkenmariechen für ihren großen Auftritt im Karneval probten und eine Art Disko, in der es auch um 3 Uhr noch Flammkuchen gab.

Aber so ein Flammkuchen ist dann doch nicht die optimale Läufernahrung und wir wurden schnell wieder hungrig. Und dann, so gegen 7.00 Uhr, rief Gabi an und meldete sich ausgeschlafen zurück. Wir diskutierten einen Treffpunkt, das ausgewählte Örtchen wurde dann zwar auf den Wegweisern erwähnt, der Rheinsteig aber lief nicht durch diesen Ort.

Nur keine unnötigen Meter, dachten wir und richteten uns auf die nächste Ortschaft, auf Rheinbrohl, ein. Aber dann merkten wir, dass auch Rheinbrol nur auf Schildern stand und von Zubringern erreicht werden konnte, der Rheinsteig aber läuft 2,5 km an der Ortschaft vorbei. Also zum nächsten Ort?
Aber der Hunger war groß, die Nacht zu Ende und so beschlossen wir, diese 2,5 km Richtung Rhein abzusteigen und dann dort so lange im Tal weiter zu laufen, bis der Rheinsteig wieder zum Rhein runter kam. Nicht aber, ohne ordentlich gefrühstückt zu haben, das war klar.
Diese Wegänderung verkürzte unsere Wegstrecke auf rund 129 Kilometer und unsere Laufuhren zählten nur 4.200 statt der geplanten 4.446 Höhenmeter. Aber wer fragt danach bei einem Trainingslauf?

Als wir dann auf dem Drachenfels auf Bonn blickten, war es schon etwas wärmer, auf dem Petersberg oben war es dann beim nächsten VP, dem „zweiten Frühstück“ scho fast angenehm warm. Dann folgten noch rund 19 Kilometer und als wir dann in Bonn ankamen stand die Januarsonne hoch am Himmel und wir waren deutlich zu warm angezogen. Entscheidend war aber, dass wir angekommen waren, deutlich später als gedacht und deutlich gestresster als geplant.

Aber dieser Stein, der Rheinsteig, hatte sich auch für uns in einen Edelstein verwandelt und wir waren glücklich, es geschafft zu haben. Gleichzeitig waren wir aber auch traurig, dass es nicht noch etwas mehr gewesen war. Andreas beschloss deshalb für sich, die 130 km voll zu machen und lief noch 700 Meter weiter Richtung Bonner Innenstadt.

Trail laufen macht eindeutig süchtig …

Mount Everest Base Camp: „60 K Extreme Ultramarathon“

Am 29. Mai 1953 bestiegen der Sherpa Tenzing und der Neuseeländer Sir Edmund Hillary zum mutmaßlich ersten Mal den „Berg der Berge“, den höchsten Berg der Welt in absoluter Höhe gemessen, den Mount Everest. Und jetzt, 60 Jahre später, riefen die nepalesischen Ausrichter des THEM (Tenzing Hillary Everest Marathons) zu einem neuen Ereignis, dem „60 K Extreme Ultramarathon“.

Am 29. Mai 2013 um 6 Uhr war der Start, ganz weit hinten im Mount Everest Base Camp. Einen Tag zuvor schon haben wir ihn geprobt, beim „Mock Race“, dem Teststart, damit die Damen und Herren Journalisten nicht so früh aufstehen müssen. Damit genug gutes Licht da ist für die Pressefotos. Und vielleicht auch, damit wir am frühen Morgen uns nicht auf dem Weg zum Start verlaufen. Das half aber nichts, ich habe es dennoch geschafft. Im Verlaufen bin ich ja wirklich gut.
Wenigstens eine Stärke …
Der Wecker steht auf 5 Uhr, aber meine nicht immer geliebte Eigenschaft, immer etwas vor dem Klingeln wach zu liegen, ließ mich schon um 4.45 Uhr aufstehen. Ich hatte am Vortag des Laufs in Gedanken Dutzende Male durchgespielt, was ich beim Lauf anziehen werde, dennoch überlegte ich an diesem Morgen alles wieder ganz neu. Gut war, dass wir die Jacken und eine Hose am Start in einen Beutel packen konnten, der dann nach Namche Bazaar gebracht wurde. Ich konnte also ohne Bedenken eine Oberhose und eine schöne warme Winterjacke überziehen, um nicht zu frieren. Darunter erst ein wärmendes Sportunterhemd, darüber ein Langarmshirt und darüber die heiß geliebte schwarze X-BIONIC Weste gegen den Wind und darüber noch das offizielle Laufshirt, das uns der Veranstalter mit dem Hinweis übergeben hat, dass das Tragen des Shirts unabdingbar sei.
Das wiederum hatte etwas Gutes. Coca-Cola war ja der Hauptsponsor des Laufs, das entsprechende Getränk aber gab es bei keinem der Verpflegungspunkte. Immerhin hatten wir so das Logo auf dem Shirt und das Logo war auch auf den selten angebrachten Fähnchen, die uns den Weg weisen sollten.

Frühstück gab es ab 5.45 Uhr, ich war schon eine Viertelstunde vorher da und saß einsam auf einem Klappstuhl im Essenszelt. Die Tische waren schon abgebaut, Porridge kannst Du aber auch gut ohne Tisch zu Dir nehmen. Für mehr reichte es nicht. Wenn ich nervös bin, dann bekomme ich einfach nichts in mich hinein. Irgendwann trudelten auch die anderen Starter beim Frühstück ein und ich ging schon mal zum Start, zumindest versuchte ich das.
Prompt verlief ich mich und kam wieder zum Zelt zurück und schloß mich denen an, die den Eindruck machten, den Weg zum Start zu kennen. Und das war gut so. In dem vielen Weiß des Camps hätte ich wohl lange suchen müssen, um den Weg zum Start zu finden, trotz des Trainings am Vortag.
Mock Race
Es war warm am Start, zumindest warm für die Höhe von immerhin 5.350 Metern und weil alle anderen Läufer viel weniger anhatten als ich, beschloss ich, meine Entscheidung bezüglich der Kleidung noch einmal zu korrigieren und verzichtete auf das wärmende Unterhemd.
Nirmala Giri aus Kathmandu vom Orga-Team richtete noch ein paar mahnende Worte an uns alle. „Don’t push the others or you will be disqualified,“ sagte sie und Bob, der Australier, lachte und meinte, er könne gar nicht gestossen werden, weil er ja sowieso ganz hinten laufen würde.
Das irrst Du Dich, dachte ich, weil ich mir den letzten Platz schon vor Tagen für mich ausgekuckt habe.
Meine Rennstrategie war klar und einfach: langsam starten und das Ding in Ruhe abwickeln. Ich war auch der Einzige der 19 Starter, der von vornherein seine Laufzeit auf 15 Stunden festgelegt hatte, während die meisten Anderen sich auf eine Zeit unter 12 Stunden eingestellt hatten.
Bis zu dem Punkt, an dem der Loop der 60K Läufer begann, kannten wir alle ja die Strecke, immerhin sind wir sie vorsichtig und langsam nach oben gewandert. Und wir alle wussten, wie schwer das war, wie die Strecke trotz einem durchschnittlichen Gefälle stetig rauf und runter ging, nicht laufbar war und ich mir ganz sicher war, dass es sehr schwer werden würde, diese Strecke zu bewältigen.

Und da war ja auch noch der Engländer, der im Vorjahr den Marathon mit fantastischen 6.15 Stunden gepackt hat und 2013 auf 6 Stunden kommen wollte. Er war schon lange im Himalaya, auf die Höhe adaptiert und einschlägig trainiert und er sagte, dass er plant, in 45 Minuten (!) vom Start bis Gorak Shep und in weiteren 60 Minuten von Gorak Shep bis zur zweiten Versorgung zu laufen.
Gorak Shep liegt fast auf der gleichen Höhe wie das Base Camp, der Weg dazwischen ist holprig, steinig, geht rauf und runter und Michele Ufer und ich sind die Strecke in 2 1/2 Stunden gewandert. Dabei waren wir die ersten aus unserer Gruppe. 45 Minuten? Das geht einfach gar nicht.
Wenn ich diese Strecke in 1 1/2 Stunden schaffen würde, dann wäre das schon gut in meinem Plan. Also langsam und ganz hinten laufen. Bob, dachte ich, um den Platz an der roten Laterne werden wir uns dann wohl streiten müssen …

Ich schaute mich in der Gruppe der Ultraläufer um. Lauter hypertrainierte Menschen und ich irgendwo dazwischen. Mein Zimmer- und Zeltpartner Henk Sipers hatte schon auf den Marathon herruntergegradet, weil er sich beim 60 K Loop wegen seiner Höhenangst die schweren Passagen nicht zugetraut hatte. Frank Rocktäschel, erst ein Marathoni, dann zum Ultramarathon hochgegradet, wechselte zum Halbmarathon, weil sein Gesundheitszustand einfach nicht mehr hergab.
Und dann rief Nirmala Giri den Start aus, den Start zum Lauf. Und so lief ich eben auch.

Auf halber Strecke durch das Mount Everest Base Camp lagen das Frühstückszelt und unsere Schlafzelte und der Rest unserer Gruppe stand da und klatschte. Ich hatte mittlerweile auch den schlanken und von mir hoch eingeschätzten tätowierten Australier und seinen Kumpel überholt, sicher nur, weil sich die beiden auf den glitschigen Steinen nicht wohl fühlten. Und ich überholte und überholte, während ich die Führenden allerdings schon lange nicht mehr sah.
Nach 17 Minuten hatte ich die 1 1/2 Kilometer durch das Base Camp geschafft, 13 Minuten vor meinem Plan. Und nach 54 Minuten war ich in Gorak Shep – und es wäre mehr drin gewesen, wenn ich nicht so verhalten gestartet wäre. Ich überholte und wurde überholt, aber ich blieb an denen, die mich passierten, immer dran.
Es lief wirklich fantastisch gut und ich begann, meine Ziele zu revidieren.
Statt der 15 Stunden Laufzeit könnten es vielleicht tatsächlich nur 12 Stunden werden, dachte ich. Voraussetzung war eine kumulierte Durchschnittsgeschwindigkeit von 12 Minuten pro Kilometer, vorausgesetzt, die 60 Kilometer waren auch richtig ausgemessen. Ich lag permanent knapp über 10 Minuten pro Kilometer, Tendenz besser werdend.

Nun wollte ich, dass ich nach Möglichkeit von den nepalesischen Wunderläufern nicht vor der 2-Stunden-Marke überholt würde. Das habe ich nicht ganz geschafft, nach 1:55 Stunden war es so weit, ein Nepali kam angeflogen. Offiziell eine Stunde nach uns gestartet war er mehr als doppelt so schnell wie ich. Egal, es half mir, weil ich mich in diesem Moment nicht mehr auf dem richtigen Weg befand, sondern auf der anderen Seite des Taleinschnitts lief. Also rüber. Glück gehabt.
Und nach und nach flogen auch andere Nepali an mir vorbei. Unglaublich, was in dieser Höhe doch läuferisch für manche doch noch möglich ist.
Map
Die beiden, die mich zwischen dem Base Camp und Gorak Shep überholt haben, sah ich nun immer näher kommen. Da ging noch was. Oder besser: die beiden gingen. Dann riss erst einmal die Schnürung an meinen Hoka One One Schuhen. Der Metallhaken der rechten Gamasche sägte so lange daran, bis die Schnürung aufgab und riss. Die restlichen 50 Kilometer musst Du also mit offenem Schuh bewältigen, dachte ich und versuchte, den Fuß noch kontrollierter aufzusetzen, um nicht immer im Schuh hin und her zu wackeln.
5 weitere Kilometer später riss auch das unter den Schuh gezogene Band der linken Gamasche. Damit es nicht ständig wild umher schlug, stellte ich mich mit dem rechten Fuß darauf, machte mit dem linken Fuß einen großen Schritt und riss das Band endgültig ab. Das war sicher die richtige Entscheidung.
Diese beiden Malheurs allerdings hatten die beiden vor mir genutzt, um den Abstand wieder größer zu machen.

Zuletzt liefen wir an den Gedenksäulen an die toten Mount Everest Besteiger vorbei, eine kurze Bekreuzigung, ein paar Gedanken an die Toten und weiter ging es. Danach führte der Weg kurz nach oben, um danach steiler abzufallen. Wir waren schon kurz vor Dingboche, kurz vor dem Startpunkt des Halbmarathons. Auf dem Weg nach oben schloss ich auf die beiden auf und ich überholte sie just oben auf dem Grat. Und dann ging es bergab.
Ich rannte, die beiden hinter mir aber auch.
So langsam könnten die schnellsten ausländischen Marathonis kommen, dachte ich. Ein Grund, schneller zu werden. Die beiden hinter mir gaben die Hoffnung auf das Verbessern ihrer Position auf und genau nach 17.76 K, nicht nach 21.2 K, war ich am Start des Halbmarathons. 2 Stunden und 58 Minuten waren vorbei, die kumulierte Durchschnittsgeschwindigkeit betrug jetzt fast exakt 10 Minuten pro Kilometer.

Jetzt begann der kleine Loop. Offiziell drei Kilometer ansteigend bis zum Wendepunkt, der dann nach 2.850 Metern auch tatsächlich da war und dann diese Strecke wieder zurück. Wenn die erste Hälfte des Marathons etwas mehr als 3 1/2 Kilometer zu kurz war und auch beim Loop insgesamt 300 Meter fehlten, dann könnte das auch darauf hindeuten, dass die Gesamtstrecke vielleicht auch etwas kürzer ist als die angegebenen 60 Kilometer, dachte ich. Eine Zeit unter 12 Stunden wurde immer wahrscheinlicher.
Auf dem Weg runter nach dem Wendepunkt traf ich erst Michele Ufer, dann Craig Langobardi. Beide anderen 60 K Läufer aus unserer Gruppe waren hinter mir. Michele aber sah gut und frisch aus, Craig war schon sichtlich mitgenommen. Fast am Ende des Loops traf ich noch den Amerikaner Max und den Reutlinger Michael, die sich eine Zeit um die 6:30 Stunden für den Marathon vorgenommen hatten. Ich traf aber keinen der Marathonis aus meiner Gruppe.
Für den Loop benötigte ich 1:03 Stunden, wir sind eine Stunde vor den Marathonis gestartet … das sah richtig gut aus. Keiner aus meiner Gruppe war also schneller als ich.

Und so setzte ich mir ein neues Ziel. Ich wollte vor der Abbiegung zum 60 K Loop auch nicht mehr überholt werden. Nicht von den Ultras und schon gar nicht von den mir bekannten Marathonis. Die Abbiegung kam genau bei der 29.5 Kilometer-Marke. Leider also genau dann, wie es am Anfang nach zweimaliger Korrektur des Wertes angekündigt wurde. Ich hatte mittlerweile 4:55 Stunden auf der Uhr.
Rund 5 Stunden für die erste Hälfte, dann verbleiben noch 7 Stunden für die zweite Hälfte, dachte ich. Das sieht doch richtig gut aus, um unter 12 Stunden zu bleiben.

Aber nun, da ich die Marathonstrecke verlassen hatte, wurde ich träge, müde und meine Motivation sank. Der Loop zeigte sich als extrem schwierig, die „3 1/2 Kilometer“ bis Phortse waren mehr als 5 1/2 Kilometer lang, so lang, dass ich schon Sorge hatte, den Kontrollpunkt dort übersehen zu haben. Und es ging rauf und runter, meist in Form von Treppenstufen.
Direkt an der Abzweigung machte ich eine kleine Pause, um drei Schalen der warmen Suppe zu schlürfen und wurde von einem Ultra überholt. Bei km 35 wurde ich von der Amerikanerin Michelle überholt und ich konnte einfach nicht an ihr dran bleiben. Vor allem bergauf ging scheinbar gar nichts mehr bei mir. Ständig musste ich durchschnaufen und ein paar Sekunden stehen bleiben.
Michele Ufer erreichte mich nach 37.5 Kilometern, genau dann, als ich mir mal wieder ein Päuschen gönnte. An ihm aber blieb ich dran. Ein wenig zumindest. Aber auch hier musste ich einsehen, dass da im Moment psychisch und physisch die Luft raus war und so nahm der Abstand zu ihm permanent zu. Möge wenigstens Craig noch hinter mir bleiben … und natürlich und vor allem der Australier Bob.
Am Anfang hätte mir das Tragen der roten Laterne nichts ausgemacht, jetzt allerdings wollte ich sie keinesfalls bekommen …

Ständing ging es rauf auf 4.400 Meter, um dann wieder auf 3.800 Meter zu fallen. Rauf, runter, steil, steiler. Und auf der anderen Seite des Tals sahen wir auch die Laufstrecke, die es dann wieder zurück gehen würde. Auch kein Zuckerschlecken.
Irgendwann war ich dann kurz vor Na-La, dem Wendepunkt des Loops. Eine Heidelandschaft, ein großes Gebäude mit einem blauen Dach, das musste der Kontrollpunkt sein. Ich war total am Ende und brauchte einen psychologischen Schub.
Das große Gebäude mit dem blauen Dach war längst passiert und es passierte noch immer nichts. Doch nun sah ich, wie ich sorgsam meine Füße durch die Heidekräuter schwang, die Amerikanerin Michelle und Michele Ufer vor mir. In Sichtweite. Ich schloss auf und wir suchten den Wendepunkt Na-La.
Auf der anderen Seite des Tals wehte eine Fahne im Wind und drei Menschen winkten. Was wollen die?

Michelle, Michele und ich überlegten, ob wir hier einfach durch den Fluß waten könnten. Die Amerikanische Michelle und ich waren dafür, Michele Ufer war dagegen. Und das war auch gut so. Wir erkannten nun, dass die Winkenden mit ihren Armen Richtung Oberlauf des Flusses zeigten und wir gingen weiter. Am Fluss entlang zu gehen war unmöglich, also mussten wir ständig rauf und runter, den angrenzenden Hügeln folgen. Und dann war sie endlich da: Na-La, die Brücke.
Michele hatte sie als Erster entdeckt und nun ging alles wieder ein wenig schneller.
Über die Brücke, über den reißenden Fluss, an unserem bedauernswerten Sherpa Lila vorbei, der eisern im kalten Wind ausharren musste, den Weg zurück, ein wenig nach oben, immer Richtung der im Wind wehenden Fahne.
Kein anderer Läufer war in Sichtweite, wir waren vollkommen alleine.

Bei der Fahne gab es nichts außer dem guten Rat, dass der nächste Kontrollpunkt „nahe“ sei und es dort Suppe gäbe. Aber die Erlösung ist der Bibel nach ja auch „nahe“, wahrscheinlich haben diese beiden „nahe“ etwas miteinander zu tun, aber irgendwann erreichten Michelle und ich diesen Kontrollpunkt. Michele war zu diesem Zeitpunkt ein wenig nach hinten abgefallen, er holte uns aber schnell wieder ein, nämlich dann, als Michelle und ich den Kontrollpunkt verließen und beim Ausgang rätselten, ob wir nach rechts oder nach links zu gehen hätten.
Ich war für links, Michelle war für rechts. Als Michele dann kam, war auch er für rechts und so machten wir uns auf den Weg. Daran, dass Wegmarkierungen eher selten waren, hatten wir uns ja schon gewöhnt, hier aber fand ich die Situation extrem unglücklich.

Nach gut 200 Metern wedelte eine Nepali aufgeregt mit den Armen, um uns zu signalisieren, dass wir falsch seien. Sicherheitshalber griff ich mir meinen Zettel mit den nächsten Kontrollpunkten, ging zu ihr und fragte nach Dole, dem nächsten Zwischenziel. „Dole, Dole,“ sagte sie und zeigte aufgeregt in die Richtung, aus der wir gerade gekommen waren. Also zurück, am letzten Kontrollpunkt wieder vorbei.
Es kam wieder eine Abzweigung und noch eine und wieder gab es keine Wegmarkierungen. Aber wieder zeigte eine Nepali uns in etwa den Weg. Wir gingen langsam, ständig auf die Dame schauend, die wir aber nicht mehr zu interessieren scheinten. Wir waren wohl richtig mit dem eingeschlagenen Weg.

Beim letzten Kontrollpunkt hieß es, dass der nächste Kontrollpunkt „nur 5 Kilometer“ weg sei und es „nur abwärts“ ging. Abwärts aber hieß, dass wir ständig höher kamen und dann irgendwann, ich hatte zu diesem Zeitpunkt die Führung unserer kleinen Gruppe übernommen, um wenigstens den Anschein zu geben, etwas zu wissen, gab ich auf. Ich stoppte und sagte Michele und Michelle, dass ich nicht sicher wäre, ob wir richtig wären. Aber die mittlerweile 4 Kilometer zurück gehen, um dann vielleicht zu merken, dass wir doch richtig waren, wollte ich auch nicht.
Michele aber griff zu seinem Garmin, schaute auf den Track, den er sich im Computer zuvor gebastelt hatte, und sagte, dass wir richtig wären. Warum hat er von diesem Teil und dem Track nicht zuvor erzählt, das Teil nicht schon vorher befragt? Ich war verärgert und glücklich zugleich, glücklich vor allem, weil klar war, dass „nur 5 Kilometer“ eben oft länger sind wie geplant und dass „nur abwärts“ auch relativ ist.
Nach 12:19 Stunden erreichten wir endlich Dole, mit 4.200 Höhenmetern auf einem der höchsten Punkte des Loops, zwar 270 Meter tiefer liegend als der letzte Kontrollpunkt, aber unter „nur abwärts“ stellte ich mir dann doch etwas anderes vor.

Es gab schon vor dem Lauf eine Riesendiskussion ob der Cut-Off Zeiten. Beim Marathon gibt es: keine. Beim Ultra aber sollte es welche geben. Erst hieß es, dass diejenigen, die nach 11 Stunden noch nicht in Na-La seien, dort stoppen sollten, dort schlafen sollten, um dann am nächsten Morgen um 6 Uhr weiter zu laufen. Dann wurde diese Grenze auf 12 Stunden verlängert und schlussendlich galt offiziell diese Regelung:
Wir laufen 12 Stunden lang und gehen danach in die nächstgelegene Lodge. Ein Sherpa wird da sein, der uns in der Lodge betreut, der die Kosten verauslagt, wir bekommen eine Decke, ein Abendessen und ein Frühstück.
Eine Pflichtausrüstung gab es nicht, etwas halbwegs Sinnvolles wie beispielsweise ein Kopflicht war nicht verlangt. Daher kam auch die Angst der Veranstalter, wir könnten in der Nacht verloren gehen oder abstürzen. Ob die nun gewählte Lösung aber gut war? Ich bezweifle das sehr und zumindest drei Nachtläufer zeigten später auch, dass sie mit diesem „gut gemeinten Vorschlag“ nicht einverstanden waren.

Die 12 Stunden waren in Dole also um und ich fokussierte mich, da ich ja mit Zahnbürste und Zahncreme bewaffnet war, auf die Nächtigung. Die Lodge fanden wir eher zufällig, weil noch ein paar Wasserflaschen draußen auf einem Tischchen standen. Der Lodge-Inhaber war vollkommen erstaunt, dass ich dort schlafen wollte, er war aber auch froh ob des unerwarteten Umsatzes.
Michelle und Michele aber wollten unbedingt weiter, trotz der anderslautenden Weisung durch das Orga-Team. Da die beiden zusammen aber nur eine Kopflampe hatten, war deren weiterer Weg wohl eher problematisch gewesen. Einer leuchtet, einer geht – und anders herum. Michelle und Michele waren gegen 22 Uhr endlich in Namche Bazaar, das Ziel war längst unbesetzt, die beiden mit den Nerven am Ende.
Ich jedoch genoss mein traditionelles nepalesisches Abendessen: Reis mit Linsen, vorab eine heiße und wirklich leckere Gemüsesuppe. Zwei junge Männer, Wanderer aus Dänemark, saßen am Tisch neben mir und wir unterhielten uns über Nepal, den Himalaya und über das Essen.

Eine Stunde und 10 Minuten später kamen dann Craig und der Kanadier Mike in der Lodge an. Es war längst dunkel, regnete stark und ich fragte mich, wie die beiden die Lodge finden konnten. Die Wasserflaschen waren längst nach innen geholt worden, wie auch immer, die beiden waren da und nahmen zusammen das Zimmerchen neben meinem.
200 nepalesische Rupien, rund 1.80 EUR, kostete jeden die Nacht in der Lodge, eine Flasche Coca-Cola allerdings kostetet 300 nepalesische Rupien. Hier sind die Werte also etwas verschoben, das war jedoch kein Grund, mir nicht eine Flasche Cola zu gönnen. Und ich lud meine Garmin 310 nach, auch für 300 Rupien die Stunde.
Ich hatte die Garmin angelassen, weil ich am nächsten Tag einfach wieder auf Start drücken wollte, um kumulierte Werte zu haben.
Das hat aber nicht funktioniert, weil sich die Uhr irgendwann in der Nacht selbständig in den Werten zurückgesetzt hat. Weil sie aber die ganze Nacht an war, war der Stand des Akkus trotz der einstündigen Nachladung bedrohlich tief.

Um 5 Uhr wurden wir geweckt, ich war wieder um 4.45 Uhr wach, stets vor dem Wecker. Frühstück statt um 5.30 Uhr schon um 5.15 Uhr und um 5.40 Uhr waren wir fertig. Wir beschlossen, nicht bis 6.00 Uhr zu warten, sondern eben diese 20 Minuten früher zu starten.
Aus dem starken Regen des Vorabends war mittlerweile sehr starker Regen geworden, so stark, dass meine aufnahmebereite Garmin 310, eigentlich eine Uhr, die man auch für das Triathlon verwenden können sollte, leidenschaftlich viel Wasser in sich aufnahm, wahrscheinlich, weil sie dachte, dass sie nun, da die Garantiezeit abgelaufen war, auch einmal auf Lebensende gepolt sein wollte.
Bye bye, liebe Garmin 310!

Wir wussten, dass wir nach einer längeren Hochebene noch einmal bis auf 3.600 Meter steil absteigen und auf der anderen Seite des Tales wieder auf die Höhe von 4.200 Metern aufsteigen mussten. Meine Bergaufschwäche war nach der Nacht vollkommen verschwunden und ich trieb Craig und Mike nach oben an. 44 Minuten für 600 Höhenmeter, kein schlechter Wert, finde ich.
Und oben fehlte nicht nur der Kontrollpunkt, sondern auch mal wieder die Markierung. Wir versuchten es mit dem Weg nach links, gingen dann zurück, in ein Restaurant und wir ließen uns den Weg nach rechts beschreiben.

Nach 2 Stunden und 30 Minuten Laufzeit am zweiten Tag, zusammen also nach 14 Stunden und 59 Minuten, war ich dann im Ziel. Craig und Mike bekamen nahezu die gleiche Zeit aufgeschrieben, weil die Zeitnehmer nicht verstanden, dass die beiden erst deutlich nach mir in der Lodge waren. Macht auch nichts, der morgentliche Lauf mit den beiden war toll, motivierend und wir verstanden uns als Team hervorragend.

Es waren also unter dem Strich doch genau die 15 Stunden geworden, die ich ursprünglich auch geschätzt habe. Es waren insgesamt mehr als 67 Kilometer Laufstrecke gewesen, ich benötigte 5 Stunden für die ersten 30 Kilometer und 10 Stunden für die zweiten 30 Kilometer, die eigentlich 37 Kilometer waren. Ohne die Übernachtung aber hätte ich zweifellos länger gebraucht, die Regeneration über Nacht hat ein Stück weit funktioniert.

Michelle und Michele sind über 3 1/2 Stunden durch die Nacht und den Regen gelaufen, mit einem gemeinsamen Kopflicht, der Australier mit den vielen Tattoos lief erst gegen 3 Uhr oder 4 Uhr, also weitere 5 oder 6 Stunden später, in Namche Bazaar ein. Ursprünglich wurden die drei dann ohne Zeiten gewertet, mittlerweile kamen errechnete Zeiten dazu.
Für alle Seiten blieb aber ein doofes Gefühl. Hier sind die Veranstalter dringend geraten, sich von Anfang an entweder auf ein Zwei-Tage-Event einzurichten oder mit einer Pflichtausrüstungsliste die Nacht zur Laufzeit dazu zu nehmen und wie bei anderen Ultraläufen auch, Cut-Off Zeiten und eine Maximalzeit im Ziel vorzuschreiben.
Denn so viel gefährlicher wie die Laufstrecken des TdG, des PTL, des UTMB und anderer Bergläufe, die über eine oder teils über zwei und mehr Nächte gehen, war diese Strecke definitiv nicht, ganz im Gegenteil.

Es bleibt aber die Erinnerung an eine teilweise wunderschöne und hammerharte Strecke auf höchstem Level, gerade der Loop des 60 K hatte es da in sich, mit einer Strecke, die meist über 4.000 Metern lag und es bleibt die Erinnerung daran, auf der angeblich „höchsten Uphill Trail Running Section“ gewesen zu sein.
Schade war, dass es eben nur so wenige Teilnehmer waren.
Der Australier Bob allerdings hatte von Anfang an Recht. Er hielt die rote Laterne fest und sicher über die gesamte Laufstrecke fest. Und auch deswegen ist er ein Held, wie alle, die diesen „60 K Extreme Ultramarathon“ in seiner ersten Ausführung gewagt haben.
Results

Rauf geht’s auf den Kronplatz!

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Er hat schon fast Kult-Status. Wie der Marathon des Sables. Oder der New York Marathon. Und dass, obwohl er heuer erst im 8. Jahr ausgetragen wird.

2005, im ersten Jahr, war es vor allem die Idee, die ihn so anziehend wirken ließ. Quer über die Alpen ziehen – zu Fuß. Und das in erträglich bequemen Etappen. Nicht zu lang, aber auch nicht zu kurz. Eine echte Herausforderung für die Läufer sollte es ja schon sein.

2008 war ich dann dabei. Im vierten Jahr wurde erstmals die Route gravierend geändert und zur Westroute eine Ostroute dazugefügt. Landschaftlich vielleicht etwas weniger spektakulär, dafür aber insgesamt deutlich länger. Diese neue Route war von Anfang an auch ein Erfolg und so wechselte man in den Jahren danach immer wieder hin und her.

2012 ist wieder die Ostroute dran. Wieder geht es vom bayerischen Ruhpolding bis nach Sexten in Südtirol. Wieder sind es acht Etappen, insgesamt überwinden 330 Teams (660 Läufer) 320 Kilometer in der Vertikaldistanz und dabei stemmen sie noch rund 15.000 positive Höhenmeter.

Du hast längst erraten, um welche Veranstaltung es sich dreht: um den TransAlpineRun, den Traum fast aller Läufer!
Wenn ich heute an den TransAlpineRun (TAR) denke, dann erwachen zugleich Freude und Traurigkeit.

Freude, weil es das bisher vielleicht größte Event war, an dem ich teilhaben durfte.
Ich habe da tolle Landschaften und Sehenswürdigkeiten entdeckt, die Krimmeler Wasserfälle zu Beispiel.
Ich habe einen Freund gewonnen, Heiko Bahnmüller, zu dem die Bindung seither nie aufgehört hat. Wir haben einige Läufe gemeinsam gemacht, lagen gemeinsam unter dem Berberzelt in der marokkanischen Wüste und waren auch jetzt wieder gemeinsam in Chamonix, er als Läufer beim UTMB und ich erstmals als begeisterter Zuseher und Kommentator.
Ich habe meine Jugend und Kindheit wiederentdeckt, spätestens auf der letzten Etappe, wenn es an den „Drei Zinnen“ vorbei Richtung Sexten geht. Eine der zweifellos schönsten Gegenden der Alpen. Und in dieser schönen Gegend sind 500 Läufer mittendrin.
Wie schön diese Gegend ist, siehst Du auch, wenn Du hier klickst (http://www.dolomiten.net/entdecken-geniessen/taeler-almen-berge/drei-zinnen.asp).

Ich weiß noch, wie ich als Kind oft dort mit meinen Eltern und meinen Geschwistern gewandert habe. Ich sehe noch heute den Hund meiner Eltern (wer meine Angst vor Hunden kennt, der weiß, es war nun wirklich nicht „mein Hund“), wie er über die Geröllfelder vor den „Drei Zinnen“ läuft und ich weiß noch, wie bezaubernd ich damals schon diese Gegend fand. Das war wirklich nicht selbstverständlich, immerhin sind wir meist gegen den erklärten Willen von uns Kindern auf Berge gelaufen, die so gleich und langweilig waren, dass man sie später auf den Fotos kaum mehr voneinander unterscheiden konnte.
Die „Drei Zinnen“ sind da in der Tat etwas ganz Spezielles, etwas mit einem Zauber, der einen nie mehr ganz loslässt.
Und Trauringkeit, weil ich auch 2012 schon wieder nicht dabei sein kann. Ursprünglich hatte ich ja geplant, mit Herbert Paulus über die Heckmair-Route von Oberstdorf nach Riva di Garda zu laufen, es waren die Begleitumstände, die der „Christliche Sportverein Stuttgart“ maßgeblich zu verantworten hatte, die meine Teilnahme an diesem Projekt dann leider unmöglich machten.
Und direkt nach dem Beschluss, mich aus diesem Projekt auszuklinken, kam die Einladung von THE NORTH FACE, den UTMB zu besuchen, deren Läufer, meinen TransAlpineRun – Partner von 2008, zu portraitieren und ein wenig über die Zeit zu erzählen.
Also kein TAR 2012?
Im wunderschönen Facebook-Land habe ich dann einmal geschrieben, dass ich ein Stoßgebet Richtung Himmel gesendet habe. „Wenn ich nur einen einzigen Tag da dabei sein dürfte,“ habe ich geschrieben, „das wäre schon das Größte für mich.“ Gerade dieses Jahr dabei sein, wo doch so viele Freunde, so viele aus der großen „Familie“, da laufen!

Und wie ist es oft im Leben?

Wer seinen Teller leer isst, wird mit schönem Wetter belohnt.
Wer das ganze Jahr artig war, dem bringt der Nikolaus etwas Weihnachtliches mit.
Und wer Stoßgebete Richtung Himmel schickt, der darf für einen Tag beim TAR 2012 mitlaufen.
Gerade war ein Presseticket frei geworden und die Möglichkeit, die Geschichten über den UTMB, der ja so verregnet und verschneit war, und über den TAR, der auch im Regen begann, sich aber wohl auf eine fantastisch schöne Woche freuen darf, miteinander zu verbinden hat wohl zu dieser Einladung geführt.
Ein Tag nur, immerhin.
Und meine Aufgabe wird es sein, dort kleine Geschichten und Geschichtchen über drei Läuferpaare zu erzählen. Diese Geschichten und Geschichtchen folgen dann alle am Ende dieser Woche und in der kommenden Woche. Und dabei wird es sich drehen um Julia und Jens Vieler vom „RACING TEAM RONJA„, um Michi Raab von X-BIONIC und seinen Teampartner vom „TEAM GRÜNWALD CONNECTION„, Bernhard Seidl und um ein drittes Team, das ich hier und heute noch nicht verraten will. Ein klein wenig Spannung soll ja doch noch übrig bleiben …

Vielleicht, so meine Lehre aus dem Leben, hätte ich für zwei Tage Stoßgebete schicken sollen. Aber das wäre dann vielleicht auch etwas zu viel des Glücks gewesen.
Und so werde ich am Donnerstag von Sand im Taufers nach St. Vigil, beide Orte im schönen Südtirol, laufen dürfen.

Zitat aus der offiziellen Beschreibung dieser Tagesetappe:
„Am folgenden Tag zieht sich die 38,5 Kilometer lange 6. Etappe mit brutalen 2.289 Höhenmetern bis zum Ziel in St. Vigil zunächst entlang des Osthanges des Tauferer Tals bis in das Stadtzentrum von Bruneck. Danach folgt der endlos scheinende Anstieg auf den Kronplatz, der erst im Gipfelbereich die Aussicht auf die Dolomiten im Süden freigibt.“

Wahnsinn, oder?
Also: Schuhe schnüren und rauf geht’s auf den Kronplatz!