Ein super Dank an super Leute …

Einen Lauf wie den SH-Supertrail beschreiben geht für mich nicht anders als das mit Danksagungen zu tun.

Der erste Dank gebührt dabei natürlich dem Veranstalter Bernhard Sesterheim und seinem ORGA-Team. Einen solchen Lauf über zwei Tage auf die Beine zu stellen nötigt mir Respekt ab, vor allem, wenn es sich um den ersten Lauf solch einer Art handelt.
Die Hütten, in denen wir von Donnerstag auf Freitag und von Freitag auf Samstag genächtigt hatten, waren super und geradezu prädestiniert für ein solches Event. Die dazu gehörigen Sanitäranlagen waren ebenso ideal und sie waren, trotz eines technischen Problems, vollkommen ausreichend.


Ganz besonders fasziniert aber hat mich das angeschlossene Restaurant. Bei einem Leistungszentrum der Leichtathletik vermutest Du oft nur ein dunkles und einfaches Restaurant mit wenigen deftigen und fettigen Speisen, einem Patron, dessen Schürze aussieht wie das Babylätzchen meiner Kinder, als die noch klein waren, aber weit gefehlt:
die beiden Frühstücke, die uns geboten wurden, waren auf wirklich hohem Niveau und auch das Nachfüllen von Rührei, Quark oder Joghurt war präzise und schnell.

Das Abendessen jedoch machte mir etwas Bauchgrummeln. Es gab zwar ein Buffet, gut für die Viel-Esser unter uns, es gab aber nur eine sehr gut sortierte Salatbar, Spätzle, Gulasch und als Dessert ganz viel Schokoladenpudding. Alles davon wurde auf einer großen Tafel auf einer Staffelei angekündigt.
Als ich erwähnt hatte, Vegetarier zu sein, war ich erstaunt, nicht das übliche „Mann, da ist wieder so einer, der uns unnötige Mühe macht“ zu erfahren (hören tust Du das ja nie, aber die Gesichter mancher Restaurant-Angestellter sprechen Bände … ), sondern erst kurz mit dem Koch über Tofu-Gulasch reden zu können.
Bekommen habe ich dann vier halbe gefüllte Paprika, gefüllt rein vegetarisch und optisch und geschmacklich so lecker, dass Wilma, die mir gegenüber saß, plötzlich meinte, ebenfalls eine Vegetarierin zu sein. Für dieses spezielle Abendessen gebührt diesen Küchenangestellten mein zweiter Dank.

Mein dritter Dank gebührt den superleichten und superflachen INOV-8 Roclite 285 Trailschuhen, auf die mich viele Mitstreiter angesprochen haben. Üblicherweise wählst Du ja eher die stärkeren Modelle von INOV-8 für diese Strecken, aber mit diesen roten Schuhen, die quasi aus einer Ahnung von Nichts bestehen, die in der Größe UK8 nur 285 Gramm wiegen, fühlte ich den Waldboden direkt unter mir. Es war herrlich.
Was schreibt INOV-8 dazu auf der englischen Homepage?

„Ideal/Recommended Activity: Trail Running Adventure Racing Cross Country Climbing Approach Mountain.“
Stimmt, dem ist nichts hinzuzufügen.

Mein vierter Dank geht in Richtung X-BIONIC. Dieser Dank ist aber mit einer kleinen Träne in Augenwinkel verbunden. Seit dem „Marathon des Sables“ laufe ich, mit einer einzigen Ausnahme, stets bei Strecken „Marathon und länger“ mit den X-BIONIC Kompressionsstrümpfen.
Wenn ich vorher oft „Elefantenfüße“ nach einem Lauf bekommen hatte, dann ist das seit dem „Marathon des Sables“ vergessen. Nur bei dem einen Mal, wo ich mal wieder mit normalen Socken gelaufen bin, habe ich meine Waden wieder gespürt. Wir alle kennen die Diskussion, ob man Kompressionsstrümpfe verwenden soll oder nicht. Und jeder hat eine eigene Meinung dazu, manche sogar, ohne jemals solche Strümpfe getragen zu haben.
Für mich sind die X-BIONIC Kompressionsstrümpfe ein Segen und die kleine Träne im Augenwinkel habe ich nur, weil ich mich am Ende der nächsten Woche von ihnen verabschieden muss. Beide Fersen sind mittlerweile durch, aber nach rund 2.500 Wettkampfkilometern in diesen Strümpfen finde ich, dass das in Ordnung ist. In Delmenhorst beim 24-Stundenlauf am kommenden Wochenende dürfen sie den Fluss meiner Lymphe ein letztes Mal kontrollieren, danach werde ich sie standesgemäß beerdigen.
Beim “TRA 250 Miles Thames Ring Race“ werde ich dann mit ganz neuen X-BIONIC Kompressionsstrümpfen vor Ort sein.

Ein Strauß an Danksagungen wäre aber nicht vollständig, wenn es bei einer geraden Anzahl an „Blumen“ bliebe. Und so gebührt mein fünfter und letzter Dank denjenigen, die diesen Lauf erst zum Event gemacht haben. An die, für die und wegen denen ich mich immer wieder vor allem auf die kleineren und familiären Läufe freue und darin aufgehe und bei denen ich inständig hoffe, dass solche Tage nie zu Ende gehen wollen. Es sind die Lauffreunde, die mich vor, während und nach dem Lauf glücklich machen.

Ob sie wesentlich besser sind als ich oder einen Tick langsamer, von jedem lerne ich, dass diese Welt eine andere, eine bessere Welt wäre, wenn alle Menschen Ultraläufer sein würden.
Gerade beim SH-Supertrail waren es viel zu viele dieser engen und engsten Lauffreunde, als dass ich sie hier aufzählen könnte. Es würde den Rahmen einfach sprengen. Aber einige seien doch stellvertretend für die anderen genannt – und die nicht genannten mögen mir dennoch weiter gewogen bleiben.

Ich will zuallererst Wilma Vissers erwähnen. Ich habe sie seit dem SwissJuraMarathon (SJM), wo sie drittbeste Läuferin wurde, nicht mehr gesehen. Sehnen- und andere körperliche Probleme haben ihrer grandiosen Läuferkarriere eine kleine Delle verpasst und so war sie für mich diejenige im Starterfeld, auf die ich mich am meisten gefreut habe.

Wilma Vissers auf dem Podest beim SJM 2009, in der Mitte die Gesamtsiegerin Cécile Berg und ganz links die Zweitplatzierte, die großartige Anna Hughes

Als nächstes verdient Bernie Conradt eine Erwähnung. Als junger Vater hat er seine läuferischen Ambitionen ein wenig nach unten korrigiert und ich habe ihn seit seinem elefantösen Auftritt beim “TOUGH GUY 2011“ nicht mehr gesehen. Ohne ihn aber wäre die Veranstaltung bei weitem langweiliger geworden, weil er durch seine Kontakte nahezu alle „Coolrunners Germany“ aktiviert hat: Grace, Didi, Norman, Heidelinde, Kurt, Tanja, Walter, Alex und viele mehr.
Von vielen wusste ich zuvor nicht, dass ich sie dort treffen würde, umso größer war die Freude.

Bernie ist auch derjenige gewesen, der mich überhaupt in die läuferischen Regionen katapultiert hat, in denen ich in den letzten Monaten laufen durfte. Sein Satz nach dem “TransAlpineRun 2008“ „Jetzt hast Du drei UTMB-Punkte, jetzt musst Du auch zum UTMB“ hat mir Grenzen nach oben geöffnet, dafür danke ich Bernie noch heute. Aber ungelogen: bis zu diesem Satz wusste ich nicht einmal, was der UTMB überhaupt ist.

Den dritten, den ich erwähnen will, ist Raimund Slabon. Nicht nur, weil er ein extrem schneller Trailläufer ist, sondern, weil er einer von meinen zwei Rettern bei der „TorTOUR de Ruhr“ war – und beide Retter waren bisher eher unbekannt und unbedankt geblieben. Raimund war die Fahrrad-Begleitung von Susanne Alexi auf der TorTOUR und derjenige, der zurück gefahren ist, um mich, als ich mich derbe verlaufen hatte, wieder auf den rechten Weg zurück zu bringen.
Bei solch einer körperlichen Anspannung bleibt der gebührende Dank oft aus – dieses Wochenende war eine gute Gelegenheit, das nun nach knapp einem Jahr nachzuholen.


Unbedankt und unbekannt bleibt dann nur noch der andere Retter bei der TorTOUR. Es war kurz vor der Ruhr-Metropole Essen nach dem Versorgungspunkt, den John P. Hunold gemanagt hat. Er hielt dort unter einer Brücke die Stellung, vor seinem Wohnmobil und unter seinem Tropenhut.
Ich war so froh, mit ihm ein paar Worte wechseln und ein paar Minuten dort ausspannen zu können, dass ich erst etwa nach zwei Kilometern hinter dem Verpflegungspunkt gewahr wurde, dass ich meine beiden Trinkflaschen bei ihm vergessen hatte!
Und als ich hin- und hergerissen war zwischen den Überlegungen, ob ich zurück laufen sollte oder auf Tankstellen hoffen sollte, damals, an diesem extrem heißen Pfingsttag, an dem der Baldeneysee und die Ruhrauen übervoll waren mit Grillern und Frisbee-Spielern und als ich mich nicht entscheiden konnte, welche Alternative ich wählen sollte, da klopfte mir dieser andere unbekannte Retter auf die Schulter.

Er kam mit einem Fahrrad angeradelt und übergab mir die gefüllten Wasserflaschen, die ich so sehnlichst vermisst hatte. Ich glaube, den Dank dafür blieb ich bis heute schuldig. Umso schöner, dass ich aus einem der beiden unbekannten und unbedankten Retter einen bekannten Retter machen konnte, dem ich danken durfte.

Die letzte Erwähnung hier erhält Norman Bücher. Seit ich ihn über die „Coolrunners Germany“ und über die Gruppe „UTMB & CCC“ im „wer-kennt-wen“ (WKW) kennengelernt habe, respektiere ich ihn von Woche zu Woche mehr.
Ob es seine läuferischen Leistungen sind, seine berufliche Karriere als Motivationsredner oder seine Erlebnisberichte, wenn er erzählt: am meisten schätze ich an ihm, dass er ein braver und bescheidener Ultraläufer geblieben ist, der als junger Vater auch beim Brasilianischen Jungle-Marathon weiß, wo man aufgeben muss.
Und besonders freuen tue ich natürlich darauf, mit ihm beim „Tor des Géants“ (TdG) teilnehmen darf. Als ich am Ende des SH-Supertrails mit ihm auf den Zieleinlauf angestoßen habe, sagte ich zu ihm:
„Wenn wir das im September auch zusammen tun dürfen, dann wäre ein Traum wahr geworden!“
Norman antwortete: „Ja, aber dann feiern wir etwas aufwändiger!“


Vielen Dank an alle für dieses wunderschöne Wochenende!

Männer sind Schweine …

… Frauen aber auch!

Sind Männer wirklich Schweine? In ihrem Lied postulieren „Die Ärzte“ etwas, was ich beim ToughGuy unbedingt kontrollieren wollte. Sind Männer wirklich so?

The Ghurkha Grand National

Nach dem Slalom durften wir also endlich wieder einigermaßen ungestört laufen. Dabei wird schnell klar, dass die natürliche Haltung eines Läufers gebückt ist, stark gebückt, um unter den blauen Netzen durch zu kommen. Am besten ist es dabei, Du nimmst Deinen Schädel ganz nahe an das Hinterteil Deines Vordermanns, eines möglichst massigen und großen Vordermanns, dann kannst Du am einfachsten unter den Netzen durchtauchen.
Manche versuchen auch, diese Netze rückwärts zu durchlaufen oder einfach schräg, alles nur, um hier schnell und verletzungsfrei vorbei zu sein.
Noch vor zwei Jahren hatte ich ein Seil des Netzes direkt auf die Stirn bekommen, ein blutiger Striemen war die lange sichtbare Folge davon. 2011 jedoch gelang mir die Unterquerung der vielen blauen Netze und die der viel gefährlicheren dünnen schwarzen Netze recht ordentlich. Nur die Elefantenohren, die wir ja schon früh in den Nacken geworfen hatten, blieben manchmal bei der Bückerei irgendwo hängen. Hier ein Reißen, da ein Ziehen, dort ein Ächzen.

Dieser Teil mit den Netzen und dem gespannten Stacheldraht heißt „The Ghurkha Grand National“, was für ein merkwürdiger Name. Aber es ist auch irgendwie nicht normal, wenn Menschen durch den Schlamm robben und sich da ganz besonders tief reindrücken, weil es besser ist, Matsch zu essen als an dem Stacheldraht-Gitter über Dir hängen zu bleiben.
Schlamm schmeckt zwar nicht, er tut aber auch nicht weh.

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Spätestens jetzt sind alle Teilnehmer voller Schlamm, im Gesicht, in den Ohren, in den Haaren, über und über voll mit Dreck.
Sie haben also recht, „Die Ärzte“, Männer sind tatsächlich Schweine … !

The Tiger

Eingesaut von Kopf bis Fuß geht es dann weiter zum nächsten Hindernis. „The Tiger“ heißt es und es ist wirklich prickelnd.

Der Veranstalter schreibt darüber:

The Tiger is 2 massive 40ft A-frames that competitors must clamber up and run down and if that wasn’t tough enough in between the 2 is the ‚Sting in the Tail‘ a series of electric fences primed and charged with twice the power required to stun a bull. Traditionally this is the first obstacle you get after the long run and it is a mixture of relief the run is over and apprehension that the worst is yet to come.

Electric fences? Damit sind weiße, elektrisch geladene, von oben herabhängende Schnüre gemeint, die sich zwischen den beiden Palisaden befinden, auf die Du vorher und nachher klettern darfst. Und diese „electric fences“ wirst Du nicht überstehen, ohne wenigstens ein paar der berühmten Stromschläge zu bekommen, für die der ToughGuy bekannt ist.

Noch vor zwei Jahren dankte ich dem Himmel für diese herabhängenden Schnüre und dachte, dass ich mich daran zum nächsten Hindernis hangeln und nach vorne ziehen kann. Ich packte also eine Schnur rechts und eine links und wollte mich nach vorne pushen, aber dann kam der Stromschlag. Ich hatte damals lange gebraucht, um zu begreifen, dass Du Dich durch die Schnüre hindurch schlängeln sollst, möglichst ohne diese zu berühren.
Und auf keinen Fall sollst Du zwei davon gleichzeitig berühren …

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2011 war ja alles besser. Ich kam mit zwei Stromschlägen durch dieses Feld und dachte, dass damit der prickelnde Teil erledigt sei. Ein großer Irrtum, wie sich später heraus stellen sollte.

Colditz

Das Klettern hatte also begonnen, also kletterten wir weiter. Die nächsten 3 Hürden werden „Colditz“ genannt.
Es sind drei hohe Wände aus Holzstämmen, die es zu überwinden galt. Schmutzig und schlammig wie Du bist, schmutzig und schlammig wie die wenigen Auftritt-Möglichkeiten dieser Wände sind, rutschst Du müde und abgekämpft meist aus und fühlst Dich erlöst, wenn Du dann wirklich irgendwo Tritt findest.
Aber noch schöner und erlösender ist es, wenn Dich eine helfende Hand von hinten nach oben schubst.

Männer mögen Schweine sein, sie sind aber auch sehr hilfsbereit. Danke, Männer!

Und es ging weiter, immer weiter und davon erzählt der nächste Artikel …

Von Superwoman, von Indianern, Astronauten, Gladiatoren und von rosa Elefanten

Kennst Du diesen Witz?

„Du sitzt im Cabrio, vor Dir ist ein Feuerwehr-Auto, hinter Dir ist ein Flugzeug. Wo bist Du?


Na klar: im Kinderkarussell!“

Andere Frage:

Neben Dir ist ein Gladiator, hinter Dir ist Superwoman, vor Dir ist ein Astronaut im Ganzkörper-Latexanzug, davor ist ein Indianer. Wo bist Du?
Auch klar: beim ToughGuy!

Als wären die Herausforderungen dieses unglaublich strapaziösen Laufs alleine nicht schon genug, verkleiden sich Hunderte von Läufern als Schotten, Superman, Schlümpfe, als Fliegenpilz, Frosch, Krokodil, Men in Black oder wie im Falle von Bernie Conradt, Kurt Süsser, Alex Metzler und mir als rosa Elefanten.
Wie lange dieser zweifellos kurze Lauf genau ist, weiß niemand, zudem ist die Länge immer ein wenig unterschiedlich. In der Regel sind es aber irgend etwas zwischen 12 und 16 Kilometern, 12 bis 16 Kilometer, die alles von Dir abverlangen, was in Dir ist.

Dabei gibt es zwei Teile des Laufs. Mindestens zwei Drittel umfassen die „Country Miles“, die Laufpassagen. Auch auch bei denen gibt es ein paar eklige und schwierige Hindernisse. Die meisten Hindernisse aber befinden sich im letzten Drittel des Laufs, in den „The Killing Fields“.

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Wähend der Name „Country Miles“ eher verharmlost, erfüllt der Name „The Killing Fields“ durchaus das, was Dir an Assoziationen kommt, wenn Du diesen martialischen Namen hörst.

Wir hatten uns schon am Anfang getrennt: Alex Metzler lief mit Bernie Conradt und ich lief im Wesentlichen an der Seite von Kurt Süsser. Wir blieben aber stets in Sichtweite zueinander und am Ende liefen wir alle gemeinsam ins Ziel ein. Es hätte sich auch keiner absetzen können, das Elefantenkostüm wurde, einmal nass geworden, tonnenschwer und von Minute zu Minute länger. So lange, dass das Beinkleid bald über die Schuhe ging und wir auf diesem Stoff Richtung Erlösung liefen.
Alex und Bernie haben sich dann in etwa nach der halben Strecke der Kostüme entledigt, Kurt und ich jedoch blieben auch unter ständig schwerer werdenden Bedingungen Mitglied der rosa Elefantenherde, einzig die Kopfbedeckung haben wir schon sehr früh abgenommen und in den Nacken geworfen, weil es mit den riesigen Elefantenohren auf unseren zarten Menschenohren viel zu warm war.

Nachdem es also endlich losging und wir vorsichtig den Hügel hinabliefen, als rechts und links von uns kleine farbige Nebelbömbchen hochgingen, jeder den Vordermann bedrängte, schubste und an ihm vorbeizukommen versuchte, ging es in die erste Kurve und dann kamen ein Dutzend waagrecht aufgestellte Baumstämme in unterschiedlichen Höhen, über die Du hüpfen oder unter denen Du durchtauchen musstes.
Die kannte ich schon vom ToughGuy 2009, keine große Sache. Überhaupt, so dachte ich, sind die „Country Miles“ relativ harmlos und ideal für uns Läufer.

Chataway Chase

Das dachte ich, bis schon nach wenigen Hundert Metern die 15 Gräben kamen. „Chataway Chase“ heißen die Dinger, sie sind rutschig, schlammig, voll kaltem Wasser und es war schwer, da wieder heraus zu kommen.
Den ersten der Gräben findest Du ja noch ganz lustig, aber nach 15 Gräben bist Du platt, richtig schmutzig und schon fertig mit der Welt.
Zum Glück darfst Du dann wieder weiterlaufen. Wenn Du es noch kannst.


Nun läufst Du einige Kilometer durch Schlamm, Wasser, Dreckrinnen, bergauf und bergab, bis Du zur nächsten Herausforderung kommst, die angesichts der kalten Muskeln und der bisher erlebten Schwierigkeiten selbst Läufer fordert: „Der Slalom“.

Der Slalom

Schon vor dieser Prüfung läufst Du an einzelnen Teilnehmern vorbei, die Krämpfe haben, nach dieser Prüfung jedoch steigt die Krampfquote rapide an.
Vor allem die Bodybuilder unter den Teilnehmern, die mit den aufgeblasenen Muskeln ohne Ausdauer sowie die nur wenig trainierten Teilnehmer sind hiervon besonders betroffen.

Wenn Du jetzt denkst, dass es doch gar kein Problem sein kann, gerade einen steilen Hügel hinauf zu laufen, zu gehen oder sich sonstwie da hinauf zu kämpfen, dann stimmt das sicher.
Auch zwei Mal diesen Hügel erklimmen ist noch kein großes Problem. Aber drei Mal, vier Mal, fünf Mal … ?
Es sind zehn Mal, immer und immer wieder rauf und steil gerade hinab, die vor Dir verlangt werden und spätestens nach sechs Mal hoffst Du, dass die Erosion diesen Hügel schnell abträgt.
Aber das passiert nicht, nur Dein Wille und Deine Kraft unterliegen der Erosion und Du fühlst Dich klein, unbedeutend und schwach wie ein kleines Kind.


Das deutsche Mädel, das sich als Fliegenpilz auf die Reise gemacht hat, hat bei diesem „Slalom“ mit ihrem rot-weißen Pilzhut zu kämpfen gehabt, Superwoman hatte Tränen in den Augen, der Gladiator bekam Krämpfe und wir rosa Elefanten hatten mit den mittlerweile elend langen Hosenbeinen des Elefantenkostüms zu kämpfen. Bergab lief ich, indem ich mit den Händen die Hosenbeine hoch hielt, wie eine Dame, die Ihr Kleid hochzieht, damit es nicht auf den Boden streift.
Nur die Deutschen, die sich für  Schottenröcke entschieden haben, waren glücklich: das Kostüm blieb unversehrt und behinderte die Jungs nicht beim Laufen.

Nach dieser Tortour des Slaloms durften wir uns dann beim Laufen wieder etwas erholen …

Rosa Elefanten im Auto und gelbe Enten on air

Der Stau auf der Anfahrtsstraße vor dem ToughGuy Event ist legendär. Nur der StrongManRun kann da noch mithalten in Sachen Läuferbehinderung. Also musst Du früh dort sein, um kein Risiko einzugehen, nicht pünktlich am Start zu sein.
Meine toughen Begleiter Bernie Conradt, Kurt Süsser, Alex Metzler, unsere Haus- und Hof-Fotografin Gabi und ich haben uns also am Sonntag schon um 8.45 Uhr aufgemacht, die 10 Autominuten lange Strecke zu bewältigen.

Beim Frühstück waren wir noch normal verrückte Läufer, aber danach begann unsere Verwandlung. Franz Kafka hätte angesichts dieser Metamorphose sein legendäres Werk umgeschrieben und hätte seinen Romanhelden Gregor Samsa nicht als ekligen Käfer, sondern als rosa Elefanten aufwachen lassen. Weil rosa Elefanten interessanter sind als klebrige Riesenkäfer, vor allem dann, wenn in den Elefanten so toughe Jungs im besten Mannesalter stecken. Nur Alex muss ich hier ausnehmen, weil er fast 20 Jahre jünger ist wie wir, also gewissermaßen noch in den Elefanten-Kindergarten geht.

Klicken: Mehr Fotos von den vier rosa Elefanten gibt es hier auf Facebook!

Die vier rosa Elefanten hatten dann bei der Fahrt zum ToughGuy auch keine Probleme, bei Kreuzungen in den fließenden Verkehr einzufädeln. Auto fahrende rosa Elefanten haben scheinbar stets Vorfahrt.

Es war also erst kurz nach 9 Uhr, als wir am ToughGuy Gelände ankamen, aber es war schon richtig voll dort. Vor allem vor dem „Forehead Marking“, der Hütte, wo uns die Startnummer in schwarzem Filzstift auf die zartrosa Elefantenhaut geschrieben wurde, drängten sich endlos viele Läufer, Journalisten und interessierte Zuschauer.
Unser Elefantenkostüm verfehlte seine Wirkung nicht. Unglaublich viele Menschen wollten sich mit uns fotografieren lassen. Klick hier, klick da, immer wieder. Ein Fernsehteam holte uns zum Interview, schade, dass ich nicht weiß, wo das dann gesendet wurde. So vertrieben wir vier elefantenstarken Jungs die Zeit, weil wir warten mussten: auf unsere graue Maus.


Die Rolle der Elefantenerschreckerin spielte Steffi, die sich schon vor Monaten per eMail unserem Team angeschlossen hatte. Aber Wolverhampton ist zu groß, um sich zufällig zu sehen und Steffi kam einfach zu spät, wirklich sehr schade.
Folglich sind wir dann eine halbe Stunde vor dem offiziellen Start in die Startbox der „Queen Wisitors“ gegangen, dem zweiten Startblock, gleich nach den „King Wisitors“.
Zwar hätte ich als beurkundeter ToughGuy 2009 auch in einem anderen Startblock starten dürfen, aber als rosa Elefant allein sein wollte ich dann doch nicht. Rosa Elefanten sind eben etwas schüchtern und ängstlich.

Wir vertrieben uns die halbe Stunde erst mit Gesprächen im Startblock. Da waren die blauen Münchner Schlümpfe, die wir schon am Vortag kennen gelernt hatten, die beiden Schweizer mit den Helmkameras aus unserem Hotel, die uns beim Frühstück erzählt haben, dass sie die Wasseraufnahme in Form von vielen Gläsern bitteren Guinness Bieres bis kurz vor 4 Uhr am Morgen noch hart trainiert hatten.
Ganz wach sahen die wirklich nicht aus, bei Schweizern ist man aber nie ganz sicher, ob die Langsamkeit angeboren ist oder vom Trainingslager her stammt.

Und da waren viele anderen, die sich immer für die kleine Elefantenherde interessiert haben, wir aber interessierten uns vor allem für „Mr. Mouse“. Nachdem unsere Maus Steffi nicht bei uns war, wollten wir wenigstens ein Foto mit „Mr. Mouse“ machen. Also überquerten wir die Absperrungen, gingen zu ihm und bekamen, was wir wollten. Ganz begeistert war er nicht, aber er war wenigstens geduldig.
„Mr. Mouse“ war früher mal in Wuppertal und er wurde nicht müde, davon zu erzählen.

Mr. Mouse, der Erfinder des ToughGuy. "Jetzt aber schnell wieder hinter die Absperrung!" meint er danach.

Noch immer waren zehn lange Minuten zu überstehen, bis der legendäre Kanonenböller als Startsignal ertönen würde. Langsam wird es doch etwas zäh, dachte ich.
Zum Glück hatte einer der toughen Wartenden einen Football dabei, den er wahllos in die Menge schoss. Dort von irgend jemandem aufgefangen, wurde er zurück geschossen oder zurück geworfen, wenn der Fänger sich den Abschlag mit dem ovalen Ei nicht zutraute.
Und bei jedem Abschlag ging ein begeistertes Raunen durch die wartende Menge und bei jedem Wurf ein enttäuschtes Grummeln. Dieses Mitmachen hielt die Laune oben, auch wenn nur die wenigsten von uns den Football tatsächlich einmal anfassen konnten.

Noch fünf Minuten vor dem Start, die Anspannung stieg. Die Startboxen wurden voller und voller und die Menge drückte schon merklich in Richtung des vermeintlichen Ausgangs, um später eine bessere Ausgangsposition zu haben.

Wir alle hatten am Vortag in unserer Starttüte eine kleine gelbe Plastikente gefunden. Die sollten wir auf der Unterseite mit unserer Startnummer versehen und später dann in einen See werfen, um dann, wenn wir wieder an dem See vorbei kommen würden, diese wieder aus dem Wasser zu ziehen. Erwischt Du Deine Ente, dann gewinnst Du etwas. Kein großer Gewinn für eine winzig kleine Chance, dachte ich.

Das müssen Andere auch gedacht haben und so entschieden sie, ihre Ente als Wurfgeschoss gegen die ToughGuys des Nachbar-Startblocks zu verwenden. Und so flog eine gelbe Ente von dem Startblock der „Wetnecks“ zu uns „Queen Wizitors“ herüber. Natürlich haben wir dieser Ente gleich ein Rückflugticket spendiert.

Innerhalb kürzester Zeit flogen dann Hunderte gelber Enten von einem Startblock zum nächsten, um gleich wieder zurückgeschickt zu werden. Schon diese Bilder, schon dieser Spaß hat aus diesem Event etwas ganz Besonderes gemacht. Ein Bild für Götter! So viel Spaß vor dem Start hatte ich schon lange nicht mehr.

Oben auf dem Hügel stand „Mr. Mouse“ mit seinem Team, eine schottische Gruppe im Kilt spielte ununterbrochen Dudelsackmusik und wir alle fieberten, dass endlich die große alte Kanone diesen Lauf freigeben würde.
Erst die „King Wizitors“, dann wir. Wir überkletterten die Absperrungen, kämpften uns den steilen Berg hinunter und warteten.

Und dann ging es endlich los …

Toughe Tage in Wolverhampton

Was ist er nun, der „ToughGuy“?
Die Veranstaltung, über die die „Birmingham Mail“ geschrieben hat:

„Es gibt viele Wege, auf denen ein Sonntag genussvoll verbracht werden kann. Aber einige Menschen würden in diese Wege auch eine zermürbende Laufstrecke einschließen, deren Härte an Körperverletzung grenzt.
Da gibt es Sümpfe, Drahtverhaue, Elektroschocks, lichterloh brennende Gräben und einen Unterwasser-Tunnel.
Trotz dieser Herausforderungen hat dieses Rennen 4.000 Menschen angezogen, an diesem „ToughGuy“ Event in den West Midlands teilzunehmen.
Es ist schwierig zu wissen, ob man diesen Menschen zu Ihrer Charakterstärke gratulieren soll … oder ob man denen nicht besser einen Besuch beim Pyschiater empfehlen sollte.
Aber eines ist sicher – das war wirklich ein Haufen von sehr toughen Jungs und Mädels, ganz sicher.“

Darf sich dieses Rennen wirklich mit dem Titel des „härtesten Rennens der Welt“ schmücken? Oder ist das nur ein Lauf für spätpubertierende Mädels und Jungs, deren Eltern sie nicht oft genug in schmutzigen Bachbetten spielen ließen, veranstaltet von einem exzentrischen und vollkommen „durchgeknallten“ Engländer gehobenen Alters, der seinen Spaß daran hat, makabere und zumindest grenzwertige Spielchen mit seinen Landsleuten und einigen Ausländern zu veranstalten?

(Klicken zum Vergrößern ... )

Makaber ist schon vieles dort bei Wolverhampton. Bei keinem anderen Lauf unterschreibst Du ein „Death Warrant“, das Eingeständnis, dort auf den heiligen Äckern erfrieren, verdursten oder an einem Herzinfarkt sterben zu können und dass nur Du selbst dafür verantwortlich bist.
Noch etwas makabrer aber ist das unwiderrufliche Angebot des Veranstalters, der sich bescheiden „Mr. Mouse“ nennt, dass Du, wenn Du zehn Mal beim „ToughGuy“ teilgenommen hast, auf diesem heiligen Gelände zur letzten Ruhe gebettet werden kannst. Und danach kannst Du Tausende von Jahren lang verrückten Menschen dabei zusehen, wie sie dort Herausforderung für Herausforderung annehmen, um am Ende eine schwere Medaille zu erhalten, die an einem simplen Plastikband hängt.

Wenn Du am Tag vor dem Lauf auf dem Gelände des „ToughGuy“ bist und nicht weißt, dass es sich um einen Lauf handelt, der seit vielen Jahren veranstaltet wird und weltweite Beachtung gefunden hat, dann würdest Du denken, dass hier ein paar englische Bauerntrampel versuchen, aus einer halbgaren Idee unendlich viel Kohle zu machen.
Alles, was Du siehst, ist improvisiert. Die T-Shirts sind hässlich, die Grafiken grauenvoll, die Tische, die Unterstände, alles ist eine Notlösung, Improvisation pur. Die Menschen, die die „Merchandise-Abteilung“ beleben, würdest Du selten in den dunklen Ecken deutscher Wochenmärkte erwarten, so einfach gestrickt sehen die aus. Dabei wirst Du das Gefühl nicht los, dass hier alle miteinander verwandt sind und dass manche hier gleichzeitig Onkel, Sohn und Vater von anderen sind und Dir fallen die Statistiken über die Inzucht-Raten in Europa ein.
War da England nicht immer ganz weit vorne?

Einfachst gebaut sind auch die Hindernisse. Da schauen spitze Nägel aus dem Holz heraus, die gespannten Sicherheitsnetze helfen Dir, Deinen Glauben an den lieben Gott wieder zu finden, weil Du denkst, dass beten mehr hilft als diese Netze. Und Du bekommst Stromschläge in einer Stärke, die Dir, wenn Du am Lauftag nicht sowieso Dein Hirn am Start abgegeben hättest, dieses aus dem Schädel blasen würden.
Die heilige Institution des deutschen TÜV würde sich wohl mit Grausen abwenden und kaum ein einziges dueser Hindernisse frei geben.

Dann schaust Du Dir die vermeintlich schwersten Hindernisse an. Du siehst 12 Millimeter starkes Eis auf dem Wasser in dem Kanal, in dem Du keine 24 Stunden später durch das kalte Nass laufen wirst. Du siehst die drei auf Höhe des Wasserspiegels montierten Stämme und die eben so hohe Brücke und Du weißt: hier wirst Du tauchen!
Kein Mensch schafft das, denkst Du noch – und Du sowieso nicht!

Und dennoch wirst Du keinen Tag später in diesem Wasser sein und Du wirst gar nicht richtig merken, dass es kalt ist. Aber beim Tauchen in das kalte Wasser wird Dir der Atem stocken und Du musst Dich regelrecht zwingen, tief einzuatmen. Das wird so weh tun, das weißt Du. Aber dieses Hindernis wird das Schlimmste von allen sein, denkst Du.

Aber Du irrst. Weil Du den „Vietkong Tunnel“ noch nicht kennst.

Als ich 2009 das erste Mal beim „ToughGuy“ gelaufen bin, gab es ihn noch nicht, jetzt aber fordert er Dich mehr als alles andere.
Vor allem die Schmerzensschreie der anderen Läufer in dem dunklen Schacht werden Dich in Sorge bringen und die Stromschläge, die Du dort erleiden wirst, werden höllisch weh tun, vor allem, wenn Du die Stomfäden an den Hals bekommst oder auf den Kopf.
Es wird dunkel sein, extrem anstrengend und schmerzhaft. Aber das wolltest Du ja haben …

Dann aber ist die Besichtigung der Strecke beendet, Du hast die Startnummer abgeholt und kannst Dich auf den Start am nächsten Tag konzentrieren, einem Tag, an dem ich rosa Elefanten sehen wollte …