Heute meine beste Freundin …

Das war gestern schon ein ganz besonderer Tag.

Besonders gräßlich.
Besonders deprimierend.

Ein Stich in den Rücken, ein Zucken und ich lag auf dem Boden. Mal wieder war es das ISG (Iliosakralgelenk), das sich blockierend meldete. So wie kurz vor der 100 km DM in Bad Neuenahr am 3. Oktober 2009 und zuletzt wieder Ende Oktober 2010 (siehe Bericht von damals).
Und das einen einzigen Tag vor der Abreise zum SwissIronTrail T201 !
Ich war am Boden zerstört und vollkommen frustriert.

Eine Notiz darüber auf Facebook, um zu informieren und auch, um Leid zu teilen. Wertvolle und aufbauende Hinweise der vielen Freunde im wunderschönen Facebook-Land folgten und ich machte mich dankbar auf zum Sportarzt meines Vertrauens, zu Dr. Roman Bauer in Bad Neuenahr, der Sportarzt, der wahrscheinlich zaubern kann.

Die Sprechstundenhilfe wollte mich erst nicht mehr dran nehmen, aber meine langjährige und gute persönliche Beziehung zu Dr. Bauer, die aus gemeinsamen Zeiten beim SC07 Bad Neuenahr, Frauenfußball 1. Bundesliga, stammt, zwang die erst unwillige Zunge der Sprechstundenhilfe dann doch zu einem geknödelten „Na dann OK, kommen Sie vorbei.“
Eines aber musste sie für Ihr Ego ergänzen: „Aber kommen Sie sofort!“

Als ich dort angekommen war – weit ist es wirklich nicht, aber Du verlierst Zeit und Nerven bei der Parkplatzsuche – brauchte ich mich nicht ins Wartezimmer begeben, sondern ich durfte ich mich gleich auf die „informelle Wartebank“ vor dem Empfang setzen.
Da saß aber schon eine ältere Dame. Ich schaute sie nett an und fragte in einem warmen Tonfall: „Darf ich mich noch zu Ihnen setzen?“
Sie nahm ihr Jäckchen zu sich und bot mir einen Platz an und wies darauf hin, dass die Bank breit genug sei für zwei.

Sitzend bemühte ich mein Samsung Notes Smartphone, um das aufregende Facebook-Land über den aktuellen Stand der Situation zu informieren. Vielleicht bist Du einer von denjenigen, die mir da Glück und Gesundheit gewünscht haben.
Für uns ist der Umgang mit einem Smartphone normal, das Notes mit seinem Riesendisplay lädt aber die Anderen aber förmlich ein, zuzusehen. Und die ältere Dame tat das mit großem Interesse und wachsender Begeisterung.

Sie erkundigte sich nach den vielen Icons und ich philosophierte über „Apps“, über kleine Programme. die bestimmte Dinge können. Ich erzählte ihr von Pilz-Apps, die Pilze im Wald, die Du fotografierst, identifiziert und erklärt, von Vogel-Apps, die den Gesang der Vögel erkennen und die Vögel identifizieren.
Und sofort wirst Du als gebildet und romantisch angesehen, wenn Du mit Deiner Angebeteten durch den Wald streifst und nach dem Gesang einer einbeinigen und rechtsflügligen Bachstelze alles über dieses Tier erzählen kannst. So wirst Du zum Experten, solange Deine Begleitung nicht sieht, wie profan Du das Wissen einfach vom Handy abliest.

Ich zeigte ihr ein paar interessante Apps, zum Beispiel das Instagram Kamera-App. Ich schaltete den Aufnahmemodus auf  die Frontkamera um und sah uns beide auf dem Display.
Wir beide waren angeschnitten, aber das war mir in diesem Fall wirklich egal. Ich fotografierte uns beide, sie war begeistert und ich hatte eine Freundin gewonnen.


Sie erzählte mir von ihren 84 Lebensjahren, die in Bayern begannen, von 50 Jahren Ehe mit ihrem verstorbenen Mann, der aus Ostpreussen stammte. Ich erzählte ihr von meinen Kindern und davon, dass mein Adoptivvater aus Insterburg stammte und sie blühte auf. „In Insterburg,“ sagte sie, „hat mein Mann früher viel gearbeitet!“
So klein ist die Welt.

Ich updatete meinen Facebook-Status erneut und sie schaute erneut fasziniert zu. Die drei Sprechstundenhilfen hinter dem Empfang hatten mit der Beobachtung dieses Gesprächs genauso viel Spaß wie wir beide. Selbst eifrige Smartphone-Nutzer ergänzten die drei meine Informationen, fragten nach dem Stand der Gesundheit der alten Dame und wir redeten, nun zu fünft, darüber, dass sie leider zuerst ihren Ehemann, dann ihre zwei Enkel und dann auch noch ihre Tochter überlebt hat. Und wie weh das tat.

Sie erzählte von ihren starken, hoch gewachsenen Enkeln, deren Leben auf dem Motorrad unter einem falsch fahrenden LKW endete und von ihrer Tochter, deren Leben durch ein Blutgerinsel im Gehirn zu Ende ging.
Und sie sagte, dass sie keinem Menschen wünscht, am Grab der eigenen Kinder oder sogar der eigenen Enkel stehen zu müssen.
Jetzt, sagte sie, sei sie ganz allein auf dieser Welt.

Aus dem lockeren Gespräch war sukzessive eines mit Tiefgang geworden. Es wurde richtig still bei den drei Sprechstundenhilfen und bei mir. Wir lauschten intensiv und erlebten eine Frau, die für ihr Alter körperlich einigermaßen in Ordnung war, geistig aber leuchtete ihre Intelligenz hell und freundlich, sie war lustig und sehr menschlich, einfach ein richtig guter Mensch.
Sie war meine beste Freundin von heute.

Und so hatte gestern die ISG-Blockade für mich sogar noch etwas wirklich Gutes …

Über Vorfälle, Vorwölbungen und Vorbeugen

Genau eine Woche vor dem Start des TransAlpineRun 2008 ging es los. Ein letztes Tennisspiel um die Vereinsmeisterschaft in meinem Ringener Tennisclub, ein gewonnener erster Satz und eine Führung im zweiten, ein Regenguss aus kaltem Regen, ein nasses Shirt, ein Stich, die Aufgabe, wie immer: zu spät!
Trotz eines heißen Bades half nichts mehr, ich ging wie ein alter Mann gebückt durchs Leben.

Am Montag darauf ging ich als erstes zum Doc und ich bekam eine Spritze. Danach fuhr ich wie gebucht ins Lauf-Höhentraining in die Alpenrepublik Österreich. Von Laufen aber konnte keine Rede sein. Der mitleidig schauende Pensionswirt in dem Hochtal, in dem ich die Übernachtungen gebucht hatte, dachte wahrscheinlich nur, dass ich ein Irrer bin. Der krumm und schief laufende Kerl erzählt, dass er ab dem kommenden Samstag 300 Kilometer über die bayrischen, österreichischen und italienischen Gipfel laufen will…
Keiner glaubte daran, ich auch nicht.

Zwei Tage und unzählige ABC-Pflaster später, am Mittwoch, konnte ich wenigstens wieder spazieren gehen und das tat ich dann auch ausgiebig und schon am Donnerstag konnte ich moderat den Berg hochlaufen. Sehr engagiert überholte ich immer wieder Wanderer auf Wanderer und ich wurde nicht müde, von den 15.000 Höhenmetern zu erzählen, die vor mir lagen. Bergab aber konnte ich nur gehen, der Schmerz auf der Wirbelsäule war einfach noch zu groß. Der Freitag dann war mein Transfer-Tag. Von dem Hochplateau zum Münchner Flughafen, einen Freund treffen und dann weiter nach Fürstenfeldbruck zu meinem Laufpartner Heiko, keine Zeit zum Laufen.
Am Samstag dann, mit dem Startschuss, war das Wunder perfekt. Die permanenten ABC-Pflaster hatten geholfen, ich war vollkommen schmerzfrei!

Am Dienstag vor dem Start der Deutschen Meisterschaft im 100km Straßenlauf in Bad Neuenahr passierte es wieder. Beim Setzen auf die Bettkante gab es einen Stich in den Rücken, die Muskeln verhärteten sich, die Schmerzen kamen und ich ging wieder gebückt wie ein Alter. Mein Freund und Doc, Dr. Roman Bauer, ein Sportarzt und ein wahrer Meister seines Fachs, spritzte mich zwei Mal. Gleich am Dienstag und erneut am Freitag. Am Freitag wurde ich dann auch noch „gequaddelt“ und noch am Freitag Abend, als ich die Startunterlagen abgeholt habe, glaubte ich nicht an einen Start.
Nur der Hilfe von ein paar Pfund Schmerzmitteln war es dann zu verdanken, dass ich am Samstag doch noch starten konnte, um das reine Glück mit vielen Freunden zu erleben.

(klicken zum Vergrößern)

Und nun am vergangenen Samstag das gleiche Lied. Bis Freitag war ich noch Ski fahren in den Höhen von La Plagne, dort musste ich aber wegen einer Erkältung einen Tag aussetzen und ich startete danach wieder, wie immer: zu früh!
Vielleicht war es mein einziger Sturz auf den Rücken am Freitag, vielleicht die Nachwirkungen der Erkältung, auf jeden Fall passierte es wieder. Schon nach dem Aufstehen merkte ich, dass der Rücken schmerzt und ab der ersten Tankpause auf der Rückfahrt war es klar.
Es hatte mich mal wieder erwischt!

Kein Tennis am Sonntag, weder das Doppel am Morgen noch das Einzel am Abend und am Montag wieder zu Dr. Roman Bauer. Wieder gab es eine Spritze und ich wurde auch gleich wieder „gequaddelt“. Wieder 10 Stiche in die Muskelstränge im Rücken, aber wieder war das ungeheuer effektiv. Schon nach wenigen Stunden ging es mir besser und gestern konnte ich schon wieder normal gehen. Nur den Nierengurt, den Gabi mich verpflichtet hat, zu tragen, den habe ich auch heute noch an. Damit der Rücken warm bleibt.

Heute war dann eine kurze Besprechung meiner körperlichen Situation. Das obige Röntgenbild und die Ergebnisse der „Röhre“ zeigen zwei leichte Vorwölbungen der Bandscheiben, aber es ist definitiv kein Bandscheiben-Vorfall. Ein wenig Arthrose an den Knochen, nicht schlimm, aber für mein Alter und meine sportliche Ausprägung ungewöhnlich, alles in allem aber nicht besorgniserregend, so meinte Dr. Roman Bauer zu mir.

„Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Bandscheiben-Vorfall und einer Bandscheiben-Vorwölbung?“ wollte ich von Dr. Roman Bauer wissen. Er erklärte mir das so, dass die Vorwölbung häufig ist und nicht bis ans Rückenmark reicht. Beim Bandscheiben-Vorfall jedoch drückt die Bandscheibe direkt auf das Rückenmark, was die Ursache für permanente Rückenschmerzen ist.
Die Schmerzen aber, die ich akut hatte, waren bedingt durch eine Muskelverhärtung der Muskelstränge in der Lendengegend. Deshalb hat die Spritze auch so schnell geholfen. Sind die Muskeln wieder entkrampft ist der Schmerz auch gleich wieder weg.

Also keine Panik, TOM, dachte ich. Ich kann weiter laufen und ich kann auch weiterhin die „langen Kanten“ machen. Gut zu wissen, denn die TorTOUR de Ruhr, der Marathon des Sables und der PTL würden sonst in meiner Lebenslauf-Agenda sicherlich fehlen. Und was hätte ich dann zu erzählen, wenn irgendwann die Enkelchen auf Besuch sind und ich denen erzählen will, was für ein toller Hecht ich doch mal gewesen bin, damals, als ich noch jung war und noch laufen konnte?

Und ich werde vom Laufen erzählen, von der puren Lust an der Natur und an der frischen Luft, von Nachtläufen, von der totalen Erschöpfung und vom vollkommenen Glück. Und, wenn alles passt, dann werde ich auch von den Sanddünen der Sahara erzählen, von der Wahnsinns-Strecke entlang der Ruhr und zum Schluss von den 18.000 Höhenmetern und den 100 Stunden Strapazen des PTL, den ich mir mit zwei Lauffreunden angetan habe.
Und vielleicht, ganz vielleicht, geht diese Geschichte dann auch noch weiter, denn es gäbe noch viele Geschichten zu erzählen, schöne Geschichten, vom Sparthatlon, von Badwater, von der „Diagonale der Verrückten“ auf La Réunion, von der „La Grande Traversée des Alpes“ oder vom Deutschland-Lauf oder sogar vom „Trans European Footrace“ …

Aber Dr. Roman Bauer hat mich verurteilt. Verurteilt zu zwei Mal Rückenübungen pro Woche im Fitness-Center unter Anleitung und Aufsicht eines Physiotherapeuten. „Der Rücken,“ so Dr. Roman Bauer, „wird von allen Läufern vernachlässigt. Trainiere diese Muskeln und Du wirst in der Zukunft weniger oft Schmerzen haben!“

Ich habe dieses Urteil angenommen und beginne schon morgen damit. Im Heimersheimer „AreVital“ werde ich mir ein Programm zusammenstellen lassen, dass ich dann konsequent abarbeiten und einhalten werde. So viel Vorbeugung muss sein, damit aus der Vorwölbung kein Vorfall wird.